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Ausgabe 6/2020November vom 08.11.2020Druckversion der Zeitung (pdf-Format ohne weiterführende Links). |
Herausgeber und verantwortlich im Sinne des
Pressegesetzes Dorothea Strake erscheint alle 2 Monate Liebe Leser, hier unsere neue Ausgabe von "Sozialrecht Online".
Viel Spaß beim Lesen wünscht |
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Wesentliche Änderung. Landessozialgericht Nordrhein-Westfalen - L 13 SB 93/19 - Beschluss vom 03.04.2020 Zwar werden Einzel-GdB nicht eigens festgestellt und können auch nicht in Bestandskraft erwachsen. Bei der Neufestsetzung nach § 48 SGB X wegen einer Änderung der Verhältnisse erfolgt auch keine reine Hochrechnung des im alten Bescheid festgestellten Gesamt-GdB. Dieser ist vielmehr unter Berücksichtigung der gegenseitigen Beeinflussung der verschiedenen Leiden neu zu ermitteln. Gleichwohl ist maßgeblich ein Vergleich der Verhältnisse zum Zeitpunkt der früheren Feststellung mit denen zum Zeitpunkt der Entscheidung. Eine wesentliche Änderung - also eine höhere Bewertung der Gesamtheit der Leiden um mindestens 10 - kann dabei auch dann zu berücksichtigen sein, wenn der damalige GdB zu hoch angesetzt war. Dies bedeutet: Sollte der GdB damals tatsächlich 40 oder weniger betragen haben (aber rechtswidrig in Höhe von 50 festgestellt worden sein) und nunmehr tatsächlich 50 betragen, könnte eine wesentliche Änderung der Verhältnisse zu bejahen sein, so dass der seinerzeit fälschlich mit 50 angesetzte Gesamt-GdB entsprechend um mindestens 10 erhöht werden müsste. Andernfalls würde § 48 Abs. 3 SGB X umgangen, der - außerhalb des Anwendungsbereiches von § 45 SGB X - die einzige Korrekturmöglichkeit bei rechtswidrig begünstigenden Bescheiden darstellt und eine durch Verwaltungsakt erfolgende Feststellung der Rechtswidrigkeit des früheren Bescheides erfordert. <<< nach oben >>> Zur Zulässigkeit einer auf das Merkzeichen "G" gerichteten Klage Landessozialgericht Hamburg - L 13 SB 42/16 - Urteil vom 28.07.2020 Die Zulässigkeit einer auf das Merkzeichen "G" gerichteten Klage setzt u.a. voraus, dass das Merkzeichen im Verwaltungsverfahren beantragt und dass darüber von der Behörde entschieden worden ist. Das Merkzeichen "G" könnte im Wege der Klageänderung gemäß § 99 Abs. 1 SGG Streitgegenstand werden, wenn die Behörde sich darauf einlässt. Eine solche Einlassung liegt nicht darin, dass die Behörde eine gutachtliche Stellungnahme u.a. des Inhalts einreicht, dass eine Zuerkennung des Merkzeichens "G" nicht empfohlen werden könne. Es handelt sich lediglich um die fachliche Stellungnahme des beratenden Arztes, nicht um eine prozessuale Erklärung der Behörde. Etwas anderes ergibt sich auch nicht daraus, dass der vom Sozialgericht beauftragte Sachverständige entsprechend der gerichtlichen Beweisanordnung auch zu den Voraussetzungen des Merkzeichens "G" Stellung genommen hat. <<< nach oben >>>
CIDP ist nicht auf Impfung mit Begrivac zurückzuführen Landessozialgericht Nordrhein-Westfalen - L 13 VE 40/19 - Urteil vom 21.08.2020 Es gibt keine wissenschaftlichen Erkenntnisse, die für einen kausalen Zusammenhang zwischen einer Influenzaimpfung mit Begrivac und einer chronisch-inflammatorischen demyelinisierenden Polyneuropathie (CIDP) sprechen. <<< nach oben >>> Das Tatbestandsmerkmal "vorsätzlicher, rechtswidriger tätlicher Angriff" i.S.d. OEG verstößt nicht gegen Europarecht Das Europäische Übereinkommen vom 24.11.1983 über die Entschädigung für Opfer von Gewalttaten, das keine Definition des Begriffs "vorsätzliche Gewalttat" enthält, gebietet keine erweiternde Auslegung des § 1 Abs. 1 Satz 1 OEG. Der bundesdeutsche Gesetzgeber hat deshalb durch das Tatbestandsmerkmal "vorsätzlicher, rechtswidriger tätlicher Angriff" in § 1 Abs. 1 S. 1 OEG in zulässiger Weise von seinem durch das Übereinkommen belassenen Gestaltungsspielraum Gebrauch gemacht. Gegenteiliges ergibt sich auch aus der Richtlinie 2004/80/EG des Europäischen Rates vom 29.4.2004 zur Entschädigung von Opfern von Straftaten nicht. <<< nach oben >>>
Gutachten nach § 109 SGG Landessozialgericht Niedersachsen-Bremen - L 13 SB 71/20 B - Beschluss vom 12.08.2020 Bei der Beurteilung der Frage, ob das Gutachten für die gerichtliche Entscheidung Bedeutung gewonnen oder die Sachaufklärung wesentlich gefördert hat, ist es insbesondere auf dem Gebiet des Schwerbehindertenrechts regelmäßig nicht ausreichend, dass ein Gutachten die Aufklärung des Sachverhalts objektiv überhaupt in irgendeiner Weise sinnvoll gefördert hat, denn diese Voraussetzung ist hier bei medizinischen Gutachten aufgrund der Relevanz sämtlicher medizinischer Erkenntnisse für die Entscheidungsfindung fast immer gegeben. Bedeutsam ist hierbei u. a., ob durch das Gutachten neue beweiserhebliche Gesichtspunkte zu Tage getreten sind oder die Beurteilung auf eine wesentlich breitere und für das Gericht und die Beteiligten überzeugendere Grundlage gestellt worden ist. Nur eine wesentliche Förderung der Sachaufklärung oder Relevanz für die gerichtliche Entscheidung rechtfertigt eine Kostenübernahme. Dies setzt im Ausgangspunkt regelmäßig voraus, dass das Gutachten belastbare neue medizinische Aspekte erbracht hat bzw. dass die gutachtlichen Erwägungen des Sachverständigen einen für den Ausgang des Verfahrens relevanten beachtlichen Beitrag zur Sachaufklärung geleistet haben. <<< nach oben >>> Zur Bestimmtheit eines Verwaltungsakts BSG - B 9 SB 86/19 B - Beschluss vom 06.03.2020 Für die Frage der Bestimmtheit eines Verwaltungsakts ist in erster Linie auf den Verfügungssatz des Verwaltungsakts abzustellen. notfalls auch auf dem Verwaltungsakt "beigefügte Unterlagen". Für die Auslegung des Regelungsinhalts eines Verwaltungsakts kann aber auch auf dessen Begründung und auf begleitende Unterlagen abgestellt werden. <<< nach oben >>> Voraussetzungen für Übernahme der Kosten eines 109er-Gutachtens Landessozialgericht Niedersachsen-Bremen - L 13 SB 71/20 B - Beschluss vom 12.08.2020 Die Entscheidung, ob die Kosten für ein Gutachten nach § 109 SGG, auf die Landeskasse übernommen werden, hängt u.a. davon ab, ob das Gutachten für die gerichtliche Entscheidung Bedeutung gewonnen bzw. die Sachaufklärung objektiv in wesentlicher Weise gefördert hat. Die (Mit-)ursächlichkeit eines solchen Gutachtens für ein Angebot der Gegenseite führt nicht zwingend zu einer Kostenübernahme. Einschränkungen bestehen, wenn es sich lediglich um einen Teilerfolg von nur untergeordneter Bedeutung für den Kläger gehandelt hat oder wenn nicht festgestellt werden kann, dass die Sachaufklärung von Amts wegen unzureichend gewesen ist, etwa weil eine maßgebliche Verschlimmerung erst ab einem Zeitpunkt angenommen worden ist, der nach Abschluss der Sachaufklärung von Amts wegen liegt. Gleiches gilt, wenn der neue Erkenntnisgewinn auf einfachere Weise als durch ein Gutachten zu erlangen gewesen wäre, etwa wenn das Gutachten neu festgestellte oder bislang nicht hinreichend beachtete Funktionsstörungen in das Verfahren einführt, die bereits durch die bloße Konsultation eines niedergelassenen Arztes nebst nachfolgendem Befundbericht zum Verfahren hätten beigesteuert werden können. <<< nach oben >>> Vertrauen in Postlaufzeit ist eingeschränkt Landessozialgericht Berlin-Brandenburg - L 11 VG 7/20 - Urteil vom 20.08.2020 Eine Fristversäumnis (hier Berufungsfrist) ist unverschuldet, wenn der Beteiligte die ihm nach seinen Verhältnissen zumutbare Sorgfalt beachtet. Bedient sich ein Beteiligter der Deutschen Post AG, so darf er regelmäßig darauf vertrauen, dass die Postsendung am folgenden Werktag nach der Aufgabe zur Post eingeht (so BSG). Daran bestehen aber angesichts der Postlaufzeiten nach der Post-Universaldienstleistungsverordnung Zweifel. Im Übrigen - so weiter das LSG - gilt die Vermutung des BSG nur, wenn die Postsendung an einem Werktag aufgegeben worden ist. <<< nach oben >>> Nur 1 Beschwerde gegen nachträgliche Aufhebung einer bewilligenden PKH-Entscheidung Landessozialgericht Sachsen-Anhalt - L 7 SB 71/19 B - Beschluss vom 29.06.2020 § 73a Abs. 8 SGG, der auch auf sog. Altfälle (Bewilligung vor dem 01.01.2014) anwendbar ist, erfasst ausdrücklich auch Entscheidungen des Urkundsbeamten über die Aufhebung der Bewilligung der PKH nach § 124 Abs. 1 Nr. 2 ZPO. Damit kann gegen Entscheidungen des Urkundsbeamten binnen eines Monats nach Bekanntgabe das Gericht angerufen werden, das endgültig entscheidet, d.h. eine Beschwerde gegen diese Entscheidung des Gerichts ist ausgeschlossen. <<< nach oben >>>
Zeitliche Begrenzung von Erstattungsansprüchen. Bundessozialgericht - B 14 AS 10/19 R - Urteil vom 14.05.2020 Die Regel, dass eine Änderung des Verfahrensrechts bei fehlender Übergangsvorschrift grundsätzlich auch anhängige Rechtsstreitigkeiten erfasst, unterliegt verfassungsrechtlichen Grenzen, wenn rechtsstaatliche Grundsätze der Rechtssicherheit und des Vertrauensschutzes dies gebieten; dies gilt nach der Rechtsprechung des BVerfG für Verfahrensrechtsänderungen, die eine verfahrensrechtliche Lage in wesentlicher Hinsicht umgestalten und deshalb einem Eingriff in materiell-rechtliche Gewährleistungen gleichkommen; auch wenn das Vertrauen in den Fortbestand verfahrensrechtlicher Regelungen von Verfassungs wegen grundsätzlich weniger geschützt ist als das in die Aufrechterhaltung materieller Rechtspositionen, können verfahrensrechtliche Regelungen im Einzelfall im gleichen Maße schutzwürdig sein wie Positionen des materiellen Rechts. Daraus hat das BVerfG als Auslegungsregel abgeleitet, dass neu eingeführte Beschränkungen von Rechtsmitteln für bereits anhängige Verfahren nur gelten, wenn dies im Übergangsrecht klar zum Ausdruck kommt. Das gilt auch für das Übergangsrecht zu § 40 Abs. 1 Satz 2 Nr. 1 SGB II. Während bis dahin nur die nachträgliche Geltendmachung zu Unrecht versagter Sozialleistungen für die Vergangenheit zeitlich begrenzt war, beschränkt die Neuregelung die Möglichkeit, eine etwaige künftige Inanspruchnahme durch einen bestandskräftig gewordenen und - wie hier - noch nicht vollzogenen Erstattungsbescheid nachträglich überprüfen zu lassen und betrifft damit nicht nur die Rückgängigmachung bereits abgeschlossener Erstattungen. Jedenfalls mit Blick auf die Beschränkung von Abwehrmöglichkeiten von Leistungsbeziehern gegenüber einer möglichen späteren Inanspruchnahme durch einen rechtswidrigen Aufhebungs- und Erstattungsbescheid ist die Geltung von § 40 Abs. 1 Satz 2 Nr. 1 SGB II für vor Inkrafttreten des 9. SGB II-ÄndG gestellte Überprüfungsanträge nur zu rechtfertigen, sofern dies dem maßgeblichen Übergangsrecht oder der Entstehungsgeschichte der Vorschrift selbst zweifelsfrei zu entnehmen ist. <<< nach oben >>> Löschung von Kontoauszügen. Bundessozialgericht - B 14 AS 7/19 R - Urteil vom 14.05.2020 Unrechtmäßig verarbeitet wurden bzw. nicht mehr notwendig sind i.S. von Artikel 17 Abs. 1 DSGVO zur Leistungsakte genommene Kontoauszüge, sofern sich ihre Verarbeitung nicht auf eine nach Artikel 6 DSGVO rechtfertigende Befugnis stützen konnte bzw. nicht mehr kann. Rechtmäßig ist die Verarbeitung personenbezogener Daten danach u.a., soweit sie "zur Erfüllung einer rechtlichen Verpflichtung erforderlich (ist), der der Verantwortliche unterliegt" (Artikel 6 Abs. 1 Buchst. c DSGVO). Das richtet sich - sofern das Unionsrecht nicht selbst eine Regelung triff - gemäß Artikel 6 Abs. 3 Satz 1 Buchst. b DSGVO nach dem Recht der Mitgliedstaaten, dem der Verantwortliche unterliegt, hier also nach den sozialdatenschutzrechtlichen Verarbeitungsbefugnissen des SGB in der für die einzelnen Verarbeitungsstadien jeweils geltenden Fassung. Danach war das Jobcenter befugt, Informationen u.a. über Gutschriften auf Konten von Leistungsbeziehern zu erheben und ist weiter befugt, solche Kontoauszüge für die Dauer von zehn Jahren nach Bekanntgabe der Leistungsbewilligung in Kopie zur Leistungsakte zu nehmen, sofern es die Schwärzung nicht leistungserheblicher Angaben zu Zahlungsempfängern angeboten hat. <<< nach oben >>> Vorzeitige Altersrente. Bundessozialgericht - B 4 AS 12/20 R - Urteil vom 24.06.2020 Nach § 4 UnbilligkeitsV ist die Inanspruchnahme einer vorzeitigen Altersrente unbillig, solange Hilfebedürftige sozialversicherungspflichtig beschäftigt sind oder aus sonstiger Erwerbstätigkeit ein entsprechend hohes Einkommen erzielen (Satz 1). Dies gilt nur, wenn die Beschäftigung oder sonstige Erwerbstätigkeit den überwiegenden Teil der Arbeitskraft in Anspruch nimmt (Satz 2). § 4 UnbilligkeitsV ist auf hilfebedürftige Personen zugeschnitten, die eine sozialversicherungspflichtige Beschäftigung ausüben und damit zu einem nicht unerheblichen Umfang zur Deckung des eigenen Lebensunterhalts beitragen. Bei den weiter erfassten Personen, die aufgrund einer nicht abhängigen Erwerbstätigkeit nicht sozialversicherungspflichtig sind, muss unbesehen des zeitlichen Erfordernisses das Einkommen so hoch sein, dass es dem monatlichen Bruttoeinkommen eines sozialversicherungspflichtig Beschäftigten von mindestens 450,01 Euro entspricht. <<< nach oben >>> Tablets für Schüler. Landessozialgericht Niedersachsen-Bremen - L 7 AS 66/19 - Urteil vom 06.10.2020 Kosten für digitale Geräte sind bereits vom Regelbedarf im Sinne des § 20 Abs. 1 SGB II erfasst. Bei den regelbedarfsrelevanten Verbrauchsausgaben in der Abteilung 09 für Kinder von 6 bis unter 14 Jahren wird unter der laufenden Nummer 49 der Sonderauswertung der Einkommens- und Verbrauchsstichprobe (EVS) 2013 ein Betrag von 2,88 EURO monatlich für Datenverarbeitungsgeräte sowie System- und Anwendungssoftware (einschließlich Downloads und Apps) angeführt. Als weitere einschlägige Positionen werden in derselben Abteilung 09 unter der laufenden Nummer 50 ein Betrag von 2,64 EURO monatlich für Bild-, Daten- und Tonträger sowie unter der laufenden Nummer 62 ein Betrag von 2,88 EURO monatlich für sonstige Gebrauchsgüter für Schule, Büro, Unterhaltung und Freizeit angeführt. Unerheblich ist es für den hier zu beantwortenden systematischen Zusammenhang, dass dieser Bedarf nicht unter der Rubrik Bildung (Abteilung 10) erfasst wird, weil es allein darauf ankommt, dass entsprechende Bedarfe vom Regelsatz erfasst sind, nicht aber, unter welcher Abteilung, zudem der Regelbedarf nach eigenem Gutdünken eingesetzt werden kann selbst für Dinge, die in der EVS gar nicht erfasst werden. Neben der Schülerbedarfspauschale entfallen mithin 8,40 EURO monatlich (100,80 EURO jährlich) auf das Verbrauchsverhalten. Selbst wenn bei der Datenerhebung im Jahre 2013 Tablets ggf. noch nicht weit verbreitet waren, muss ein iPad der Rubrik "Datenverarbeitungsgerät" zugeordnet werden. Denn diese erfasst jedes entsprechende Gerät, unabhängig von der Frage, ob Daten durch einen fest installierten PC, ein Laptop oder ein Tablet verarbeitet werden. Dies bedeutet, dass der geltend gemachte Bedarf grundsätzlich vom Regelbedarf erfasst wird, auch wenn möglicherweise in unzureichender Höhe. Dies zu entscheiden obliegt dem Gesetzgeber. Verfassungsrechtliche Bedenken bestehen hiergegen nicht, weil ein Tablet nicht zur Sicherung des Existenzminimums eines Schülers zwingend erforderlich ist. <<< nach oben >>>
Heizkosten. Bundessozialgericht - B 8 SO 1/19 R - Urteil vom 30.04.2020 Ob zu den Kosten der Unterkunft nach § 85 Abs. 1 SGB XII auch die Heizkosten gehören, war schon nach der bis 31.12.2015 geltenden Rechtslage umstritten. Das BSG hat insoweit entschieden, dass auch die Kosten für Heizung bei der Bestimmung der Einkommensgrenze nach § 85 SGB XII zu berücksichtigen sind. Er hat seine Auslegung nicht lediglich auf den von § 35 SGB XII n.F. abweichenden Wortlaut, sondern vor allem auf den Sinn und Zweck der Regelung gestützt. Normzweck des § 85 SGB XII ist danach, durch Festlegung einer Einkommensgrenze, bei deren Unterschreiten eine Eigenbeteiligung des Leistungsberechtigten regelmäßig bei der Inanspruchnahme von Leistungen nach dem Fünften bis Neunten Kapitel des SGB XII nicht erforderlich ist (zu den Ausnahmen aber § 88 SGB XII), dem Leistungsberechtigten einen Lebensstandard oberhalb der Bedürftigkeit für Hilfe zum Lebensunterhalt (§ 19 Abs. 1 SGB XII) zu sichern; dies umfasst auch angemessene Heizkosten, die normativ und auch tatsächlich notwendigerweise für den allgemeinen Lebensunterhalt zur Verfügung stehen müssen. <<< nach oben >>>
Beschäftigungsverhältnis. Bundessozialgericht - B 11 AL 3/19 R - Urteil vom 24.06.2020 Der Begriff des Beschäftigungsverhältnisses ist kontextabhängig und funktionsdifferent auszulegen. Funktion des für die Dauer und die Höhe des Alg-Anspruchs maßgebenden Begriffs des versicherungsrechtlichen Beschäftigungsverhältnisses ist es, den Versicherungsschutz in der Sozial- und Arbeitslosenversicherung zu gewährleisten. Deshalb ist das Beschäftigungsverhältnis im versicherungsrechtlichen Sinn auch bei tatsächlicher Nichtbeschäftigung nicht beendet, wenn und solange eine Pflicht des Arbeitgebers zur Fortzahlung des Arbeitsentgelts besteht. Dies gilt etwa in Fallgestaltungen rechtlich unwirksamer Kündigungen von Arbeitsverträgen, in denen der Arbeitnehmer seine Arbeitskraft zur Verfügung stellt, der Arbeitgeber sie aber nicht annimmt und dadurch in Annahmeverzug gerät. <<< nach oben >>>
Sozialgerichtsgesetz, Kommentar zum SGG, Ein unverzichtbares Werkzeug für Juristen. Das liegt in erster Linie an der Menge von Informationen, die z. B. bei Zitaten auch Urteile mit Aktenzeichen und Verkündungsdatum enthalten. Fettgedruckte Schlagworte erleichtern das Querlesen bzw. Springen. Dieser Fettdruck fasst jeweils nochmal den Inhalt des folgenden Absatz' zusammen, so z. B. bei § 106 SGG. Das ist auch dringend notwendig angesichts der Informationsfülle zu einigen Vorschriften; so hat mittlerweile die Kommentierung zu § 86 b SGG 55 einzelne Randnummern. Aus den Randnummern läßt sich ersehen, wie sich im Laufe der Zeit die Praxis, gerade nach Einführung des SGB II - Leistungen der Grundsicherung für Arbeitsuchende - weiterentwickelt hat: Gab es zunächst nur die Randnummern 1, 2, 3, geht es jetzt im einstweiligen Rechtsschutz schon bis Randnummer 35 f. Es ist zu erwarten, daß sich gerade im Zuge der Corona Pandemie der elektronische Rechtsverkehr rasant weiter entwickeln wird. "Pre Corona" hat § 65 a ("Übermittlung elektronischer Dokumente") 18 Rn,. nach Corona dürften es mehr als 25 sein. Im Sozialrechtsprozeß ist die Vertretung durch anwaltliche Bevollmächtigte nicht vorgeschrieben, daher würde sich der sich der Kommentar vom Format her anbieten an für unvertretene Kläger. Durch die Abkürzungen wird die Verwertbarkeit für diese aber stark eingeschränkt. Allein das vorangestellte Abkürzungsverzeichnis umfasst 13 Seiten. Sprachlich ist der Kommentar nicht die pure Freude, mal wird auf Artikel ("Gericht sollte erforderlichenfalls mit dem Sachverständigen erörtern ...") verzichtet, an anderen Stellen erfolgt die Zitierung in vollständigen Sätzen. Auf der einen Seite ist das zu begrüßen, es erhöht die Verständlichkeit. Dadurch wird der - eigentlich recht trockene Kommentar - zu einer interessanten Lektüre. Andererseits führt es zu einem ständig zunehmenden Umfang des Kommentares, auch wenn er auf wesentlich dünnerem Papier gedruckt ist als die Konkurrenzwerke. Aber anders läßt sich ein so erschöpfendes Standardwerk nicht auf Taschenbuchformat bringen. Fazit: Detaillierte, umfassende Schilderung des sozialgerichtlichen Verfahrens, dabei anschaulich geschrieben. Irreführende Quellenangaben habe ich (bei nur stichprobenartiger Kontrolle) nicht gefunden), auch keine Lektoren Fehler. Der "Meyer - Ladewig" bleibt völlig verdient ein Klassiker. Rechtsanwältin und Fachanwältin für Sozialrecht <<< nach oben >>> Die nächste Ausgabe unserer Zeitschrift erscheint im Januar 2021! |
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