Sozialgericht Aachen - S 18 SB 1110/14 - Urteil vom 18.03.2016
Gemäß § 48 Abs. 2 SGB X ist ein Verwaltungsakt mit Wirkung für die Zukunft auch dann aufzuheben, wenn der zuständige oberste Gerichtshof des Bundes in ständiger Rechtsprechung nachträglich das Recht anders auslegt als die Behörde bei Erlass des Verwaltungsaktes mit Dauerwirkung und sich dieses zugunsten des Berechtigten auswirkt. Insoweit hat das BSG mit seinem Urteil zum Bayerischen Blindengeldgesetz aus dem August 2015 in ständiger Rechtsprechung i.S.d. § 48 Abs. 2 SGB X nachträglich das Recht, namentlich den Begriff der Blindheit in Art. 1 Abs. 2 S. 1 BayBlindG, anders ausgelegt. Dies ist auch für die Feststellung der gesundheitlichen Merkmale "Bl" nach § 69 Abs. 4 SGB IX zur Inanspruchnahme der entsprechenden Nachteilsausgleiche von Bedeutung, weil der dortige Blindheitsbegriff mit jenem in § 1 Abs. 1 GHBG NRW bzw. dem bundeseinheitlich geltenden Begriff der Blindheit in § 72 Abs. 5 SGB XII, auf den im Schwerbehindertenrecht durch § 3 Abs. 1 Nr. 3 SchwbAwV Bezug genommen wird, Übereinstimmung besteht.
Tatbestand:
Die Beteiligten streiten über die Feststellung des Vorliegens der Voraussetzungen des Nachteilsausgleiches "Bl" beim Kläger.
Bei dem am 00.00.0000 geborenen, zerebral schwerst geschädigten Kläger wurden mit Bescheid vom 21.08.1997 u. a. die gesundheitlichen Voraussetzungen für die Merkzeichen "B" und "H", mit Bescheid vom 15.06.2000 ein Grad der Behinderung (GdB) von 100 sowie die Voraussetzungen für die Nachteilsausgleiche "G" und "aG" festgestellt. Auslösend für seine Hirnschädigung ist eine neurodegenarative Erkrankung als Folge einer Mitochondriopathie. In allen Quellen wird die Geburt und die erste Entwicklungszeit als Säugling als unkompliziert beschrieben. Ab Ende des Jahres 1996 begannen immer auffällig werdende Entwicklungsstörungen bis hin zu schwerster mentaler und motorischer Retardierung. Die kognitive Wahrnehmungsfähigkeit des Klägers ist im Bereich aller Sinnesmodalitäten stark eingeschränkt. Dieser Zustand stellte sich bereits in den ersten beiden Lebensjahren ein. Eine beantragte Feststellung der gesundheitlichen Voraussetzungen für das Merkzeichen "Bl" durch dessen gesetzliche Vertreter wurde mit Bescheid vom 05.09.2013 bestandskräftig durch den Beklagten abgelehnt.
Am 23.11.2013 beantragte der Kläger durch seine gesetzlichen Vertreter erneut, bei ihm das Vorliegen der gesundheitlichen Voraussetzungen für den Nachteilsausgleich "Bl", ferner für das Merkzeichen "RF" festzustellen. Zur Begründung wurde eine Blindheit angeführt. Bisher sei die Sehschwäche wegen fehlender Befundberichte nicht anerkannt worden. Es werde um erneute Überprüfung anhand der vorgelegten augenfachärztlichen Bescheinigung des Herrn Dr. Heußen gebeten.
Der Beklagte holte eine Stellungnahme des ihn beratenden Augenarztes Prof. Dr. C sowie eine versorgungsärztliche Stellungnahme des Dr. N, ein bevor er den Antrag mit Bescheid vom 03.01.2014 aufgrund eines fehlenden morphologischen Korrelates für eine Sehstörung i. S. e. Blindheit ablehnte.
Hiergegen legte der vertretene Kläger am 09.01.2014 Widerspruch mit der Begründung ein, sein Augenarzt Dr. I sehe eine Blindheit als ausreichend dokumentiert.
Die Bezirksregierung Münster holte als Widerspruchsbehörde eine gutachterliche Stellungnahme des beratenden Augenarztes Dr. E ein. Dessen Einschätzung, dass eine weitere Sachverhaltsaufklärung in einer Universitätsklinik zum Ausschluss eines Sehnervschadens dringend erforderlich sei, wurde vom ärztlichen Dienst des Beklagten (Dr. N) nicht geteilt, jedoch könne eine Sehminderung mit einem Einzel-GdB von 60 bewertet und so der Nachteilsausgleich "RF" gewährt werden. Ein entsprechender "Abhilfebescheid" erfolgte unter dem 07.05.2014.
Nach einer weiteren Stellungnahme des Prof. Dr. C für den Beklagten, der ebenfalls eine weitere Sachverhaltsaufklärung als entbehrlich betrachtete, wies die Bezirksregierung Münster den Widerspruch des Klägers mit Bescheid vom 20.11.2014 als unbegründet zurück. Eine weitere Abhilfe sei nach erfolgter Überprüfung nicht gerechtfertigt.
Hiergegen hat der Kläger anwaltlich vertreten am 28.11.2014 Klage erhoben und zunächst die Feststellung der gesundheitlichen Voraussetzungen für das Merkzeichen "Bl" seit Änderungsantragstellung begehrt. In der mündlichen Verhandlung hat der Kläger sein Begehren zeitlich beschränkt. Er ist er der Auffassung, nach dem Urteil des Bundessozialgerichts (BSG) vom 11.08.2015 (Az.: B 9 BL 1/14 R) stehe ihm die begehrte Feststellung der Voraussetzungen für das Merkzeichen "Bl" zu.
Der Kläger beantragt durch seine Unterbevollmächtigte,
den Beklagten unter Änderung des Bescheides vom 03.01.2014 in der Fassung des Abhilfebescheides vom 07.05.2014 in Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 20.11.2014 zu verpflichten, bei dem Kläger das Vorliegen der gesundheitlichen Voraussetzungen für das Merkzeichen "Bl" seit der Entscheidung des Bundessozialgerichts vom 11.08.2015 zum Az.: B 9 BL 1/14 R, dem 11.08.2015, festzustellen.
Der Vertreter des Beklagten beantragt,
die Klage abzuweisen.
Die Bezirksregierung Münster habe das Urteil des BSG vom 11.08.2015 noch nicht unter entsprechender Weisungsänderung für den Beklagten ausgewertet. Die Bezugnahme auf das Urteil führe aber auch nicht weiter, da dort um die Gewährung von Blindengeld gestritten worden sei. Das BSG unterscheide zwischen dem Erkennen und Benennen. Im Unterschied zu dem Kläger im durch das BSG zu entscheidenden Fall, der bereits bei Geburt schwerst zerebral geschädigt worden sei, habe der Kläger in seiner ersten Lebensphase die Fähigkeit zur Verarbeitung des Gesehenen erlernen können. Eine faktische Blindheit sei letztlich nicht nachweisbar.
Der Bevollmächtigte des Klägers hat Ergebnisse einer Blitz VEP Untersuchung in der Universitätsklinik Essen sowie das dazu gehörige Gutachten des Prof. Dr. W für das Landgericht Aachen vom 07.10.2005 zur Verfahrensakte gereicht.
Das Gericht hat Befundberichte des Augenarztes Dr. I, der Fachärztin für Humangenetik Dr. M und der Ärztin für Neurologie A eingeholt. Weiter hat das Gericht die Parallelverfahrensakte zum Aktenzeichen S 3 VJ 16/13 beigezogen und die dort enthaltenen Gutachten des Humanmediziners Dr. I vom 31.01.2013, des Arztes für Innere Medizin, Mikrobiologie und Epidemiologie Prof. Dr. E vom 01.07.2013 sowie des Arztes für Innere Medizin und öffentliches Gesundheitswesen, Sozialmedizin Prof. Dr. T vom 17.03.2015 zur Gerichtsakte genommen.
Weiter das das Gericht gem. §§ 103, 106 SGG Beweis erhoben durch Einholung eines augenfachärztlichen Sachverständigengutachtens des Prof. Dr. X aus der Universitätsklinik der Rheinisch-Westfälisch Technischen Hochschule Aachen, das dieser unter dem 28.09.2015 erstattet hat.
Wegen der weiteren Einzelheiten des Sach- und Streitverhältnisses wird auf die Gerichtsakte samt Beiakten und die Verwaltungsakten des Beklagten verwiesen.
Entscheidungsgründe:
Die zulässige Verpflichtungsklage (§ 54 Abs. 1 S. 1 SGG) ist, in der zeitlichen Beschränkung auf eine Feststellung der gesundheitlichen Voraussetzungen für das Merkzeichen "Blindheit (Bl)" seit der Entscheidung des Bundessozialgerichts vom 11.08.2015 zum Az.: B 9 BL 1/14 R, dem 11.08.2015, auch begründet.
Der Kläger hat gegen den Beklagten ab diesem Zeitpunkt einen Anspruch auf Feststellung der gesundheitlichen Voraussetzungen des Nachteilsausgleichs unter Änderung des Ablehnungsbescheides vom 03.01.2014 in der Fassung des "Abhilfebescheides" vom 07.05.2014 in Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 20.11.2014.
I. Gemäß § 69 Abs. 4 des Neunten Buches des Sozialgesetzbuches - Rehabilitation und Teilhabe behinderter Menschen - (SGB IX) stellen die zuständigen Behörden neben einer Behinderung auch gesundheitliche Merkmale fest, die Voraussetzung für die Inanspruchnahme von Nachteilsausgleichen für schwerbehinderte Menschen sind.
Blind ist ein behinderter Mensch, dem das Augenlicht vollständig fehlt, vgl. Teil A Ziffer 6 lit. a) der Versorgungsmedizinischen Grundsätze (VMG), die in der Anlage zu § 2 der Versorgungsmedizin-Verordnung (VersMedV) niedergelegt und gem. § 159 Abs. 7 i.V.m. § 70 Abs. 2 SGB IX in der Fassung vom 07.01.2015 (Bundesgesetzblatt Jahrgang 2015 Teil II Nr. 1, S. 15-18, Art. 1a; zu den Motiven vgl. BT-Drucksache 18/2953, S. 5) entsprechend anwendbar sind. Als blind ist darüber hinaus ein Mensch anzusehen, dessen Sehschärfe auf keinem Auge und auch nicht beidäugig mehr als 0,02 (1/50) beträgt oder wenn andere Störungen des Sehvermögens von einem solchen Schweregrad vorliegen, dass sie dieser Beeinträchtigung der Sehschärfe gleichzustellen sind. Diese in den Versorgungsmedizinischen Grundsätzen vorgenommene Bestimmung des Merkmals "blind" entspricht im Wesentlichen den Regelungen des § 1 Abs. 1 des nordrhein-westfälischen Gesetzes über die Hilfen für Blinde und Gehörlose (GHBG NRW) vom 25.11.1997 (GV. NW. 1997 S. 430) in der derzeit geltenden Fassung (vom 05.04.2005, GVBl, S. 332) sowie der des § 72 Abs. 5 des Zwölften Buches des Sozialgesetzbuches - Sozialhilfe - (SGB XII), auf den § 3 Abs. 1 Nr. 3 der Schwerbehindertenausweisverordnung (SchwbAwV) vom 25.7.1991 (BGBl. I, S. 1739) in der derzeit geltenden Fassung Bezug nimmt. Liegen die Voraussetzungen des § 72 Abs. 5 SGB XII vor ist nach Feststellung dieser Merkmale das Merkzeichen "Bl" einzutragen.
II. Soweit die Feststellung der Voraussetzungen eines Merkzeichens bereits - wie hier mit Bescheid vom 05.09.2013 - bestandkräftig abgelehnt worden sind, kann eine Feststellung nur unter den zusätzlichen Voraussetzungen des § 44 Abs. 1 Sozialgesetzbuch Zehntes Buch - Sozialverwaltungsverfahren und Sozialdatenschutz - (SGB X) oder aufgrund einer wesentlichen Änderung i.S.d. § 48 SGB X getroffen und verlangt werden. Ein auf die zweite Alternative zielender Änderungsantrag vom 23.11.2013 war vorliegend Anlass für die zu ändernde Ablehnungsentscheidung des Beklagten. Die Rechtmäßigkeit des bestandskräftigen Ablehnungsbescheides vom 05.09.2013 (vgl. § 44 Abs. 1 SGB X) ist hingegen nicht Streitgegenstand.
Eine wesentliche Änderung der tatsächlichen, gesundheitlichen Verhältnisse des Klägers im Sinne des § 48 Abs. 1 S. 1 Alt. 1 SGB X hat sich zwar nicht feststellen lassen (1.), die für eine Änderung des Ablehnungsbescheides vom 03.01.2014 in Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 20.11.2014 notwendige wesentliche Änderung ist indes am 11.08.2015 in den rechtlichen Verhältnissen i.S.d. § 48 Abs. 2 SGB X eingetreten (2.).
1. Gemäß § 48 Abs. 1 Satz 1 SGB X ist ein Verwaltungsakt mit Dauerwirkung mit Wirkung für die Zukunft aufzuheben, soweit in den tatsächlichen oder rechtlichen Verhältnissen, die bei seinem Erlass vorgelegen haben, eine wesentliche Änderung eintritt. Eine wesentliche Änderung in diesem Sinne ist unter anderem gegeben, wenn nach einer Veränderung des Gesundheitszustandes die Voraussetzungen von Nachteilsausgleichen für behinderte Menschen erfüllt werden (vgl. Teil A Nr. 7 lit. a) VMG), deren Feststellung bislang abgelehnt worden ist. Eine wesentliche Änderung in diesem Sinne ließ sich seit der letzten bestandkräftigen Ablehnung der Feststellung der Voraussetzungen des Merkzeichens "Bl" mit Bescheid vom 05.09.2013 zwar letztlich unstreitig nicht feststellen. Die abweichende Beantwortung der Beweisfrage IV. (Beweisanordnung vom 23.06.2015) durch den Sachverständigen Prof. Dr. A hat aufgrund eines Zirkelschlusses nicht überzeugt. Sofern er zur Begründung lediglich auf den Ablehnungsbescheid des Beklagten vom 05.09.2013 verwiesen hat, wird gerade die Möglichkeit einer Rechtswidrigkeit dieses Bescheides übersehen. Bereits die Antragsbegründung vom 25.11.2013, die Sehschwäche sei bislang aufgrund fehlender Befundberichte nicht anerkannt worden, hat bereits keine wesentliche Änderung der tatsächlichen Verhältnisse substantiiert. Bei einer nunmehr behobenen Beweisnot hätte ein Überprüfungsantrag nach § 44 SGB X nahe gelegen. In seinem für das Gericht erstellten Befundbericht vom 09-10.02.2015 teilte der behandelnde Augenarzt Dr. Heußen mit, im Zeitraum von April 2001 bis November 2014 sei keine Änderung der Sehschärfe feststellbar, bei kooperationsbedingt nicht sicherer Erhebbarkeit der Sehschärfe des geistig schwer geschädigten Klägers. Die dem Beklagten bei Antragstellung vorgelegte augenfachärztliche Bescheinigung des Dr. I vom 15.11.2013 gab keine Auskunft über eine Änderung des Sehvermögens seit dem September, sondern lediglich die Diagnose einer bds. zerebralen Sehstörung, infolge derer Licht und Handbewegungen nicht gefolgt werde. Entsprechendes hatte indes der Befund Dr. I vom 05.04.2011, also vor bestandskräftiger Ablehnung vom 05.09.2013, ausgewiesen. Insoweit zeigte sich der Befund in der Untersuchung des Sachverständigen Prof. Dr. A im Wesentlichen unverändert, wenngleich sich ein gelegentliches visuelles Interesse mit kurzem, langsamem Verfolgen von Licht feststellen ließ. Ein vergleichbarer Befund wiederum wurde bereits im Jahr 2005 im Gutachten des Prof. Dr. W (Universitäts- Kinderklinik Essen) für das Landgericht Aachen beschrieben. Wie in der Untersuchung durch Prof. Dr. A erfolgte etwa keine Fixation auf Gesichtsreiz, im Dunkeln fixierte der Kläger eine Lichtquelle nur sehr kurz. Im Vergleich zu den Feststellungen Prof. Dr. A beschrieb Prof. Dr. W gar eine verlangsamte Pupillenreaktion. Die übrigen vorliegenden ärztlichen Unterlagen sind in Bezug auf Aussagen zur Sehfähigkeit ohne relevante Aussagekraft, da sie mit anderer Zweckrichtung, überwiegend dem Nachweis bzw. Ausschluss eines Impfschadens erstellt wurden und die Sehfähigkeit nicht näher untersuchen.
2. Eine Änderung der dargelegten (vgl. I.) rechtlichen Grundlagen für den Nachteilsausgleich "Bl" seit der bestandskräftigen Ablehnungsentscheidung vom 05.09.2013 i.S.d. § 48 Abs. 1 S. 1 Alt. 2 SGB X ist zwar auch nicht eingetreten. Gemäß § 48 Abs. 2 SGB X ist ein Verwaltungsakt aber mit Wirkung für die Zukunft auch dann aufzuheben, wenn der zuständige oberste Gerichtshof des Bundes in ständiger Rechtsprechung nachträglich das Recht anders auslegt als die Behörde bei Erlass des Verwaltungsaktes mit Dauerwirkung (hier: Ablehnungsbescheid vom 05.09.2013) und sich dieses zugunsten des Berechtigten auswirkt; § 44 SGB X bleibt davon unberührt (vgl. dazu: BSG, Urteil vom 25. Oktober 1984 - 11 RAz 3/83 -, SozR 1300 § 44 Nr. 13, BSGE 57, 209-211, Rn. 11; Steinwedel, in: KassKomm SGB X, Sep. 2015 § 48 Rn. 58; Heße, in: BeckOK SozR SGB X 9/2015 § 48 Rn. 36). Erfasst werden neben der Rechtsfortbildung Fälle, in denen das Recht bislang nicht richtig erkannt worden ist (Schütze, in von Wulffen/ Schütze, SGB X, 8. Aufl. 2014, § 48, Rn. 14). Diese Voraussetzungen sind mit der Entscheidung des Bundessozialgerichts vom 11.08.2015 im Verfahren B 9 BL 1/14 R eingetreten.
a) Das BSG ist ein oberster Gerichtshof des Bundes (vgl. Art. 95 Abs. 1 Grundgesetz; BSG, Urteil vom 23. März 1995 - 11 RAr 71/94 -, SozR 3-4100 § 152 Nr. 5, SozR 3-1300 § 44 Nr. 14, Rn. 19; Schütze, a.a.O.; Merten, in: Hauck/ Noftz, SGB X, Band 1, Januar 2014, § 48, Rn. 86).
b) Es hat mit seinem Urteil zum Bayerischen Blindengeldgesetz (BayBlindG) aus dem August 2015 in ständiger Rechtsprechung i.S.d. § 48 Abs. 2 SGB X nachträglich das Recht, namentlich den Begriff der Blindheit in Art. 1 Abs. 2 S. 1 BayBlindG, anders ausgelegt. Dies ist auch für die Feststellung der gesundheitlichen Merkmale "Bl" nach § 69 Abs. 4 SGB IX zur Inanspruchnahme der entsprechenden Nachteilsausgleiche von Bedeutung, weil der dortige Blindheitsbegriff mit jenem in § 1 Abs. 1 GHBG NRW bzw. dem bundeseinheitlich geltenden Begriff der Blindheit in § 72 Abs. 5 SGB XII, auf den im Schwerbehindertenrecht durch § 3 Abs. 1 Nr. 3 SchwbAwV Bezug genommen wird, Übereinstimmung besteht (BSG, Urteil vom 11.08.2015 - B 9 BL 1/14 R -, juris, Rn. 12; BSG Urteil vom 26.10.2004, SozR 4-5921 Art 1 Nr. 1 Rn. 5; Urteil vom 20.7.2005 - B 9a BL 1/05 R, BSGE 95, 76 = SozR 4-5921 Art 1 Nr. 2, Rn. 6 m.w.N.; vgl. auch: Blüggel in: Schlegel/Voelzke, jurisPK-SGB XII, 2. Aufl. 2014, § 72 SGB XII, Rn. 21.1). Soweit der Beklagte der Auffassung ist, die o. a. höchstrichterliche Entscheidung könne schon deshalb keine Bedeutung für den hier zu entscheidenden Fall haben, weil um die Gewährung von Blindengeld und nicht um die Feststellung der gesundheitlichen Voraussetzungen des Nachteilsausgleiches "Bl" gestritten worden sei, vermag die Kammer dies daher nicht nachzuvollziehen. Vielmehr wirkt sich das geänderte Rechtsverständnis auch zugunsten des Klägers aus.
aa) Der allein für die Auslegung des Begriffs der "Blindheit" im Schwerbehindertenrecht zuständige 9. Senat des BSG hatte bis zu seiner Entscheidung aus dem vergangenen August in Anlehnung an Empfehlungen der Sektion Versorgungsmedizin des Ärztlichen Sachverständigenbeirates beim früheren Bundesministerium für Arbeit und Sozialordnung (BMA, Rundschreiben vom 16.2.1990) zwischen Störungen beim "Erkennen" (Schädigung des Sehapparates) und beim "Benennen" (Schädigung in der Verarbeitung wahrgenommener optischer Reize) unterschieden (BSG, Urteil vom 11. August 2015 - B 9 BL 1/14 R, Rn. 18). Der Sachverständigenbeirat beim BMA war zu dem Ergebnis gekommen, dass bei einer zerebralen Schädigung i. S. e."Seelenblindheit" oder "visuellen Agnosie" keine Blindheit vorliege; nicht das Sehvermögen mit dem Sehorgan im engeren Sinne sei beeinträchtigt, sondern die Fähigkeit, das Gesehene geistig zu verarbeiten (vgl. dazu Stefan Jungeblut, Nicht sehen können - doch nicht blind? in: Sozialrecht im Umbruch, 2010, S 69, 70). Die Abgrenzung zwischen Erkennen-Können und Benennen-Können basierte darauf, dass die visuelle Wahrnehmung ein mehrstufiger Prozess sei, an dessen Beginn die Umwandlung physikalischer Energie in neural kodierte Information stehte, in dessen Verlauf eine innere Repräsentation des Objekts aufgebaut und ein Perzept des äußeren Reizes gebildet und an dessen Ende diesem Perzept durch Identifizieren und Einordnen eine Bedeutung zugewiesen werde (vgl. Zimbardo/Gerrig, Psychologie, 7. Aufl 1999, S 105 ff, 148 f; Mausfeld, Lexikon der Psychologie, Bd 4, 2001, S 439 ff "Wahrnehmung"; vgl Möllhoff, Zur gutachtlichen Beurteilung von "Seelenblindheit", MEDSACH 1990, 127 f, 128).
Zwar hielt das BSG auf dieser Grundlage bereits eine faktische Blindheit, nicht nur die Beeinträchtigung der Sehschärfe und die Einschränkung des Gesichtsfeldes, sondern vielmehr alle Störungen des Sehvermögens für relevant, soweit sie in ihrem Schweregrad einer Beeinträchtigung der Sehschärfe auf 1/50 oder weniger gleich zu achten seien (vgl. BSG, SozR 3-5920 § 1 Nr. 1; SozR 4-5921 Art 1 Nr. 1; dazu auch LSG Sachsen-Anhalt, Urteil vom 20.08.1998 - L 5 BL 1/97 - JMBl LSA 1999, 47 und Bayerisches LSG, Urteil vom 27.07.2004 - L 15 BL 1/02 -). Ohne Relevanz war also auch vor der Entscheidung vom 11.08.2015, auf welchen Ursachen die Störung des Sehvermögens beruhte und ob das Sehorgan (Auge, Sehbahn) selbst geschädigt war. Auch zerebrale Schäden, die zu einer Beeinträchtigung des Sehvermögens führen, waren in ständiger Rechtsprechung als beachtlich anerkannt, und zwar für sich allein oder im Zusammenwirken mit Beeinträchtigungen des Sehorgans. Allerdings sollte in Abgrenzung vor allem zu Störungen aus dem Bereich der seelisch-geistigen Behinderung zu differenzieren sein, ob das Sehvermögen, d. h. das Sehen- bzw. Erkennen-Können beeinträchtigt sei, oder ob - bei vorhandener Sehfunktion - (nur) eine zentrale Verarbeitungsstörung vorliege, bei der das Gesehene nicht richtig identifiziert bzw. mit früheren visuellen Erinnerungen verglichen werden könne, die also nicht (schon) das Erkennen, sondern (erst) das Benennen beträfen. Ausfälle allein des Benennen-Könnens erfüllten mithin die Voraussetzungen faktischer Blindheit nicht. Bei Vorliegen umfangreicher zerebraler Schäden war zum Nachweis einer Störung im Bereich des Erkennens daher über den Befund allenfalls basaler visueller Fähigkeiten hinaus eine Differenzierung erforderlich: Es musste sich im Vergleich zu anderen - möglicherweise ebenfalls eingeschränkten - Gehirnfunktionen eine spezifische Störung des Sehvermögens feststellen lassen. Zum Nachweis einer zu faktischer Blindheit führenden schweren Störung des Sehvermögens war insofern ausreichend aber auch erforderlich, dass die visuelle Wahrnehmung deutlich stärker betroffen ist, als die Wahrnehmung in anderen Modalitäten. (zum Ganzen: BSG, Urteil vom 20. Juli 2005 - B 9a BL 1/05 R -, SozR 4-5921 Art 1 Nr. 2, BSGE 95, 76-80, SozR 4-3500 § 72 Nr. 1, SozR 4-3875 § 3 Nr. 1, Rn. 17; BSG, Urteil vom 26. Oktober 2004 - B 7 SF 2/03 R -, SozR 4-5921 Art 1 Nr. 1, Rn. 17; BSG, Urteil vom 31. Januar 1995 - 1 RS 1/93 -, SozR 3-5920 § 1 Nr. 1, SozR 3-5910 § 76 Nr. 2, Rn. 34).
Diese Rechtsprechung als Maßstab genommen hat der Beklagte mit Bescheid vom 03.01.2014 in Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 20.11.2014 zutreffend keinen Anspruch des Klägers auf die Feststellung der gesundheitlichen Voraussetzungen für das Merkzeichen "Bl" erkannt (; wobei die Verpflichtung zur Feststellung der gesundheitlichen Voraussetzungen seit Antragstellung an den (zunächst) fehlenden Voraussetzungen des § 48 SGB X gescheitert ist).
Zwar hatte und hat der Kläger nur basale visuelle Fähigkeiten, die unterhalb der Blindheitsschwelle liegen. Dies steht zur Überzeugung der Kammer insbesondere aufgrund des eingeholten Sachverständigengutachtens des Prof. Dr. A vom 28.09.2015 fest. Auch wenn die Ursache der Beeinträchtigung des Sehvermögens bei dem Kläger aufgrund der aus seiner schweren zerebralen Schädigung resultierenden weitestgehenden Untersuchungsunfähigkeit bei unauffälligem Organbefund letztlich nicht genau bestimmt werden kann, so hat der Sachverständige ausdrücklich, eindeutig und nachvollziehbar ein unter der Blindheitschwelle liegendes Sehvermögen festgestellt. Dabei zieht er den Schluss, dass von einer zerebral bedingten Visusminderung auszugehen sei. So betrug der Visus im Lea-Gratings Test: 0.008 bds., im Cardiff Test zeigte sich überhaupt kein visuelles Interesse. Diese Tests sind weitestgehend von einer Mitwirkung des Probanden unabhängig. (s.: Adoh/ Woodhouse et. al.: The Cardiff Test: A New Visual Acuity Test for Toddlers and Children with Intellectual Impairment. A Preliminary Report in: Optometry and Vision Science, Vol. 69 No. 6 (1992), pp. 427-432 Folgeveröffentlichung von Adoh/ Woodhouse, The Cardiff Acuity Test Used for Measuring Visual Acuity Development in Toddlers, in: Vision Research Vol. 34, No. 4 (1994), pp. 555-560; ferner: Rosenfield/ Logan, Science, Techniques and Clinical Management, 2. Aufl. 2004, S. 447; Dietze, Die optometrische Untersuchung, 2. Aufl. 2008, S. 41). (Nur) im abgedunkelten Raum auf Licht in der Nähe waren fragliche kurze langsame Folgebewegungen nach oben und unten, nicht zur Seite, bei schnellem Interessenverlust zu beobachten. Der Kläger nahm weder Blickkontakt auf, noch war er imstande Handbewegungen zu Folgen. Es zeigten sich keine Sakkaden und kein optischer Nystagmus. Die Eltern des Klägers gaben an, dass ihr Sohn seit Jahren nicht auf Objekte oder Farben reagiere, eventuell sehe er Schatten. Dies steht in Einklang insbesondere mit den Befunden des behandelnden Augenarztes Dr. I. Auch im Gutachten des Prof. Dr. W (Universitäts- Kinderklinik Essen) für das Landgericht Aachen aus dem Oktober 2005 wurde bereits eine fehlende Fixation auf Gesichtsreiz festgestellt, im Dunkeln wurde eine Lichtquelle nur sehr kurz fixiert und hier etwas nach lateral verfolgt, nicht nach oben oder nach unten. Prof. Dr. W äußerte den Verdacht einer partiellen externen Opthalmologie und beobachtete eine beidseits ausgesprochen langsame Pupillenreaktion mit zuerst einer Miosis und einer nachfolgenden Mydriasis unter vollem Lichteinfall. Daraus schloss der Kinderarzt mit Schwerpunkt Neuropädiatrie auf eine schwere kombinierte afferente und efferente Funktionsstörung im Sinne einer Schädigung des Nervus opticus und ggfs. übergeordneter Zentren. Bei Stimmulation mit Blitzreizen des rechten und des linken Auges (Blitz-VEP) kamen links zeitgerechte und gut reproduzierte Antwortpotentiale, rechtsseitig keine. Ein entsprechender Befund findet aus dem August 1998 Erwähnung.
Bereits daraus ließ sich im Einklang mit den Stellungnahmen des ärztlichen Beraters des Beklagten, Prof. Dr. C, und dem ärztlichen Dienst (Dr. N) allerdings keine Blindheit i. S. der nunmehr überholten höchstrichterlichen Judikatur objektivieren. Denn ein (vollständiger) Ausfall der Sehbahn im Sinne einer Blindheit kann bei normalem Blitz-VEP auf einem Auge nicht angenommen werden, da der beidseitige Visus maßgeblich ist. Auch eine Schädigung des Sehnerves konnte nicht sicher nachgewiesen werden, zumal in der Untersuchung Prof. Dr. A die Pupillenreaktion auf Licht promt erfolgte und kein relatives afferentes Pupillendefizit festgestellt worden ist. Sowohl der Sachverständige als auch der behandelnde Augenarzt haben zudem kein morphologisches Korrelat für die beobachtete Sehminderung feststellen können. Der Organbefund beider Augen wird als unauffällig bezeichnet. Nachvollziehbar wird deshalb von einer zerebral bedingten Visusminderung ausgegangen, ohne dass eine präzisere Lokalisierung, ein hinreichend gesicherter Nachweis von Zerstörungen der für das Sehen verantwortlichen Hirnareale, gelänge. Letztlich lässt sich eine spezifische Störung des Sehvermögens durch die Neurodegenarative Erkrankung als Folge einer Mitochondriopathie mit ihren umfangreichen zerebralen Schäden i. S. e. deutlich stärkeren Betroffenheit der visuellen Wahrnehmung im Vergleich zu anderen Modalitäten/ sonstigen Sinneswahrnehmungen (Hören Tasten ect.) nicht herausstellen, auch wenn Prof. Dr. W. die aufgrund der Blitz-VEP Untersuchung angenommene Blindheit (nur) des rechten Auges außerhalb der Erklärbarkeit durch die Mitochendropathie gesehen hat, zumal etwa zugleich der Verdacht auf eine schwere zentrale Schwerhörigkeit mit einer Leistungsverzögerung der Hörbahn geäußert worden ist. Bei den bestehenden schweren körperlichen und geistigen Behinderungen des Klägers mit einhergehender Atemschwäche, epileptischen Anfällen und einer Unfähigkeit zu stehen, zu gehen, zu sitzen oder irgendwelche Handlungen zu führen (vgl. etwa den Befundbericht der Frau Dr. M-1 vom 17.02.2015) ist auf der Grundlage der dargelegten Rechtsprechung des BSG vor August 2015 das Vorliegen der gesundheitlichen Voraussetzungen für das Merkzeichen "Bl" nicht festzustellen gewesen.
Hier hat sich bei dem zerebral schwerst geschädigten Kläger gerade ausgewirkt, was das BSG u. a. zu einer Änderung seiner Rechtsprechung veranlasst hat: Die Diagnostik spezifischer Sehstörungen insbesondere bei zerebral geschädigten Kindern ist soweit beschränkt, dass die mit dem Beweisrecht verbundene typisierende Annahme, dass die relevanten Tatsachen im Ansatz hinreichend verlässlich feststellbar sind, in Bezug auf die vorhandene medizinische Diagnostik zur Feststellung einer spezifischen Sehstörung nicht gerechtfertigt ist (BSG, Urteil vom 11.08.2015 - B 9 BL 1/14 R -, BSGE (vorgesehen), SozR 4-5921 Art 1 Nr. 3, Rn. 25).
Soweit allerdings von einer optischen Reizaufnahme, einem Erkennen, auszugehen ist, fehlt es - anhand der dargelegten sachverständigen Feststellungen nachvollziehbar - an der Möglichkeit der weiteren Verarbeitung im Bewusstsein des Klägers, der sich in einem final messbaren Visus von deutlich unter 1/50 binokular und entsprechender Klinik auswirkt.
bb) Daher ist unter Zugrundelegung der neuen Rechtsprechung des BSG vom 11.08.2015 (B 9 BL 1/14 R), der sich die Kammer anschließt, (nachträglich) von einer Blindheit des Klägers i.S.d. § 72 Abs. 5 SGB XII auszugehen, mit der Folge, dass ein Anspruch auf die Feststellung der gesundheitlichen Voraussetzungen des Merkzeichens "Bl" nach § 48 Abs. 2 SGB X ab diesem Zeitpunkt der maßgeblichen wesentlichen Änderung besteht.
Mit dieser Entscheidung vollzieht das Bundessozialgericht insofern eine kopernikanische Wende, als es erstens die Differenzierung zwischen dem Erkennen und dem Benennen im Bereich des auch hier maßgeblichen Begriffes der "Blindheit" und zweitens in der Konsequenz die Notwendigkeit einer spezifischen Störung des Sehvermögens im Vergleich zu den sonstigen Sinneswahrnehmungen bei zerebral schwerst geschädigten Menschen mit Behinderung aufgibt. Neben dem Gesichtspunkt, dass die anspruchsbegründenden Tatsachen sich insbesondere bei zerebral schwerst geschädigten kaum nachweisen lassen, begründet das BSG seine Rechtsprechungsänderung mit Gleichheitserwägungen. Der allgemeine Gleichheitssatz lasse es nicht zu, bei schwer zerebral geschädigten Menschen zu verlangen, dass die zur Blindheit führende Beeinträchtigung ihres Sehvermögens noch deutlich stärker ausgeprägt ist als die Beeinträchtigung ihrer sonstigen Sinneswahrnehmungen. Hieran halte der Senat im Hinblick auf das Gebot der Gleichbehandlung behinderter Menschen vor dem Gesetz nicht mehr fest (Art 3 Abs. 1 und 3 S 2 GG; Art 5 UN-Behindertenrechtskonvention, zur unmittelbaren Anwendbarkeit BSGE 110, 194 = SozR 4-1100 Art 3 Nr. 69, Rn.29 ff). Abgesehen davon, dass sich bei schwersten zerebralen Schäden die mit dem Merkmal einer spezifischen Sehstörung angestrebte Begrenzung des anspruchsberechtigten Personenkreises für Nachteilsausgleich einer Blindheit angesichts des erhöhten Risikos von Zufallsergebnissen nach derzeitigen Erkenntnissen nicht hinreichend rechtssicher erreichen lasse (zum vorgelagerten Aspekt einer genauen Abgrenzung des begünstigten Personenkreises bereits BVerfGE 37, 154, 155, 164 f), bestehe auch sonst keine Möglichkeit die genannte Differenzierung zu rechtfertigen. Zwar komme in der früheren Rechtsprechung des BSG das Anliegen zum Ausdruck, dass Störungen aus dem seelisch/geistigen Bereich nicht zu einem Nachteilsausgleich führen sollen, weil Behinderungen solcher Art ggf. durch anderweitige, auch einkommens- und vermögensunabhängige Sozialleistungen ausgeglichen werden, wenn deren Voraussetzungen vorliegen (etwa Leistungen der Pflegeversicherung oder der Eingliederungshilfe, §§ 61 ff. SGB XII) Dies könne die Ungleichbehandlung schwer zerebral geschädigter Behinderter jedoch nicht begründen. (BSG, Urteil vom 11.08. 2015 - B 9 BL 1/14 R , juris, Rn. 26 ff.).
Diese Rechtsprechungsänderung hat der Beklagte nicht erfasst. Dies ist seinen Ausführungen (vgl. Schriftsatz vom 12.01.2016) zu entnehmen, das BSG unterscheide in seinem Urteil vom 11.08.2015 zwischen dem "Erkennen" und dem ""Benennen". Diese Unterscheidung wird gerade nachdrücklich aufgegeben. Auch soweit der Beklagte weiterhin der Auffassung ist, eine Blindheit des Klägers lasse sich nicht belegen, weil etwa auf einem Auge eine funktionierende Sehbahn nachgewiesen worden sei (Blitz VEP Untersuchung durch Prof. Dr. W) und dieses gegen eine Blindheit sprechende Untersuchungsergebnis nicht durch andere Untersuchungsverfahren widerlegt werde, verkennt der Beklagte (vgl. gutachterliche Stellungnahme vom 07.01.2016) die Reichweite der Rechtsprechungsänderung. Denn weder bedarf es eines morphologischen Korrelats für die "faktische" Blindheit i.S.d. neuen Rechtsprechung, noch bedarf es des Nachweises einer spezifischen Beeinträchtigung des Sehvermögens bei schwerster zerebraler Schädigung. Der Begriff der Blindheit i.S.d. geänderten Rechtsverständnisses erfasst über die Beeinträchtigung des Sehvermögens durch einen Defekt der Augen, eine Sehnervschädigung und Störungen der Hirnrinde ("Erkennen") hinaus auch jene Fälle, bei denen der Betroffene möglicherweise ein intaktes Sehvermögen hat, die Sehnervsignale jedoch im Gehirn nicht einordnen kann (sogenanntes "nicht benennen können"), also faktisch blind ist. Ausreichend ist insofern, dass - wie auch im durch das BSG entschiedenen Fall - rein final betrachtet ein unterhalb der Blindheitsschwelle liegendes Sehvermögen (optische Reizaufnahme und deren weitere Verarbeitung im Bewusstsein - vgl. BSG a.a.O, Rn. 21) objektiviert wird. Es ist bereits dargelegt worden (vgl. II. 2. B) aa)), dass hiervon vorliegend auszugehen ist. Insofern liegt auch die Annahme, der Kläger habe, anders als der Kläger im durch das BSG zu entscheidenden Fall, ggfs. in seiner ersten Lebensphase die Möglichkeit gehabt die Verarbeitung des Gesehenen zu erlernen, neben der Sache.
cc) Die o. a. Entscheidung des Bundessozialgerichts stellt auch eine geänderte Auslegung des Rechts - des Begriffes der Blindheit im Sinne des § 72 Abs. 5 SGB XII - in ständiger Rechtsprechung i.S.d. § 48 Abs. 2 SGB X dar. Wesentlich für die Annahme einer ständigen Rechtsprechung ist, dass die judizierte Rechtsauffassung gesichert ist (vgl. BT-Drs. 8/2034, S. 35). Voraussetzung für eine gesicherte Rechtsprechung ist, dass der für die zu entscheidende Rechtsfrage allein zuständige Senat entschieden hat, bei mehreren zuständigen Senaten desselben Gerichtes die streitige Rechtsfrage von ihnen übereinstimmend anders beantwortet worden ist, oder der Große Senat oder der Gemeinsame Senat der obersten Gerichtshöfe entschieden hat (Schütze, in: von Wulffen/ Schütze, SGB X, 8. Aufl. 2014, § 48, Rn. 14). (Auch) im Falle einer Entscheidung des allein für eine Rechtsfrage zuständigen Senates des Bundessozialgerichts ist dabei nicht erforderlich, dass eine mehrfache Entscheidung i.S.d. geläuterten Rechtsauffassung erfolgt ist, solange nur von einer gesicherten Rechtsprechungsänderung ausgegangen werden muss (vgl. BSG, Urteil vom 29.06.2000 - B 11 AL 99/99 R -, SozR 3-4100 § 152 Nr. 10, SozR 3-4300 § 330 Nr. 1, Rn. 21; ferner: Schütze, a.a.O.; offen gelassen: BSG, Urteil vom 23. März 1995 - 11 RAr 71/94 -, SozR 3-4100 § 152 Nr. 5, SozR 3-1300 § 44 Nr. 14, Rn. 23; a. A.: BSG, Urteil vom 25.11.1977 - 2 RU 93/76-, Rn. 13, juris; Merten, in: Hauck/ Noftz, SGB X, Band 1, Januar 2014, § 48, Rn. 86 (mind. zweimal)). Der Wortlaut zwingt zu keinem anderen Verständnis. Diesbezüglich besteht insofern Einigkeit (vgl. Schütze a.a.O. und Merten a.a.O. m. w. Nachw.), als es auch bei einer Entscheidung des Großen Senates des BSG nicht um eine mehrfache Entscheidung i.S.d. geänderten Rechtsaufassung geht. Dass eine Entscheidung des Großen Senates nach § 41 SGG als zureichend erachtet wird liegt gerade darin begründet, dass in einem solchen Fall keine Zweifel an der Sicherung der geläuterten Rechtsprechung bestehen. Auch aus der Gesetzesbegründung (BT-Drs. 8/2034, S. 35) wird ersichtlich, dass Maßstab für den Begriff der "Stetigkeit" und das Ziel der Vorschrift des § 48 Abs. 2 SGB X die Beachtlichkeit einer gesicherten Änderung höchstrichterlicher Rechtsprechung ist. Gerade dort, wo eine ausdrückliche Rechtsprechungsänderung auch eines allein zuständigen Senates besteht, wird häufig bereits die einmalige Entscheidung die Behördenpraxis verändern, so dass es einer weiteren höchstrichterlichen Entscheidung nicht oder nicht so bald bedarf. Die Anwendbarkeit des § 48 Abs. 2 SGB X würde aber praktisch dem Zufall überlassen, wenn eine Bestätigung der Rechtsprechungsänderung in einer weiteren Entscheidung abgewartet werden müsste. (vgl. BSG, Urteil vom 29. Juni 2000 - B 11 AL 99/99 R -, SozR 3-4100 § 152 Nr. 10, SozR 3-4300 § 330 Nr. 1, Rn. 21). Keine Rolle kann es allerdings spielen, ob die Behördenpraxis der geänderten Rechtsprechung (bereits) gefolgt ist. § 48 Abs. 2 SGB X stellt die höchstrichterliche Rechtsauffassung in ihrer Bedeutung nicht zur Disposition der Behörden und eine behördliche Verweigerung kann die Rechtsprechung des Bundessozialgerichts nicht tangieren (Merten, in: Hauck/ Noftz, SGB X, Band 1, Januar 2014, § 48, Rn. 86 m. d. Nachw. anderer Ansätze in der BSG-Rspr.).
Der hier zuständige 9. Senat des Bundessozialgerichts ist allein zuständig für Streitigkeiten des Sozialen Entschädigungs- und Schwerbehindertenrechts sowie Blindengeld/-hilfe. Die von ihm nunmehr judizierte Auffassung ist auch ohne bisherige Wiederholung in weiteren Entscheidungen als gesicherte Rechtsprechung anzusehen, da der Senat die Änderung seiner Auffassung klar kennzeichnet und eingehend, unter Darlegung der gegen seine vormalige Ansicht sprechenden Argumente, begründet. Die Entscheidung stellt einen deutlich zum Ausdruck gebrachten Paradigmenwechsel dar. Eine Einzelfallentscheidung ist deshalb auszuschließen.
III. Die Kostenentscheidung beruht auf § 193 Abs. 1 S. 1 SGG. Dabei ist nicht nur auf den Ausgang des Rechtsstreits allein abzustellen, vielmehr ist im Rahmen des sozialgerichtlichen Verfahrens wesentlich auf das Veranlassungsprinzip abzustellen. (Leitherer in: Meyer-Ladewig/Keller/Leitherer, SGG, § 193 Rn. 12b; Schleswig-Holsteinisches Landessozialgericht, Beschluss vom 19.09.2006, L 5 B 376/06 KR ER). Ist eine Änderung der Rechtslage während des Klageverfahrens für den Ausgang des Rechtsstreites maßgeblich, ist etwa darauf abzuheben, wie ohne diese Änderung voraussichtlich entschieden worden wäre (vgl. BSGE 3, 95, 105; 14, 25, 28; Leitherer a.a.O., Rn. 13a)
Vorliegend war dem Klageantrag zwar vollständig zu entsprechen, dies jedoch erst, nachdem die Bevollmächtigte des Klägers den Antrag auf die Darlegungen der Kammer in der mündlichen Verhandlung auf einen Feststellungszeitpunkt beschränkt hat, der nach der letzten Behördenentscheidung, dem Widerspruchsbescheid vom 20.11.2014, lag. Die Entscheidung des Beklagten war für die Zeit davor nicht zu korrigieren, da es insoweit noch an einer wesentlichen Änderung i.S.d. § 48 SGB X in Bezug auf die letzte bestandkräftige Ablehnung vom 05.09.2013 mangelte. Ohne die Änderung der Rechtsprechung des BSG mit Urteil vom 11.08. 2015 - B 9 BL 1/14 im laufenden Klageverfahren wäre der Kläger vollständig unterlegen. Anlass zur Klageerhebung hat der Beklagte insofern letztlich nicht gegeben. Dies findet darin Ausdruck, dass seine Entscheidung nicht aufzuheben ist, er vielmehr zur Änderung seiner Entscheidung zu verpflichten war. Dieses Ziel hätte der Kläger auch über einen Änderungsantrag i.S.d. § 48 Abs. 2 SGB X erreichen können. Hätte der Beklagte sich insoweit einer Änderung seiner Ablehnungsentscheidung verweigert, hätte der Kläger dann - nach Durchführung eines Widerspruchsverfahrens - ein Klageverfahren mit einer den Beklagten treffenden Kostenlast anstrengen können.