Ausgabe    4/2006 

vom 02.07.2006 

Druckversion der Zeitung (pdf-Format ohne weiterführende Links).

     Themen

Gesetz zur Fortentwicklung der Grundsicherung für Arbeitssuchende

   Informationen

Schwerbehindertenrecht

Versorgungsrecht

Verfahrensrecht

Krankenversicherung

Anwaltshonorar

Grundsicherung für Arbeitssuchende SGB II / Arbeitslosenhilfe / Sozialhilfe

   Schwerpunktthema-Unterkunftskosten

   Buchrezension

   Service

Herausgeber und verantwortlich im Sinne des Pressegesetzes Karen Schillings,
Spessartstr. 15, 41239 Mönchengladbach

Die Zeitschrift erscheint alle 2 Monate


Liebe Leser,

anbei die Juli Ausgabe unserer Zeitschrift. Schwerpunktthema ist diesmal - neben zahlreichen Urteilen zum Schwerbehinderten/Versorgungsrecht - die Angemessenheit von Unterkunftskosten nach dem SGB II und SGB XII. Die wiedergegebenen Urteile des Schwerpunktthemas sind alle Bestandteil unseres neuen (zusätzlichen) Programmschwerpunkts auf der von uns vertriebenen CD. Auf der neuen Version der CD "Sozialrecht 6.2" (Erscheinungsdatum voraussichtlich August 2006) werden Sie eine vollständige Übersicht über die Rechtsprechung zum SGB II, SGB XII und zum Asylbewerberleistungsgesetz finden.

Viel Spaß beim Lesen wünscht Ihr Team von Sozialrecht Online und www.uwendler.de .


Themen

Gesetz zur Fortentwicklung der Grundsicherung für Arbeitssuchende

Ab 01.08.2006 treten gravierende Änderungen in den sog. Hartz IV Gesetzen ein (u.A. wird der Begriff "eheähnlichen Lebensgemeinschaft" völlig gestrichen und durch eine neue Einbeziehung von "Zusammenlebenden" ersetzt). 

Die Änderungen und die Begründung des Gesetzgebers für die Änderungen aus der Bundestagsdrucksache 16/1410 finden Sie hier.

aG bei auf 30m begrenzter Wegstrecke

Landessozialgericht Niedersachsen-Bremen - L 5 SB 23/05 - Urteil vom 14.12.2005 -

Kann der behinderte Mensch selbst unter Zuhilfenahme eines Rollators nur ca. 30 m am Stück gehen und muss er dann wegen der infolge der Anstrengung auftretenden Luftnot eine Pause machen, steht ihm der Nachteilsausgleich "aG" zu.

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Kein aG bei schmerzbedingter Pause erst nach 50 m

Bayerisches Landessozialgericht - L 15 SB 35/00 - Urteil vom 25.08.2005 -

Die Voraussetzungen für den Nachteilsausgleich "aG" sind nicht erfüllt, wenn der behinderte Mensch erst nach ca. 50 m wegen des angewachsenen Schmerzes Rast machen zu muss.

Steht dem behinderten Menschen der Nachteilausgleich "aG" nicht zu, kann ihm aber der Nachteilsausgleich "G" zugesprochen werden, ohne dass dieser ausdrücklich beantragt worden ist. "G" ist nämlich grundsätzlich in dem Antrag auf "aG" mit enthalten.

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Keine rückwirkende Feststellung des GdB wegen rentenversicherungsrechtlicher Vorteile

SG Duisburg - S 24 SB 4/05 - Urteil vom 28.02.2006 -

Eine über das Antragsdatum hinaus zurückwirkende Feststellung des GdB setzt u.a. die Glaubhaftmachung eines besonderen Interesses des schwerbehinderten Menschen daran voraus. Rentenversicherungsrechtliche Vorteile - § 236 a SGB VI, nach dessen Satz 6 die Altersgrenze von 60 Jahren nicht angehoben wird für Versicherte, die bis zum 16.11.1950 geboren sind und am 16.11.2000 schwerbehindert waren - begründen dieses besondere Interesse nicht.

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Berufsschadensausgleich wegen vorzeitigem Ausscheiden aus dem Erwerbsleben

BSG - B 9a V 1/05 R - Urteil vom 20.07.2005 -

Berufsschadensausgleich nach dem BVG: Der Ursachenzusammenhang zwischen den Schädigungsfolgen und dem beruflichen Schaden ist nach den Grundsätzen der haftungsbegründenden und -ausfüllenden Kausalität zu beurteilen - Theorie der wesentlich mitwirkenden Bedingung -. Die Beweiserleichterung für das "Ausscheiden aus dem Erwerbsleben wegen der Schädigungsfolgen" ist begrenzt auf ein sozial gesichertes Ausscheiden aus dem Erwerbsleben mit einer vorzeitigen Rente/Versorgung wegen Schwerbehinderung nach dem SGB VI oder dem Beamtenrecht.

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Keine Versorgung nach dem BVG bei Verstoß gegen die Grundsätze der Menschlichkeit

BSG - B 9a/9 V 8/03 R - Urteil vom 25.11.2005 -

Ein während der Herrschaft des Nationalsozialismus begangener Verstoß gegen die Grundsätze der Menschlichkeit - Teilnahme an Erschießungen von Zivilpersonen - führt zum Ausschluss von Versorgungsleistungen nach dem Bundesversorgungsgesetz. Der Täter kann sich nicht darauf berufen, er habe auf Befehl gehandelt, wenn er ohne unmittelbare Gefahr für Leib oder Leben die Möglichkeit einer Befehlsverweigerung hatte. Der Ausschluss von Versorgungsleistungen gilt jedoch nicht für Ansprüche, die auf schädigende Einwirkungen zurückzuführen sind, denen es an einem engen Bezug zum nationalsozialistischen Unrechtsstaat fehlt (z.B. während der Kriegsgefangenschaft erlittene Schädigungsfolgen).

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Wann liegt ein verletzungsbedingter Bandscheibenvorfall vor?

Bay. LSG - L 15 VS 3/01 - Urteil vom 06.12.2005 -

Soldatenversorgung: Die Annerkennung eines - verletzungsbedingten - Bandscheibenvorfalls als Schädigungsfolge kommt in Betracht, wenn das Unfallereignis schwer genug war, um Rissbildungen in der Bandscheibe zu verursachen; das Ereignis muss in seiner Mechanik so abgelaufen sein, dass es die Entstehung derartiger Rissbildungen erklärt; es muss der Nachweis geführt werden, dass sich im unmittelbaren Anschluss an den Unfall die Symptome eines Ischiasleidens oder einer Lumbago eingestellt haben; es muss vor dem Unfall Beschwerdefreiheit, zumindest Beschwerdearmut bestanden haben; die klinischen Symptome müssen für einen hinteren Bandscheibenvorfall sprechen.

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§ 44 SGB X bei Kausalitätsfragen

Sächs. LSG - L 6 V 3/05 - Urteil vom 21.12.2005 -

Ist bei der Frage, ob Versorgung (hier nach dem BVG) zu gewähren ist, der Ursachenzusammenhang streitig, und sind dazu bereits bestandskräftige Entscheidungen ergangen, ist ein Wiederaufgreifen über § 44 SGB X in der Regel nicht möglich. Nur bei eindeutigen Indizien für eine grobe Fehlbeurteilung kann das Verwaltungsverfahren zu Gunsten des Betroffenen noch einmal aufgegriffen werden kann.

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Zur Frage, ob die Hinzuziehung eines Rechtsanwalts bei einer reinen Untätigkeitsklage erforderlich ist.

Landessozialgericht Berlin-Brandenburg - Az.: L 15 B 51/06 SO PKH - Beschluss vom 29.03.2006 -

Dass es "nur" um eine Untätigkeitsklage wegen des noch nicht erteilten abschließenden Widerspruchsbescheides geht, rechtfertigt nicht die Annahme, es handele sich um einen tatsächlich und rechtlich einfach gelagerten Fall, der keine rechtskundige Vertretung der Kläger erfordere. Dass überhaupt und unter welchen Voraussetzungen im Bereich des Sozialrechts eine so genannte Untätigkeitsklage erhoben werden kann, ist juristischen Laien in der Regel nicht bekannt, und schon die Klärung der Frage, ob der Bescheid oder Widerspruchsbescheid ohne zureichenden Grund nicht erlassen worden ist (vgl. § 88 Abs. 1 Satz 2 und Abs. 2 SGG), kann tatsächliche oder rechtliche Schwierigkeiten aufwerfen.

Die Erforderlichkeit anwaltlicher Vertretung ist auch nicht deshalb zu verneinen, weil im sozialgerichtlichen Verfahren gemäß § 103 SGG der Sachverhalt von Amts wegen zu erforschen ist, da die Aufklärungs- und Beratungspflicht des Anwalts über die Reichweite der Amtsermittlungspflicht des Richters hinaus geht, die allein nicht geeignet ist, das Ungleichgewicht zwischen rechts- und sachkundig vertretener Behörde bzw. Versicherungsträger und der anderen Prozesspartei auszugleichen.

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Keine Mutwillenskosten bei positivem Gutachten

LSG Baden-Württemberg - L 8 SB 3940/05 AK-A - Beschluss vom 18.11.2005 -

Mutwillenskosten wegen Rechtsmissbräuchlichkeit setzen voraus, dass die Klage offensichtlich unzulässig oder unbegründet ist und die Erhebung oder Fortführung der Klage von jedem Einsichtigen als völlig aussichtslos angesehen werden müsste. Diese Voraussetzung ist nicht erfüllt, wenn die Auffassung des Klägers durch das Ergebnis eines gerichtlichen Sachverständigengutachtens gestützt - und sei es auch nur vordergründig - wird. Dann kann dem Prozessbeteiligten kein Vorwurf daraus gemacht werden, dass er sich dadurch in seiner Ansicht bestätigt fühlt und das Verfahren fortführt, auch wenn das Gericht zu erkennen gegeben hat, dass es der Klage keine Erfolgsaussicht einräumt.

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Zur Arbeitsunfähigkeit bei Arbeitslosigkeit

Bundessozialgericht - Az.: B 1 KR 21/05 R - Urteil vom 04.04.2006 -

Ein in der Krankenversicherung der Arbeitslosen (KVdA) nach § 5 Abs 1 Nr. 2 SGB V versicherter Arbeitsloser ist arbeitsunfähig iS von § 44 Abs 1 Satz 1 SGB V, wenn er auf Grund gesundheitlicher Einschränkungen nicht mehr in der Lage ist, Arbeiten zu verrichten, für die er sich der Arbeitsverwaltung zwecks Vermittlung zur Verfügung gestellt hat: Das Krankengeld (Krg) stellt sich in der KVdA nicht als Ersatz für Ausfall des früher auf Grund Beschäftigung bezogenen Arbeitsentgelts, sondern als Ersatz für eine entgehende Leistung wegen Arbeitslosigkeit dar. Entscheidend für die Beurteilung der Arbeitsunfähigkeit Arbeitsloser sind im Grundsatz alle Arbeiten, die dem Versicherten arbeitslosenversicherungsrechtlich zumutbar sind.

Anwaltshonorar

Zu den Gebühren im vorläufigen Rechtsschutz

Sozialgericht Aurich -  Az.: S 25 SF 20.05 AS - Beschluss vom 09.05.06 -

Wenn eine Tätigkeit des Rechtsanwaltes im Widerspruchsverfahren vorausgegangen ist, ist bei Verfahren des vorläufigen Rechtsschutzes grundsätzlich auf die Gebühr nach Ziffer 3103 VV abzustellen.

Grundsicherung für Arbeitssuchende 

Schwerpunktthema - Angemessenheit von Unterkunftskosten nach den Hartz IV Gesetzen

Die Angemessenheit von Unterkunftskosten ist der häufigste Streitpunkt vor den Sozialgerichten. Eine als "einheitlich" zu bezeichnende Rechtsprechung hat sich noch nicht herausgebildet. Erste Streitfragen sind inzwischen beim BSG anhängig. Hier eine Übersicht von - sich zum Teil wiedersprechenden - Entscheidungen der Landessozialgerichte.

Thüringer Landessozialgericht - Az.: L 7 AS 334/05 ER - Beschluss vom 07.07.2005

Für die Angemessenheitsbetrachtung ist auf das örtliche Mietzinsniveau und dort jeweils auf den unteren Bereich der marktüblichen Wohnungsmieten für nach Größe und Wohnstandard zu berücksichtigende Wohnungen abzustellen. Die Niveaufestlegung muss gewährleisten, dass nach der Struktur des örtlichen Wohnungsbestandes alle Hilfeempfänger am Ort tatsächlich die Möglichkeit haben, mit den als angemessen bestimmten Beträgen eine bedarfsgerechte, menschenwürdige Unterkunft anmieten zu können; zu diesem Preis muss auf dem örtlichen Wohnungsmarkt eine Wohnung verfügbar sein.

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Landessozialgericht Niedersachsen-Bremen - Az.: L 8 AS 307/05 - Urteil vom 23.03.2006

Leben Hilfebedürftige mit anderen Personen, die nicht zur Bedarfsgemeinschaft gehören, in Haushaltsgemeinschaft, so sind die Kosten für Unterkunft und Heizung der Gemeinschaft anteilig – pro Kopf – zu berücksichtigen.

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Landessozialgericht Nordrhein-Westfalen - Az.: L 9 B 99/05 AS ER – Beschluss vom 28.02.2006

1. Die Angemessenheit im Sinne des § 22 SGB II ist ein gerichtlich voll überprüfbarer unbestimmter Rechtsbegriff. Die Wohnungsgröße ist in der Regel angemessen, wenn sie es ermöglicht, dass auf jedes Familienmitglied ein Wohnraum ausreichender Größe entfällt. Darüber hinaus sind auch besondere persönliche und berufliche Bedürfnisse des Wohnungsberechtigten und seiner Angehörigen sowie der nach der Lebenserfahrung in absehbarer Zeit zu erwartenden zusätzlichen Raumbedarf zu berücksichtigen.
2. Die angemessene Höhe der Unterkunftskosten errechnet sich aus dem Produkt aus der für den Leistungsempfänger abstrakt angemessenen Wohnungsgröße und dem nach den örtlichen Verhältnissen angemessenen Mietzins pro qm (Produkttheorie).
3. Den tatsächlichen Feststellungen für Wohnmarktverhältnisse und Angemessenheitsniveau sind insofern Mietspiegel, Wohnungsmarktanzeigen und als ergänzendes Korrektiv auch die Tabelle zu § 8 Wohngeldgesetz zu Grunde zu legen.
4. Zur Angemessenheit einer im Eigentum stehenden Immobilie.

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Landessozialgericht Hamburg - Az.: L 5 B 391/05 ER AS - Beschluss vom 31.01.2006

Den Mitgliedern einer Bedarfsgemeinschaft steht es nicht frei, den Höchstwert für die Angemessenheit einer Wohnung für einen Zwei-Personen-Haushalt dadurch zu umgehen, dass sie zwei einzelne Mietverträge über die gesamte Wohnung mit jeweils nur hälftigen Mietkosten abschließen. Bei der Bewertung der Angemessenheit der Kosten der Unterkunft ist die ungeteilte Miete maßgeblich. Die Addition einzelner Mietteile, die für sich gesehen angemessen wären, würde zu eindeutig überhöhten Werten hinsichtlich der Angemessenheit der Gesamtmiete führen.

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Landessozialgericht Hamburg - Az.: L 5 B 255/05 ER AS - Beschluss vom 28.09.2005

Zur Konkretisierung des unbestimmten Rechtsbegriffes der Angemessenheit der Unterkunftskosten ist auf die zum früheren Sozialhilferecht entwickelten Rechtsgrundsätze zurückzugreifen. Nach dem für die frühere Sozialhilfe maßgeblichen Recht und der hierzu ergangenen verwaltungsgerichtlichen Rechtsprechung bestimmte sich die Angemessenheit der Unterkunftskosten nach dem Bedarf des Hilfebedürftigen. Hierfür kam es auf die Besonderheiten des Einzelfalls an, vor allem auf die Person des Hilfebedürftigen, die Art seines Bedarfs und die örtlichen Verhältnisse.

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Landessozialgericht Baden-Württemberg - Az.: L 8 AS 626/06 ER-B - Beschluss vom 27.03.2006

In welcher genauen Höhe Aufwendungen für eine Unterkunft nach den Umständen des Einzelfalles, insbesondere der Mietpreissituation auf dem für die Angemessenheitsprüfung maßgeblichen regionalen Wohnungsmarkt, angemessen sind, bemisst sich anhand einer einzelfallbezogenen Bewertung der für den jeweiligen örtlichen Wohnungsmarkt zur Verfügung stehenden Informationen. Für die Berechnung der angemessenen Höhe der Unterkunftskosten ist dabei nicht isoliert von Größe und Mietzins je m² der konkret bewohnten Unterkunft auszugehen. Ausgangspunkt für die angemessene Höhe von Unterkunftskosten ist die - abstrakt zu ermittelnde - personenzahlabhängige Wohnungsgröße, so dass sich die angemessene Höhe der Unterkunftskosten als Produkt aus der für die Kläger abstrakt angemessenen Wohnungsgröße und dem nach den örtlichen Verhältnissen angemessenen Mietzins pro Quadratmeter bestimmt. Dabei ist in Baden-Württemberg in Anlehnung an das Wohnungsbindungsrecht für Alleinstehende eine Wohnfläche von 45 m² als angemessen anzusehen.

Der angemessene Betrag für Mietaufwendungen ist nicht nach der tatsachlichen Wohnfläche (hier 37 m² x 5.95 EUR) zu errechnen.

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Landessozialgericht Baden-Württemberg - Az.: L 8 AS 403/06 ER - Beschluss vom 26.01.2006

Erscheinen dem kommunalen Träger die Unterkunftskosten im Einzelfall als zu hoch, darf er die Angemessenheitsprüfung nicht darauf beschränken, ausgehend vom Bedarf des Hilfebedürftigen mit Blick auf die örtlichen Verhältnisse zu bestimmen, welcher Kostenaufwand für die Unterkunft an sich (abstrakt) angemessen wäre. Da der Hilfebedürftige einen Anspruch auf Deckung seines Unterkunftsbedarfs hat, muss sich die Angemessenheitsprüfung in einem solchen Fall auch auf die Frage erstrecken, ob dem Hilfeempfänger im Bedarfszeitraum eine andere bedarfsgerechte, kostengünstigere Wohnung konkret verfügbar und zugänglich ist. Besteht eine derartige Unterkunftsalternative nicht, ist also die vom Hilfebedürftigen bewohnte Unterkunft die in dem maßgeblichen räumlichen Umkreis und Bedarfszeitraum einzig verfügbare, sind die Aufwendungen für diese Wohnung angemessen und deshalb gemäß § 22 Abs. 1 Satz 1 SGB II vom Leistungsträger (zunächst) zu übernehmen.

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Landessozialgericht Niedersachsen-Bremen- Az.: L 6 AS 96/06 ER - Beschluss vom 23.03.2006

Bei der Beurteilung, ob der Aufwand für die Unterkunft einen angemessenen Umfang hat, ist von der tatsächlich entrichteten Miete auszugehen und eine den Besonderheiten des Einzelfalles gerecht werdende Betrachtung anzustellen. Danach entscheidet sich die Frage der Angemessenheit der Aufwendungen für Unterkunft und Heizung nicht nach festen Regeln. Neben den konkreten Verhältnissen auf dem örtlichen Mietmarkt sind die persönlichen Lebensumstände der Hilfebedürftigen in die Prüfung einzubeziehen.

Bei einer Wohngemeinschaft - bestehend aus 2 Personen - kann nicht ohne Weiteres die für einen 2-Personenhaushalt (Bedarfsgemeinschaft) angemessene Wohnungsgröße von 60 m² zugrundegelegt werden. Denn es kann jedenfalls nicht ohne Weiteres von annähernd gleichen Lebens- und Wohnverhältnissen in einer Wohngemeinschaft einerseits und einer Bedarfsgemeinschaft andererseits ausgegangen werden.

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Hessisches Landessozialgericht - Az.: L 7 AS 122/05 ER - Beschluss vom 28.03.2006

Es muss gewährleistet sein, dass nach der Struktur des örtlichen Wohnungsbestandes die Hilfeempfänger tatsächlich die Möglichkeit haben, mit den als angemessen bestimmten Beträgen eine bedarfsgerechte und menschenwürdige Unterkunft anmieten zu können. Ist bzw. war dem Leistungsempfänger im Bedarfszeitraum eine andere bedarfsgerechte und kostengünstigere Wohnung konkret nicht verfügbar und zugänglich, sind die Unterkunftskosten in tatsächlicher Höhe zu übernehmen.

Es ist zunächst Sache des Leistungsträgers, die Angemessenheit von Mietaufwendungen für eine Unterkunft unter Berücksichtigung des vorhandenen Wohnraums im unteren Bereich zu ermitteln. Überschreiten die Aufwendungen für die Unterkunft den der Besonderheit des Einzelfalles angemessenen Umfang, ist es Sache des Hilfeempfängers, im Einzelnen darzulegen und glaubhaft zu machen, dass er sich ernsthaft und intensiv um eine andere bedarfsgerechte und kostengünstigere Wohnung bemüht hat und es ihm trotz seiner Bemühungen nicht möglich gewesen ist, eine solche Wohnung zu finden.

Hat der Hilfeempfänger ausreichende erfolglose Bemühungen dargelegt und glaubhaft gemacht, sind die Unterkunftskosten in tatsächlicher Höhe zu übernehmen. Gleiches gilt, wenn der Leistungsträger zur Angemessenheit von Mietaufwendungen für eine Unterkunft keine Ermittlungen anstellt oder die Ermittlungen des Leistungsträgers die Beurteilung der Angemessenheit der Unterkunftskosten nicht zulassen. Denn die Ermittlung des entscheidungserheblichen Sachverhalts ist Aufgabe des Leistungsträgers (§ 20 SGB X) und kann nicht durch die Anwendung der Wohngeldtabelle nach § 8 Wohngeldgesetz (WoGG) zur Bestimmung der Angemessenheit der Mietaufwendungen ersetzt werden.

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Bayerisches Landessozialgericht - Az.: L 7 AS 20/05 - Urteil vom 17.03.2006

Eine Beschränkung des sozialhilferechtlichen Anspruchs auf das Angemessene (hier Miete) kann nicht über den 31.12.2004 hinaus fortwirken. Beim SGB II handelt es sich um ein gegenüber dem BSHG neues Leistungssystem, für das - jedenfalls überwiegend - andere Träger zuständig sind. Bereits getroffene Regelungen können daher - unabhängig von ihrer Bestandskraft - grundsätzlich nicht für das neue Leistungssystem gelten. Dies ergibt sich auch aus dem Umkehrschluss zu der Regelung des § 65 e SGB II, der die Fortgeltung von Verwaltungsakten für bestimmte Fälle vorsieht.

Die Sechs-Monatsfrist des § 22 Abs. 1 SGB II beginnt nur zu laufen, wenn die Behörde den Antragsteller hinreichend darüber aufgeklärt, in welcher Weise und mit welcher Intensität er nach einer billigeren Unterkunft suchen muss und welche Nachweise er dafür zu erbringen hat. Die Ausgestaltung der Obliegenheiten des Sozialrechts zeigen, dass dem Leistungsberechtigten eine Obliegenheitsverletzung mit nachteiligen Auswirkungen auf seinen Leistungsanspruch nur vorgeworfen werden kann, wenn er in Kenntnis der konkreten Verhaltensanforderungen gegen diese verstößt.

Bayerisches Landessozialgericht - Az.: L 10 B 11/06 AS ER - Beschluss vom 16.11.2005

Weder aus dem Beschluss des Bayer. Verwaltungsgerichtshofes vom 29.04.1999 - 12 CE 98.2658 noch aus der gesetzlichen Regelung oder aus verfassungsrechtlichen Gründen ergeben sich Anhaltspunkte dafür, dass der Begriff der Angemessenheit bei den Leistungsempfängern, die bereits eine bestimmte Wohnung bewohnen, anders zu bewerten ist als bei Leistungsempfängern, die während des Leistungsbezugs umziehen.

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Buchrezension

Übersicht über das Sozialrecht - Ausgabe 2006 
herausgegeben vom Bundesministerium für Arbeit und Soziales, 983 Seiten + CD-ROM, 
ISBN: 3-8214-7242-1, Euro: 28.00

Das Buch ist aus Einzelbeiträgen - überwiegend von Mitarbeitern der für die jeweilige Gesetzgebung zuständigen Bundesministerien - zusammengestellt worden. Auf ca. 1000 Seiten findet sich quasi eine amtliche Begründung zu den Sozialgesetzbüchern und zu weiteren verwandten Materien.
Das detaillierte Inhaltsverzeichnis und das Stichwortregister erleichtern die Informationssuche; typische Fallbeispiele zeigen, wie die Gesetze in der Praxis angewendet werden.
Berater im sozialen Bereich, Juristen, Beschäftigte in Verwaltung, Verbänden und dem Versicherungswesen finden im Buch Sachinformationen und Verständnishilfen. Wer tiefer in die Materie eintauchen möchte, kann sich über die Geschichte des Sozialrechts informieren oder darüber, was das deutsche Sozialrecht eigentlich kostet. Neben den zwölf Sozialgesetzbüchern interpretieren die Autoren alle weiteren Gesetze, Verordnungen und Regelungen rund um die soziale Absicherung in der Bundesrepublik Deutschland: Da geht es unter anderem um die Soziale Sicherung der freien Berufe, um den Familienleistungsausgleich und das Wohngeld, um Hilfen für Spätaussiedler, die Sozialgerichtsbarkeit oder die Kriegsopferversorgung.
Alle Texte des Buches befinden sich auch auf der beiliegenden CD-ROM. Rechtsstand ist der 01.01.2006. Wer bis zum Erscheinen der "Übersicht über das Sozialrecht - Ausgabe 2007" auf dem Laufenden bleiben will: Auf der Homepage des Bundesministeriums für Arbeit und Soziales wird das Buch laufend aktualisiert.
Der Preis von 28 Euro ist günstig.

Martin Schillings

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Die nächste Ausgabe unserer Zeitschrift erscheint im September 2006!

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