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Ausgabe 2/2008vom 07.03.2008Druckversion der Zeitung (pdf-Format ohne weiterführende Links).
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Herausgeber und verantwortlich im Sinne des
Pressegesetzes Karen Schillings, Die Zeitschrift erscheint alle 2 Monate Liebe Leser, endlich hat der Gesetzgeber die rechtliche Möglichkeit geschaffen, die "Anhaltspunkte" in ein Gesetz zu überführen (siehe dazu unten). Es bleibt zu hoffen, dass die zuständigen Ministerien nun zeitnah von der eingeräumten Ermächtigung Gebrauch machen. Im Übrigen haben wir Ihnen wieder eine umfangreiche Zeitung mit umfassenden Informationen aus dem Bereich des Sozialrechts zusammengestellt. Bedanken dürfen wir uns bei all den Lesern, die mit Anregungen und Verbesserungsvorschlägen regelmäßig zum Gelingen der Zeitung beitragen.
Viel Spaß beim Lesen wünscht Ihr Team von Sozialrecht Online und www.uwendler.de . |
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Gutachten zur Feststellung des GdB LSG Nordrhein-Westfalen - L 10 SB 101/07 - Urteil vom 19.12.2007 In Verfahren nach dem Schwerbehindertenrecht muss ein medizinischer Sachverhalt nicht zwingend und immer durch Sachverständigengutachten geklärt werden. Von der Einholung von Gutachten kann z.B. abgesehen werden, wenn im Verwaltungsverfahren eingeholte Gutachten als Urkundsbeweis ausreichen, um die relevanten Fragen zu beantworten, oder wenn die entscheidungserheblichen Fragen sich durch die Mitteilung schlichter messtechnischer Daten klären lassen. Ansonsten ist die Einholung von Gutachten allerdings in der Regel geboten, zumal Befundberichte als Mitteilungen der behandelnden Ärzte im Vergleich zu einem Sachverständigengutachten grundsätzlich nur einen minderen Beweiswert haben. Kein gesonderter GdB für Schmerzkrankheit LSG Berlin-Brandenburg - L 13 SB 79/04 - Urteil vom 22.01.2008 Eine Einstufung einer Schmerzerkrankung als Erkrankung mit eigenständigem Krankheitswert im Sinne der Anhaltspunkte kommt nicht in Betracht. Vielmehr sind Einzel- GdB nach den genannten Funktionssystemen zu bilden. Die Berücksichtigung von Schmerzen ist dahingehend geregelt, dass die in der GdB-Tabelle angegebenen Werte üblicherweise vorhandene Schmerzen einschließen und auch erfahrungsgemäß besonders schmerzhafte Zustände berücksichtigen. Lediglich in den Fällen, in denen nach dem Sitz und dem Ausmaß der pathologischen Veränderungen eine über das übliche Maß hinausgehende, eine spezielle ärztliche Behandlung erfordernde Schmerzhaftigkeit anzunehmen ist, können höhere Werte angesetzt werden. <<< nach oben >>> Kommunen in NRW für Verfahren nach dem SGB IX zuständig. LSG Nordrhein-Westfalen - L 6 SB 101/06 - Urteil vom 12.02.2008 Die Aufgaben der Versorgungsverwaltung im Bereich des Schwerbehindertenrechts sind in Nordrhein-Westfalen wirksam auf die Kreise und kreisfreien Städte übertragen worden. Dies führt kraft Gesetzes auf der Beklagtenseite zu einem Beteiligtenwechsel. Für die Kreise bzw. kreisfreien Städte handelt die Bezirksregierung Münster wirksam als besonders Beauftragte. <<< nach oben >>> GdB für Folgen einer Kinderlähmung SG Dortmund - S 3 SB 58/07 - Urteil vom 07.12.2007 Da die Anhaltspunkte für die Gutachtertätigkeit keine Vorgaben für eine komplexe Funktionsstörung als Folge einer Kinderlähmung enthalten, ist eine Analog-Bewertung vorzunehmen. Wenn die Folgen der Kinderlähmung mehrere Organsysteme, schwerpunktmäßig das rechte Bein, den unteren Rücken und den rechten Fuß betreffen, ist es zweckmäßig diesen Beeinträchtigungskomplex unter dem Begriff des Nervenleidens zusammenzufassen. Damit sind insbesondere die verminderte Funktion des rechten Beines und die daraus resultierenden fehlstatischen Belastungen der Lendenwirbelsäule erfasst. <<< nach oben >>> GdB für Diabetes mellitus SG Dortmund - S 7 SB 522/05 - Urteil vom 17.10.2007 Metformin-Tabletten sind Ersatzstoff für Sulfonylharnstoffe. Ob es sich dabei um "orale Antidiabetika mit insulinotroper (insulinsekretorischer) Wirkung" (AHP in der Fassung vom 16.07.2007 = GdB 20) handelt, kann dahin stehen, wenn diese Gesundheitsstörung - so oder so - keine Anhebung des Gesamt-GdB rechtfertigt. Das ist der Fall, wenn keine Folgeerscheinungen bestehen und der Diabetes mit dieser Behandlung gut einstellbar ist. <<< nach oben >>> Opferentschädigungsrecht Opferentschädigung für durch Gewalttat geschädigte Ausländer ab Zeitpunkt des rechtmäßigen Aufenthalts Bundessozialgericht - B 9/9a VG 3/05 R - Urteil vom 08.11.2007 Wird ein Ausländer, der sich nicht rechtmäßig in der BRD aufhält, Opfer einer Gewalttat, steht ihm keine Entschädigung nach dem OEG zu. Entschädigung ist aber zu gewähren, sobald sein Aufenthalt rechtmäßig wird. Voraussetzung für Leistungen nach dem OEG ist nämlich nicht, dass sich die Gewalttat zu einem Zeitpunkt ereignet hat, in dem sich der Geschädigte rechtmäßig im Bundesgebiet aufgehalten hat (Revisionsurteil zu Urteil des LSG NRW vom 06.09.2005 - L 6 VG 49/00 -). <<< nach oben >>> Soldatenversorgungsrecht Versorgungsschutz bei Musterungsuntersuchung auch bei unterlassener Aufklärung Bundessozialgericht - B 9/9a VS 2/05 R - Urteil vom 08.11.2007 Als Wehrdienst gilt auch das Erscheinen zur Feststellung der Wehrtauglichkeit, der Zuuntersuchende ist während der Musterungsuntersuchung versorgungsrechtlich geschützt. Der Schutz umfasst nicht nur Schädigungen, die durch aktives Tun der beteiligten Ärzte entstehen können, sondern auch schädigende Einwirkungen, die sich möglicherweise dadurch ergeben haben, dass dem Betreffenden bei den Untersuchungen erhobene, behandlungsbedürftige Befunde nicht rechtzeitig mitgeteilt worden sind. <<< nach oben >>> Keine Berufung per E-Mail LSG Nordrhein-Westfalen - L 10 SB 53/06 - Beschluss vom 15.02.2008 Bei einer E-Mail sind die Anforderungen an Authentizitäts- und Sicherungsfunktion nicht erfüllt. Es ist bei ihr nicht erkennbar, dass - hier - die Berufung vom Berufungsführer herrührt und dieser sie wissentlich und willentlich in den Verkehr gebracht hat. <<< nach oben >>> Bei schwierigen Sach- und Rechtslage sind Kollegialentscheidungen erforderlich Bundessozialgericht - B 9/9a SB 3/06 R - Urteil vom 08.11.2007 Ist der Rechtsstreit in rechtlicher oder tatsächlicher Hinsicht nicht einfach und hat die Rechtssache in weiterem Sinne grundsätzliche Bedeutung, kommt eine Entscheidung allein durch den Berichterstatter auch dann nicht in Betracht, wenn die Beteiligten dieser Verfahrensweise zugestimmt haben. <<< nach oben >>> § 44 SGB X auch im SGB II anwendbar Bundessozialgericht - B 8/9b SO 8/06 R - Urteil vom 16.10.2007 Die Zugunstenregelung des § 44 SGB X ist für die Leistungen der Grundsicherung im Alter und bei Erwerbsminderung anwendbar. Die vom BVerwG als Folge des von ihm entwickelten sozialhilferechtlichen Prinzips "Keine Hilfe für die Vergangenheit" vertretene Auffassung, wonach § 44 SGB X grundsätzlich im Sozialhilferecht nicht anwendbar sei, rechtfertigt kein anderes Ergebnis, weil die Rechtsprechung des BVerwG auf einer vom SGB XII und der Grundsicherung im Alter und bei Erwerbsminderung abweichenden gesetzlichen Struktur aufbaut. <<< nach oben >>> Keine Bezugnahme bei Revisionsbegründung Bundessozialgericht - B 8/9b SO 16/06 R - Urteil vom 16.10.2007 Gemäß § 164 Abs. 2 Satz 1 und 3 SGG ist die Revision fristgerecht und unter Einhaltung bestimmter Mindesterfordernisse zu begründen. Die Begründung muss danach einen bestimmten Antrag enthalten, die verletzte Rechtsnorm und, soweit Verfahrensmängel gerügt werden, die Tatsachen bezeichnen, die den Mangel ergeben. Auf der Grundlage dieser an die Revisionsbegründung gestellten Anforderungen kann es in aller Regel nicht ausreichen, wenn die Bezugnahme auf andere Schriftsätze an die Stelle der konkreten Begründung selbst tritt. <<< nach oben >>> Zur Konkretisierung des Beweisthemas bei Gutachten nach § 109 SGG Bayerisches Landessozialgericht - L 2 P 42/06 - Urteil vom 19.09.2007 Das Recht auf Befragen des Sachverständigen oder von Zeugen ist Ausfluss des Anspruchs auf rechtliches Gehör. Es soll den Beteiligten ermöglichen, aus ihrer Sicht bestehende Lücken, Unklarheiten oder Widersprüche in einem schriftlichen Gutachten oder einer Zeugenaussage aufzuklären und sich einen vollständigen Überblick über den entscheidungserheblichen Prozessstoff zu verschaffen. Allerdings ist in einem derartigen Fall erforderlich, dass der Kläger die Tatsachen, über welche die Vernehmung des Sachverständigen stattfinden soll, bzw. die zu begutachtenden Punkte bezeichnet. Wird dann die Einholung eines weiteren medizinischen Gutachtens beantragt, kann dem nicht entgegengehalten werden, dass bereits mehrere medizinische Gutachten zu bestimmten Beweisfragen eingeholt worden sind und die zu stellenden Beweisfragen bekannt seien bzw. auf der Hand lägen. Im Gegenteil ist gerade dort, wo bereits eines oder mehrere medizinische Gutachten mit unter Umständen abweichenden Beurteilungen eingeholt worden sind, eine Konkretisierung des Beweisthemas unabdingbar, denn die lediglich automatische Wiederholung der bisher gestellten Beweisfragen macht nicht deutlich, ob und inwiefern der Beteiligte noch Aufklärungsbedarf sieht. Daraus folgt, dass es Sache des Klägers ist, noch vorhandenen Aufklärungsbedarf aufzuzeigen und die Ladung des Sachverständigen zur mündlichen Verhandlung oder die Beantwortung konkreter Fragen schriftlich zu verlangen. <<< nach oben >>> Chronische Nasenatmungsbehinderung als Berufskrankheit ? Bundessozialgericht - B 2 U 15/06 R - Urteil vom 30.10.2007 Für die Anerkennung einer Erkrankung als BK Nr. 4302 müssen folgende Voraussetzungen erfüllt sein: Der Versicherte muss aufgrund seiner versicherten Tätigkeit chemisch-irritativ oder toxisch wirkenden Stoffen ausgesetzt gewesen sein und er muss an einer obstruktiven Atemwegserkrankung leiden, die durch die versicherten Einwirkungen verursacht worden ist und den Versicherten zum Unterlassen aller gefährdenden Tätigkeiten gezwungen haben muss. Bei der Nasenatmungsbehinderung mangelt es bereits am Vorliegen einer obstruktiven Atemwegserkrankung i.S. dieser Vorschrift. <<< nach oben >>> Festsetzung der MDE ist auch Rechtsfrage Bayerisches Landessozialgericht - L 3 U 237/05 - Urteil vom 05.09.2007 Die Entscheidung der Frage, in welchem Grad die Erwerbsfähigkeit eines Verletzten gemindert ist, ist eine tatsächliche Feststellung, die das Gericht gemäß § 128 Abs.1 Satz 1 SGG nach seiner freien, aus dem Gesamtergebnis des Verfahrens gewonnenen Überzeugung trifft. Die Bemessung des Grades der unfallbedingten MdE richtet sich nach dem Umfang der Beeinträchtigung des körperlichen und geistigen Leistungsvermögens des Verletzten durch die Unfallfolgen und nach dem Umfang der dem Verletzten dadurch verschlossenen Arbeitsmöglichkeiten auf dem gesamten Gebiet des Erwerbslebens. Die Beurteilung, in welchem Umfang die körperlichen und geistigen Fähigkeiten des Verletzten durch die Unfallfolgen beeinträchtigt sind, betrifft in erster Linie das ärztlich-wissenschaftliche Gebiet. Die Frage, welche MdE vorliegt, ist eine Rechtsfrage. Sie ist ohne Bindung an ärztliche Gutachten unter Berücksichtigung der Einzelumstände nach der Lebenserfahrung zu entscheiden. <<< nach oben >>> Beiträge auf Direktlebensversicherung Bundessozialgericht - B 12 KR 2/07 R - Urteil vom 12.12.2007 Aus der nach dem 31.12.2003 erfolgten Kapitalzahlung einer Direktlebensversicherung sind Beiträge zur gesetzlichen Krankenversicherung zu zahlen. Unerheblich ist, dass die Beiträge nach Beendigung der Erwerbstätigkeit allein vom Beschäftigten als Versicherungsnehmer getragen worden sind. <<< nach oben >>> Kosten für Einmal-Abdecksets sind gesondert abrechenbar LSG Nordrhein-Westfalen - L 11 KA 44/06 - Urteil vom 16.01.2008 Teil A EBM: Sachkosten für Einmal-Abdeckungen (Einmal-Abdecksets), die bei ambulanten Operationen der Knochen- und Gelenkchirurgie benutzt werden, sind gesondert abrechenbar. Die Kosten für diese Materialien zählten nicht zu den allgemeinen Praxiskosten. <<< nach oben >>> Honorarabrechnung trotz Überschreitung der Einreichungsfrist Bundessozialgericht - B 6 KA 29/06 R - Urteil vom 29.08.2007 Der Vertragsarzt muss seine Abrechnungen vollständig bis zum Einsendetermin bei der Kassenärztlichen Vereinigung (KV) einzureichen. Fristüberschreitungen können durch Honorarabzüge sanktioniert werden. Etwas Anderes kann allerdings dann gelten, wenn sich der KV die Fehlerhaftigkeit der Abrechnung hätte aufdrängen müssen. <<< nach oben >>> Stellungnahme des Sachverständigen zu Befangenheitsantrag kann vergütet werden Sächsisches Landessozialgericht - L 2 U 77/06 - Beschluss vom 19.12.2007 Ob der Sachverständige, der zu einem Befangenheitsantrag gegen ihn Stellung nimmt, diese Stellungnahme nach dem JVEG abrechnen kann, beantwortet sich danach, ob das Gericht den Sachverständigen aufgefordert hat, Stellung zu nehmen oder ob ihm lediglich die Gelegenheit geboten wurde. Schon von der Wortwahl her erschließt es sich dann auch für den Sachverständigen, dass er freiwillig und in eigener Sache tätig wird, wenn ihm Gelegenheit zur Stellungnahme geboten wurde. Wird er jedoch aufgefordert Stellung zu nehmen, so besteht kein Unterschied zum Ergänzungsgutachten bzw. zur ergänzenden gutachtlichen Stellungnahme. Was Beweisthema einer solchen ergänzenden gutachtlichen Stellungnahme ist, entscheidet das Gericht. Hält das Gericht es für eine ordnungsgemäße Vorbereitung der Entscheidung für erforderlich, dass der Sachverständige zum Vorwurf der Befangenheit Stellung nimmt, so fordert es ihn zu einer entsprechenden Stellungnahme auf, mit der Folge, dass diese Stellungnahme vom Sachverständigen in Rechnung gestellt werden kann. <<< nach oben >>>
Gebühren bei PKH Beiordnung Landessozialgericht Nordrhein-Westfalen - L 1 B 35/07 AS - Beschluss vom 29.01.2008 Die Beschwerde gegen einen Beschluss über die Höhe der PKH ist gemäß § 56 Abs. 2 Satz 1 in Verbindung mit § 33 Abs. 3 Satz 1 RVG zulässig, wenn der Wert des Beschwerdegegenstandes 200,00 Euro übersteigt. Etwas anderes ergibt sich auch nicht aus § 178 Satz 1 Sozialgerichtsgesetz (SGG), wonach gegen Entscheidungen des ersuchten oder beauftragten Richters oder des Urkundsbeamten binnen eines Monats nach Bekanntgabe das Gericht angerufen werden kann, das endgültig entscheidet. Bei einem Antrag auf Anordnung der aufschiebenden Wirkung eines Widerspruchs ist im Hinblick auf die Verfahrensgebühr nicht Nr. 3103 VV RVG, sondern Nr. 3102 VV RVG in Ansatz zu bringen ist. Die Verfahrensgebühr ist ausgehend von den obigen Maßgaben aus dem in Nr. 3102 VV RVG aufgeführten Gebührenrahmen zu bestimmen. Danach liegt die Mindestgebühr bei 40,00 Euro und die Höchstgebühr bei 460,00 Euro. Die Mittelgebühr von 250,00 Euro ist vergleichbar der zu § 116 Abs. 1 Satz 1 BRAGO geübten Praxis anzusetzen, wenn sich die Leistung im Vergleich zur Gesamtheit der sozialgerichtlichen Verfahren insgesamt als durchschnittlich erweist, mithin als "Normalfall" abbildet. Diese ist allerdings auf 2/3 zu reduzieren bei Verfahren des einstweiligen Rechtsschutzes. <<< nach oben >>> Geringes Einkommen des Mandanten bei PKH ohne Belang Sächsisches Landessozialgericht - L 6 B 33/08 AS-KO - Beschluss vom 07.02.2008 § 14 RVG ist Ausdruck des traditionell ständisch strukturierten Anwaltsrechts. Das ganze System des RVG ist nicht auf eine Entlohnung nach "Leistung" oder "Arbeit" bzw. "Aufwand" abgestellt. Der Umstand, dass sich die Gebühren nach dem RVG in Abhängigkeit vom Streitwert berechnen, weist ebenso wie die Institution der Betragsrahmengebühren auf eine soziale Komponente hin: Der Anwalt soll als verantwortliches unabhängiges Organ der Rechtspflege durchaus auch von der Möglichkeit Gebrauch machen, bei nicht begüterten Mandanten mehr Arbeit zu investieren, als von den zustehenden Gebühren her adäquat wäre. Auf diese Weise werden durch die einträglichen Mandate die anderen mit finanziert, was einen schon von dem Gesetzgeber der Reichsrechtsanwaltsgebührenordnung (RRAGO) durchaus beabsichtigten sozialen Umverteilungseffekt mit sich bringt. Durch die Einführung des Armenrechts bzw. der Prozesskostenhilfe wurde dieser Effekt im gewissen Sinne "nach unten abgefedert". Was die wirklich Bedürftigen im Sinne des Sozialhilferechts betrifft, von denen der Anwalt bei konsequenter Berücksichtigung der genannten sozialen Komponente überhaupt nichts oder nur einen symbolischen Betrag verlangen dürfte, springt der Staat ein. Es ist klar, dass hierdurch die "Vermögens- und Einkommensverhältnisse des Auftraggebers" bei der Prozesskostenhilfe, jedenfalls wenn sie ohne Raten bewilligt wird, keine Rolle mehr spielen können. Auftraggeber ist der Staat, der hiermit ein eigenes sozialpolitisches Anliegen verfolgt; daher passt es nicht, ihn als erstattungspflichtigen Dritten im Sinne des § 14 Abs. 1 Satz 4 RVG (womit in der Regel der Prozessgegner gemeint ist) anzusehen. Dadurch, dass der Staat als Auftraggeber fungiert und dem Anwalt seine standesrechtliche Sozialpflichtigkeit partiell abnimmt, entfällt nach der Natur der Sache auch dessen Leistungsbestimmungsrecht nach § 315 BGB; Raum für eine ansonsten vom Gesetz vorgesehene "Sozialpolitik" des Anwalts seinen Mandanten gegenüber ist dann nicht mehr. <<< nach oben >>>
SGB II nicht für Auszubildende und Studenten Bundessozialgericht - B 14/7b AS 36/06 R - Urteil vom 06.09.2007 Nach dem Wortlaut des § 7 Abs. 5 Satz 1 SGB II führt zum Leistungsausschluss die im konkreten Einzelfall durchlaufene Ausbildung, die dem Grunde nach u.a. nach dem BAföG förderungsfähig sein muss. Maßgebliches Kriterium ist nicht die Förderungsfähigkeit der Person in der Gestalt des Auszubildenden. Eine Personalisierung lässt sich nicht über die Worte "deren Ausbildung" in die Norm hineininterpretieren. Das Wort "deren" bezieht sich auf die Ausbildung und wird ergänzt durch die Worte "dem Grunde nach". Hieraus folgt zwar eine Individualisierung, indem auf die im konkreten Einzelfall absolvierte Ausbildung abzustellen ist, nicht jedoch darauf, ob der Auszubildende tatsächlich Leistungen nach den entsprechenden Förderungsnormen erhält. Ausschlaggebend ist allein, ob die Ausbildung grundsätzlich nach BAföG oder SGB III gefördert werden kann. Insbesondere in der Person des Auszubildenden liegende Gründe, die ihn von den Förderleistungen nach diesen Gesetzen ausschließen, haben mithin bei der Beantwortung der Frage, ob Leistungen zur Sicherung des Lebensunterhalts nach dem SGB II beansprucht werden können, außer Betracht zu bleiben. Insoweit besteht auch Deckungsgleichheit zwischen Normtext und offenbarter Regelungsabsicht des Gesetzgebers. <<< nach oben >>> BU-Rente auf Grundsicherung anrechenbar Bundessozialgericht - B 11b AS 51/06 R - Urteil vom 05.09.2007 Die Rente wegen Berufsunfähigkeit fällt nicht unter die in § 11 Abs. 1 Satz 1 SGB II genannten Ausnahmen und gehört auch nicht zu den privilegierten Einnahmen i.S. des § 11 Abs. 3 SGB II und des § 1 Abs. 1 Alg II/Sozialgeld-Verordnung. § 11 Abs. 1 und Abs. 3 SGB II, die nahezu wortgleich mit § 82 Abs. 1 Satz 1, § 83 Abs. 1 und § 84 Abs. 1 Sozialgesetzbuch Zwölftes Buch (SGB XII) übereinstimmen, entsprechen den bisherigen §§ 76 Abs. 1, 77 Abs. 1 Satz 1 und 78 Bundessozialhilfegesetz (BSHG). Diese Anknüpfung an das BSHG war vom Gesetzgeber auch beabsichtigt. Wie schon im Sozialhilferecht hat der Gesetzgeber des SGB II bewusst und gezielt nur bestimmte Leistungen, nämlich insbesondere die Grundrenten nach dem BVG und bestimmte andere Einnahmen "wegen ihres Charakters oder der Zweckbestimmung" von der Einkommensberücksichtigung ausgenommen. Zu den privilegierten Leistungen gehört die Rente wegen BU auch im Recht der Grundsicherung für Arbeitsuchende nicht. <<< nach oben >>> Leistungen bei Unterbringung in stationärer Einrichtung Bundessozialgericht - B 14/7b AS 60/06 R - Urteil vom 06.09.2007 § 7 Abs. 4 SGB II wonach Leistungen nicht erhält, wer für länger als sechs Monate in einer stationären Einrichtung untergebracht ist oder Rente wegen Alters bezieht, forderte, ebenso wie jetzt der ab 1. August 2006 in Kraft getretene § 7 Abs. 4 Satz 3 Nr. 1 SGB II eine Prognoseentscheidung. Dies folgt aus der Verwendung des Begriffs "für" länger als sechs Monate in § 7 Abs. 4 SGB II a.F. Das Wesen einer Prognoseentscheidung besteht darin, dass zu einem bestimmten Zeitpunkt (Prognosezeitpunkt) für die Zukunft ein bestimmter Sachverhalt vorhergesagt (prognostiziert) wird. Bei der Vorschrift des § 7 Abs. 4 SGB II handelt es sich mithin nicht um eine Ausschlussfrist. Es sind also nicht zunächst immer bis zum Ablauf der ersten sechs Monate Leistungen nach dem SGB II zu erbringen, umgekehrt tritt auch nach mehr als sechs-monatiger Unterbringung nicht zwingend ein Leistungsausschluss ein. Sinn des § 7 Abs. 4 SGB II ist es, durch eine Prognoseentscheidung zu Beginn der Unterbringung einen Wechsel des Leistungsträgers nach nur kurzer Zeit innerhalb der Dauer von weniger als sechs Monaten zu vermeiden, denn die Prognoseentscheidung bleibt grundsätzlich für die Dauer der Bewilligungsentscheidung maßgeblich. Daher hat eine auf einer Prognose von unter sechs Monaten bestehende Bewilligung nach dem SGB II im Regelfall auch bei einer - nicht prognostizierbaren - über sechs Monaten hinausgehenden Dauer der Unterbringung Bestand. <<< nach oben >>> Zuschlag nach § 24 SGB II nur bei Anspruch auf Leistungen dem Grunde nach Bundessozialgericht - B 14/11b AS 7/07 R - Urteil vom 31.10.2007 Ein Anspruch auf einen Zuschlag nach § 24 SGB II besteht nur, wenn auch ein Anspruch auf Leistungen nach § 19 SGB II besteht. Das folgt bereits aus dem Wortlaut des § 24 Abs. 1 Satz 1 SGB II, wonach der erwerbsfähige Hilfebedürftige einen Zuschlag erhält, soweit er Alg II innerhalb von zwei Jahren nach dem Ende des Bezugs von Alg bezieht. Ein Bezug von Alg II ist gegeben, wenn gemäß § 19 Satz 1 SGB II Leistungen zur Sicherung des Lebensunterhalts einschließlich der angemessenen Kosten für Unterkunft und Heizung gewährt werden. Zwar war in der bis zum 31. Juli 2006 geltenden Fassung des § 19 Satz 1 SGB II missverständlich auch der befristete Zuschlag nach § 24 SGB II als Alg II aufgeführt. Mit der Neufassung des § 19 SGB II durch das Gesetz zur Fortentwicklung der Grundsicherung für Arbeitsuchende vom 20. Juli 2006, in der der Zuschlag nach § 24 SGB II nicht mehr als Bestandteil des Alg II erwähnt wird, hat der Gesetzgeber aber klargestellt, dass der befristete Zuschlag zusätzlich zum Alg II gewährt wird. Hiervon ist auch schon für die Zeit vor Inkrafttreten der Neuregelung auszugehen. <<< nach oben >>> Verletztenrente ist Einkommen Bundessozialgericht - B 14/7b AS 62/06 R - Urteil vom 06.12.2007 Die Verletztenrente ist als Einkommen i.S. des § 11 Abs. 1 Satz 1 SGB II bei der Berechnung der Leistungen zur Sicherung des Lebensunterhalts zu berücksichtigen. § 11 Abs. 1 Satz 1 Halbsatz 2 SGB II kann nicht analog auf die Verletztenrente angewendet werden. Ebenso wenig handelt es sich um eine von der Einkommensberücksichtigung auszunehmende zweckgebundene Einnahme i.S. des § 11 Abs. 3 Nr. 1 Buchstabe a SGB II oder ist sie wie eine Entschädigung i.S. des § 11 Abs. 3 Nr. 2 SGB II zu behandeln. Aus der leistungsmindernden Berücksichtigung der Verletztenrente folgt zuletzt keine verfassungswidrige Ungleichbehandlung nach Art 3 Abs. 1 GG. <<< nach oben >>> Unangemessen wertvoller PKW muss nicht unbedingt verkauft werden. Bundessozialgericht - B 14/7b AS 66/06 R - Urteil vom 06.09.2007 Ein im Eigentum des Hilfeempfängers stehender PKW mit einem Verkehrswert von 9.600 EUR stellt ein unangemessenes Kfz i.S. des § 12 Abs. 3 Satz 1 Nr 2 SGB II dar, weil sein Verkehrswert die hier maßgebliche Wertgrenze von 7.500 EUR für ein angemessenes Kfz übersteigt. Ein isoliert betrachtet unangemessener Vermögensgegenstand i.S. des § 12 Abs. 3 Satz 1 SGB II ist jedoch nicht in jedem Fall zu verwerten. Vielmehr ist im Rahmen des § 12 SGB II eine Gesamtbetrachtung aller Vermögensgegenstände und Vermögenswerte anzustellen. Das verwertbare Vermögen i.S. des § 12 SGB II darf nur insgesamt betrachtet nicht die Freibeträge gemäß § 12 Abs. 2 SGB II übersteigen. <<< nach oben >>>
Grube / Wahrendorf Irgendein Problem im Sozialrecht? Erst einmal einlesen, einen Überblick schaffen oder grundlegende Rechtsprechung finden? Der Praktiker greift als Erstes zu der "orangenen Reihe" und greift nie daneben. So auch bei diesem Werk. "Aufgabe der ersten Auflage des Kommentares war es, dem Rechtsanwender bei Betreten des Neulandes eine Orientierung zu geben, ..." halten die Autoren im Vorwort fest. In der zweiten Auflage findet der mittlerweile "fortgebildete" Rechtsanwender eine Vielzahl von Urteilen und der Neuling kann sofort auf aktuelle Rechtspraxis zurückgreifen. Die Programminformation des Verlages beschränkt sich naturgemäß auf eine reine Inhaltsangabe: Sozialhilferecht, einschließlich der Grundsicherung im Alter und bei Erwerbsminderung … Die Erläuterungen … erlauben die rasche Orientierung im Sozialhilferecht." Gerade dieser zweite Punkt macht die Hauptattraktivität des Buches aus: Mithilfe von (wahrscheinlich mühevoll zusammengetragenen) brandaktuellen Entscheidungen (die jüngste von August 2007). Wo es noch keine sozialrechtliche Rechtsprechung gibt, wird auf die verwaltungsrechtliche zurückgegriffen. Naturgemäß werden ständig Vergleiche mit dem "Vorgänger" BSHG und dem "Parallelgesetz" SGB II gezogen. Die Verfasser - Richter aus verschiedenen Gerichtsbarkeiten - kennen die Materie aus der täglichen Praxis und nehmen kein Blatt vor den Mund. Sie reden geradeheraus von "gesetzlichen Fehlgriffen", - was den Adressaten des Kommentares - Richtern, Anwälten, Sozialämtern und Arbeitsagenturen - die Haare zu Berge stehen lassen würde, -- wenn sie es nicht schon längst wüßten. Alles in allem wieder einmal ein bewährter, kompakter Helfer für den sozialrechtlichen Alltag. Mit etwas anderem ist in der "orangenen Reihe" auch gar nicht zu rechnen. <<< nach oben >>> Jens M. Schubert "Es ist die Integration in das Arbeitsleben, die einen besonderen Stellenwert einnimmt Gelingt die Integration auf den allgemeinen Arbeitsmarkt, wird oftmals eine verbesserte Integration in die Gesellschaft insgesamt möglich. Für einen Ratgeber heißt das, daß die rechtlichen Rahmenbedingungen zur Erlangung und zum Erhalt eines Arbeitsverhältnisses einen breiten Raum einnehmen müssen." Mit diesem Zitat ist der Schwerpunkt dieses Taschenbuches bereits wiedergegeben. Schon das Vorwort läßt "Großes" ahnen und man wird auch nicht enttäuscht. Erstaunlich, welche Fülle von Informationen in ein "kleines" Taschenbuch paßt. Es ist informativer als so manches Handbuch. Der Aufbau orientiert sich am selbstgesetzten Ziel: Integration in das Arbeitsleben. Nach allgemeinen Hinweisen und einer Einführung zum Thema "Behindert sein - was heißt das?" geht es chronologisch weiter: Integration in das Arbeitsleben, Rechte vor der Einstellung, während des Arbeitsverhältnisses und bei seiner Beendigung, Besonderheiten im Sozialversicherungsrecht. Das Highlight ist aber das Kapitel über Rehabilitation. Meines Wissens gibt es derzeit nichts Vergleichbares auf dem Buchmarkt: Kurz (das gebietet schon das Taschenbuchformat), dabei ausführlich und leicht verständlich. In Zusammenhang damit ist das nächste Kapitel zu sehen: "Arbeiten in der Werkstatt für behinderte Menschen." Die Zielgruppe ist zwar kleiner, aber bislang sträflich vernachlässigt worden. Dankenswerterweise hat sie hier nun eine Plattform. Die sonst in epischer Breite geschilderten Nachteilsausgleiche nehmen hier vergleichsweise wenig Platz ein. Das hier Gesagte findet man aber überall, wenn es um Schwerbehinderung geht. Allein für das vorzügliche Kapitel über Rehabilitation und die Werkstatt für behinderte Menschen lohnt sich der Kauf. Allen, die mit diesem Thema befasst sind - Betroffene, Bevollmächtigte, Eltern behinderter Kinder - sei das Buch wärmstens empfohlen! <<< nach oben >>> Deutscher Caritasverband (Hrsg.) Das Buch beinhaltet Einführung, Gesetzestext mit gekennzeichneten Änderungen und Stellungnahmen. Die Einführungen sind in alphabetischer Reihenfolge gehalten; sie erleichtern (da der jeweilige Paragraph genannt wird) das Auffinden der zum 01.08.2006 geänderten Fassung des SGB II durch das SFGB II Fortentwicklungsgesetz. Diese Änderungen sind farblich gekennzeichnet und mach das Buch in seiner täglichen Anwendung sehr benutzerfreundlich: Die Änderungen (Hinzufügungen, Herausgestrichenes) fallen sofort in's Auge. Der Inhalt endet mit Stellungnahmen der Wohlfahrtsverbände zur Sachverständigenanhörung im Frühjahr 2006. Warum macht dieses Buch heute - anderthalb Jahre nach Gesetzesänderung - noch Sinn? Ist es nicht längst überholt? Nein, ist es nicht. Aus den farblichen Markierungen sieht man sehr deutlich, wie einfach der Gesetzgeber sich das 2005 vorgestellt hat und welche Probleme sich im Verlauf der Rechtsanwendung stellten, z. B. § 3 III a. E. (komplette Bedarfsdeckung durch die Leistungen des SGB II); § 23 Abs. V und VI; § 24 II Nr. 2 a. E.; und natürlich den Staub aufwirbelnden § 7 III Nr. 3 a (eheähnliche Lebensgemeinschaft). Bestehende Unklarheiten wurden beseitigt (und neue geschaffen). Durch die farblichen Markierungen ist das Buch eine Synopse. Da es heute noch Rechtsstreitigkeiten aus der Anfangszeit des SGB II gibt, ist das Buch auf jeden Fall Bevollmächtigten zu empfehlen. Rechtsanwältin M. Schörnig <<< nach oben >>> Die nächste Ausgabe unserer Zeitschrift erscheint im Mai 2008! <<< nach oben >>> |
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