Sozialgericht Köln – Beschluss vom 17.08.2001 – Az.: S 3 RJ 301/99 |
Im sozialgerichtlichen Verfahren genügt ein ganz geringfügiges Nachlassen in irgendeinem Punkt. für die Bewertung einer Einigung als Vergleich oder Erledigung iS des § 116 Abs 3 BRAGebO. Strenge Anforderungen sind nicht zu stellen.
Der Rechtsstreit betraf in der Hauptsache einen Antrag der Klägerin auf Bewilligung von Erwerbs- bzw. Berufsunfähigkeitsrente vom 05.01.1999.
Mit Bescheid vom 22.04.1999 hatte die Beklagte den Rentenantrag abgelehnt und den Widerspruch mit Widerspruchsbescheid vom 16.11.1999 zurückgewiesen.
Im Rahmen der am 20.12.1999 erhobenen Klage veranlasste das Gericht eine orthopädische Begutachtung durch ... (Gutachten vom 22.03.2000) und ein psychiatrisches Zusatzgutachten von Frau ... (24.11.2000). Die Beklagte unterbreitete auf der Grundlage des Gutachtens von Frau ... ein Anerkenntnis, wobei sie der Klägerin die Erklärung abforderte, dass diese seit dem 05.01.1999 eine Erwerbstätigkeit in gewisser Regelmäßigkeit nicht mehr ausgeübt habe bzw. nicht mehr ausübe und nicht mehr als nur geringfügige Einkünfte aus Erwerbstätigkeit erzielt habe bzw. erziele. Das Anerkenntnis enthält ebenso Hinweise zur Gewährleistung des Ausschlusses von Doppelzahlungen und ist in Vergleichsform gefasst, wobei der Klägerin die Klagerücknahme abgefordert wird. Des Weiteren heißt es im gleichen Schriftsatz, dass die Klägerin "im Falle der Annahme des Vergleichs" weitere Mitteilungen machen möge. Mit Schriftsatz vom 13.02.2001 nahm der Klägerbevollmächtigte für die Klägerin das Erledigungsangebot der Beklagten an und gab die entsprechenden gewünschten Erklärungen und Erläuterungen ab.
Am 19.03.2001 stellte die Klägerin folgende Kostenrechnung:
Widerspruchsverfahren:
Sozialgerichtsverfahren § 116 BRAGO 450,00 DM
Sozialgerichtsverfahren § 116 Abs. 3 BRAGO 225,00 DM
Post-/Telekommunikationsentgelte § 26 BRAGO 40,00 DM
Zwischensumme netto 715,00 DM
16 % Mehrwertsteuer § 25 BRAGO 114,40 DM
SUMME 829,40 DM
Prozessverfahren:
Sozialgerichtsverfahren § 116 BRAGO 1.000,00 DM
Sozialgerichtsverfahren § 116 Abs. 3 BRAGO 500,00 DM
Post-/Telekommunikationsentgelte § 26 BRAGO 40,00 DM
Zwischensumme netto 1.540,00 DM
16 % Mehrwertsteuer § 25 BRAGO 246,40 DM
SUMME 1.786,40 DM
Die Beklagte widersprach dem, weil nach ihrer Auffassung lediglich die Mittelgebühr in Ansatz zu bringen sei. Mit Kostenfestsetzungsbeschluss vom 20.06.2001 setzte der Urkundsbeamte der Geschäftsstelle die der Klägerin von der Beklagten zu erstattenden Kosten auf 1.774,80 DM fest. Im einzelnen berechne sich der Festsetzungsbetrag wie folgt:
Widerspruchsverfahren:
-- Gebühr § 116 I 1 BRAGO analog -- 2/3 -- gem. BSG 450,00 DM
-- Auslagen – pauschal 40,00 DM
-- 16 % MWSt. von 490,00 DM 78,40 DM
-- Widerspruchsverfahren gesamt – Übertrag 568,40 DM
Klageverfahren:
-- Gebühr § 116 I 1 BRAGO 1.000,00 DM
-- Auslagen – pauscha 40,00 DM
-- 16 % MWSt. von 1.040,00 DM 166,40 DM
-- Klageverfahren gesamt 1.206,40 DM
-- Summe beider Verfahren: 1.774,80 DM
Im Verfahren wegen der Gewährung von Erwerbs- bzw. Berufsunfähigkeitsrente liege große Bedeutung. Die Schwierigkeit werde als durchschnittlich berücksichtigt, der Vertretungsumfang sei im etwa 6 Monate anhängigen Vorverfahren unterdurchschnittlich gewesen, während er im Klageverfahren knapp das mittlere Maß überstiegen habe. Nach alledem seien die angesetzten Gebühren nicht zu beanstanden und zu berücksichtigen. Allerdings fehle es an den Voraussetzungen für eine Gebührenerhöhung. Das Verfahren sei nach Beweislage auf der Grundlage der eingeholten Gutachten erledigt worden. Die Kostenrechtsprechung verneine in solchen Fällen die Möglichkeit der Gebührenerhöhung gemäß § 116 Abs. 3 BRAGO. Wenn eine solche Gebührenerhöhung überhaupt anfalle, dann auch nur in dem Rechtszug, in dem die Voraussetzungen vorlägen.
Am 29.06.2001 rief die Klägerin das Gericht insoweit an, als die Gebührenerhöhung für das gerichtliche Verfahren gemäß § 116 Abs. 3 BRAGO versagt wurde. Die Tatsache, dass Gutachten eingeholt worden seien, und aus ihnen die Verfahrenserledigung resultiere, könne die Versagung nicht stützen. Allenfalls rechtfertige gerade das ausführliche Studium der Gutachten eine Erhöhung der Gebühr.
Der Urkundsbeamte der Geschäftsstelle hat der Erinnerung nicht abgeholfen.
Die Erinnerung ist gemäß § 197 Abs. 2 SGG zulässig und teilweise begründet. Zu Recht hat der Urkundsbeamte der Geschäftsstelle die Gebühren für das Widerspruchsverfahren mit 450,00 DM und für das Klageverfahren mit 1.000,00 DM festgesetzt; auf die diesbezügliche Begründung wird verwiesen. Die Klägerin wendet sich auch nicht hiergegen. Ebenfalls zu Recht hat der Urkundsbeamte der Geschäftsstelle die Möglichkeit der Gebührenerhöhung gemäß § 116 Abs. 3 BRAGO für das Vorverfahren verneint. Es liegt auf der Hand, dass das Vorverfahren gerade nicht gütlich und einvernehmlich durch Vergleich oder sonstiger Erledigung sein Ende gefunden hat, so daß etwa die Anwendung der §§ 23 und 24 BRAGO anzudenken wäre. Denn das Vorverfahren ist streitig durch Widerspruchsbescheid vom 16.11.1999 entschieden worden und ins Klageverfahren übergegangen. Dementsprechend wendet sich die Klägerin auch mit ihrer Erinnerung nicht mehr hiergegen. Allerdings ist die Gebühr von 1.000,00 DM gemäß § 23 Abs. 1 BRAGO um 5/10 der vollen Gebühr (Vergleichsgebühr) anzuheben. Für die Beurteilung einer Einigung als "Vergleich" sind keine strengen Anforderungen zu stellen (vgl. von Eicken, Kommentar zur BRAGO § 23 Randziffer 7). Es kann dahinstehen, ob, wie dies von einigen Kommentatoren gefordert wird, allein das "prozessuale Nachgeben", also die Erklärung der Klagerücknahme, hierfür genügt (vgl. insoweit Jens Meier-Ladewig Kommentar zum SGG § 101 Randnr. 4). Denn es genügt ein ganz geringfügiges Nachlassen in irgendeinem Punkt (von Eicken, Kommentar zur BRAGO § 23 Randnr. 9). Abgesehen davon, dass die Beklagte ihren Vorschlag vom 19.01.2001 sowohl als Anerkenntnis als auch als Vergleich bezeichnet, in Punkt 4 bedingungsweise die Klagerücknahme einfügt und der Klägerin in Punkt 1 die Abgabe einer Erklärung abfordert, ergibt sich aus dem Nachsatz "Nach Vorlage der Erklärung zu Ziffer 1 wird die Beklagte einen entsprechenden Ausführungsbescheid erteilen", dass die Beklagte ihren Vorschlag als Vergleich unterbreitet und bei Fehlen der Erklärung zu Ziffer 1 sich an ihre Erklärung zunächst nicht gebunden fühlen werde. Die Annahme des Erledigungsangebotes am 13.02.2001 entspricht inhaltlich auch dieser Gestaltung. Entscheidend ist darüber hinaus, dass durch die vergleichsweise Einigung dem Gericht eine streitige Entscheidung durch Urteil erspart worden ist.
Zu erstatten sind der Klägerin daher die folgenden Kosten:
Widerspruchsverfahren: 568,40 DM
Klageverfahren:
Gebühr § 116 Abs. 1 BRAGO 1.000,00 DM
Gebühr § 116 Abs. 3 BRAGO 500,00 DM
Auslagenpauschale 40,00 DM
16 % MWSt 246,40 DM
Klageverfahren gesamt 1.786,40 DM
Beide Verfahren gesamt 2.354,80 DM
Der Beschluss ist unanfechtbar (§ 197 Abs. 2 SGG).