Ausgabe    3/2013 

Mai vom 15.05.2013 

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     Rechtsprechung

Schwerbehindertenrecht

Soziales Entschädigungsrecht

Vertragsarztrecht

Verfahrensrecht

Krankenversicherung

Anwaltshonorar

Grundsicherung für Arbeitssuchende SGB II

Sozialhilfe SGB XII

Asylbewerberleistungsrecht

     Buchrezension

     Service

Herausgeber und verantwortlich im Sinne des Pressegesetzes Dorothea Strake
Schulstr. 90, 41372 Niederkrüchten

 erscheint alle 2 Monate


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Rechtsprechung

Schwerbehindertenrecht

Erheblich Gehbehinderte erhalten keine kostenlose Wertmarke aufgrund Anspruchs auf Kraftfahrzeughilfe

Bundessozialgericht - B 9 SB 1/12 R - Urteil vom 25.10.2012

Schwerbehinderte Menschen, die Anspruch auf den Nachteilsausgleich "G" haben, können u.a. von der Zahlung eines Betrages von 30 bzw. 60 € befreit werden, wenn sie Leistungen für den Lebensunterhalt i.S.d. § 145 Abs. 1 Satz 5 Nr. 2 SGB IX erhalten. Darunter fällt allerdings nicht die Kraftfahrzeughilfe als laufende Leistung nach § 27d BVG.

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GdB für Fibromyalgie

Landessozialgericht Baden-Württemberg - L 6 SB 4838/10 - Urteil vom 13.12.2012

Die Fibromyalgie und ähnliche Syndrome sind jeweils im Einzelfall entsprechend der funktionellen Auswirkungen analog zu beurteilen. Bei somatoformen Störungen betreffen die Auswirkungen das nervenheilkundliche Fachgebiet, so dass der GdB sich nach deren Wertvorgaben richtet.

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GdB 50 bei Kombination von Diabetes mellitus und Morbus Addison

Landessozialgericht Sachsen-Anhalt - L 7 SB 33/10 - Urteil vom 20.12.2012

Führen mehrere nebeneinander bestehende Erkrankungen wie vorliegend Diabetes mellitus, Morbus Addison und Morbus Basedow zu einer außergewöhnlich schwer regulierbaren Stoffwechsellage, so ist in Anlehnung an Teil B Nr. 15.1 Abs. 5 der Versorgungsmedizinischen Grundsätze die Feststellung der Schwerbehinderteneigenschaft gerechtfertigt.

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Kein GdB von 50 für chronische Darmstörungen bei nur leichtem Untergewicht

Landessozialgericht Baden-Württemberg - L 6 SB 446/13 - Urteil vom 21.03.2013

Für chronische Darmstörungen (irritabler Darm, Divertikulose, Divertikulitis, Darmteilresektion) ist bei erheblicher Minderung des Kräfte- und Ernährungszustandes ein GdB von 40 bis 50 angemessen. Eine solche erhebliche Minderung des Kräfte- und Ernährungszustands besteht bei einem nur leichten Untergewicht und einem insgesamt ordentlichen Allgemeinzustand nicht.

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Kein Rechtsschutzinteresse an der Feststellung des Einzelgrads einer einzelnen Behinderung

Bayerisches Landessozialgericht - L 3 SB 194/12 - Urteil vom 27.03.2013

Das SGB IX kennt nur einen Gesamtzustand der Behinderung. Deshalb ist dann, wenn bei einem behinderten Menschen mehrere Behinderungen bestehen, nur der Gesamt-GdB festzustellen. An der Feststellung eines Einzelgrades einer einzelnen Behinderung besteht kein Rechtsschutzinteresse.

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Soziales Entschädigungsrecht 

Ein Nachschaden ist ohne Einfluss auf den GdS

Landessozialgericht Baden-Württemberg - L 6 VK 5547/11 - Urteil vom 21.03.2013

Ein Nachschaden liegt dann vor, wenn unabhängig von den festgestellten Schädigungsfolgen weitere Erkrankungen auftreten. Er ist bei der Beurteilung des Grades der Schädigungsfolgen (GdS) nicht zu berücksichtigen. Unerheblich ist, ob der Nachschaden die gesamte Funktionsfähigkeit im Zusammenhang mit den Schädigungsfolgen beeinflusst oder ob sich die Schädigungsfolgen wegen des Auftretens eines Nachschadens stärker bemerkbar machten.

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Keine Opferentschädigung bei leichtfertiger Selbstgefährdung des Opfers

Landessozialgericht Baden-Württemberg - L 6 VG 4354/12 - Urteil vom 21.03.2013

Derjenige, der sich bewusst oder leichtfertig selbst gefährdet und dadurch einen Schaden erleidet, ist von der Versorgung nach dem OEG auszuschließen. Unerheblich ist, dass die Straftat des Täters von der Rechtsordnung stärker missbilligt wird als die Selbstgefährdung des Opfers.

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Vertragsarztrecht

Leistungen der Krankenhäuser in der Notfallambulanz sind generell wie die der Vertragsärzte zu vergüten

Bundessozialgericht - B 6 KA 3/12 R - Urteil vom 12.12.2012

Es besteht keine Rechtfertigung dafür, Leistungen der Krankenhäuser im Notfalldienst geringer zu vergüten als die der niedergelassenen Vertragsärzte. Dies betrifft auch die Zusatzpauschalen für die sog. Besuchsbereitschaft der Vertragsärzte, auch wenn Krankenhäuser eine Besuchsbereitschaft weder vorhalten noch vorhalten dürfen.

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Verfahrensrecht

100 € Entschädigung je Monat Verzögerung eines gerichtlichen Verfahrens

BSG - B 10 ÜG 2/12 KL - Urteil vom 21.02.2013

Die §§ 198 ff Gerichtsverfassungsgesetz regeln den Rechtsschutz bei überlangen Gerichtsverfahren und strafrechtlichen Ermittlungsverfahren. Ist das Gerichtsverfahren überlang, d.h. unangemessen verzögert, steht dem dadurch Betroffenen grundsätzlich eine Entschädigung in Geld, und zwar in der Regel 100 € je Monat Verzögerung, zu.

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Keine Verletzung des rechtlichen Gehörs bei Anberaumung eines 20minütigen Termins zur mündlichen Verhandlung

Landessozialgericht Baden-Württemberg - L 6 VG 4922/12 - Urteil vom 21.03.2013

Wird ein Termin zur mündlichen Verhandlung mit 20 Minuten anberaumt, liegt darin keine Verletzung des rechtlichen Gehörs. Dies gilt erst recht, wenn die der Entscheidung zugrunde zu legenden Tatsachen als auch die maßgebenden Rechtsgrundlagen keinen Anhaltspunkt für längeren Behandlungsbedarf bieten.

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Ordnungsgeld gegen unachtsamen Sachverständigen

Bayerisches Landessozialgericht - L 2 SB 87/12 B - Beschluss vom 02.01.2013

Ein Sachverständiger, der kurz vor Ablauf der Frist zur Abgabe des ihm in Auftrag gegebenen Gutachtens das Gericht um Fristverlängerung bittet, obliegt bei der Beachtung einer ihm darauf gewährten Nachfrist besondere Sorgfalt. Wird die Nachfrist versäumt, ist ein Ordnungsgeld angemessen; eine Übertragung der Fristeintragung bzw. -überwachung auf Personal entbindet den Sachverständigen nicht von seiner Sorgfaltspflicht.

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Anwendung des § 48 SGB X auf ursprünglich rechtswidrige Verwaltungsakte

Bundessozialgericht - B 2 U 25/11 R - Urteil vom 13.02.2013

Nach seinem Wortlaut unterscheidet § 48 SGB X nicht danach, ob der Verwaltungsakt, der aufgehoben werden soll, rechtmäßig oder rechtswidrig war. Nach ihrem Sinn und Zweck ist die Anwendung der Regelung aber ausgeschlossen, wenn und soweit der Vertrauensschutz des Betroffenen, wie er sich aus § 48 SGB X ergibt, unterlaufen würde. So stellt die Aufdeckung einer Fehldiagnose oder einer überhöhten MdE keine wesentliche Änderung dar . Anders liegt der Fall aber, wenn sich der tatsächliche Zustand so gebessert hat, dass eine Änderung der tatsächlichen Verhältnisse i.S. des § 48 Abs. 1 Satz 1 SGB X i.V.m. § 73 Abs. 3 SGB VII vorliegt. In einem solchen Fall ist § 48 Abs. 1 Satz 1 SGB X auch auf von Anfang an rechtswidrige begünstigende Verwaltungsakte anwendbar. Das ist insbesondere der Fall, wenn eine wesentliche Änderung der maßgebenden tatsächlichen Verhältnisse dergestalt eingetreten ist, dass sich die Unfallfolgen wesentlich gebessert haben.

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Zur Anhörungspflicht vor Zurückweisung der Berufung durch Beschluss

Bundessozialgericht - B 3 P 10/12 B - Beschluss vom 22.11.2012

Gemäß § 153 Abs. 4 Satz 1 SGG kann das LSG die Berufung durch Beschluss zurückweisen, wenn es sie einstimmig für unbegründet und eine mündliche Verhandlung nicht für erforderlich hält. Nach Satz 2 der Vorschrift sind die Beteiligten vorher zu hören. Die Anhörungspflicht nach § 153 Abs. 4 Satz 2 SGG ist Ausdruck des verfassungsrechtlichen Gebots des rechtlichen Gehörs, das bei Anwendung des vereinfachten Verfahrens im Berufungsrechtszug nicht verkürzt werden darf . Nach ständiger Rechtsprechung des BSG ist eine erneute Anhörung gemäß § 153 Abs. 4 Satz 2 SGG erforderlich, wenn sich nach der ersten Anhörungsmitteilung die Prozesssituation entscheidungserheblich ändert. Insoweit gilt Entsprechendes wie für den sog Verbrauch einer Einverständniserklärung nach § 124 Abs. 2 SGG.

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Zur Vertretung eines Prozessunfähigen

Bundessozialgericht - B 8 SO 23/11 R - Urteil vom 15.11.2012

Bei der prozessualen Begründung eines offensichtlich haltlosen Klagebegehrens, ist besondere Zurückhaltung geboten. Die Ausgestaltung des gerichtlichen Verfahrens und damit die Auslegung von Verfahrensvorschriften hat immer in einem angemessenen Verhältnis zu dem auf Sachverhaltsaufklärung und Verwirklichung des materiellen Rechts gerichteten Verfahrensziel zu stehen. Dies gilt nicht nur für den Weg zu den Gerichten, der nicht in unzumutbarer, aus Sachgründen nicht mehr zu rechtfertigender Weise erschwert werden darf , sondern in gleicher Weise innerhalb des Verfahrens, soweit es darum geht, sich dort effektiv rechtliches Gehör zu verschaffen. Der Einzelne darf nicht nur Objekt der richterlichen Entscheidung sein; vielmehr muss er vor einer Entscheidung, die seine Rechte betrifft, zu Wort kommen.

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Zum Bestimmtheitserfordernis eines Verwaltungsakts

Bundessozialgericht - B 14 AS 196/11 R - Urteil vom 29.11.2012

Das Bestimmtheitserfordernis des § 33 SGB X verlangt, dass der Verfügungssatz eines Verwaltungsakts nach seinem Regelungsgehalt in sich widerspruchsfrei ist und den Betroffenen bei Zugrundelegung der Erkenntnismöglichkeiten eines verständigen Empfängers in die Lage versetzen muss, sein Verhalten daran auszurichten. Maßstab für die Bestimmtheitsprüfung ist also der Empfängerhorizont, für die Beteiligten muss sich aus dem Verfügungssatz vollständig, klar und unzweideutig ergeben, was die Behörde will. Unschädlich ist es dabei, wenn zur Auslegung des Verfügungssatzes auf die Begründung des Verwaltungsakts, auf früher zwischen den Beteiligten ergangene Verwaltungsakte oder auf allgemein zugängliche Unterlagen zurückgegriffen werden muss. Diese Auslegungsmöglichkeiten finden allerdings ihre Grenze dort, wo es dem Adressaten überlassen bleibt, Gegenstand, Inhalt, Zeitpunkt und Umfang der Aufhebung zu bestimmen, weil der in begünstigende Rechtspositionen eingreifende Leistungsträger verpflichtet ist, diese Entscheidung selbst zu treffen und dem Adressaten bekannt zu geben.

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Uneingeschränkter Anspruch auf Lucentis

Landessozialgericht Nordrhein-Westfalen - L 5 KN 182/10 KR - Urteil vom 28.02.2013

Ein Versicherter, der an Makuladegeneration leidet, hat Anspruch auf Gewährung des seit 22.01.2007 europaweit für diese Indikation zugelassenen Fertigarzneimittels Lucentis. Die beklagte Krankenkasse kann den Leistungsanspruch des Versicherten nicht dergestalt begrenzen, dass sie sich lediglich bereit erklärt, die Kosten für sog. ausgeeinzeltes Lucentis - Aufteilung der Einmalspritze -  zu übernehmen bzw. zu erstatten.

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Kein Anspruch auf Body-Lifting

Landessozialgericht Nordrhein-Westfalen - L 5 KR 596/11 - Urteil vom 28.02.2013

Entstehen nach Gewichtsreduktion erhebliche Hautfalten, muss für eine operative Beseitigung der überschüssigen Haut und Unterhaut (Body-Lifting) eine zwingende medizinische Notwendigkeit bestehen, die über den Wunsch nach bloßer Hautstraffung hinausgeht.

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Kein Anspruch auf Hilfsmittelreparatur

Bundessozialgericht - B 3 KR 20/11 R - Urteil vom 12.09.2012

§ 33 Abs. 1 S 4 SGB V begründet keinen einklagbaren Anspruch auf Durchführung einer bestimmten Reparaturmaßnahme im Fall eines Hilfsmitteldefekts. Einen notfalls auch gerichtlich durchsetzbaren Anspruch haben die Versicherten nur darauf, auf der Rechtsgrundlage von § 33 Abs. 1 S 1 SGB V überhaupt mit einem funktionsfähigen Hilfsmittel versorgt zu sein. Wie die Krankenkassen dies im Einzelnen sicherstellen, ist dagegen ihrer pflichtgemäßen Entscheidung im Rahmen ihrer Sachleistungsverantwortung nach § 2 Abs. 1 S 1 SGB V überlassen. Im Außenverhältnis zum Versicherten ist es deshalb rechtlich ohne Bedeutung, ob die Krankenkasse auf den Defekt eines Hilfsmittels durch Instandsetzung oder durch Ersatzbeschaffung reagiert, wenn sie denn den Gebrauch des im Einzelnen notwendigen Hilfsmittels nur überhaupt ermöglicht. Dies schließt es schon im Ansatz aus, eine Krankenkasse unabhängig von Zustand und Restwert eines Hilfsmittels sowie dem Anlass einer möglichen Reparatur zur Übernahme aller künftig anfallenden Reparaturkosten für ein bestimmtes Hilfsmittel zu verpflichten.

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Anwaltshonorar

Erforderlichkeit der Hinzuziehung eines Prozessbevollmächtigten

Bundessozialgericht - B 4 AS 97/11 R - Urteil vom 02.11.2012

Ob die Zuziehung eines Rechtsanwalts notwendig ist, kann nicht allein anhand des im Widerspruchsverfahren geltend gemachten Betrages beurteilt werden. Insoweit kann sinngemäß zur weiteren Ausfüllung des Merkmals auf die Grundsätze zurückgegriffen werden, die das BVerfG zum Merkmal der Erforderlichkeit von Prozesskostenhilfe entwickelt hat. Entscheidender Maßstab ist hiernach nicht das Verhältnis von Streitwert und Kostenrisiko, sondern die Wahrung des Grundsatzes der Waffengleichheit. Da dem Widerspruchsführer rechtskundige und prozesserfahrene Vertreter einer Behörde gegenüberstehen, kann die Notwendigkeit einer Zuziehung nur ausnahmsweise verneint werden. Denn es ist davon auszugehen, dass die Beauftragung eines Rechtsanwalts mit der Wahrnehmung der eigenen Interessen regelmäßig erfolgt, wenn im Kenntnisstand und Fähigkeiten der Prozessparteien ein deutliches Ungleichgewicht besteht.

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Grundsicherung für Arbeitssuchende SGB II

Kapitallebensversicherungen und Verwertungsverbot

Bundessozialgericht - B 4 AS 29/12 R - Urteil vom 11.12.2012

Die staatliche Förderung der Sicherungsformen des § 12 Abs. 2 Nr. 2 SGB II erfolgt - im Gegensatz zur üblichen Kapitallebensversicherung - nur dann, wenn sie grundsätzlich zertifiziert sind und ihre Zweckbestimmung zur Altersvorsorge öffentlich überwacht wird  Dadurch wird sichergestellt, dass die Versicherung auch tatsächlich der Altersvorsorge dient und nicht, wie bei "einfachen" Kapitallebensversicherungen möglich, das "angesparte" Kapital jederzeit zur Deckung eines auftretenden Bedarfs herangezogen werden kann. Demselben Ziel dient auch das in § 12 Abs. 2 Nr. 3 SGB II geregelte Verbot der vorzeitigen Verwertung.

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Sozialwidriges Verhalten und Ersatzpflicht

Bundessozialgericht - B 4 AS 39/12 R - Urteil vom 02.11.2012

Eine einschränkende Auslegung des § 34 Abs. 1 SGB II (Ersatzpflicht bei "sozialwidrigem Verhalten") ist geboten, weil es sich bei § 34 SGB II um eine Ausnahme von dem Grundsatz handelt, dass existenzsichernde und bedarfsabhängige Leistungen, auf die ein Rechtsanspruch besteht, regelmäßig unabhängig von der Ursache der entstandenen Notlage und einem vorwerfbaren Verhalten in der Vergangenheit zu leisten sind. Dieser Grundsatz einer "verschuldensfreien" Deckung des Existenzminimums darf nicht durch eine weitreichende und nicht nur auf begründete und eng zu fassende Ausnahmefälle begrenzte Ersatzpflicht der Leistungsberechtigten und ihrer Angehörigen konterkariert werden. Dies gilt insbesondere vor dem Hintergrund, dass der Ersatzanspruch nach § 34 SGB II seiner Höhe nach nicht begrenzt ist.

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Aufwendungen für private Pflegeversicherung

Bundessozialgericht - B 14 AS 11/12 R - Urteil vom 16.10.2012

Was eine "angemessene private Pflegeversicherung im notwendigen Umfang" ist, wird weder im SGB II noch im SGB XI ausdrücklich geregelt. Auszugehen ist - wie das LSG zu Recht ausgeführt hat - von § 110 SGB XI, nach dessen Abs. 1 i.V.m. § 23 SGB XI die Leistungen der privaten Pflegeversicherung den Leistungen der sozialen Pflegeversicherung nach Art und Umfang gleichwertig sein müssen. Dementsprechend erfüllt eine private Pflegeversicherung im Sinne dieser Vorschrift die aufgezeigte Voraussetzung.

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Unterkunftskosten bei Untermietvertrag

Bundessozialgericht - B 14 AS 161/11 R - Urteil vom 29.11.2012

Allein durch die rechtliche Verpflichtung eines Untermieters zur Zahlung des Mietzinses an den Hauptmieter verändern sich die für die Bewilligung von Leistungen für Unterkunft und Heizung maßgeblichen tatsächlichen Verhältnisse nicht, weil allein durch den Vertragsschluss die dem Vermieter geschuldeten und damit grundsätzlich (im Rahmen ihrer Angemessenheit) zu berücksichtigenden Unterkunftskosten nicht berührt werden. Der Untermietvertrag setzt die rechtliche Verpflichtung des Hauptmieters zur Zahlung des vollen Mietzinses gegenüber seinem Vermieter nicht außer Kraft. Daran ändert insbesondere die vorliegend eingeholte Erlaubnis zur Untervermietung (vgl. § 540 Bürgerliches Gesetzbuch) nichts, denn sie bezieht sich nur darauf, dass weitere Personen außer denen im Mietvertrag genannten die Wohnung nutzen dürfen. Sie schafft dagegen keinen Anspruch des Vermieters gegenüber dem Untermieter auf Zahlung von (Teilen der) Miete. Eine Minderung der vom Hauptmieter (Kläger) tatsächlich zu erbringenden Mietzahlungen und damit die Senkung seines Bedarfs für Unterkunft und Heizung ist allein mit dem Abschluss eines Untermietvertrags zum Zwecke der Kostensenkung nicht verbunden.

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Sozialhilfe SGB XII

Geistige Behinderung und Teilhabebeeinträchtigung

Bundessozialgericht - B 8 SO 10/11 R - Urteil vom 15.11.2012

Die Voraussetzungen für eine Behinderung nach § 2 Abs. 1 SGB IX sind erfüllt, wenn die geistige Fähigkeit mit hoher Wahrscheinlichkeit länger als sechs Monate von dem für das Lebensalter typischen Zustand abweicht und die Teilhabe am Leben in der Gesellschaft beeinträchtigt ist. Eine geistige Behinderung ist wesentlich im Sinne von § 53 Abs.1 Satz 1 i.V. m § 54 Abs. 1 SGB XII, wenn infolge einer Schwäche der geistigen Kräfte in erheblichem Umfang die Fähigkeit zur Teilhabe am Leben in der Gemeinschaft eingeschränkt ist. Dies richtet sich nach den Besonderheiten des Einzelfalls und hängt deshalb von sehr unterschiedlichen, durch die individuelle Behinderung geprägten Umständen ab. Insoweit ist wie bei der Prüfung der Behinderung auch ihre Wesentlichkeit wertend auszurichten, insbesondere an den Auswirkungen für die Eingliederung in die Gesellschaft. Entscheidend ist mithin nicht, wie stark die geistigen Kräfte beeinträchtigt sind und in welchem Umfang ein Funktionsdefizit vorliegt, sondern wie sich die Beeinträchtigung auf die Teilhabemöglichkeit auswirkt. Stehen die mit einer Behinderung einhergehenden Beeinträchtigungen der erfolgreichen Teilnahme am Unterricht in einer allgemeinen (Grund-)Schule entgegen, weil Lerninhalte ohne zusätzliche Hilfestellung nicht aufgenommen und verarbeitet werden können, und erfordert die geistige Behinderung deshalb einen sonderpädagogischen Förderbedarf, um die mögliche Vermittlung praktischer Kenntnisse und Fähigkeiten überhaupt erst zu ermöglichen, ist die Behinderung nach den oben aufgezeigten Grundsätzen wesentlich; denn eine Grundschulbildung bildet die essentielle Basis für jegliche weitere Schullaufbahn.

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Asylbewerberleistungsrecht

Keine rückwirkenden Leistungen bei Wegfall der Bedürftigkeit

Bundessozialgericht - B 7 AY 4/11 R - Urteil vom 20.12.2012

Es genügt für einen Anspruch auf rückwirkende Erbringung von Leistungen über § 44 SGB X auch nach dem AsylbLG nicht, dass bei Erlass der bestandskräftigen Verwaltungsakte Leistungen zu Unrecht vorenthalten wurden. Unter Berücksichtigung des § 44 Abs. 4 SGB X ("nach den Vorschriften der besonderen Teile dieses Gesetzbuchs", hier das AsylbLG) muss vielmehr den Besonderheiten des jeweiligen Leistungsrechts Rechnung getragen und berücksichtigt werden, dass die Leistungen nach dem AsylbLG ebenso wie die Sozialhilfe nur der Behebung einer gegenwärtigen Notlage dienen und deshalb für zurückliegende Zeiten nur dann zu erbringen sind, wenn die Leistungen ihren Zweck noch erfüllen können. Da dies nur der Fall ist, wenn die Bedürftigkeit fortbesteht, also nicht temporär oder auf Dauer entfallen ist, scheidet eine Nachzahlung im Verfahren nach § 44 SGB X bei Wegfall der Bedürftigkeit grundsätzlich aus.

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Buchrezension

Bisping
SGB II und SGB XII - BSG Entscheidungen kompakt (inkl. E - Book)
Walhalla, 2013, 368 Seiten (E - Book 1885 Seiten), € 24,90
ISBN: 978-3 - 8029 - 7369 - 7

Das Buch ist wirklich "Fleißarbeit" - und eine wahre Fundgrube! Hier wurden BSG - Entscheidungen von 2005 bis 2012 minutiös aufgelistet und zwar hauptsächlich nach alphabetisch sortierten Schlagwörtern aus den betreffenden Gesetzen. Das E - Book ist dazu die perfekte Ergänzung, denn dort finden sich die entsprechenden Urteile. Zwar etwas gekürzt, aber die Erwägungen der Richter zu den Schlagwörtern aus dem Fundstellenverzeichnis sind "drin". Z. B.: Schlagwort "Nebenkostennachzahlung". Untertitel: "bei bestehender Hilfebedürftigkeit zu übernehmen". Vgl. Urteil Nr. 1644 (es folgt das Aktenzeichen des BSG und Verkündungsdatum). Unter der Nummer 1644 findet man dann das Urteil im E - Book (und kann sich das zeitraubende Suchen in Kommentaren bzw. Zeitschriften sparen). Dieses Schlagwortverzeichnis bildet den Hauptteil des Buches.
Als besonders "Schmankerl" ist noch ein Verzeichnis der Entscheidungen nach Leistungs-trägern beigefügt. Es kann durchaus nützlich sein, nach zu schauen, ob und was gegenüber dem jeweiligen Gegner schon einmal entschieden wurde (Rekordhalter Jobcenter Wilhelmshaven, dicht gefolgt vom Jobcenter Freiburg Stadt).

Knödler / Krodel
Eilrechtsschutz und Klageverfahren in der Sozialen Arbeit
Walhalla 2011, 405 Seiten, € 49,- mit CD ROM
ISBN: 978 - 3 - 80297511 - 0

Das Buch für Faule! Warum lange über Formulierungen brüten, wenn es alles schon auf der mitgelieferten CD ROM gibt?
Das Handbuch scheint sich vordergründig nur an Berater (z. B. der Wohlfahrtsorganisationen) zu richten. Im Text ist immer nur die Rede von "Klient" oder gar "ich beantrage ….". Die Verfasser gehen in ihrem Vorwort aber weiter: Dort geht es um "Rechtsanwälte, die … zur Abfassung eines anwaltlichen Schriftsatzes auf die Formulierungsvorschläge des vorliegenden Praxishandbuches zurückgreifen können". Umfasst sind die möglichen Klage-/Antragsarten nicht nur im SGG- sondern darüber hinaus im VwGO - Verfahren, typische Fallgestaltungen mit Checklisten und eben die erwähnten Mustertexte für die Klage-/Antragsarten auf der beiliegenden CD ROM. Einziges Manko: Die Fundstellen der jeweiligen Zitate sind immer am Ende eines Kapitels abgedruckt. Das ist zwar gedanklich logisch, aber umständlich beim Suchen. Insbesondere für Bevollmächtigte, die noch nie auf einem bestimmten Gebiet gearbeitet haben oder - wie häufig im Eilrechtsschutz - in Zeitnot sind, stellen diese eine wertvolle Hilfe dar. Das Buch ist handlich, ausführlich und kann uneingeschränkt zum Kauf empfohlen werden.

M. Schörnig 
Rechtsanwältin

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