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Ausgabe 3/2010Mai vom 03.05.2010Druckversion der Zeitung (pdf-Format ohne weiterführende Links). Erste Verordnung zur
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Herausgeber und verantwortlich im Sinne des
Pressegesetzes Dorothea Strake Die Zeitschrift erscheint alle 2 Monate Liebe Leser, wir haben uns mächtig ins Zeug gelegt und bieten Ihnen mit dieser Ausgabe wieder einen Überblick über die Rechtsprechung der letzten Monate. Wenn Sie einen Überblick über das komplette Sozialrecht suchen, sollten Sie unsere CD "Sozialrecht" abonnieren. Für wenig Geld, erhalten Sie mit dieser CD einen Überblick über die gesamte Rechtsprechung in den wesentlichen Bereichen des Sozialrechts, dazu umfangreiche Kommentierungen der wichtigsten Bücher des SGB. Wenn Sie Interesse haben und nicht sofort ein Abonnement eingehen wollen, fordern Sie doch einfach einmal (ab 11.05.2010) eine kostenlose Probe CD unter der Tel Nr.: 02163 987773 an. Wir sind uns sicher, dass unser Produkt Sie überzeugen wird. Viel Spaß beim Lesen wünscht Ihr Team vom Sozialmedizinischen Verlag und UWendler.de |
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Keine zulässige Klage auf Behinderungsbezeichnung Landessozialgericht Nordrhein-Westfalen - L 6 SB 52/09 - Urteil vom 26.01.2010 Ein auf Einzelfeststellung von Behinderungen gerichtetes Begehren ist unzulässig. Anders oder erweitert formulierte Bezeichnungen der Behinderung sind gerichtlich nicht einklagbar. <<< nach oben >>> Zur Bildung des Gesamt-GdB Landessozialgericht Nordrhein-Westfalen - L 6 SB 187/09 - Beschluss vom 26.04.2010 Leichte Funktionsbeeinträchtigungen mit einem Einzel-GdB von "gerade eben" 20 sind bei der Gesamt-GdB-Bildung grundsätzlich nicht zu berücksichtigen. <<< nach oben >>> Nachteilsausgleich "Bl" bei visueller Agnosie Landessozialgericht Niedersachsen-Bremen - L 13 SB 62/04 - Urteil vom 30.06.2009 Ein Anspruch auf Zuerkennung des Merkzeichens "Bl" wegen einer Agnosie ist nicht von vorneherein ausgeschlossen. Vielmehr kann auch beim Vorliegen einer visuellen Agnosie derjenige behinderte Mensch als blind i. S. des Schwerbehindertenrechts angesehen werden, bei dem ein sog. kombiniertes Krankheitsbild vorliegt und bei dem die visuelle Wahrnehmung deutlich stärker betroffen ist als die Wahrnehmung der anderen Modalitäten des Gehirns. Nach den Regeln der objektiven Beweislast obliegt allerdings dem behinderten Menschen der Nachweis, bei ihm sei die visuelle Wahrnehmung deutlich stärker als die Wahrnehmung in anderen Modalitäten betroffen. <<< nach oben >>> Kein höherer GdB für Diabetes Mellitus wegen Kontrolle des Blutzuckerspiegel und Verabreichung von Insulin Landessozialgericht Berlin-Brandenburg - L 13 SB 78/06 - Urteil vom 12.11.2009 Eine vier- bis fünfmal tägliche Kontrolle des Blutzuckerspiegel und die regelmäßige Verabreichung von Insulin sind nicht geeignet, einen höheren Einzel-GdB für einen insulinpflichtigen Diabetes mellitus als 30 zu begründen. <<< nach oben >>> "aG" wegen Adipositas permagna Landessozialgericht Berlin-Brandenburg - L 13 SB 235/07 - Urteil vom 03.12.2009 Die funktionellen Auswirkungen einer Adipositas permagna sind nicht nur bei Einschätzung eines aus anderen Gesundheitsstörungen folgenden GdB (erhöhend) zu berücksichtigen, sondern auch insoweit, als sie zu einer Einbuße der Bewegungsfähigkeit im Straßenverkehr führen. Dieser zum Merkzeichen "G" ergangenen Rechtsprechung ist auch für das besondere gesundheitliche Merkmal der außergewöhnlichen Gehbehinderung ("aG") zu folgen. So müssen z.B. das Zusammenwirken der orthopädischen Behinderungen und einer schweren Adipositas bei der Feststellung der Behinderung und dem dadurch veranlassten Nachteilsausgleich berücksichtigt werden. <<< nach oben >>> Zur rückwirkenden Antragstellung BSG - B 9 VG 3/08 R - Urteil vom 30.09.2009 Leistungen nach dem OEG sind Opfern von Gewalttaten ab Antragsmonat zu gewähren. Bei unterlassenem Antrag ist eine Wiedereinsetzung in den vorigen Stand möglich, wenn das Opfer ohne Verschulden gehindert war, den Antrag rechtzeitig zu stellen. Ein Verschulden des gesetzlichen Vertreters eines minderjährigen Gewaltopfer ist dem Opfer nicht zuzurechnen, wenn der gesetzliche Vertreter durch einen Antrag in einen Interessenkonflikt geraten, z.B. den eigenen Ehemann als Täter belasten oder Schadensregresse gegen ihn auslösen würde. Schutzwürdig ist dieser Interessenkonflikt jedoch nur bei Personen, die dem Gewalttäter hinreichend eng verbunden sind; eine Liebesbeziehung zu dem Täter reicht insoweit nicht aus. <<< nach oben >>> Onanieren vor Kind keine Tat nach dem OEG Landessozialgericht Nordrhein-Westfalen - L 10 VG 31/08 - Urteil vom 28.01.2010 Das Onanieren vor einem Kind ist zwar ein sexueller Missbrauchs nach § 176 Abs. 5 Nr. 1 StGB, es stellt aber keinen "tätlichen" Angriff i.S.d. § 1 Abs. 1 OEG dar. Damit steht dem Kind auch kein Entschädigungsanspruch nach dem OEG zu, auch wenn die Tat zu einer gesundheitlichen (z.B. psychischen) Schädigung geführt hat. <<< nach oben >>> Bei Beurteilung von Impfschäden sind stets neueste Erkenntnisse zu berücksichtigen Landessozialgericht Berlin-Brandenburg - L 13 VJ 24/07 - Urteil vom 11.03.2010 Zur Beurteilung eines Impfschadens behalten die Nrn. 53 bis 143 AHP 2008 - und damit der Verweis in Nr. 57 auf die Mitteilungen der STIKO - auch nach Inkrafttreten der Versorgungsmedizin-Verordnung weiterhin Gültigkeit als antizipiertes Sachverständigengutachten. Allerdings sind, auch wenn die Impfung schon längere Zeit zurückliegt, grundsätzlich die neuesten medizinischen Erkenntnisse heranzuziehen. So ist z.B. der nach der Nr. 57 Abs. 12 AHP 2005 bei einer Diphtherie-Schutzimpfung erforderliche Nachweis einer Antikörperbildung zwar noch heute möglich, aber nicht zielführend. <<< nach oben >>> Empfangsbekenntnis und Zugang Bundessozialgericht - B 14 AS 63/08 R - Urteil vom 21.12.2009 Nach der übereinstimmenden Rechtsprechung der obersten Gerichtshöfe des Bundes, erbringt das datierte und unterschriebene Empfangsbekenntnis als öffentliche Urkunde Beweis für die Entgegennahme des darin bezeichneten Schriftstücks als zugestellt und für den Zeitpunkt dieser Entgegennahme. Der Gegenbeweis der Unrichtigkeit der im Empfangsbekenntnis enthaltenen Angaben ist nach der übereinstimmenden Rechtsprechung der obersten Bundesgerichte zulässig; er ist jedoch nur geführt, wenn die von dem Empfangsbekenntnis ausgehende Beweiswirkung vollständig entkräftet und jede Möglichkeit ausgeschlossen ist, dass die Angaben des Empfangsbekenntnisses richtig sind. Der Gegenbeweis ist nicht schon dann erbracht, wenn die Möglichkeit der Unrichtigkeit besteht, die Richtigkeit der Angaben also nur erschüttert ist. <<< nach oben >>> Bindung von Verweisungsbeschlüssen Bundessozialgericht - B 12 SF 18/09 S - Beschluss vom 03.12.2009 Gemäß § 98 Satz 1 SGG i.V.m. § 17a Abs. 2 Gerichtsverfassungsgesetz ist ein Verweisungsbeschluss wegen örtlicher oder sachlicher Unzuständigkeit für das Gericht, an das verwiesen wurde, bindend. Dies gilt im Interesse des verfassungsrechtlich gewährleisteten effektiven Rechtsschutzes (Art. 19 Abs. 4 GG) und einer möglichst zügigen sachlichen Entscheidung grundsätzlich unabhängig von der Verletzung prozessualer oder materieller Vorschriften. Den Streit der beteiligten Gerichte über den Anwendungsbereich von Regelungen über die örtliche Zuständigkeit zu entscheiden oder in jedem Einzelfall die Richtigkeit des dem Verweisungsbeschluss zugrunde liegenden Subsumtionsvorgangs zu überprüfen, ist gerade nicht Aufgabe des gemeinsam übergeordneten Gerichts im Verfahren nach § 58 Abs. 1 Nr. 4 SGG. Ausnahmsweise kommt dem Verweisungsbeschluss dann keine Bindungswirkung zu, wenn die Verweisung auf einer Missachtung elementarer Verfahrensgrundsätze oder einem willkürlichen Verhalten beruht. Willkürlich ist eine gerichtliche Entscheidung dann, wenn sie unter keinem rechtlichen Gesichtspunkt mehr vertretbar ist, sodass sich der Schluss aufdrängt, dass sie auf sachfremden Erwägungen beruht und deshalb auch Art. 3 Abs. 1 GG verletzt. Allein ein offensichtlicher Irrtum eines Gerichts lässt die Bindungswirkung nicht entfallen. <<< nach oben >>> Aufhebung eines Bewilligungsbescheides bei Sanktion im SGB II Bundessozialgericht - B 4 AS 30/09 R - Urteil vom 10.12.2009 Voraussetzung für die Aufhebung eines Bewilligungsbescheides nach § 40 Abs. 1 Satz 2 SGB II i.V.m. § 330 Abs. 3 Satz 1 SGB III i.V.m. § 48 Abs. 1 Satz 1 SGB X. ist nicht ein vorgeschalteter, zusätzlichen feststellender Verwaltungsakt. Zwar könnte für ein derartiges Erfordernis die Fassung des § 31 Abs. 6 Satz 1 SGB II sprechen, wonach die Absenkung und der Wegfall mit Wirkung des Kalendermonats eintreten, der auf das Wirksamwerden des Verwaltungsaktes, der die Absenkung oder den Wegfall der Leistung feststellt, folgt. Allerdings ergibt sich aus der Entstehungsgeschichte kein Hinweis darauf, dass mit dieser insoweit unklaren Formulierung über die Aufhebungsentscheidung nach § 48 SGB X hinaus das Erfordernis eines weiteren, den Eintritt einer Sanktion feststellenden Verfügungssatzes aufgestellt werden sollte. Auch ein praktisches Bedürfnis für eine zusätzliche konstitutive Feststellung des Sanktionsereignisses durch die Verwaltung ist nicht ersichtlich. Vielmehr ist § 31 Abs. 6 Satz 1 SGB II lediglich eine Regelung zur kalendermäßigen Festlegung des Sanktionszeitraums zu entnehmen. <<< nach oben >>> Nur Ärzte können nach § 109 benannt werden Bundessozialgericht - B 3 P 33/09 B- Beschluss vom 17.03.2010 § 109 SGG ist als Ausnahmevorschrift (§ 103 Satz 2 SGG) eng auszulegen und bezieht sich nur auf die gutachterliche Anhörung eines bestimmten Arztes bezieht. Das Antragsrecht gemäß § 109 SGG umfasst jedenfalls keine weiteren Berufsgruppen und somit auch keine nichtärztlichen Pflegefachkräfte. <<< nach oben >>> Zur Fortwirkung eines Antrages an die private Pflegeversicherung Bundessozialgericht - B 3 P 5/08 R - Urteil vom 17.12.2009 Der Antrag des privat Pflegeversicherten wird durch die Entscheidung der Kasse, die begehrte Leistung abzulehnen, nicht verbraucht. Da es sich bei den Leistungen der Pflegeversicherung nach den §§ 36 bis 38 SGB XI, also den Pflegesachleistungen und dem Pflegegeld, bzw. bei den entsprechenden Leistungen gemäß § 4 A Abs. 1 und 2 MB/PPV 1996 um Dauerleistungen handelt, wirkt der einmal gestellte Antrag auch nach Ablehnung der Leistung fort, sofern die Ablehnungsentscheidung rechtzeitig angefochten worden ist und das gerichtliche Verfahren über das Leistungsbegehren andauert. <<< nach oben >>> Keine Befreiung von Eigenanteil bei kieferorthopädischer Behandlung Landessozialgericht Nordrhein-Westfalen - L 16 KR 221/09 - Urteil vom 25.03.2010 Gesetzlich Krankenversicherte haben bei kieferorthopädischer Behandlung vorschussweise einen Eigenanteil zu leisten (§ 29 SGB V). Von dieser Verpflichtung ist keine Ausnahme möglich. <<< nach oben >>> Erstattung von den Festbetrag übersteigenden Kosten einer Hörgeräteversorgung Bundessozialgericht - B 3 KR 20/08 R - Urteil vom 17.12.2009 Die Versorgung mit Hörgeräten dient dem unmittelbaren Behinderungsausgleich und demzufolge ist ein Hörgerät grundsätzlich erforderlich i.S. von § 33 Abs. 1 Satz 1 SGB V, weil es nach dem Stand der Medizintechnik (§ 2 Abs. 1 Satz 3 SGB V) die bestmögliche Angleichung an das Hörvermögen Gesunder erlaubt und damit im allgemeinen Alltagsleben einen erheblichen Gebrauchsvorteil gegenüber anderen Hörhilfen bietet. <<< nach oben >>> Kostenerstattung bei Behandlung im Ausland Bundessozialgericht - B 1 KR 14/09 R - Urteil vom 17.02.2010 § 13 Abs. 4 Satz 6 SGB V bestimmt: "Ist eine dem allgemein anerkannten Stand der medizinischen Erkenntnisse entsprechende Behandlung einer Krankheit nur in einem anderen Mitgliedstaat der Europäischen Union oder einem anderen Vertragsstaat des Abkommens über den Europäischen Wirtschaftsraum möglich, kann die KK die Kosten der erforderlichen Behandlung auch ganz übernehmen." Die Übernahme der "ganzen" Kosten für eine erforderliche Auslandsbehandlung sind in das Ermessen der Krankenkasse gestellt. Die Regelung räumt ihr dieses Ermessen jedoch nur für den Fall ein, dass eine dem allgemein anerkannten Stand der medizinischen Erkenntnisse entsprechende Behandlung einer Krankheit nur in einem anderen Mitgliedstaat der Europäischen Union oder einem anderen Vertragsstaat des Abkommens über den Europäischen Wirtschaftsraum möglich ist. <<< nach oben >>> Mobbing kein Berufsunfall Hessisches Landessozialgericht - L 3 U 157/07 - Urteil vom 01.12.2009 Der Anerkennung von Mobbing als Folgeunfall steht bereits der Umstand entgegen, dass es sich hierbei um kein punktuelles Ereignis handelt, das einen Gesundheitsschaden hervorzurufen vermag, weshalb eine Entschädigung als weiterer Arbeitsunfall im Sinne eines Folgeunfalls nicht möglich ist. Dies belegen die bereits in der Rechtsprechung geläufigen einschlägigen Definitionen, wie die des Bundesarbeitsgerichts, Mobbing sei das systematische Anfeinden, Schikanieren oder Diskriminieren von Arbeitnehmern untereinander oder durch Vorgesetzte. Die Besonderheit der als Mobbing bezeichneten tatsächlichen Erscheinungen liegt darin, dass nicht einzelne, abgrenzbare Handlungen, sondern die Zusammenfassung mehrerer Einzelakte in einem Prozess zu einer Verletzung des Persönlichkeitsrechts oder der Gesundheit des betroffenen Arbeitnehmers führen kann. Ferner wird Mobbing auch nicht in der Anlage zur Berufskrankheitenverordnung aufgeführt, weshalb auch nicht die Anerkennung als Berufskrankheit in Betracht kommt. Ebenso wenig liegen die Voraussetzungen einer "Wie-BK" nach § 9 Abs. 2 SGB VII vor, weil insoweit auch keine neuen medizinischen Erkenntnisse vorliegen, nach denen die Voraussetzungen für eine Bezeichnung als Berufskrankheit gem. § 9 Abs. 1 SGB VII erfüllt sind. <<< nach oben >>> Zum Eintritt des "kleinen Versicherungsfalls" Bundessozialgericht - B 2 U 33/08 R - Urteil vom 12.01.2010 Nach § 3 Abs. 2 Satz 1 i.V.m. Abs. 1 Satz 1 und 2 BKV hat der Träger der gesetzlichen Unfallversicherung einem Versicherten, der die gefährdende Tätigkeit unterlässt, weil die Gefahr, dass eine BK entsteht, wiederauflebt oder sich verschlimmert, nicht zu beseitigen ist, zum Ausgleich der hierdurch verursachten Minderung des Verdienstes oder sonstiger wirtschaftlicher Nachteile eine Übergangsleistung zu gewähren. § 3 Abs. 2 Satz 1 i.V.m. Abs. 1 Satz 1 und 2 BKV regelt einen eigenständigen ("kleinen") Versicherungsfall, der nicht den Eintritt des ("großen") Versicherungsfalls einer BK voraussetzt. Auf der anderen Seite genügt weder eine arbeitsbedingte Gesundheitsgefahr (§ 1 Nr. 1, § 14 Sozialgesetzbuch Siebtes Buch (SGB VII)) noch ein Arbeitsunfall (§ 8 SGB VII), denn die Übergangsleistungen sind immer auf mindestens eine bestimmte BK bezogen. Für den Anspruch auf Übergangsleistungen ist es vielmehr ausreichend, aber auch erforderlich, dass der Versicherte aufgrund seiner versicherten Tätigkeit Einwirkungen auf seine Gesundheit ausgesetzt ist, die aktuell eine konkrete individuelle Gefahr (u.a.) des Entstehens einer BK begründen, wegen der fortbestehenden Gefahr die gefährdende Tätigkeit eingestellt wird, und es dadurch zu einer konkreten Verdienstminderung und/oder sonstigen wirtschaftlichen Nachteilen kommt. <<< nach oben >>> Zum Entstehen von Kehlkopfkrebs Bundessozialgericht - B 2 U 21/08 R - Urteil vom 12.01.2010 Kehlkopfkrebs im Sinne der BK 4104 kann durch das Einatmen des Stoffes Asbest entstehen, denn Asbestfasern sind krebserregend. Die Fasern werden bei der Atmung mit dem Luftstrom durch die sog Atemstraße über den inneren Kehlkopf in die Lunge transportiert. Die Ablagerung von Asbestfasern im Kehlkopfbereich durch Verwirbelung des Luftstroms und durch Rücktransport von im tieferen Atemtrakt abgelagerten Fasern gilt als erwiesen. Asbest wird demnach mit der Atemluft aufgenommen und kann sich in Lunge und Kehlkopf ablagern und dort eine Krebserkrankung verursachen. Bei der so beschriebenen Art der Aufnahme des Stoffs und seiner Einwirkung liegt eine Wie-BK jedenfalls dann nicht vor, wenn die Erkrankung außerhalb des Kehlkopfes entsteht und sich von dort bis in den äußeren Bereich des Kehlkopfes ausbreitet. Nach ihrer Lokalisation ist die Erkrankung des Versicherten nicht aufgrund des mit der Atemluft aufgenommenen und im inneren Bereich des Kehlkopf abgelagerten Asbests entstanden. <<< nach oben >>> Zur Berufskrankheitenverordnung Bundessozialgericht - B 2 U 16/08 R - Urteil vom 27.10.2009 Nach § 9 Abs. 1 Satz 1 SGB VII sind Berufskrankheiten nur diejenigen Krankheiten, welche die Bundesregierung durch Rechtsverordnung als Berufskrankheitn (Listen-BK) und die Versicherte infolge einer den Versicherungsschutz nach den §§ 2, 3 oder 6 SGB VII begründenden Tätigkeit erleiden. In der BKV ist die BK 2108 als "Bandscheibenbedingte Erkrankungen der Lendenwirbelsäule durch langjähriges Heben oder Tragen schwerer Lasten oder durch langjährige Tätigkeiten in extremer Rumpfbeugehaltung, die zur Unterlassung aller Tätigkeiten gezwungen haben, die für die Entstehung, die Verschlimmerung oder das Wiederaufleben der Krankheiten ursächlich waren oder sein können" und die BK 2110 als "Bandscheibenbedingte Erkrankungen der Lendenwirbelsäule durch langjährige, vorwiegend vertikale Einwirkungen von Ganzkörperschwingungen im Sitzen, die zur Unterlassung aller Tätigkeiten gezwungen haben, die für die Entstehung, die Verschlimmerung oder das Wiederaufleben der Krankheiten ursächlich waren oder sein können" bezeichnet. Die Feststellung einer Listen-BK setzt u.a. voraus, dass die im BK-Tatbestand genannten beruflichen Einwirkungen die jeweilige Krankheit verursacht haben (haftungsbegründende Kausalität). <<< nach oben >>>
Zu Nr. 3103 VV-RVG Hessisches Landessozialgericht - L 2 SF 50/09 E - Beschluss vom 25.05.2009 Nach der Struktur der Betragsrahmengebührenvorschriften enthält Nr. 3103 VV-RVG mit seinem gesenkten Betragsrahmen eine vorrangige Sondervorschrift gegenüber Nr. 3102. Voraussetzung für die Anwendung der Sondervorschrift ist, dass eine Tätigkeit im Verwaltungsverfahren vorangegangen ist. Dabei reichen Vorkenntnisse über den Sachverhalt im Sinne eines inneren - sachlichen und zeitlichen - Zusammenhangs der Tätigkeiten aus, um durch die Bearbeitung einen Synergieeffekt für den Rechtsanwalt anzunehmen. Die grundsätzlichen Voraussetzungen für den ermäßigten Verfahrensgebührenrahmen erfordern aber nicht, dass das Vorverfahren auch schon durch einen Widerspruchsbescheid zum Abschluss gekommen ist. Nach dem Willen des Gesetzgebers soll eine vorgerichtliche Befassung (etwa im Rahmen eines Verwaltungsverfahrens) in einem nachfolgenden, dadurch für den Prozessbevollmächtigten weniger aufwändigen Gerichtsverfahren, gebührenmindernd berücksichtigt werden. <<< nach oben >>> Betragsrahmengebühren und wirtschaftliche Bedeutung Bundessozialgericht - B 14 AS 83/08 R - Urteil vom 21.12.2009 Bei Betragsrahmengebühren kann offen bleiben, ob der heranzuziehende Vergleichsparameter das Durchschnittseinkommen und -vermögen der Gesamtbevölkerung ist, oder ob hiervon deshalb noch ein Abschlag vorzunehmen ist, weil das Durchschnittseinkommen die Personenkreise vernachlässigt, die kein eigenes Einkommen haben. Dieses Kriterium kann jedenfalls durch die überdurchschnittliche Bedeutung der Angelegenheit für den Einkommenslosen kompensiert werden. <<< nach oben >>> LSG Sachsen folgt "Chemnitzer Tabelle" Sächsisches Landessozialgericht - L 6 AS 99/10 B KO - Beschluss vom 31.03.2010 Chemnitzer Tabelle Verfahrensgebühren SG Mindestgebühr (MiG) Höchstgebühr (HG) Mittelgebühr (MG) Nr. 3102 VV-RVG 40,00 EUR 460,00 EUR 250,00 EUR Nr. 3103 VV-RVG 20,00 EUR 320,00 EUR 170,00 EUR LSG Nr. 3204 VV-RVG 50,00 EUR 570,00 EUR 310,00 EUR Punkte = % Ausgangspunkt ist der Durchschnittsfall: MG = 100 Punkte = 100 % Beispiel: - Rentenverfahren mit med. Gutachten und nur Grundurteil begehrt (100 + 20 – 20 = 100) - Schwerbehindertenverfahren (100 + 10 – 10 = 100) - Reiner Rechtsfall: nur eine Rechtsfrage streitig (-20), keine Beweisaufnahme (-20), keine Leistungsgewährung im Streit (-10) -) 50 Leistungen für mehr als 1 Jahr (auch deren Rückforderung) + 20 Punkte Nur Grundurteil nach § 130 SGG begehrt / Feststellungsklagen/ Klagen mit nur einer Rechtsfrage z.B. Klagebegehren: - Leistungen ohne Anrechnung Unfallrente - Leistungen ohne Berücksichtigung weiterer Personen in der Bedarfsgemeinschaft - Bewilligung von Rente unter Berücksichtigung weiterer rentenrechtlicher Zeiten - Feststellung eines Ereignisses als Arbeitsunfall - 20 Punkte Kausalitätsproblematik Gesundheitsstörung Folge eines Arbeitsunfalls oder BK oder Schädigung i.S.d. BVG + 20 Punkte Keine Leistung im Streit und kommt auch nicht mittelbar durch die Gegenseite in Betracht z.B. Schwb-Verfahren - 10 Punkte Mehrere Begehren in einer Klage: je Streitgegenstand Zunächst höchste Punktzahl ermitteln! + 15 Punkte Keine Beweisaufnahme (Zeugenaussagen, Befundberichte) - 20 Punkte Gesundheit des Antragstellers z.B. Obdachlosigkeit droht Lebensbedrohende Erkrankung, schulmedizinisch austherapiert + 30 Punkte HG Untätigkeitsklagen: zunächst Streitgegenstand nach obigen Regeln ermitteln, sodann von der so bestimmten Gebühr - 50 % GdB-/MdE-Feststellung + 10 Punkte Terminsgebühren SG Mindestgebühr (MiG) Höchstgebühr (HG) Mittelgebühr (MG) Nr. 3106 VV-RVG 20,00 EUR 380,00 EUR 200,00 EUR LSG Nr. 3205 VV-RVG 20,00 EUR 380,00 EUR 200,00 EUR Gerichtsbescheid MiG bis ½ MG (wie umfangreich wäre das Surrogat einer mündlichen Verhandlung?) - Zustimmung mit weiterer Begründung - Zustimmung ohne Begründung - Schweigen zu Anfrage des Gerichts MG MindestG bis MG MindestG Annahme Anerkenntnis ½ MG Verfahren nach § 124 Abs. 2 SGG MG Termin bis 40 Minuten ("Durchschnitt") MG Termin bis 1 Stunde MG + 50 % Termin länger als 1 Stunde MG + 60 % Termin sehr viel länger als 1 Stunde oder mehrere Termine MG + 75 % bis HG Außergewöhnliche Umstände HG <<< nach oben >>> Überzeugungsarbeit bringt Erledigunggebühr Landessozialgericht Nordrhein-Westfalen - L 6 SB 64/09 - Urteil vom 23.03.2010 Eine Erledigungsgebühr entsteht nach Nr. 1002 VV-RVG, wenn sich eine Rechtssache ganz oder teilweise nach Aufhebung oder Änderung des mit einem Rechtsbehelf angefochtenen Verwaltungsakts durch die anwaltliche Mitwirkung erledigt. Das Gleiche gilt, wenn sich eine Rechtssache ganz oder teilweise durch Erlass eines bisher abgelehnten Verwaltungsakts erledigt. Die anwaltliche Mitwirkung erfordert dabei ein qualifiziertes, erledigungsgerichtetes Tätigwerden des Rechtsanwalts, das über das Maß desjenigen hinausgeht, welches bereits durch den allgemeinen Gebührentatbestand für das anwaltliche Auftreten im sozialrechtlichen Widerspruchsverfahren abgegolten wird Eine derartige Mitwirkung kann auch vorliegen, wenn ein Anwalt den Mandanten mühsam davon überzeugen muss, dass Anerkenntnis der Gegenseite anzunehmen.
Zum Zeitaufwand für die Erstellung eines Gutachtens Landessozialgericht Nordrhein-Westfalen - L 4 B 13/09 - Beschluss vom 16.02.2010 Nach ständiger Rechtsprechung des LSG NRW gliedert sich die Erstellung eines Gutachtens in vier vergütungspflichtige Arbeitsschritte: 1. Zeitaufwand für Aktenstudium und vorbereitende Arbeiten, 2. Zeitaufwand für Untersuchung und Anamnese, 3. Zeitaufwand für Abfassung der Beurteilung, 4. Zeitaufwand für Diktate und Durchsicht. Diese Aufgliederung des Aufwandes in 4 Arbeitsschritte hat das Gericht als Überprüfungsmaßstab zu Grunde gelegt, weil der nach § 8 Abs. 1 S. 1 JVEG für die Gutachtenerstellung erforderliche Zeitaufwand nicht von der individuellen Arbeitsweise eines Sachverständigen abhängig zu machen sondern nach einem objektiven Maßstab zu bestimmen ist. Zugrundezulegen ist derjenige Zeitaufwand, den ein Sachverständiger mit durchschnittlicher Befähigung und Erfahrung bei sachgemäßer Auftragserledigung mit durchschnittlicher Arbeitsintensität benötigt. <<< nach oben >>> Zum Begriff "Heranziehen als Sachverständiger" Landessozialgericht Niedersachsen-Bremen - L 1 SF 3/10 E (KR) - Beschluss vom 10.02.2010 Ein "Heranziehen" als Sachverständiger ist nur dann gegeben, wenn die staatliche hoheitliche Beanspruchung auf Grund einer Verfahrensvorschrift erfolgt, die die konkrete Inanspruchnahme regelt. Als Verfahrensvorschriften kommen dabei im Bereich des Sozialgerichtsgesetzes (SGG) allein die Normen der §§ 103, 106 Abs. 3 Nr. 3 SGG (Einholen einer Auskunft) sowie der §§ 103, 106 Abs. 3 Nr. 5 SGG (Einholung eines Sachverständigengutachtens) in Betracht. Die Einholung eines Sachverständigengutachtens liegt dabei vor, wenn das Gericht selbst nicht über ausreichende Sachkunde zur Entscheidung des konkreten Falles verfügt, dem hingegen steht die Einholung einer Auskunft in Rede, wenn es allein um die Einholung einer allgemeinen Information geht. <<< nach oben >>> Honorargruppeneinstufung Landessozialgericht Niedersachsen-Bremen - L 1 KO 5/09 - Beschluss vom 15.01.2010 Nach § 8 Abs. 1 Nr. 1 JVEG erhalten Sachverständige neben Fahrtkostenersatz und Aufwandsentschädigung für ihre Leistungen ein Honorar, dessen Höhe sich gem. § 9 Abs. 1 Satz 1 und 2 JVEG nach dem zeitlichen Aufwand in Stunden und dem für jede Stunde zu veranschlagenden Stundensatz in Euro bemisst. Der Stundensatz beträgt gem. § 9 Abs. 1 Satz 1 JVEG für medizinische Leistungen in der Honorargruppe M 1 50,00 Euro, in der Honorargruppe M 2 60,00 Euro und in der Honorargruppe M 3 85,00 Euro. Welcher der drei Honorargruppen die Leistung des medizinischen Sachverständigen zuzuordnen ist, bestimmt sich nach der jeweiligen Legaldefinition in der Anlage zu § 9 JVEG. Dabei erfasst die Honorargruppe M 2 "Beschreibende (Ist-Zustands-) Begutachtungen nach standardisiertem Schema ohne Erörterung spezieller Kausalzusammenhänge mit einfacher medizinischer Verlaufsprognose und mit durchschnittlichem Schwierigkeitsgrad", zu denen nach den in der Anlage aufgeführten Regelbeispielen dabei insbesondere auch Gutachten "zur Minderung der Erwerbsfähigkeit" gehören, während die Honorargruppe M 3 auf "Gutachten mit hohem Schwierigkeitsgrad (Begutachtungen spezieller Kausalzusammenhänge und/oder differenzialdiagnostischer Probleme und/oder Beurteilung der Prognose und/oder Beurteilung strittiger Kausalitätsfragen)" Anwendung findet, zu denen insbesondere auch Gutachten "zu ärztlichen Kunstfehlern" oder "zur Schuldfähigkeit bei Schwierigkeiten der Persönlichkeitsdiagnostik" gehören. <<< nach oben >>>
Pauschalierung von Heizkosten unzulässig Bundessozialgericht - B 4 AS 70/08 R - Urteil vom 22.09.2009 Nach § 22 Abs. 1 Satz 1 SGB II sind auch die Heizkosten grundsätzlich in Höhe der tatsächlichen Aufwendungen zu erstatten. Einer generellen Pauschalierung der Heizkosten durch die Behörde ist nicht zulässig. Es hierfür derzeit mangels einer entsprechenden Verordnung nach § 27 Nr. 1 SGB II schon an einer rechtlichen Grundlage. <<< nach oben >>> Zum Begriff des "dauernd getrennt lebens" Bundessozialgericht - B 4 AS 49/09 R - Urteil vom 18.02.2010 Bei der Auslegung des Begriffs des "nicht dauernd getrennt lebenden Ehegatten" i.S. des § 7 Abs. 3 Nr. 3a SGB II folgt das BSG den Grundsätzen, die zum familienrechtlichen Begriff des "Getrenntlebens" entwickelt worden sind. Neben einer räumlichen Trennung setzt dies einen Trennungswillen voraus. Zwar lässt sich dem Wortlaut des § 7 Abs. 3 Nr. 3a SGB II nicht unmittelbar entnehmen, wann ein Getrenntleben i.S. des SGB II vorliegt. Gegen ein enges Verständnis dieses Begriffs in dem Sinne, dass Ehegatten nur dann nicht dauernd getrennt leben, wenn sie räumlich zusammen leben, jede räumliche Trennung also bereits ein Getrenntleben beinhaltet, spricht, dass sich das Getrenntleben auf die Ehe i.S. des § 1353 BGB beziehen muss. <<< nach oben >>> Nachzahlung von Arbeitslosenhilfe ist Einkommen Bundessozialgericht - B 14 AS 46/08 R - Urteil vom 21.12.2009 Die Nachzahlung von Arbeitslosenhilfe stellt zu berücksichtigendes Einkommen i.S. des § 11 Abs. 1 Satz 1 SGB II dar. Auf die Arbeitslosenhilfe ist die Ausnahmevorschrift des § 11 Abs. 1 Satz 1 SGB II nicht anzuwenden. Nach dieser Vorschrift sind als Einkommen zu berücksichtigen Einnahmen in Geld oder Geldeswert mit Ausnahme der "Leistungen nach diesem Buch". Bei der Alhi handelt es sich nicht um eine Leistung nach dem SGB II. Die Alhi wurde zunächst, rein formal betrachtet, auf der Rechtsgrundlage der §§ 190 ff SGB III gewährt, mithin stellte sie eine Leistung nach dem SGB III und gerade nicht nach dem SGB II dar. Aber auch über diesen formalen Gesichtspunkt hinaus handelt es sich bei dem neuen Institut des Alg II materiell-inhaltlich nicht um eine einfache Fortsetzung bzw. Nachfolgeregelung zur früheren Alhi. <<< nach oben >>> Verteilung von Einnahmen über einen längeren Zeitraum Bundessozialgericht - B 14 AS 55/08 R - Urteil vom 28.10.2009 Ebenso wenig wie an der hinreichenden Bestimmtheit der Ermächtigungsnorm des § 13 Nr. 1 SGB II bestehen Zweifel daran, dass die konkrete Norm des § 2 Abs. 3 Satz 3 Alg II-V ihrerseits von der Ermächtigungsnorm des § 13 Abs. 1 Nr. 1 SGB II inhaltlich gedeckt war. Wenn diese Norm es dem Grundsicherungsträger erlaubt, einmalige Einnahmen auf einen angemessenen Zeitraum aufzuteilen, so handelt es sich hierbei um eine reine Rechenvorschrift, die die Art und Weise der Berücksichtigung einmaliger Einnahmen über einen längeren Zeitraum hinweg regelt. <<< nach oben >>> Verspätet gezahlte Abfindung wird auf SGB II - Leistungen angerechnet Bundessozialgericht - B 14 AS 86/08 R - Urteil vom 18.02.2010 Eine erst im Leistungszeitraum erhaltene Abfindung für den Verlust des Arbeitsplatzes ist Einkommen i.S. des § 11 Abs. 1 Satz 1 SGB II. Hiernach sind alle Einnahmen in Geld oder Geldeswert mit Ausnahme der Leistungen nach dem SGB II als Einkommen zu berücksichtigen. Bei der Abfindung handelt es sich nicht um Vermögenswerte. Bei der Berechnung der Alg II-Leistungen ist als Einkommen grundsätzlich alles zu berücksichtigen, was jemand nach Antragstellung wertmäßig dazu erhält. Vermögen ist alles, was er vor Antragstellung bereits hatte. Laufende Einnahmen sind für den Monat zu berücksichtigen, in dem sie zufließen. Diese Abgrenzung begründet auch keine Ungleichbehandlung i.S. des Art 3 Abs. 1 GG gegenüber Personen, die Vermögenswerte vor Antragstellung bereits innehatten. <<< nach oben >>> Keine Leistungen für Asylbewerber Bundessozialgericht - B 14 AS 66/08 R - Urteil vom 21.12.2009 Der Leistungsausschluss nach § 7 Abs. 1 Satz 2 2. Halbsatz SGB II bezieht sich nicht nur auf erwerbsfähige Hilfebedürftige, sondern auch auf (nicht erwerbsfähige) Angehörige erwerbsfähiger Hilfebedürftiger. <<< nach oben >>> BAFöG führt nicht immer zu Leistungsausschluss Bundessozialgericht - B 14 AS 61/08 R - Urteil vom 21.12.2009 Nach § 7 Abs. 5 Satz 1 SGB II haben Auszubildende, deren Ausbildung im Rahmen des BAföG oder der §§ 60 bis 62 Sozialgesetzbuch Drittes Buch (SGB III) dem Grunde nach förderungsfähig ist, keinen Anspruch auf Leistungen zur Sicherung des Lebensunterhalts. Eine Ausnahme hiervon gilt unter anderem nach § 7 Abs. 6 Nr. 2 SGB II für Auszubildende, deren Bedarf sich nach § 12 Abs. 1 Nr. 1 BAföG oder nach § 66 Abs. 1 Satz 1 SGB III bemisst. Ein solcher Ausnahmefall liegt vor, wenn der Antragsteller Leistungen auf Grundlage des § 12 Abs. 1 Nr. 1 BAföG (sog Schüler-BAföG) erhält, weil er eine Berufsfachschulklasse besuchte, deren Besuch eine abgeschlossene Berufsausbildung nicht voraussetzte und die nach zweijährigem Besuch einen berufsqualifizierenden Abschluss vermittelte, und die Ausbildungsstätte vom Wohnort der Eltern aus erreichbar ist (Fall der Förderung nach § 12 Abs. 1 Nr. 1 i.V.m. § 2 Abs. 1 Nr. 2 BAföG). <<< nach oben >>> Keine Fahrtkosten für Schüler-Ticket Bundessozialgericht - B 14 AS 44/08 R - Urteil vom 28.10.2009 Für Fahrtkosten für ein Schüler - Bus - Ticket fehlt es im System der Leistungen für den Lebensunterhalt nach dem SGB II an einer Anspruchsgrundlage. Fahrkosten zur Schule sind weder als Mehrbedarfe nach § 21 SGB II, noch als Sonderbedarfe nach § 23 Abs. 3 SGB II vorgesehen. Eine abweichende Festsetzung der pauschalierten Regelleistungen nach § 20 SGB II wegen atypischer Bedarfslagen, wie sie für die Hilfe zum Lebensunterhalt bzw. für die Grundsicherung im Alter und bei Erwerbsminderung nach dem Dritten und Vierten Kapitel des Zwölften Buchs die Norm des § 28 Abs. 1 Satz 2 SGB XII ermöglicht, sieht das Zweite Buch nicht vor. <<< nach oben >>> Übergangsleistung ist Einkommen Bundessozialgericht - B 14 AS 76/08 R - Urteil vom 18.02.2010 Ebenso wie bei der Verletztenrente fehlt der Übergangsleistung eine entsprechende eindeutige normative Zweckbestimmung. § 3 Abs. 2 BKV bestimmt: Versicherte, die die gefährdende Tätigkeit unterlassen, weil die Gefahr fortbesteht, haben zum Ausgleich hierdurch verursachter Minderungen des Verdienstes oder sonstiger wirtschaftlicher Nachteile gegen den Unfallversicherungsträger Anspruch auf Übergangsleistungen. Damit folgt bereits aus dem Wortlaut des § 3 Abs. 2 BKV, dass es sich bei dieser Leistung gerade einen Ausgleich für Minderungen des Verdienstes handelt, sodass die Übergangsleistung ebenso wie die Leistungen nach dem SGB II insbesondere der Existenzsicherung des Begünstigten dient. Zwar hat die Übergangsleistung gemäß § 3 Abs. 2 BKV ebenso wie die Verletztenrente auch zumindest partiell die Funktion des Ausgleichs immaterieller Schäden zugeschrieben. Bereits in den Materialien zur BKV wird die präventive Zielrichtung der Vorschrift (Vermeiden von Gesundheitsschäden) betont. Andererseits folgt gerade aus dem Wortlaut des § 3 Abs. 2 BKV, dass der Übergangsleistung Lohnersatzfunktion für den Bewilligungszeitraum zukommt. Dass der Gesetzgeber aber im Rahmen der Berücksichtigung von Einkommen nach dem SGB II grundsätzlich sämtliche Zahlungen mit Entgeltfunktion erfassen will, auch soweit sie im Zusammenhang mit erlittenen Körperschäden oder zur Gesundheitsprävention gewährt werden, zeigt insbesondere die Ausnahmevorschrift des § 11 Abs. 1 Satz 1 2. Halbsatz SGB II. Auch im Hinblick auf die dort aufgeführten Renten und Beihilfen werden nur die Grundrenten von einer Einkommensanrechnung ausgenommen, nicht aber die nach den genannten Gesetzen zu zahlenden Ausgleichsrenten, die - abstellend auf die betreffende Einkommensminderung - ihrerseits erkennbar Entgeltersatzfunktion haben. Die Übergangsleistung nach § 3 Abs. 2 BKV ist auch keine Entschädigung i.S. des § 11 Abs. 3 Nr. 2 SGB II, die wegen eines Schadens, der nicht Vermögensschaden ist, nach § 253 Abs. 2 des Bürgerlichen Gesetzbuches geleistet wird. <<< nach oben >>> BSG zu Wohnungskosten Bundessozialgericht - B 14 AS 65/08 R - Urteil vom 20.08.2009 1. Beantragt ein Kläger bei Gericht "Leistungen zur Sicherung des Lebensunterhalts nach dem SGB II unter Berücksichtigung der tatsächlichen Kaltmiete oder "ausgehend von Kosten für Unterkunft und Heizung in Höhe von insgesamt xxx Euro" so hat er damit die Unterkunftskosten lediglich als einen streitigen Berechnungsfaktor besonders hervorgehoben, ohne erkennbar die Überprüfung insgesamt auf die Leistungen für Unterkunft und Heizung beschränken zu wollen. 2. In aller Regel ist der zutreffende Vergleichsmaßstab für die Bestimmung der preislichen Angemessenheit einer Wohnung das Stadtgebiet in dem der hilfesuchende wohnt. Nur bei besonders kleinen Gemeinden, die über keinen repräsentativen Wohnungsmarkt verfügen, kommen größere und bei besonders großen Städten (gemeint wohl nur Berlin) kleinere Gebietseinheiten in Betracht. 3. Unzureichend ist ein Konzept zur Ermittlung angemessener Mietpreise, wenn die bei der Ermittlung des angemessenen Quadratmeterpreises nach Wohnungsgrößen nicht differenziert wird. <<< nach oben >>> Abfindung und Steuererstattung sind Einkommen Bundessozialgericht - B 14 AS 64/08 R - Urteil vom 28.10.2009 Vom Anknüpfungspunkt des tatsächlichen Zuflusses als Differenzierungskriterium zwischen Einkommen und Vermögen ist auch bei Teilzahlungen auf einen Abfindungsanspruch sowie bei der Steuererstattung auszugehen. Es handelt sich in beiden Fällen nicht um bereits erlangte Einkünfte, mit denen Vermögen angespart wurde. Bei der Abfindung lässt es gerade ihr Entschädigungscharakter für den Wegfall künftiger Verdienstmöglichkeiten nicht zu, sie zeitlich dem Arbeitsverhältnis und damit der Vergangenheit zuzuordnen. Im Falle der Einkommensteuererstattung ist von der Regelung des tatsächlichen Zuflusses als Differenzierungskriterium zwischen Einkommen und Vermögen auch nicht deswegen abzuweichen, weil es sich um einen Geldzufluss handelt, dessen zu Grunde liegende Forderung zu einem früheren Zeitpunkt fällig geworden wäre, wenn der Erstattungsberechtigte eine andere steuerliche Disposition getroffen hätte. Grundsätzlich ist im Fall der Erfüllung einer Forderung bei wertender Betrachtung allein auf die letztlich in Geldeswert erzielten Einkünfte abzustellen und nicht auf das Schicksal der Forderung. <<< nach oben >>> Antrag auf Leistungen auch mündlich Bundessozialgericht - B 14 AS 56/08 R - Urteil vom 28.10.2009 Der Antrag auf Leistungen der Grundsicherung nach § 37 SGB II ist grundsätzlich an keine Form gebunden. Es gilt insofern der Grundsatz der Nichtförmlichkeit des Verwaltungsverfahrens. Der Antrag nach dem SGB II ist eine einseitige, empfangsbedürftige öffentlich-rechtliche Willenserklärung, auf die - soweit sich nicht aus sozialrechtlichen Bestimmungen Anderweitiges ergibt - die Regelungen des BGB Anwendung finden (§§ 130 ff BGB). Mit der Willenserklärung des Antragstellenden muss mithin lediglich zum Ausdruck gebracht werden, dass Leistungen vom Träger der Grundsicherung für Arbeitsuchende begehrt werden. Bei der Beurteilung, ob und welche Leistungen beantragt werden sollen, ist dabei der wirkliche Wille des Antragstellers zu erforschen. <<< nach oben >>> Konzept zur Ermittlung angemessener Mieten Bundessozialgericht - B 4 AS 50/09 R - Urteil vom 17.12.2009 Das BSG hat die Schlüssigkeitsanforderungen an ein Konzept zur Ermittlung angemessener Mietobergrenzen wie folgt zusammengefasst:
Mehrbedarf bei Merkzeichen "G" Bundessozialgericht - B 4 AS 29/09 R - Urteil vom 18.02.2010 Der Wortlaut des § 28 Abs. 1 Satz 3 Nr. 4 SGB II bzw. § 30 Abs. 1 Nr. 2 SGB XII beschränkt den Kreis der Leistungsberechtigen eindeutig. Nach § 28 Abs. 1 Satz 3 Nr. 4 SGB II erhalten nur nicht erwerbsfähige Angehörige, die mit erwerbsfähigen Hilfebedürftigen in Bedarfsgemeinschaft leben, einen Mehrbedarf von 17 vom Hundert der nach § 20 maßgebenden Regelleistung, wenn sie Inhaber eines Ausweises nach § 69 Abs. 5 des SGB IX mit dem Merkzeichen "G" sind. Die parallele Regelung des § 30 Abs. 1 Nr. 2 SGB XII gilt unter Beachtung von § 21 SGB XII ebenfalls nur für erwerbsunfähige Hilfebedürftige. Dass eine Ausweitung des Kreises der Anspruchsberechtigten auf erwerbsfähige Hilfebedürftige auch nicht auf dem Wege eines Analogieschlusses in Betracht kommt, hat der 14. Senat des BSG bereits entschieden. Insoweit mangelt es bereits an einer planwidrigen Lücke. Es entsprach von vornherein dem gesetzgeberischen Anliegen, erwerbsfähigen Hilfebedürftigen einen Mehrbedarf allein wegen ihrer Schwerbehinderteneigenschaft und der Zuerkennung des Merkzeichens "G" nicht zugänglich zu machen. <<< nach oben >>> Schlüssiges Konzept zur Ermittlung der Unterkunftskosten Bundessozialgericht - B 4 AS 27/09 R - Urteil vom 17.12.2009 Im Rechtsstreit muss der Grundsicherungsträger sein schlüssiges Konzept zur Ermittlung der ortsüblichen Unterkunftskosten - auf Aufforderung durch das Gericht - vorlegen. Entscheidet der Grundsicherungsträger ohne ein schlüssiges Konzept, ist er im Rahmen seiner prozessualen Mitwirkungspflicht nach § 103 Satz 1 2. Halbsatz SGG gehalten, dem Gericht eine zuverlässige Entscheidungsgrundlage zu verschaffen und ggf. eine unterbliebene Datenerhebung und -aufbereitung nachzuholen. Der für die Leistungen nach § 22 SGB II zuständige kommunale Träger muss die bei ihm vorhandenen Daten sowie die personellen und/oder sachlichen Voraussetzungen für die Erhebung und Auswertung der erforderlichen Daten zur Verfügung stellen. <<< nach oben >>> Zur Bestimmtheit eines Absenkungsbescheides und zu den Voraussetzungen für Sanktionen Bundessozialgericht - B 4 AS 20/09 R - Urteil vom 17.12.2009 1. Bei dem Erfordernis der hinreichenden Bestimmtheit (§ 33 Abs. 1 SGB X) handelt es sich um eine materielle Rechtmäßigkeitsvoraussetzung. Das Bestimmtheitserfordernis verlangt, dass der Verfügungssatz eines Verwaltungsaktes nach seinem Regelungsgehalt in sich widerspruchsfrei ist und den Betroffenen bei Zugrundelegung der Erkenntnismöglichkeiten eines verständigen Empfängers in die Lage versetzen muss, sein Verhalten daran auszurichten. Mithin muss aus dem Verfügungssatz für die Beteiligten vollständig, klar und unzweideutig erkennbar sein, was die Behörde will. Insoweit kommt dem Verfügungssatz des Verwaltungsakts Klarstellungsfunktion zu. Der in Bescheiden der ARGEN übliche Verfügungssatz, dass sich der monatliche Absenkungsbetrag vom x. bis zum x auf 30 % der Regelleistung belaufe, woraus sich maximal 104 Euro ergeben würden, entspricht diesen Anforderungen. 2. Zu den Voraussetzungen einer Sanktion nach § 31 SGB II. <<< nach oben >>> Angemessene Kosten der Unterkunft Bundessozialgericht - B 4 AS 19/09 R - Urteil vom 17.12.2009 Subjektiv möglich sind einem Hilfebedürftigen Kostensenkungsmaßnahmen nur dann, wenn er Kenntnis davon hat, dass ihn die Obliegenheit trifft, Kostensenkungsmaßnahmen zu ergreifen. Ohne diese Kenntnis könnten Kostensenkungsmaßnahmen vom Hilfebedürftigen nicht erwartet werden. Bevor er nicht von dem zuständigen Träger darauf aufmerksam gemacht worden ist, dass nach dessen Auffassung die tatsächlichen Aufwendungen der vom Hilfebedürftigen gemieteten Wohnung unangemessen hoch sind, ist es ihm subjektiv nicht möglich, Kostensenkungsmaßnahmen zu ergreifen. Dieses gilt auch dann, wenn ein Leistungsberechtigter kurz vor dem Beginn des Leistungsbezugs eine Wohnung anmietet, deren Kosten unangemessen hoch sind und er keine Kenntnis von der Unangemessenheit der Mietkosten hat. das BSG folgt insoweit der abweichenden Rechtsprechung des Bundesverwaltungsgerichts zum Bundessozialhilfegesetz nicht. <<< nach oben >>>
Rückwirkend gewährte Rente und Verrechnung mit SGB II - Leistungen Bundessozialgericht - B 8 SO 11/08 R - Urteil vom 29.09.2009 §§ 102 ff SGB X regeln lediglich Erstattungsansprüche der Sozialleistungsträger untereinander, nicht jedoch - aus welchen Gründen auch immer bestehende - Ansprüche des Leistungsempfängers gegen einen Sozialleistungsträger. <<< nach oben >>> Bestattungskosten Bundessozialgericht - B 8 SO 23/08 R - Urteil vom 29.09.2009 Nach § 74 SGB XII werden die erforderlichen Kosten einer Bestattung übernommen, soweit den hierzu Verpflichteten nicht zugemutet werden kann, die Kosten zu tragen. Die Verpflichtung, die Kosten einer Bestattung zu tragen, wird in § 74 SGB XII nicht näher umschrieben oder definiert. Sie kann insbesondere erbrechtlich (§ 1968 BGB oder unterhaltsrechtlich (§ 1615 Abs. 2 BGB) begründet sein, aber auch aus landesrechtlichen Bestattungspflichten hergeleitet werden. Der Beurteilungsmaßstab dafür, was dem Verpflichteten zugemutet werden kann, ergibt sich insbesondere aus den allgemeinen Grundsätzen des Sozialhilferechts. Da § 74 SGB XII den Anspruch auf Kostenübernahme nicht zwingend an die Bedürftigkeit des Anspruchsinhabers (der Verpflichtete) knüpft, sondern die eigenständige Leistungsvoraussetzung der Unzumutbarkeit verwendet, nimmt § 74 SGB XII im Recht der Sozialhilfe aber eine Sonderstellung ein. Die Regelung unterscheidet sich von anderen Leistungen des 5. bis 9. Kapitels u.a. dadurch, dass der Bedarf bereits vorzeitig (vor Antragstellung) gedeckt sein kann, eine Notlage, die andere Sozialhilfeansprüche regelmäßig voraussetzen, also nicht mehr gegeben sein muss. Die Verpflichtung des zuständigen Trägers der Sozialhilfe setzt nach § 74 SGB XII nur voraus, dass die (ggf. bereits beglichenen) Kosten "erforderlich" sind und es dem Verpflichteten nicht "zugemutet" werden kann, diese Kosten zu tragen, ohne ausdrücklich und ausschließlich auf die Bedürftigkeit abzustellen. <<< nach oben >>> Die nächste Ausgabe unserer Zeitschrift erscheint im Juli 2010! |
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