Ausgabe    1/2016 

Januar vom 11.01.2016 

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     Rechtsprechung

Schwerbehindertenrecht

Verfahrensrecht

Krankenversicherung

Unfallversicherung

Rentenversicherung

Anwaltshonorar

Grundsicherung für Arbeitssuchende SGB II

Sozialhilfe SGB XII

Asylbewerberleistungsrecht

Arbeitsförderungsrecht

Künstlersozialversicherung

 

     Buchrezension

     Service

Herausgeber und verantwortlich im Sinne des Pressegesetzes Dorothea Strake
Schulstr. 90, 41372 Niederkrüchten

 erscheint alle 2 Monate


Liebe Leser,

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Viel Spaß beim Lesen wünscht
Ihr Team des Sozialmedizinischen Verlags.


Rechtsprechung

Schwerbehindertenrecht

Psychische Störungen und Merkzeichen "G"

Bundessozialgericht - B 9 SB 1/14 R - Urteil vom 11.08.2015

Psychische Störungen, die sich spezifisch auf das Gehvermögen auswirken, können zu einer erheblichen Beeinträchtigung der Bewegungsfähigkeit im Straßenverkehr führen, auch wenn sie Anfallsleiden oder Orientierungsstörungen nicht gleichzusetzen sind.

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Neue Rechtsprechung zur "Blindheit"

Bundessozialgericht - B 9 BL 1/14 R - Urteil vom 11.08.2015

Das BSG hatte bisher in Anlehnung an Empfehlungen der Sektion Versorgungsmedizin des Ärztlichen Sachverständigenbeirates beim früheren Bundesministerium für Arbeit und Sozialordnung zwischen Störungen beim "Erkennen" (Schädigung des Sehapparates) und beim "Benennen" (Schädigung in der Verarbeitung wahrgenommener optischer Reize) unterschieden. Ausgangspunkt der Empfehlung war der Antrag eines Mädchens, das infolge einer Gewalttat unter einem apallischen Syndrom litt und die Versorgung mit einem Blindenführhund beantragt hatte. Der Sachverständigenbeirat beim BMA kam zu dem Ergebnis, dass bei einer solchen cerebralen Schädigung (dort als "Seelenblindheit" oder "visuelle Agnosie" bezeichnet) keine Blindheit vorliege; nicht das Sehvermögen mit dem Sehorgan im engeren Sinne sei beeinträchtigt, sondern die Fähigkeit, das Gesehene geistig zu verarbeiten. Das BSG hat bei seiner Differenzierung zwischen "Erkennens- und Benennungsstörungen" selbst darauf hingewiesen, dass es sich im Einzelfall als sehr schwierig erweisen könne, eine Störung zu lokalisieren und einer dieser Kategorien zuzuweisen. Das BSG gibt diese Differenzierung nunmehr auf. Entscheidend für den Anspruch auf Blindengeld ist allein, ob es insgesamt an der Möglichkeit zur Sinneswahrnehmung "Sehen" (optische Reizaufnahme und deren weitere Verarbeitung im Bewusstsein des Menschen) fehlt, ob der behinderte Mensch "blind" ist.

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Zur Feststellung einer posttraumatischen Belastungsstörung

Landessozialgericht Nordrhein-Westfalen - L 13 SB 415/12 ZVW - Urteil vom 28.11.2014

Nach dem die VersMedV ergänzend Beschluss des ärztlichen Sachverständigenbeirats setzt die Diagnose einer posttraumatischen Belastungsstörung eine genaue Orientierung an den international vorgegebenen diagnostischen Kategorien voraus (hier ICD 10). Das bedeutet, dass

A) die betroffene Person Opfer oder Zeuge eines oder mehrerer traumatischer Ereignisse war, die tatsächlichen oder drohenden Tod oder ernsthafte Verletzung oder eine Gefahr der körperlichen Unversehrtheit der eigenen Person oder anderer Personen beinhalteten und dass die Reaktion des/der Betroffenen intensive Furcht, Hilflosigkeit oder Entsetzen umfasste,

B) ein ständiges Wiedererleben des traumatischen Erlebnisses auf mindestens einer der im DSM IV-TR genannten Arten gutachtlich auf Befundebene nachvollziehbar geschildert wird,

C) eine anhaltende Vermeidung von Stimuli, die mit dem Trauma in Verbindung stehen, oder eine Einschränkung der allgemeinen Reagibilität, die vor dem Trauma nicht vorhanden war, in mindestens drei der im DSM IV genannten Merkmalen zum Ausdruck kommt,

D) anhaltende Symptome eines erhöhten Erregungsniveaus vorliegen, die vor dem Trauma nicht vorhanden waren und die durch mindestens zwei der im DSM IV genannten Merkmale gekennzeichnet sind. Bei der Erhebung dieser Befunde können psychologische Zusatzuntersuchungen hilfreich sein. So sollte im Zweifelsfall die Glaubhaftigkeit der Aussagen des Betroffenen durch entsprechende Standardverfahren (z.B. Beschwerden-Validierungstest, MMPI-2) belegt werden.

E) das Störungsbild länger als einen Monat dauert und in klinisch bedeutender Weise Leiden oder Beeinträchtigungen in sozialen, beruflichen oder anderen wichtigen Funktionsbereichen verursacht.

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Wesentliche Besserung kann auch nach mehr als 10 Jahren berücksichtigt werden

Bundessozialgericht - B 9 SB 2/15 R - Urteil vom 11.08.2015

Die von § 48 Abs. 4 Satz 1 SGB X angeordnete "entsprechende" Anwendung des § 45 Abs. 3 Satz 3 SGB X steht einer Aufhebung der GdB-Feststellung wegen dieser Änderung der tatsächlichen Verhältnisse nicht entgegen. Nach § 45 Abs. 3 Satz 3 SGG kann ein rechtswidriger begünstigender Verwaltungsakt auch bei vorwerfbarem Verhalten des Begünstigten nur bis zum Ablauf von zehn Jahren nach seiner Bekanntgabe zurückgenommen werden. Das LSG hat unter Verweis auf die Rechtsprechung des BSG zutreffend angenommen, dass die entsprechende Anwendung der Zehnjahresfrist nach Systematik sowie Sinn und Zweck nicht dazu dient, einer wesentlichen Änderung nach zehn Jahren jegliche Bedeutung abzusprechen. Vielmehr verbietet sie es lediglich nach Ablauf dieser Zeit, den Leistungsbescheid rückwirkend zu ändern und damit in abgeschlossene Lebensvorgänge einzugreifen. Andererseits besteht kein überzeugender Grund, die Aufhebung des Ausgangsbescheids für die Zukunft davon abhängig zu machen, wann die Änderung eingetreten ist. Unterbliebenen Verwaltungsakten, insbesondere dem Nichterlass eines Aufhebungsbescheides, kann - anders als den von § 45 SGB X geregelten, von Anfang an unrichtigen Bescheiden - keine Bestandskraft zukommen. Im Fall der Änderung der Verhältnisse fehlt es vielmehr hinsichtlich der neuen, nunmehr maßgebenden Sach- und Rechtslage an einer Verwaltungsentscheidung, die dem Betroffenen Anlass geben könnte, sich auf die Unerheblichkeit der eingetretenen Änderung zu verlassen. Sein Interesse wird dadurch nicht unzumutbar vernachlässigt. Bis der Aufhebungsbescheid wirksam wird, verbleibt ihm die Dauerleistung, die der Gesetzgeber ihm nach der materiellen Rechtslage nicht zugedacht hatte.

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Aufhebung eines Dauerverwaltungsaktes

Landessozialgericht Berlin-Brandenburg - L 13 SB 140/13 - Urteil vom 16.04.2015

Ein Bescheid, mit dem eine begünstigende Feststellung im Schwerbehindertenverfahren ganz oder teilweise aufgehoben wird, ist nicht derart in zeitlicher Hinsicht teilbar, dass einer rechtswidrig früh einsetzenden Wirkung durch Aufhebung des Bescheides nur für einen Teilzeitraum Rechnung getragen und der Bescheid im Übrigen aufrechterhalten werden könnte. Bei einem Entziehungsbescheid, der eine günstige Feststellung in einem Dauerverwaltungsakt ändert, handelt es sich seinerseits nämlich nicht um einen Dauerverwaltungsakt. Seine Wirkung beschränkt sich darauf, den aufzuhebenden Dauerverwaltungsakt zum Zeitpunkt der von der Behörde intendierten Wirksamkeit ganz oder teilweise aufzuheben. Für nachfolgende Zeiträume enthält er hingegen keinerlei Feststellung. Maßgeblich ist insoweit einzig der ursprüngliche Dauerverwaltungsakt in der Fassung, die er durch den Entziehungsbescheid erhalten hat. Diese zeitlich punktuelle Wirkung eines Aufhebungsbescheides führt dazu, dass eine erst später eintretende Wirkung der intendierten Entziehung - anders eine geringer ausfallende Entziehung der Begünstigung - nicht ein Minus gegenüber der ursprünglichen Regelung ist, sondern ein Aliud.

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Zum Merkzeichen "H"

Schleswig-Holsteinisches Landessozialgericht - L 2 SB 16/12 - Urteil vom 10.11.2015

Nicht berücksichtigungsfähig bei der Feststellung von Hilflosigkeit (Merkzeichen "H") ist eine Begleitung zu Arztterminen. In Anlehnung zu den in der Pflegeversicherung gemäß §§ 17, 53a SGB XI geltenden Richtlinien zur Begutachtung von Pflegebedürftigkeit (BRI) ist die Begleitung zu Arztbesuchen oder Therapien nur berücksichtigungsfähig, wenn diese Termine regelmäßig mindestens einmal pro Woche stattfinden.

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Verfahrensrecht

Erinnerung im Kostenrecht

Bayerisches Landessozialgericht - L 15 SF 281/15 - Kostenbeschluss vom 15.10.2015

Die Erinnerung gemäß § 66 Abs. 1 GKG kann nur auf eine Verletzung des Kostenrechts gestützt werden, nicht aber auf die (vermeintliche oder tatsächliche) Unrichtigkeit einer im Hauptsacheverfahren getroffenen Entscheidung. Die im Hauptsacheverfahren getroffenen Entscheidungen sind wegen der insofern eingetretenen Bestandskraft einer Überprüfung im Kostenansatzverfahren entzogen. Gleiches gilt grundsätzlich auch für die dort getroffenen Verfügungen. Im Erinnerungsverfahren zum Kostenansatz nach § 19 GKG kann daher lediglich geprüft werden, ob die im Hauptsacheverfahren erfolgten Festlegungen kostenrechtlich richtig umgesetzt worden sind. Ebenfalls zum Gegenstand des Erinnerungsverfahrens kann die Frage gemacht werden, ob wegen unrichtiger Sachbehandlung im Sinn des § 21 Abs. 1 Satz 1 GKG oder wegen unverschuldeter Unkenntnis der tatsächlichen oder rechtlichen Verhältnisse gemäß § 21 Abs. 1 Satz 3 GKG Kosten nicht erhoben werden.

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Durch Erinnerung kann Hauptsachentscheidung nicht angegriffen werden

Bayerisches Landessozialgericht - L 15 SF 328/15 - Kostenbeschluss vom 04.12.2015

Erinnerungsverfahren zu Gerichtskostenfeststellungen sind kein Instrument zur erneuten Überprüfung von in der Hauptsache getroffenen Entscheidungen. Die in den Hauptsacheverfahren gefassten Beschlüsse sind für das Kostenansatzverfahren bindend. Erst recht kann im Erinnerungsverfahren keine Überprüfung von gerichtlichen Entscheidungen erfolgen, die den Hauptsacheverfahren vorausgegangen sind. Selbst dann, wenn eine im Hauptsacheverfahren getroffene Entscheidung und erst recht eine dem Hauptsacheverfahren vorgelagerte gerichtliche Entscheidung falsch sein könnte oder sogar offenkundig unrichtig wäre, sich das Gericht der Kostensache im Rahmen der Entscheidung über die Erinnerung nicht über die im Hauptsacheverfahren erfolgte bindende Entscheidung hinwegsetzen und diese durch eine eigene Bewertung ersetzen dürfte. Einer Korrektur im Rahmen der Erinnerung sind diese Fälle aufgrund der Rechtssystematik nicht zugänglich.

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Zur Frage, wann ein Notfall vorliegt

Bundessozialgericht - B 1 KR 14/14 R - Urteil vom 08.09.2015

Ein Notfall im Sinn von § 76 Abs. 1 Satz 2 SGB V vermag grundsätzlich keinen Kostenerstattungsanspruch nach § 13 Abs. 3 Satz 1 Fall 1 SGB V zu begründen, sondern schließt ihn aus. Ist die Behandlung aus medizinischen Gründen so dringlich, dass es bereits an der Zeit für die Auswahl eines zugelassenen Therapeuten und dessen Behandlung - sei es durch dessen Aufsuchen oder Herbeirufen - fehlt, also ein unvermittelt aufgetretener Behandlungsbedarf sofort befriedigt werden muss, liegt ein Notfall vor. In diesem Fall dürfen auch andere, nicht zugelassene Therapeuten in Anspruch genommen werden und erbringen ihre Leistung als Naturalleistung. Der Leistungserbringer kann seine Vergütung nicht vom Versicherten, sondern nur von der Kassenärztlichen Vereinigung verlangen. Das entspricht bei ärztlichen Leistungen einem allgemeinen Prinzip. So werden in Notfällen von Nichtvertragsärzten erbrachte Leistungen im Rahmen der vertragsärztlichen Versorgung durchgeführt und aus der Gesamtvergütung vergütet. Auch die stationäre Notfallbehandlung eines Versicherten in einem nicht zugelassenen Krankenhaus ist eine Naturalleistung der GKV. Der Vergütungsanspruch richtet sich nicht gegen den Versicherten, sondern allein gegen die KK.

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Dienstreise und Nahrungsaufnahme

Landessozialgericht Nordrhein-Westfalen - L 17 U 325/13 - Beschluss vom 11.11.2015

Auch bei Dienstreisen oder anderen betriebsdienlichen Verrichtungen außerhalb des Betriebes steht nicht die Nahrungsaufnahme selbst, sondern stehen allein die Wege zu und von der Nahrungsaufnahme oder Nahrungsbeschaffung unter Unfallversicherungsschutz, also etwa der Weg vom und zum Bäcker, um ein Pausenbrot zu kaufen, jedoch nicht der Weg, auf dem das bereits mitgebrachte Pausenbrot verzehrt wird.

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Zu noch nicht aufgeführten Listenerkrankungen

Sozialgericht Lüneburg - S 2 U 154/10 - Urteil vom 21.10.2015

Es ist zu beachten, dass § 9 Abs. 2 SGB VII keine Auffangvorschrift oder Härteklausel für alle beruflich bedingten Krankheiten ist, die nicht als Listenerkrankung in der BKV erfasst sind. Vielmehr soll dadurch nur sichergestellt werden, dass der Unfallversicherungsträger oder die Gerichte anstelle des Verordnungsgebers tätig werden können, wenn neue und vor allem gefestigte medizinische Erkenntnisse vorliegen, über die der Verordnungsgeber - seit Erlass der letzten Anlage 1 zur BKV - noch nicht entschieden hat oder die zur Zeit einer ablehnenden Entscheidung noch nicht zur Berufskrankheiten-Reife verdichtet waren.

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Leistungsbehinderung und Leistungseinschränkung

Bayerisches Landessozialgericht - L 13 R 113/14 - Urteil vom 23.10.2015

Eine schwere spezifische Leistungsbehinderung meint die Fälle, in denen bereits eine einzige schwerwiegende Behinderung ein weites Feld von Verweisungsmöglichkeiten versperrt. Als Beispiel hierfür ist etwa die Einarmigkeit eines Versicherten zu nennen. Das Merkmal "Summierung ungewöhnlicher Leistungseinschränkungen" trägt hingegen dem Umstand Rechnung, dass auch eine Vielzahl von Einschränkungen, die jeweils nur einzelne Verrichtungen oder Arbeitsbedingungen betreffen, zusammengenommen das noch mögliche Arbeitsfeld in erheblichem Umfang zusätzlich einengen können. In diesen Fällen besteht die Verpflichtung, ausnahmsweise eine konkrete Tätigkeit zu benennen, weil der Arbeitsmarkt möglicherweise für diese überdurchschnittlich leistungsgeminderten Versicherten keine Arbeitsstelle bereithält oder nicht davon ausgegangen werden kann, dass es für diese Versicherten eine ausreichende Anzahl von Arbeitsplätzen gibt oder ernste Zweifel daran aufkommen, ob der Versicherte in einem Betrieb einsetzbar ist.

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Zur Stellung eines Geschäftsführers

Bayerisches Landessozialgericht - L 7 R 173/14 - Urteil vom 23.11.2015

Grundsätzlich kann ein Geschäftsführer einer GmbH zu dieser in einem Beschäftigungsverhältnis stehen. Allerdings schließt ein rechtlich maßgeblicher Einfluss auf die Willensbildung der Gesellschaft auf Grund der Gesellschafterstellung ein Beschäftigungsverhältnis aus, wenn der Geschäftsführer-Gesellschafter damit Einzelanweisungen an sich im Bedarfsfall jederzeit verhindern kann. Das Bundessozialgericht bejaht eine selbständige Tätigkeit, wenn der Geschäftsführer auch Gesellschafter ist und als solcher entweder Mehrheitsgesellschafter ist oder über eine Sperrminorität dergestalt verfügt, dass er an ihn gerichtete Weisungen verhindern kann. Demgegenüber geht das BSG in ständiger Rechtsprechung davon aus, dass Fremdgeschäftsführer (Geschäftsführer ohne Gesellschaftsanteile) in der Regel in einem abhängigen Beschäftigungsverhältnis stehen. Entscheidend ist insbesondere, ob der Geschäftsführer als Gesellschafter über die Rechtsmacht verfügt, ihm als Geschäftsführer nicht genehme Beschlüsse der Gesellschaft zu verhindern, was aus den Mehrheitsverhältnissen in der Gesellschaft herzuleiten ist.

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Hörgeräteversorgung

Hessisches Landessozialgericht - L 2 R 293/12 - Urteil vom 24.11.2015

Begrenzt ist der Anspruch auf eine Hilfsmittelversorgung nach § 33 SGB V durch das Wirtschaftlichkeitsgebot des § 12 Abs. 1 SGB V. Die Leistungen müssen danach ausreichend, zweckmäßig und wirtschaftlich sein und dürfen das Maß des Notwendigen nicht überschreiten; Leistungen, die nicht notwendig oder unwirtschaftlich sind, können Versicherte nicht beanspruchen, dürfen die Leistungserbringer nicht bewirken und die Krankenkassen nicht bewilligen. Dabei stellt die geltende Festbetragsregelung eine besondere und zulässige Ausprägung des Wirtschaftlichkeitsgebots dar, das eine entsprechende Begrenzung des Leistungsumfangs rechtfertigt, sofern eine ausreichende Versorgung zum Festbetrag nicht unmöglich ist. Demzufolge verpflichtet auch § 33 Abs. 1 Satz 1 SGB V nicht dazu, den Versicherten jede gewünschte, von ihnen für optimal gehaltene Versorgung zur Verfügung zu stellen. Ausgeschlossen sind danach Ansprüche auf teure Hilfsmittel, wenn eine kostengünstigere Versorgung für den angestrebten Nachteilsausgleich funktionell ebenfalls geeignet ist.

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Anwaltshonorar

Abgesenkte Gebühr in ER-Verfahren

Hessisches Landessozialgericht - L 2 SO 95/15 B - Beschluss vom 26.10.2015

Mit der Verfahrensgebühr wird die gesamte prozessuale Tätigkeit eines Rechtsanwaltes abgegolten, für die das Rechtsanwaltsvergütungsgesetz keine sonstige, spezielle Gebühr vorsieht. Sie entsteht für das Betreiben des Geschäfts einschließlich der Information des Mandaten und umfasst u. a. die Prüfung der Erfolgsaussichten der Klage bzw. des Antrags auf einstweiligen Rechtsschutz (ER) durch den Rechtsanwalt - ggf. auch unter Auswertung von Rechtsprechung und Literatur -, die im Zusammenhang mit dem Verfahren notwendigen Besprechungen und den Schriftwechsel des Rechtsanwaltes mit seinem Auftraggeber und dem Gericht sowie ggf. mit Dritten, ferner seine Mitwirkung bei der Auswahl und Beschaffung von Beweismitteln, die Sammlung und den Vortrag des aus der Sicht des Rechtsanwaltes rechtlich relevanten Stoffs sowie das Anbieten von Beweismitteln. Der Senat hält an der Rechtsprechung fest, dass für ein durchschnittliches Verfahren des einstweiligen Rechtsschutzes regelmäßig nur eine Gebühr von zwei Dritteln der Mittelgebühr entsteht, auch wenn selbstverständlich auch in Eilverfahren der gesamte Gebührenrahmen zur Verfügung steht. Auf Grund der Charakteristika der Verfahren des einstweiligen Rechtsschutzes - regelmäßig kurze Laufzeit, häufig weniger intensiver Schriftwechsel, oft nur summarische Prüfung der Rechtslage - wird jedoch regelmäßig eine auf zwei Drittel abgesenkte Mittelgebühr einem durchschnittlichen Eilverfahren gerecht.

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Keine fiktive Terminsgebühr bei berufungsfähigen Gerichtsbescheiden

Sächsisches Landessozialgericht - L 8 AS 417/15 B KO - Beschluss vom 14.09.2015

Mit der Neuregelung der Terminsgebühr hat der Gesetzgeber hinsichtlich der berufungsfähigen Gerichtsbescheide keine ungerechtfertigte Ungleichbehandlung gegenüber nicht berufungsfähigen Gerichtsbescheiden eingeführt. Der allgemeine Gleichheitssatz des Art. 3 Abs. 1 GG gebietet dem Normgeber, wesentlich Gleiches gleich und wesentlich Ungleiches ungleich zu behandeln. Differenzierungen bedürfen stets der Rechtfertigung durch Sachgründe, die dem Differenzierungsziel und dem Ausmaß der Ungleichbehandlung angemessen sind. Der Gesetzgeber wollte aber durch die Neuregelung die Entstehung der Terminsgebühr, ohne dass ein Termin stattgefunden hat (so. fiktive Terminsgebühr), auf Fälle beschränken, in denen der Anwalt durch sein Prozessverhalten eine mündliche Verhandlung erzwingen kann, weil nur in diesem Fall die beabsichtigte Steuerungswirkung notwendig sei. Damit hat der Gesetzgeber eine Entlastung der Sozialgerichte bezweckt, die dadurch eintreten sollte, dass der Rechtsanwalt nicht allein aus gebührenrechtlichen Gründen den prozessual häufig unzweckmäßigen Rechtsbehelf des Antrags auf Durchführung einer mündlichen Verhandlung einlegt. Er wollte damit diesen an Gemeinwohlinteressen ausgerichteten Zweck durch ein sachliches Kriterium, nämlich der Möglichkeit der formell zulässigen Erzwingung einer mündlichen Verhandlung, steuern. Die hier streitentscheidende Differenzierung beruht damit auf einem zulässigen Zweck und wird durch ein willkürfreies Instrument herbeigeführt.

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Anrechnungsregel in § 3 Abs. 4 VV RVG

Bayerisches Landessozialgericht - L 15 SF 133/15 - Kostenbeschluss vom 02.12.2015

Mit der neu gefassten Vorbemerkung zu § 3 Abs. 4 VV RVG wurde nunmehr auch im sozialgerichtlichen Verfahren, in dem Betragsrahmengebühren entstehen, auf eine echte Anrechnungsregelung umgestellt. Soweit wegen desselben Gegenstands eine Geschäftsgebühr nach Teil 2 (d.h. eine nach den Nrn. 2300 bis 2303 VV RVG) entsteht, wird diese Gebühr zur Hälfte auf die Verfahrensgebühr des gerichtlichen Verfahrens angerechnet; bei Betragsrahmengebühren beträgt der Anrechnungshöchstbetrag 175,00 EUR. Die in der Vorbemerkung 3 Abs. 4 VV RVG vorgeschriebene Anrechnung führt dazu, dass im Rahmen der Kostenerstattung auch § 15a RVG unmittelbar Anwendung findet. Diese Vorschrift gilt auch dann, wenn der Anwalt im Weg der PKH beigeordnet worden ist.§ 15a Abs. 2 RVG FINDET im Verhältnis gegenüber der Staatskasse keine Anwendung. Diese Vorschrift regelt, unter welchen Voraussetzungen eine Anrechnung von Leistungen eines Dritten im Außenverhältnis stattfindet. Die Staatskasse ist jedoch kein Dritter im Falle der Bewilligung von PKH, sondern Kostenschuldner des Rechtsanwalts. Sie tritt insoweit an die Stelle des Mandanten.

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Billigkeit der Anwaltsgebühr

Sozialgericht Dortmund - S 32 SF 135/15 E - Beschluss vom 16.11.2015

§ 14 Abs. 1 Satz 1 RVG gilt für das Verhältnis zwischen dem Rechtsanwalt und dem Mandanten; dass die Bestimmung der Billigkeit entspricht, hat in diesem Verhältnis der Rechtsanwalt darzulegen und im Streitfall zu beweisen. Ist die Gebühr von einem Dritten zu ersetzen, ist die von dem Rechtsanwalt getroffene Bestimmung nicht verbindlich, wenn sie unbillig ist, § 14 Abs. 1 Satz 4 RVG. "Dritter" i.S. dieser Rechtsnorm ist insbesondere der Verfahrensgegner. Nicht "Dritter" ist hingegen die Staatskasse, soweit diese nach Maßgabe der §§ 45 ff. RVG - anstelle des Mandanten - die Vergütung eines im Wege der Prozesskostenhilfe beigeordneten Rechtsanwalts übernimmt. § 14 Abs. 1 Satz 4 RVG findet dann keine Anwendung.

Die Bestimmung einer Gebühr innerhalb des Betragsrahmens ist nicht billig i.S.v. § 14 Abs. 1 Satz 1 RVG bzw. unbillig i.S.v. § 14 Abs. 1 Satz 4 RVG, wenn sie sich außerhalb eines dem Rechtsanwalt zustehenden Beurteilungsspielraums bewegt, was dann der Fall ist, wenn sie mehr als geringfügig - konkret mehr als 20 % - von der eigentlich angemessenen Gebühr nach oben abweicht.

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Höhe der Terminsgebühr

Sozialgericht Fulda - S 4 SF 24/15 E - Beschluss vom 02.12.2015

Bei den in sozialrechtlichen Angelegenheiten anfallenden Betragsrahmengebühren ist die Bestimmung einer konkreten Gebühr innerhalb des Rahmens immer dann problematisch, wenn die Höhe der Gebühr nicht von den Kriterien des § 14 RVG abhängen kann, weil es insbesondere nicht auf Umfang und Schwierigkeit der anwaltlichen Tätigkeit ankommen kann. Bei der fiktiven Terminsgebühr kommt es darauf an, dem Anwalt das gebührenrechtliche Interesse an der Durchführung eines Termins zu nehmen. Die Höhe der zu erwartenden Terminsgebühr wird häufig von Umfang und Schwierigkeit der Angelegenheit abhängen. Daher scheint eine Anknüpfung an die Höhe der Verfahrensgebühr sachgerecht. Da die Höhe der Terminsgebühr grundsätzlich zur Höhe der Verfahrensgebühr in einem Verhältnis von 1,2 zu 1,3 steht, wird vom Gesetz ein Betrag von 90 Prozent der Verfahrensgebühr vorgeschlagen.

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Keine Frist für Erinnerung gegen Kostenfestsetzungsbeschluss

Landessozialgericht Sachsen-Anhalt - L 4 AS 427/15 B - Beschluss vom 06.11.2015

Die Einlegung der Erinnerung gegen einen Kostenfestsetzungsbeschluss gemäß § 56 Abs. 2 RVG ist nicht an eine Frist gebunden. Daher ist eine Erinnerung selbst dann noch zulässig, wenn die Vergütung bereits ausgezahlt ist. Diese gesetzgeberische Entscheidung, eine unbefristete Erinnerung zuzulassen, darf von Seiten des Gerichts mittels eigener Rechtsmittelfristen nicht unterlaufen werden. Vielmehr gebietet es die Bindung der Rechtsprechung an Recht und Gesetz (Art. 20 Abs. 3 GG) sowie das Gebot der Rechtsmittelklarheit, die grundsätzliche Entscheidung des Gesetzgebers zu respektieren und nur ausnahmsweise einen Ausschluss der an sich unbefristeten Erinnerung anzunehmen.

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Anrechnung der Geschäfts- auf die Verfahrensgebühr

Bayerisches Landessozialgericht - L 15 SF 133/15 - Kostenbeschluss vom 02.12.2015

Es ist Zweck des § 15a Abs. 1 RVG, jedenfalls im Innenverhältnis von Auftraggeber und Rechtsanwalt dem Letzteren die volle Wahlfreiheit zu lassen, welche Gebühr er in voller Höhe fordern will und welche er dann infolge der Deckelung durch die Höchstsumme infolge der Anrechnung nur beschränkt verlangt. Im Ergebnis führt dies zu einem nur beschränkten Anspruch auf die um die Anrechnung reduzierte Verfahrensgebühr -, wenn man einen Rechtsanwalt durch eine gegebenenfalls rein fiktive Anrechnung darauf verweisen würde, die Zahlung der Geschäftsgebühr bei seinem Mandanten oder dem Prozessgegner zu erwirken. Da die Staatskasse an die Stelle des Auftraggebers tritt und nicht Dritter ist, betrifft die Entscheidung, von der Staatskasse zunächst die volle Verfahrensgebühr im Wege der Vergütungsfestsetzung zu fordern, genau die Wahlfreiheit im Innenverhältnis, die durch § 15a Abs. 1 gesichert wird.

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Betragsrahmengebühren

Sozialgericht Aachen - S 11 SF 82/15 E - Beschluss vom 20.11.2015

Insbesondere bei den Betragsrahmengebühren in sozialrechtlichen Angelegenheiten führt die Regelung in Nummer 3103 VV RVG, nach der die Gebühren im gerichtlichen Verfahren niedriger sind, wenn der Rechtsanwalt bereits im verwaltungsrechtlichen Nachprüfungsverfahren tätig war, zu Schwierigkeiten. War die Tätigkeit im Widerspruchsverfahren nur von sehr geringem Umfang und war die Gebühr daher entsprechend niedrig, oder war der Rechtsanwalt im Wege der Beratungshilfe tätig, kann dies zu dem Ergebnis führen, dass der Rechtsanwalt, der nur im gerichtlichen Verfahren tätig war, mehr an Gebühren erhält als der Anwalt, der seinen Mandanten bereits vorher vertreten hatte. Dieses Ergebnis ist nicht folgerichtig.

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Grundsicherung für Arbeitssuchende SGB II

Zur Verpflichtung einen Rentenantrag zu stellen

Bundessozialgericht - B 14 AS 1/15 R - Urteil vom 19.08.2015

Die Ausnahmetatbestände, bei deren Vorliegen Leistungsberechtigte gleichwohl zur Inanspruchnahme einer vorgezogenen Altersrente nicht verpflichtet sind, regelt die UnbilligkeitsV abschließend. Dies ergibt sich sowohl aus dem systematischen Zusammenhang als auch aus der Entstehungsgeschichte von Verordnungsermächtigung und Verordnung. Nach § 1 UnbilligkeitsV sind Hilfebedürftige nach Vollendung des 63. Lebensjahres nicht verpflichtet, eine Rente wegen Alters vorzeitig in Anspruch zu nehmen, wenn die Inanspruchnahme unbillig wäre. "Unbillig ist die Inanspruchnahme", wenn bzw. solange der in §§ 2 bis 5 UnbilligkeitsV jeweils bestimmte Sachverhalt vorliegt. Weder diese einzelnen Unbilligkeitstatbestände enthalten eine Öffnung für andere Sachverhalte (z.B. durch eine Formulierung in der Gestalt von Regelbeispielen: Unbillig ist die Inanspruchnahme insbesondere dann, wenn ). Noch enthält der Grundsatz in § 1 UnbilligkeitsV einen Hinweis darauf, dass die §§ 2 bis 5 UnbilligkeitsV nur Fallbeispiele einer Unbilligkeit bestimmen, daneben aber auch bei anderen Sachverhalten eine Unbilligkeit vorliegen könnte, die nicht zur Rentenantragstellung verpflichtet. Dieses Verständnis der UnbilligkeitsV stimmt überein mit der Verordnungsermächtigung, denn § 13 Abs. 2 SGB II ermächtigt zur Bestimmung, "unter welchen Voraussetzungen und für welche Dauer ( ) ausnahmsweise" keine Verpflichtung zur Rentenantragstellung besteht.

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Keine Wohnkosten im ER-Verfahren

Landessozialgericht Nordrhein-Westfalen - L 2 AS 1101/15 B ER und L 2 AS 1102/15 B - Beschluss vom 03.11.2015

Nach der ständigen Rechtsprechung des LSG NRW rechtfertigt auch die Existenz von Mietschulden regelmäßig nicht den Erlass einer einstweiligen Anordnung. Erst wenn der Eintritt von Wohnungs- bzw. Obdachlosigkeit unmittelbar zu befürchten steht, was in der Regel zumindest die Anhängigkeit einer Räumungsklage voraussetzt, kommt eine Verpflichtung zur vorläufigen Bewilligung von Kosten der Unterkunft in Betracht.

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Keine Übernahme von Mietschulden bei zu teurer Wohnung

Landessozialgericht Nordrhein-Westfalen - L 2 AS 1821/15 B ER - Beschluss vom 17.11.2015

Die Voraussetzungen für die Übernahme von Mietschulden nach § 22 Abs. 8 Zweites Buch Sozialgesetzbuch (SGB II) durch Gewährung eines Darlehens sind, dass das Darlehen zur Sicherung der Unterkunft oder zur Behebung einer vergleichbaren Notlage erforderlich ist. Mietschulden sollen übernommen werden, wenn dies gerechtfertigt und notwendig ist und sonst Wohnungslosigkeit einzutreten droht. Gerechtfertigt ist dabei eine Schuldenübernahme nur dann, wenn die Kosten der zu sichernden Unterkunft in den Angemessenheitsgrenzen des § 22 Abs. 1 SGB II liegen. Der mit der Schuldenübernahme bezweckte langfristige Erhalt der Wohnung kann nur dann gerechtfertigt sein kann, wenn die (künftigen) laufenden Kosten dem entsprechen, was weiterhin vom Träger der Grundsicherung als angemessene Kosten der Unterkunft zu übernehmen ist.

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Vorläufige Bewilligung

Landessozialgericht Nordrhein-Westfalen - L 7 AS 1880/12 - Urteil vom 24.09.2015

Es ist bei einer vorläufigen Bewilligung der Behörde nicht verwehrt, die endgültige Leistung aus einem Grund niedriger festzusetzen, der mit der Vorläufigkeit nichts zu tun hat. Die vorläufige Leistungsbewilligung soll nach Wortlaut und Sinn und Zweck der Vorschrift ausschließlich im Interesse des Betroffenen eine schnelle Sicherung der Lebensgrundlage ermöglichen und entfaltet damit keinerlei Bindungswirkung über die vorläufige Bewilligung hinaus. Vorläufige Bewilligungen zielen (in erster Linie im Interesse des Betroffenen) ausschließlich auf eine Zwischenlösung und sind demgemäß auf die Ersetzung durch eine endgültige Entscheidung nach Wegfall der Vorläufigkeitsvoraussetzungen angelegt. Vorläufig bewilligte Leistungen sind als aliud gegenüber endgültigen Leistungen anzusehen. Die Regelung des § 328 Abs. 1 Satz 2 SGB III, wonach Umfang und Grund der Vorläufigkeit anzugeben sind, ändert hieran nichts.

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Unbilligkeitsverordnung regelt Renteninanspruchnahme abschließend

Bundessozialgericht - B 14 AS 1/15 R - Urteil vom 19.08.2015

Die Ausnahmetatbestände, bei deren Vorliegen Leistungsberechtigte gleichwohl zur Inanspruchnahme einer vorgezogenen Altersrente nicht verpflichtet sind, regelt die UnbilligkeitsV vom 14.4.2008 abschließend. Dies ergibt sich sowohl aus dem systematischen Zusammenhang als auch aus der Entstehungsgeschichte von Verordnungsermächtigung und Verordnung. Nach § 1 UnbilligkeitsV sind Hilfebedürftige nach Vollendung des 63. Lebensjahres nicht verpflichtet, eine Rente wegen Alters vorzeitig in Anspruch zu nehmen, wenn die Inanspruchnahme unbillig wäre. Dieser "Grundsatz" enthält nicht selbst eine Regelung zur Unbilligkeit, sondern knüpft an die Verordnungsermächtigung in § 13 Abs 2 SGB II an. Das, was in § 13 Abs. 2 SGB II i.S. des Art. 80 Abs. 1 Satz 2 Grundgesetz als Inhalt, Zweck und Ausmaß der Ermächtigung bestimmt ist, stellt § 1 UnbilligkeitsV in der Formulierung eines Grundsatzes den einzelnen Unbilligkeitstatbeständen in §§ 2 bis 5 UnbilligkeitsV voran. Diese bestimmen i.S. des § 13 Abs. 2 SGB II, unter welchen Voraussetzungen und für welche Dauer zur Vermeidung von Unbilligkeiten keine Verpflichtung zur Rentenantragstellung besteht. Entsprechend schließen die §§ 2 bis 5 UnbilligkeitsV an den Grundsatz in § 1 UnbilligkeitsV, dass keine Verpflichtung besteht, "wenn die Inanspruchnahme unbillig wäre", jeweils mit der Formulierung an: "Unbillig ist die Inanspruchnahme", wenn bzw. solange der in §§ 2 bis 5 UnbilligkeitsV jeweils bestimmte Sachverhalt vorliegt. Weder diese einzelnen Unbilligkeitstatbestände enthalten eine Öffnung für andere Sachverhalte. Noch enthält der Grundsatz in § 1 UnbilligkeitsV einen Hinweis darauf, dass die §§ 2 bis 5 UnbilligkeitsV nur Fallbeispiele einer Unbilligkeit bestimmen, daneben aber auch bei anderen Sachverhalten eine Unbilligkeit vorliegen könnte, die nicht zur Rentenantragstellung verpflichtet. Dieses Verständnis der UnbilligkeitsV stimmt überein mit der Verordnungsermächtigung, denn § 13 Abs 2 SGB II ermächtigt zur Bestimmung, "unter welchen Voraussetzungen und für welche Dauer ( ) ausnahmsweise" keine Verpflichtung zur Rentenantragstellung besteht.

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Nutzungsentschädigung unter Getrenntlebenden

Bundessozialgericht - B 14 AS 13/14 R - Urteil vom 19.08.2015

Bei einer Übereinkunft über Wohnraumnutzung, die eine Nutzungsentschädigung nach der familienrechtlichen Vorschrift des § 1361b Abs. 3 Satz 2 BGB vorsieht und die ggf. mehr als nur die Überlassung von Wohnraum ausgleichen soll, ist der geschuldete Betrag ggf. überhaupt nicht oder nur teilweise im Rahmen des § 22 Abs. 1 SGB II zu übernehmen. Hingegen können bei einer Übereinkunft, die nur den Vermögensausgleich zwischen Bruchteilseigentümern nach §§ 743 ff BGB angesichts der alleinigen Nutzung des (Wohn-)Eigentums durch einen von ihnen zum Gegenstand hat, die Voraussetzungen für eine Übernahme des vereinbarten Entgelts nach § 22 Abs. 1 SGB II gegeben sein.

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Wohnungserstausstattung und deren Geltendmachung

Hessisches Landessozialgericht - L 9 AS 44/15 - Urteil vom 13.11.2015

Der Sonderbedarf für die Wohnungserstausstattung nach § 24 Abs. 3 Satz 1 Nr. 1 ist - im Gegensatz zu den Sonderbedarfen nach § 24 Abs. 3 Satz 1 Nr. 2 und 3 SGB II - in aller Regel nicht auf eine Person, sondern auf die gesamte Bedarfsgemeinschaft bezogen, wobei jedes Mitglied der Bedarfsgemeinschaft in Bezug auf den Sonderbedarf einen eigenen Leistungsanspruch entsprechend dem eigenen Anteil besitzt. § 24 Abs. 1 Satz 1 Nr. 1 SGB II erfordert ein Vorgehen aller Mitglieder einer Bedarfsgemeinschaft aber nur für den Fall, dass der Personenmehrheit weitergehende Ansprüche zustehen können als der/dem einzelnen Leistungsberechtigten. Hingegen kann bzw. muss der Sonderbedarf von der/dem einzelnen Leistungsberechtigten allein geltend gemacht werden, wenn die Leistung weder dem Grunde nach noch hinsichtlich der Höhe vom Vorliegen einer Bedarfsgemeinschaft abhängig ist.

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Sozialwidriges Verhalten

Sozialgericht Karlsruhe - S 11 AS 1305/15 - Urteil vom 14.12.2015

Aus der Entstehungsgeschichte des § 34 SGB II sowie seinem jetzigen systematischen Kontext mit weiteren Regelungen des SGB II ergibt sich, dass nicht jedes verwerfliche Verhalten, das eine Hilfebedürftigkeit oder Leistungserbringung nach dem SGB II verursacht, zur Erstattungspflicht führt. Erfasst wird nur ein Verhalten mit spezifischem Bezug, d.h. "innerem Zusammenhang", zur Herbeiführung der Hilfebedürftigkeit bzw. Leistungserbringung. Das Verhalten, welches einen Anspruch nach dem SGB II herbeigeführt hat, muss demnach sozialwidrig sein.

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Sozialhilfe SGB XII

Eigener Haushalt

Sozialgericht Aachen - S 19 SO 54/15 - Urteil vom 27.11.2015

Bereits der Wortlaut der Anlage zu § 28 SGB XII dokumentiert, dass Abgrenzungsmerkmal für die Zuordnung zur Regelbedarfsstufe 1 oder 3 allein die Führung eines "eigenen" Haushalts ist. Der Gesetzgeber hat mit der zum 01.04.2011 eingeführten Neuregelung in den Regelbedarfsstufen 1 bis 3 für erwachsene Leistungsberechtigte das Begriffspaar "gemeinsamer Haushalt" und "eigener Haushalt" eingeführt. Führt eine erwachsene leistungsberechtigte Person (als alleinstehend oder alleinerziehend) einen eigenen Haushalt, ist sie der Regelbedarfsstufe 1 zuzuordnen. Führt sie keinen eigenen Haushalt, und auch nicht als Ehegatte, Lebenspartner oder in eheähnlicher oder lebenspartnerschaftsähnlicher Gemeinschaft einen gemeinsamen Haushalt, ist sie der Regelbedarfsstufe 3 zuzuordnen. Auch aus dem zweiten Halbsatzes der gesetzlichen Umschreibung der Regelbedarfsstufe 3 in der Anlage zu § 28 SGB XII ist somit klar und eindeutig zu folgern, dass erwachsene leistungsberechtigte Personen, die einen gemeinsamen Haushalt führen, indessen dies nicht als Ehegatte, Lebenspartner oder in eheähnlicher oder lebenspartnerschaftsähnlicher Gemeinschaft zusammen lebend tun, der Regelbedarfsstufe 3 zuzuordnen sind.

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Asylbewerberleistungsrecht

Kein Mehrbedarf für Asylbewerber

Sozialgericht Landshut - S 11 AY 41/15 - Gerichtsbescheid vom 21.10.2015

Im AsylblG hat der Gesetzgeber bewusst von einer Mehrbedarfsregelung für Alleinerziehende Abstand genommen. Er schuf - abgehend von der Entwicklung im Sozialhilferecht - mit § 5 AsylbLG a.F. lediglich eine leistungsrechtliche Auffangvorschrift, mit der zusätzliche Mehrbedarfe aufgrund der besonderen Umstände des Einzelfalles anerkannt werden können; ausweislich der Gesetzesbegründung soll daneben ein ergänzender Rückgriff auf "Leistungen nach dem Bundessozialhilfegesetz [ ...] nicht in Betracht [kommen]".

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Arbeitsförderungsrecht

Geeignetheit des Arbeitsplatzes

Landessozialgericht Baden-Württemberg - L 8 AL 4146/14 - Urteil vom 23.10.2015

Der über eine Gleichstellung mit Schwerbehinderten zu schützende Arbeitsplatz muss für den behinderten Menschen geeignet sein. Der behinderte Mensch darf grundsätzlich durch die geschuldete Arbeitsleistung nicht gesundheitlich überfordert werden. Auf der anderen Seite führt das Auftreten oder Hinzutreten einer behinderungsbedingten Einschränkung des beruflichen Leistungsvermögens für sich genommen noch nicht zum Wegfall der Geeignetheit des Arbeitsplatzes. Die Geeignetheit des Arbeitsplatzes bestimmt sich individuell-konkret nach dem Eignungs- und Leistungspotential des behinderten Menschen. Die Beklagte und die Gerichte haben die konkreten Behinderungen und ihre Auswirkungen auf die Eignung des behinderten Menschen für den konkreten Arbeitsplatz zu ermitteln. Danach haben sie zu entscheiden, ob der Arbeitsplatz entweder schon für sich betrachtet geeignet ist oder der Arbeitsplatz jedenfalls durch Umsetzung von Leistungen der Rehabilitationsträger oder des Arbeitgebers so gestaltet werden kann, dass der behinderte Mensch die Anforderungen des Arbeitsplatzes erfüllen kann, ohne seinen Gesundheitszustand zu verschlechtern.

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Zum Unternehmensbegriff in der Künstlersozialversicherung

Bundessozialgericht - B 3 KS 1/14 R - Urteil vom 30.09.2015

Der Unternehmensbegriff in der Künstlersozialversicherung ist nicht auf Einrichtungen beschränkt, die erwerbswirtschaftlich oder mit der Absicht der Gewinnerzielung am Markt agieren. Die spezifische Solidaritäts- und Verantwortungsbeziehung zwischen selbstständigen Künstlern und Publizisten auf der einen Seite und den Vermarktern und Verwertern von Kunst und Publizistik auf der anderen Seite beruht nämlich nicht darauf, dass mit der Inanspruchnahme der Werke und Leistungen selbstständiger Künstler und Publizisten Gewinne erzielt oder überhaupt erwerbswirtschaftliche Ziele verfolgt werden, sondern darauf, dass die Verwerter und Vermarkter bei der Inanspruchnahme solcher Werke und Leistungen eine arbeitgeberähnliche Position einnehmen.

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Buchrezension

Dickmann
Wohn- und Teilhabegesetz, Alten- und Pflegegesetz
Beck Verlag, 2. Aufl. 2016, 248 Seiten, € 45,-
ISBN: 978-3-406-68691-7

Seitdem das Heimgesetz nicht mehr der Gesetzgebungskompetenz des Bundes unterfällt, regeln die Bundesländer diese Materie in eigener Regie; NRW sogar schon in zweiter Auflage, wobei das Wohn - und Teilhabegesetz (WTG) ergänzt wird durch das Alten- und Pflegegesetz (APG). Ersteres regelt auf landesrechtlicher Ebene Wohn- und Betreuungsangebote sowie diesbzgl. Ordnungsrecht; letzteres ist Nachfolger des Landespflegegesetzes und in Ausführung zu § 9 Abs. 1 SGB XI ergangen, in dem die Länder sich zum Vorhalten einer leistungsfähigen und ausreichenden pflegerischen Versorgungsstruktur verpflichten. Da es sich um Verwaltungsrecht handelt, kommt es in der Praxis der Sozialgerichte seltener vor, auch wenn es mit SGB XI und XII (z.B. Eingliederungshilfe) eng verzahnt ist. Das WTG betrifft Leistungsanbieter und -anbieterinnen (= Pflegeeinrichtungen und professionelle Dienste), während es sich im Sozialrecht um die "Nutzer und Nutzerinnen" dreht.
Das WTG gehört nicht zum Kerngeschäft des sozialrechtlichen Alltags, es kann aber gewichtige Argumente liefern im Streit z. B. um das betreute Wohnen. Der Gesetzestext ist im Sozialrecht nicht unbedingt geläufig (muß er auch gar nicht sein), wenn er aber einmal gebraucht wird, dann ist es hilfreich, ihn direkt mit übersichtlicher Kommentierung in einem Buch zur Hand zu haben.

Ehmann / Karmanski / Kuhn - Zuber (Hrsg.)
Sozialrechtsberatung
Nomos Verlag, 2015, 2008 Seiten, € 88,-.
ISBN: 978-3-8487-0245-9

Ein Gesamtkommentar soll es sein, auf dem rückseitigen Einband sind die Gesetzesbücher aufgezählt, - bei diesem "Monumentalwälzer" handelt es sich um ein sehr empfehlenswertes Werk, dessen Herausgeber über den Tellerrand hinausschauen. Leider fällt als erstes auf, daß etwas fehlt: Das SGB VIII nämlich. Einerseits die "üblichen Verdächtigen", also SGB II, XII, BKKG, SGG, um nur einige zu nennen, und andererseits die sozialrechtlichen Texte, die zwar immer im Zusammenhang mit den diversen SGB genannt werden (z.B. EStG und BAföG), die aber kein "Eigenleben" führen. Will sagen: Jeder kennt z. B. den Begriff "förderungsfähige Ausbildung" in § 7 V SGB II oder den Kindergeldzuschlag nach dem SGB II, aber was steht wirklich 'drin im § 62 EStG? Die Autoren haben sich hier die Mühe gemacht, einmal die mit den bekannten Sozialgesetzbüchern eng verzahnten Materien zu beleuchten: das BAföG, das BKKG, das BEEG, das WBVG.
Die Zusammenstellung hat den Vorteil, daß nur die Paragraphen der (unbekannteren) Gesetzes erwähnt und kommentiert werden, die für das Sozialrecht praxisrelevant sind. Beispielsweise des BKGG: Es werden nur einige Vorschriften genannt, diese aber ausführlich kommentiert. Generell ist das Handbuch auf die Bedarfe der Praxis zugeschnitten: Noch vor der Kommentierung haben die Autoren jeweils die Prüfungsreihenfolge dargestellt.

M. Schörnig - Rechtsanwältin

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