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Ausgabe 5/2011September vom 11.09.2011Druckversion der Zeitung (pdf-Format ohne weiterführende Links). |
Herausgeber und verantwortlich im Sinne des
Pressegesetzes Dorothea Strake Die Zeitschrift erscheint alle 2 Monate Liebe Leser, in ca. zwei Wochen erscheint die neue Version unserer CD "Sozialrecht" mit aktuellen Kommentaren zu allen wichtigen Rechtsgebieten des Sozialrechts. Wenn Sie noch nicht Abonnent unserer CD sind, können Sie diese schon jetzt über den Button "Bestellung" ordern. Viel Spaß beim Lesen unserer Septemberausgabe der Onlinezeitschrift wünscht Ihr Team vom Sozialmedizinischen Verlag und uwendler.de.
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Kein GdB für nicht in Deutschland wohnhafte bzw. arbeitende Ausländer Landessozialgericht Nordrhein-Westfalen - L 10 SB 74/10 - Urteil vom 08.06.2011 Ein Ausländer, der nicht in der Bundesrepublik Deutschland wohnhaft (pp) ist bzw. dort keinen Arbeitsplatz hat, hat keinen Anspruch auf Feststellung des GdB und von Nachteilsausgleichen, wenn diesem daraus keine konkreten inländische Rechtsvorteile entstehen. Eine rein abstrakte, theoretische Möglichkeit der Inanspruchnahme rechtlicher Vorteile im Inland genügt nicht, um die Durchbrechung des Territorialitätsprinzips zu rechtfertigen. <<< nach oben >>> Kein RF im Wege des einstweiligen Rechtsschutzes Landessozialgericht Berlin-Brandenburg - L 13 SB 63/11 B ER - Beschluss vom 30.06.2011 Für eine einstweilige Anordnung, das Vorliegen der gesundheitlichen Voraussetzungen für das Merkzeichen "RF" festzustellen, fehlt der Anordnungsgrund. Dem behinderten Menschen drohen keine unzumutbaren Nachteile, wenn seinem Feststellungsbegehren nicht sofort entsprochen wird. Vielmehr ist es ihm zuzumuten, die Gebühren für Fernsehen und Rundfunk in Höhe von monatlich 17,98 €, deren Befreiung letztlich dem Begehren zu Grunde liegt, einstweilen selbst zu tragen. <<< nach oben >>> GdB für Diabetes mellitus Landessozialgericht Berlin-Brandenburg - L 13 SB 162/10 - Urteil vom 19.05.2011 Bei konventioneller Insulintherapie mit 2 x täglicher Gabe eines Mischinsulins mit stabiler bis zufriedenstellender Stoffwechsellage ist unter Berücksichtigung mehrerer täglicher Blutzuckermessungen ein GdB von 30 angemessen. Bei einer intensivierteren Insulintherapie mit 3 x täglichen Insulininjektionen zu den Hauptzeiten sowie 2 x täglichen Insulininjektionen zu darüber hinausgehenden Zeitpunkten ist ein GdB von 40 gerechtfertigt. <<< nach oben >>> Zeit der Heilungsbewährung bei Lynch-Syndrom Landessozialgericht Berlin-Brandenburg - L 13 SB 296/08 - Urteil vom 09.06.2011 Ein Lynch-Syndrom ist ein hereditäres non-polypöses Kolonkarzinom (HNPCC), bei dem eine gehäufte Assoziation zu synchronen oder metachronen Zweitkarzinomen besteht. Während bei den nicht heriditären Formen des Kolonkarzinoms nach einer Beobachtungszeit von fünf Jahren selten mit einem Rezidiv oder gar Zweittumor zu rechnen ist, muss beim Lynch-Syndrom von einer solchen Gefährdung in 45 % der Fälle ausgegangen werden. Auch unter Berücksichtigung der psychischen Belastung ist deshalb von einer "Entfernung anderer maligner Darmtumoren" im Sinne von Teil B Nr. 10.2.2 VMG auszugehen, die mit einem GdB von wenigstens 80 während einer Heilungsbewährung von fünf Jahren zu bewerten ist. <<< nach oben >>>
Kein Wirbelsäulenschaden aufgrund 4jähriger Zwangsarbeit Landessozialgericht Berlin-Brandenburg - L 13 VE 70/09 - Urteil vom 10.03.2011 Bandscheibenbedingte Erkrankungen der Lendenwirbelsäule nach langjährigem Heben oder Tragen schwerer Lasten können Schädigungsfolge sein. Ca. zehn Berufsjahre sind die untere Grenze der Dauer der belastenden Tätigkeit. Nur in begründeten Einzelfällen kann es möglich sein, dass bereits eine kürzere, aber sehr intensive Belastung eine bandscheibenbedingte Erkrankung der Lendenwirbelsäule verursacht. <<< nach oben >>>
Unterkunft und Heizung sind ein Streitgegenstand Bundessozialgericht - B 14 AS 52/09 R - Urteil vom 24.02.2011 In sachlicher Hinsicht kann der Streitgegenstand auf die Höhe der Leistungen für Unterkunft und Heizung - in Abgrenzung z.B. zu einem Streit um eine höhere Regelleistung - beschränkt werden, wenn, hinsichtlich der Höhe der Leistungen für Unterkunft und Heizung eine abtrennbare Verfügung (Verwaltungsakt i.S. des § 31 Zehntes Buch Sozialgesetzbuch) im Rahmen des Gesamtbescheides über die Arbeitslosengeld II (Alg II)-Leistungen an den Kläger ergangen ist. Eine weitere Aufspaltung des Streitgegenstandes in eine Leistung für die Unterkunft und in eine für die Heizung ist rechtlich nicht möglich. <<< nach oben >>> Gericht darf nicht isoliert über Mehrbedarf entscheiden Bundessozialgericht - B 14 AS 49/10 R - Urteil vom 24.02.2011 Nach § 123 SGG entscheidet das Gericht über die vom Kläger erhobenen Ansprüche, ohne an die Fassung der Anträge gebunden zu sein. Bei unklaren Anträgen muss das Gericht mit den Beteiligten klären, was gewollt ist, und darauf hinwirken, dass sachdienliche und klare Anträge gestellt werden (§ 106 Abs. 1, § 112 Abs. 2 Satz 2 SGG). Im Übrigen muss dann, wenn der Wortlaut eines Antrags nicht eindeutig ist, im Wege der Auslegung festgestellt werden, welches das erklärte Prozessziel ist. In entsprechender Anwendung der Auslegungsregel des § 133 Bürgerliches Gesetzbuch ist nicht am Wortlaut der Erklärung zu haften; die Auslegung von Anträgen richtet sich vielmehr danach, was als Leistung möglich ist, wenn jeder verständige Antragsteller mutmaßlich seinen Antrag bei entsprechender Beratung angepasst hätte und keine Gründe zur Annahme eines abweichenden Verhaltens vorliegen. Im Zweifel ist davon auszugehen, dass der Kläger alles zugesprochen haben möchte, was ihm aufgrund des Sachverhalts zusteht Die Gewährung eines Mehrbedarfs wegen kostenaufwändiger Ernährung allein kann nicht zulässiger Streitgegenstand eines gerichtlichen Verfahrens sein. <<< nach oben >>> Änderung von Verfahrensrecht Bundessozialgericht - B 8 SO 18/09 R - Urteil vom 14.04.2011 Wird ein Gesetz mit verwaltungsverfahrensrechtlichem Inhalt während des gerichtlichen Verfahrens geändert, so richtet sich der zeitliche Anwendungsbereich des Gesetzes nach allgemeinen Grundsätzen des intertemporalen Prozessrechts, sofern nicht ein verfassungskonform abweichender Geltungswille des Gesetzes festzustellen ist. Danach sind Änderungen des Verfahrensrechts - soweit nichts anderes vorgeschrieben - bei bereits anhängigen Verfahren zu beachten. <<< nach oben >>> Vorläufige und Endgültige Leistungsbewilligung Bundessozialgericht - B 4 AS 119/10 R - Urteil vom 06.04.2011 Ein Kläger ist wegen der Vorläufigkeit der Leistungsbewilligung nicht ausschließlich gehalten, ebenfalls nur Leistungen in vorläufiger Höhe zu beantragen, wenn die Verwaltung eine endgültige Leistungsgewährung durch gesonderten Verfügungssatz zumindest konkludent ablehnt. Die Entscheidung der vorläufigen Bewilligung einer Leistung ist nach § 328 Abs. 1 SGB III eine Ermessensentscheidung, wobei der Verwaltungsträger einen Entscheidungsfreiraum im Sinne von Entschließungs- und Auswahlermessen hat Die grundsätzlich richtige Klageart im Falle nicht gebundener Entscheidungen ist damit zwar die Verpflichtungsklage. Geht der Kläger jedoch davon aus, dass die Voraussetzungen für eine vorläufige Entscheidung nicht vorliegen oder das Ermessen der Behörde sowohl im Hinblick auf die Rechtmäßigkeit der vorläufigen Entscheidung selbst, als auch der Höhe der zu bewilligenden Leistungen auf Null reduziert sei, ist die Beantragung der Leistung selbst und hilfsweise die Verpflichtung zum Erlass eines neuen Bescheides unter Beachtung der Rechtsauffassung des Gerichts zulässig. <<< nach oben >>> Aufhebung von Bescheiden bei ungeklärtem Sachverhalt Bundessozialgericht - B 4 AS 22/10 R - Urteil vom 21.06.2011 Erlässt die Verwaltung einen endgültigen Bescheid auf Grundlage eines nicht endgültig aufgeklärten Sachverhalts und stellt sich später - nach weiteren Ermittlungen - heraus, dass der Bescheid bereits im Zeitpunkt des Erlasses objektiv rechtswidrig war, ist ein Fall des § 45 SGB X gegeben. Mangelnde Amtsermittlung kann auch niemals Grund für eine nur vorläufige Leistungsbewilligung sein. <<< nach oben >>>
Berechnung des beitragspflichtigen Teils einer Direktversicherung Bundessozialgericht - B 12 KR 16/10 R - Urteil vom 30.03.2011 Kapitalleistungen aus einer als Direktversicherung abgeschlossenen Kapitallebensversicherung unterliegen der Beitragspflicht der GKV. Das gilt nicht für den Teil der Kapitalleistungen, die auf Prämien beruhen, die ein Arbeitnehmer nach dem Ende seines Arbeitsverhältnisses auf einen Kapitallebensversicherungsvertrag unter Einrücken in die Stellung des Versicherungsnehmers eingezahlt hat. In diesem Fall hat eine typisierende prämienratierliche Ermittlung der beitragspflichtigen Versorgungsbezüge aus der Gesamtablaufleistung zu erfolgen. <<< nach oben >>> Kein Anspruch auf Versorgung mit Sportrollstuhl für Vereinssport Bundessozialgericht - B 3 KR 10/10 R - Urteil vom 18.05.2011 Jugendliche Versicherte können, auch wenn sie ein besonderes Sportinteresse am Rollstuhlbasketball haben, die Versorgung mit besonders ausgestatteten Sportrollstühlen für den Vereinssport nicht beanspruchen. Die Sportausübung in einem Verein reicht über den zwingend vorgegebenen Schulbesuch hinaus. <<< nach oben >>> Zum Anspruch auf Versorgung mit einem Rollstuhl-Bike Bundessozialgericht - B 3 KR 12/10 R - Urteil vom 18.05.2011 Ausnahmsweise kann ein behinderter Mensch von der Krankenkasse die Versorgung mit einem Rollstuhl-Bike beanspruchen, und zwar dann wenn der Nahbereich ohne dieses Hilfsmittel nicht in zumutbarer Weise erschlossen werden kann oder wenn eine über den Nahbereich hinausgehende Mobilität zur Wahrnehmung eines anderen Grundbedürfnisses notwendig ist. So ist z.B. die Erschließung des Nahbereichs ohne das begehrte Hilfsmittel unzumutbar, wenn Wegstrecken im Nahbereich ansonsten nur unter Schmerzen oder nur unter Inanspruchnahme fremder Hilfe bewältigt werden können oder wenn die hierfür benötigte Zeitspanne erheblich über derjenigen liegt, die ein nicht behinderter Mensch für die Bewältigung entsprechender Strecken zu Fuß benötigt. <<< nach oben >>> Kein Anspruch auf Tiefenhyperthermie als Sachleistung der GKV Landessozialgericht Nordrhein-Westfalen - L 5 KR 361/11 B - Beschluss vom 13.07.2011 Ein Versicherte mit einem duktalem Carzinoma in situ hat keinen Anspruch auf Tiefenhyperthermie als Sachleistung der GKV. Bei der Hyperthermie handelt es sich um eine "neue" Behandlungsmethode, die der GBA von der vertragsärztlichen Versorgung ausgenommen hat. <<< nach oben >>> Beläge an Zahnimplantaten Bundessozialgericht - B 1 KR 17/10 R - Urteil vom 21.06.2011 Nach B.VI.1. BehandlRL-ZÄ gehören zur vertragszahnärztlichen Versorgung das Entfernen von harten verkalkten Belägen und die Behandlung von Erkrankungen der Mundschleimhaut. Aus Wortlaut und Zielsetzung der Regelung folgt, dass die zahnärztliche Versorgung nicht nur auf das Entfernen harter, verkalkter Zahnbeläge gerichtet ist, sondern gleichermaßen auch entsprechende Beläge an Implantaten (und darauf aufgesetztem Zahnersatz (Suprakonstruktionen)) erfasst, welche nicht selbsttätig durch den Versicherten herausnehmbar sind und von diesem gereinigt werden können. <<< nach oben >>> Krankengeld für "dieselbe" Krankheit Bundessozialgericht - B 1 KR 15/10 R - Urteil vom 21.06.2011 Bei im Zeitablauf nacheinander auftretenden Erkrankungen handelt es sich im Sinne des § 48 Abs. 1 SGB V um dieselbe Krankheit, wenn der regelwidrige Körper- oder Geisteszustand, der die Krankheitsursache bildet, auf ein medizinisch nicht ausgeheiltes Grundleiden zurückzuführen ist. Dies kann z.B. bei wiederholt in unterschiedlicher Ausprägung auftretenden gesundheitlichen Beeinträchtigungen der Fall sein. Hierbei ist eine stark verfeinernde, eng fachmedizinisch-diagnostische Sichtweise zu vermeiden, die die Gefahr begründet, dass dem Merkmal im Kontext des § 48 Abs. 1 SGB V letztlich gar keine eigenständige rechtliche Bedeutung mehr zukommt, obwohl das Gesetz damit gerade eine Einengung des zeitlichen Umfangs der Krankengeldgewährung bezweck. Gleiches hat das BSG Senat erwogen, wenn ein Versicherter etwa bei einem schweren, sich in einem Sekundenbruchteil realisierenden Unfallereignis zusammenhanglos Gesundheitsschäden in mehreren Körperregionen erleidet. Nichts anderes gilt bei Versicherten, bei denen wegen des Nebeneinanders verschiedener gravierender akuter oder chronischer Leiden von Anfang an eine Multi- oder Polymorbidität bzw. Polypathie besteht. Denn in Bezug auf die Anspruchsdauer des Krg behandelt das Gesetz den Versicherten, der von vornherein an mehreren Krankheiten leidet und der deshalb arbeitsunfähig ist, nicht anders als denjenigen, bei dem "nur" ein einziges Leiden die AU auslöst. <<< nach oben >>>
Zur objektiven Unmöglichkeit eine angemessene Wohnung zu finden Bundessozialgericht - B 14 AS 106/10 R - Urteil vom 13.04.2011 Eine objektive Unmöglichkeit, eine Wohnung zu dem nach dem Mietspiegel angemessenen Quadratmeterpreis zu finden, hat der 4. Senat des BSG schon in Anknüpfung an die Rechtsprechung des Bundesverwaltungsgerichts - abgesehen von Ausnahmefällen - grundsätzlich verneint, weil es in Deutschland derzeit keine allgemeine Wohnungsnot gibt und allenfalls in einzelnen Regionen Mangel an ausreichendem Wohnraum besteht. Dem schließt sich der 14 Senat des BSG an zumindest dann an, wenn ein qualifizierter Mietspiegel, der in einem wissenschaftlich gesicherten Verfahren aufgestellt wurde, der Bestimmung des angemessenen Quadratmeterpreises für die Kaltmiete zugrunde liegt und entweder der Durchschnittswert dieses Mietspiegels angewandt wird oder dem Mietspiegel Aussagen zur Häufigkeit von Wohnungen mit dem angemessenen Quadratmeterpreis entnommen werden können. Denn dann kann davon ausgegangen werden, dass es in ausreichendem Maße Wohnungen zu der abstrakt angemessenen Leistung für die Unterkunft gibt. <<< nach oben >>> Fernsehgerät kein Gegenstand der Erstausstattung Bundessozialgericht - B 14 AS 75/10 R - Urteil vom 24.02.2011 Es besteht kein Anspruch auf ein Fernsehgerät im Rahmen der Erstausstattung einer Wohnung nach § 23 Abs. 3 Satz 1 Nr. 1 SGB II. Aus den entgegenstehenden Aussagen in Teilen der instanzgerichtlichen Rechtsprechung und der Literatur folgt nichts anderes, denn eine Begründung, warum ein Fernsehgerät Teil der Erstausstattung einer Wohnung ist und dem Bedürfnis "Wohnen" dient und nicht nur ein in über 90 % aller Wohnungen anzutreffender Gegenstand ist, der anderen Zwecken dient, wird weder in der genannten Rechtsprechung noch Literatur angeführt. Um Teil der Erstausstattung einer Wohnung zu sein, genügt es gerade nicht, dass es sich um einen "wohnraumbezogenen Ausstattungsgegenstand" handelt, der Beziehungen zu Umwelt, Informationsdeckung und Teilhabe am kulturellen Leben ermöglicht. Denn ein Fernsehgerät dient - selbst unter dem Aspekt der Üblichkeit in unteren Einkommensgruppen - nicht einem an den herrschenden Lebensgewohnheiten orientierten "Wohnen" i.S. des § 23 Abs. 3 Satz 1 Nr. 1 SGB II, sondern der Befriedigung von Unterhaltungs- und Informationsbedürfnissen. <<< nach oben >>> Zum Anspruch auf Einrichtungsgegenstände Bundessozialgericht - B 14 AS 53/10 R - Urteil vom 13.04.2011 Für die Höhe des Anspruchs auf Wohnungserstausstattung ist zunächst der Leistungsumfang maßgeblich. Leistungen nach § 23 Abs. 3 Satz 1 Nr. 1 SGB II sind für die Ausstattung mit wohnraumbezogenen Gegenständen zu erbringen, die eine geordnete Haushaltsführung und ein an den herrschenden Lebensgewohnheiten orientiertes Wohnen ermöglichen. Der Anspruch auf Erstausstattung einer Wohnung ist wie alle Leistungen des SGB II bedarfsbezogen zu verstehen. Die Wohnung soll nicht nur die Bedürfnisse nach Schutz vor Witterung und einer Gelegenheit zum Schlafen befriedigen, sondern auch die Unterbringung von Gegenständen aus dem persönlichen Lebensbereich sowie die Führung eines Haushalts ermöglichen. Dabei wird aber - in Anlehnung an die Vorschrift des § 22 SGB II zur Unterkunft - nur eine angemessene Ausstattung berücksichtigt, die den grundlegenden Bedürfnissen genügt und im unteren Segment des Einrichtungsniveaus liegt. Die Leistungen können durch Sachleistungen oder Pauschalen erbracht werden. <<< nach oben >>> Mehrbedarf bei Diabetes Bundessozialgericht - B 4 AS 100/10 R - Urteil vom 10.05.2011 Voraussetzung für die Gewährung eines Mehrbedarfs nach § 21 Abs. 5 SGB II ist eine gesundheitliche Beeinträchtigung, die eine Ernährung erfordert, deren Kosten aufwändiger sind als dies für Personen ohne diese Einschränkung der Fall ist. Es muss also ein ursächlicher Zusammenhang zwischen einer bestehenden oder drohenden Erkrankung und der Notwendigkeit einer besonderen kostenaufwändigen Ernährung vorliegen. Diese Voraussetzungen liegen bei der Klägerin nicht vor. Mit "medizinischen Gründen" sind nur krankheitsbedingte Gründe gemeint. Der Gesetzgeber hat inhaltliche Unterschiede zwischen § 21 Abs. 5 SGB II und § 30 Abs. 5 SGB XII nicht beabsichtigt. Sinn und Zweck der Leistungen ist es in beiden Fällen, durch die krankheitsbedingte besondere Ernährung drohende oder bestehende Gesundheitsschäden abzuwenden oder zu verhindern. Ein Diabetes mellitus Typ I verursacht in der Regel weder einen erhöhten Kalorienbedarf noch einen anderen Ernährungsmehrbedarf i.S. des § 21 Abs. 5 SGB II. Die Ernährung mit einer sog "Vollkost" bei Diabetes mellitus I/II unterfällt nicht § 21 Abs. 5 SGB II, da es sich nicht um eine Krankenkost handelt, auf die die Vorschrift abzielt, sondern um eine Ernährungsweise, die auf das Leitbild des gesunden Menschen Bezug nimmt. Die Vollkost ist aus der Regelleistung zu bestreiten. Auch insoweit gilt, dass für die allgemeine Kritik, eine ausgewogene Ernährung sei aus dem Regelsatz nicht zu finanzieren, § 21 Abs. 5 SGB II kein Auffangtatbestand ist. <<< nach oben >>> Betriebskostennachforderung und abgesenkte Leistungen Bundessozialgericht - B 4 AS 12/10 R - Urteil vom 06.04.2011 Mit der Geltendmachung der Betriebskostennachforderung durch den Vermieter ist eine rechtserhebliche Änderung der tatsächlichen Verhältnisse eingetreten. § 22 Abs. 1 SGB II erfasst nicht nur laufende, sondern auch einmalige Kosten für Unterkunft und Heizung. Soweit eine Nachforderung in einer Summe fällig wird, ist sie als tatsächlicher, aktueller Bedarf im Zeitpunkt ihrer Fälligkeit zu berücksichtigen, nicht aber auf längere Zeiträume zu verteilen. Nachzahlungen gehören demzufolge zum aktuellen Bedarf im Fälligkeitsmonat. Eine wesentliche Änderung i.S. von § 48 Abs. 1 SGB X kann nicht mit der Argumentation verneint werden, der Leistungsbezieher habe keine höheren Leistungen für Unterkunft und Heizung beanspruchen können, weil ihm im fraglichen Zeitraum lediglich noch Leistungen in abgesenkter Höhe gewährt worden seien. <<< nach oben >>> Zu Mehrbedarfen nach § 21 Abs. 4 SGB II Bundessozialgericht - B 4 AS 3/10 R - Urteil vom 06.04.2011 Einen Anspruch auf höhere Leistungen zur Sicherung des Lebensunterhalts nach dem SGB II wegen eines Mehrbedarfs auf Grund der Teilnahme an einer Teilhabeleistung hat nach § 21 Abs. 4 SGB II in der Fassung vom 24.12.2003 ein erwerbsfähiger behinderter Hilfebedürftiger, dem Leistungen zur Teilhabe am Arbeitsleben nach § 33 SGB IX sowie sonstige Hilfen zur Erlangung eines geeigneten Platzes im Arbeitsleben oder Hilfe zur Ausbildung für eine sonstige angemessene Tätigkeit erbracht werden. Die fragliche Leistungsgewährung muss nicht zwingend auf Bewilligungsbescheiden des Grundsicherungsträgers beruhen. Ausreichend für die Erfüllung des Merkmals "erbracht werden" ist, dass eine in der Regelung bezeichnete Eingliederungsmaßnahme tatsächlich durchgeführt wird. Darüber hinaus ist unerheblich, ob die Leistung durch den Grundsicherungsträger durch Verwaltungsakt bewilligt worden ist. Ausreichend ist vielmehr, dass die Leistungsgewährung auf Veranlassung des Grundsicherungsträgers oder eines anderen Sozialleistungsträgers, etwa des Rentenversicherungsträgers erfolgt. <<< nach oben >>> Absetzbarkeit von Versicherungsbeiträgen Bundessozialgericht - B 4 AS 139/10 R - Urteil vom 10.05.2011 Die mangelnde Abzugsmöglichkeit der Versicherungspauschale vom Einkommen des Kindes, das in einer Bedarfsgemeinschaft lebt, ist in der Rechtsprechung des BSG damit gerechtfertigt worden, dass im Regelfall das Kind an den für die Bedarfsgemeinschaft abgeschlossenen Versicherungen partizipiert und sein Einkommen in erster Linie zur Deckung des eigenen Lebensunterhalts dienen soll. Unter Berücksichtigung dessen soll die durch die Änderung der Alg II-V eröffnete Möglichkeit, auch vom Einkommen des minderjährigen Kindes in der Bedarfsgemeinschaft eine Versicherungspauschale in Abzug zu bringen, daher nur dann ergriffen werden können, wenn für das Kind eine eigene Versicherung abgeschlossen worden ist, die sein Einkommen auch tatsächlich belastet. Dieses setzt jedoch nur voraus, dass eine für das Kind zu finanzierende Versicherung vorhanden ist, die nicht in der Gesamtvorsorge der Bedarfsgemeinschaft aufgeht. Nicht erforderlich ist, dass das Kind den Versicherungsvertrag selbst geschlossen hat. <<< nach oben >>> Keine Leistungen auch bei Ersatzfreiheitsstrafe Bundessozialgericht - B 4 AS 128/10 R - Urteil vom 21.06.2011 Der Leistungsausschluss nach § 7 Abs. 4 Satz 2 SGB II greift vom ersten Tag der Aufnahme in die Einrichtung auch dann, wenn der Hilfebedürftige in der JVA eine Ersatzfreiheitsstrafe nach § 43 Strafgesetzbuch verbüßt, weil er sich auch dann in einer Einrichtung zum Vollzug richterlich angeordneter Freiheitsentziehung aufhält. Hintergrund des fehlenden Ausspruchs der Ersatzfreiheitsstrafe im Falle der Nichtzahlung der Geldstrafe im Strafurteil ist, dass der Maßstab der Umrechnung zwischen Geldstrafe und Ersatzfreiheitsstrafe im Gesetz bereits bestimmt sei und dem Strafrichter insoweit kein Raum für eine eigene Entscheidung verbleibt. <<< nach oben >>>
Leistungen für Unterkunft und Mietvertrag Bundessozialgericht - B 8 SO 19/09 R - Urteil vom 14.04.2011 Die Leistungen für Unterkunft nach § 29 Abs. 1 SGB XII sind bei Mietverhältnissen nicht zwingend auf die Übernahme von (Kalt-) Miete und Betriebskosten beschränkt. Denn § 29 Abs. 1 Satz 1 SGB XII bestimmt, dass Leistungen für die Unterkunft in Höhe der "tatsächlichen Aufwendungen" erbracht werden. Diese tatsächlichen Aufwendungen umfassen regelmäßig alle Zahlungsverpflichtungen, die sich aus dem Mietvertrag für die Unterkunft ergeben. Begrifflich können hierunter auch Aufwendungen für Sach- oder Dienstleistungen fallen, die zwar ihrer Art nach nicht dem Grundbedürfnis "Wohnen" dienen, aber mit den vertraglichen Vereinbarungen betreffend der Unterkunft derart verknüpft sind, dass die Unterkunft ohne diese Aufwendungen nicht erlangt oder erhalten werden kann, wenn sie nicht zur Disposition des Leistungsberechtigten stehen und in diesem Sinne einen unausweichlichen Kostenfaktor der Wohnung darstellen. Ob ein derartig einheitliches Rechtsgeschäft vorliegt, das bei Fortführung des Mietverhältnisses eine isolierte Kündigung des Betreuungsvertrages ausschließt, bestimmt sich nach den vertraglichen Erklärungen der Vertragsparteien. <<< nach oben >>>
Kassen u. a. Genau wie "Betreuungsrecht kompakt" (rezensiert in der letzten Ausgabe) hat das Wohn - und Teilhabegesetz mit Sozialrecht eigentlich nichts zu tun, jedenfalls streng juristisch nicht. Es leuchtet auch Betroffenen und deren Angehörigen nicht ein, warum sie 'mal zur Zivilgerichtsbarkeit, dann zur Verwaltungsgerichtsbarkeit oder zur Sozialgerichtsbarkeit gehen sollen (mir übrigens auch nicht). Aber es ist etwas "Soziales" und vielleicht gerade deshalb haben im Sozialrecht Tätige (egal, ob nun Rechtsanwälte oder Berater generell) häufig damit zu tun. Vor diesem Hintergrund ist es hilfreich, dieses Buch zur Hand zu haben; - wobei dieses Wortspiel unfreiwillig und unzutreffend ist: Über ein "Handbuch" geht das Werk weit hinaus. Die Verfasser hatten den Ehrgeiz, alle Betroffenen anzusprechen und geraten damit in ein Dilemma. Jeder Abschnitt wendet sich an einen anderen Adressatenkreis: Geltungsbereich / Allgemeine Anforderungen an den Betreiber / Anforderungen an die Wohnqualität / Personelle Anforderungen / Beratung und Information / Beteiligung der Bewohner / Verfahren und Zusammenarbeit der Behörden / (Heim)Vertragsrecht. Hier sind Informationen für Betroffene, Bewohner, Betreiber, Pflegefachkräfte und Behörden zusammengefaßt. Dadurch wird es unfreiwillig zum Gemischtwarenladen, was sicherlich nicht an den Verfassern liegt, sondern an der Materie selbst. Am besten "pickt" sich jeder Nutzer den für ihn interessanten Teil heraus (und interessant ist es). Man kann es nicht jedem Recht machen. M. Schörnig <<< nach oben >>> Die nächste Ausgabe unserer Zeitschrift erscheint im November 2011! |
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