Sozialgericht Cottbus - S 3 R 19/19 ER - Beschluss vom 18.03.2019
In entsprechender Anwendung des § 86 b Abs. 1 SGG kann das Gericht auf Antrag durch Beschluss aussprechen, dass ein Widerspruch aufschiebende Wirkung hat, wenn zweifelhaft ist (oder von der Behörde zu Unrecht geleugnet wird), dass eine aufschiebende Wirkung eingetreten ist.
Gründe
Die Antragsgegnerin gewährte mit Rentenbescheid vom 13.12.2012 dem Antragsteller ab dem 01.02.2013 Rente für Bergleute wegen verminderter Berufsunfähigkeit im Bergbau, zuletzt in Höhe von EUR 1.026,45 netto (Änderungsbescheid vom 11.06.2018). Mit „Rentenbescheid“ vom 16.11.2018 stellte sie die Rente neu und in Höhe von (nur noch) EUR 692,52 fest. Diesen Bescheid nahm sie jedoch bereits mit Bescheid vom 17.12.2018 wieder zurück, weil er nur eine „interne, nicht für den Versand vorgesehene Berechnung“ dargestellt habe, der Erlass eines - den Rentenbescheid vom 13.12.2012 in der Fassung vom 11.06.2018 - auch nur teilweise zurücknehmenden Verwaltungsaktes nicht beabsichtigt gewesen sei. Gleichwohl zahlte die Antragsgegnerin im Dezember 2019 nur eine um EUR 333,92 geminderte Rente aus. Für Januar und Februar 2019 zahlte sie jeweils EUR 333,54 weniger aus. Dabei ging sie davon aus, dass der Antragsteller seit 2014 eine „falsche Rentenart“ (und damit eine zu hohe Rente) bezogen habe.
Mit Bescheid vom 04.01.2019 erklärte die Antragsgegnerin die „Rücknahme des Bescheides vom 25.12.2012“ ab dem 01.12.2014 und forderte die Rückzahlung einer „Gesamtüberzahlung“ von EUR 12.563,26. Daneben teilte sie mit, dass dem Antragsteller ab dem 01.12.2014 laufend eine „Rente wegen teilweiser Erwerbsminderung bei Ausübung knappschaftlich versicherten Beschäftigung in voller Höhe“ zustehe; die „daher unter Berücksichtigung des Hinzuverdienstes und in Abhängigkeit der Hinzuverdienstgrenzen zu zahlen“ sei.
Gegen diesen Bescheid hat der Antragsteller am 18.01.2019 Widerspruch eingelegt, weil die Voraussetzungen für eine Rücknahme des ursprünglichen Rentenbescheides von 2012 nicht vorlägen, er vor Erlass des Bescheides auch nicht ordnungsgemäß angehört worden sei.
Die Antragsgegnerin hat im Erörterungstermin vom 05.03.2019 erklärt, der jetzt maßgebende gebende vom 04.01.2019 habe den Ausgangsbescheid auch für die Zukunft aufgehoben; ab Januar 2019 stehe dem Antragsteller deshalb nur noch ein Zahlbetrag von EUR 692,91 zu.
Der Antragsteller beantragt,
1. Es wird festgestellt, dass dem Widerspruch vom 18. Januar 2019 gegen den Bescheid vom 04. Januar 2019 aufschiebende Wirkung zukommt.
2. Hilfsweise, die aufschiebende Wirkung des genannten Widerspruchs gegen den genannten Bescheid anzuordnen,
3. Ganz hilfsweise, festzustellen, dass die Antragsgegnerin seit Januar 2019 verpflichtet ist, dem Antragsteller insgesamt EUR 1026,45 im Monat auszuzahlen.
Die Antragsgegnerin beantragt,
den Antrag zurückzuweisen.
Sie meint, der Bescheid vom 04.01.2019 sei zwar nicht für sofort vollziehbar erklärt worden, gleichwohl entfalte der dagegen eingelegte Widerspruch des Antragstellers keine aufschiebende Wirkung. Sie sei allerdings für den Fall einer gerichtlichen Feststellung der aufschiebenden Wirkung bereit, zukünftig Zahlung in der ursprünglich festgesetzten Höhe zu leisten. Der Dezemberbetrag werde ohnehin alsbald vollständig zur Auszahlung gebracht.
Hinsichtlich der weiteren Einzelheiten des Sach- und Streitstandes im Übrigen wird auf die Gerichtsakte und die beigezogenen Verwaltungsvorgänge der Antragsgegnerin verwiesen.
II.
Der Antrag des Antragstellers ist zulässig; es besteht insbesondere ein Feststellungsinteresse/Rechtsschutzbedürfnis. Jedenfalls nachdem die Antragsgegnerin erklärt hat, sie werde auf die gerichtliche Feststellung der aufschiebenden Wirkung des Widerspruchs hin (wieder) die 2012 gewährte Rente in der zuletzt im Juni 2019 neu festgestellten Höhe auszahlen, war der Antragsteller auch nicht (mehr) gehalten, einen Antrag auf einstweilige Auszahlung der monatlichen Rentenbezüge in voller Höhe zu stellen (vgl. zur Abgrenzung etwa Hessisches Landessozialgericht, Beschluss vom 28.06.2018, L 4 SO 83/18 B ER, juris); der hilfsweise gestellte, ( auch nur) auf Feststellung einer Zahlungsverpflichtung gerichtete Antrag zu 3) war daher nicht zu bescheiden.
Der Antrag ist auch begründet. Die Antragsgegnerin hat dem Antragsteller mit dem bestandskräftig gewordenen Bescheid von 2012 in der Fassung vom Juni 2019 Rentenleistungen nach dem SGB VI in Höhe von EUR 1.026,45 monatlich gewährt, die -jedenfalls nach der Lesart der Antragsgegnerin - mit dem Bescheid vom 04.01.2019 zumindest zum Teil wieder entzogen wurden.
In entsprechender Anwendung des § 86 b Abs. 1 SGG kann das Gericht auf Antrag
durch Beschluss aussprechen, dass ein Widerspruch aufschiebende Wirkung hat,
wenn zweifelhaft ist (oder von der Behörde zu Unrecht geleugnet wird), dass eine
aufschiebende Wirkung eingetreten ist (Keller in: Meyer-Ladewig/Keller/Leitherer,
SGG, 8. Aufl., § 86 b Anm. 15).
Der gegen den Bescheid 04.01.2019 erhobene (Anfechtungs-)Widerspruch vom
18.01.2019 hat gemäß § 86a Abs. 1 Satz 1 SGG aufschiebende Wirkung. Diese
Wirkung ist auch nicht nach § 86 a Abs. 2 Nrn. 1 bis 5 SGG ausgeschlossen.
Insbesondere hat die Antragsgegnerin keine Entscheidung über eine
Versicherungspflicht getroffen, auch streiten die Beteiligten nicht über eine
Angelegenheit des sozialen Entschädigungsrechts (§ 86 a Nr. 1 und 2). Der Fall
des § 86 a Absatz Nr. 3 liegt schon deshalb nicht vor, weil über die
aufschiebende Wirkung eines Widerspruchs und nicht einer Klage zu entscheiden
war; Nr. 5 der Norm ist nicht einschlägig, weil die Antragsgegnerin nicht die
sofortige Vollziehung des Bescheides vom 04.01.2019 angeordnet hat.
Nachdem die Antragsgegnerin die aufschiebende Wirkung ausdrücklich und - wie gesagt - zu Unrecht bestreitet, war die tenorierte Feststellung ohne weiteres und insbesondere ohne weitere Güterabwägung zu treffen (vgl. etwa Landessozialgericht Berlin-Brandenburg, Beschluss vom 12.10.2006, L 23 B 18/06 AY ER.
Die Kostenentscheidung folgt aus § 193 SGG.