Landessozialgericht Nordrhein-Westfalen - L 8 R 998/10 - Urteil vom 11.03.2015
Die Verwirkung setzt als Unterfall der unzulässigen Rechtsausübung voraus, dass der Berechtigte die Ausübung seines Rechts während eines längeren Zeitraums unterlassen hat und weitere besondere Umstände hinzutreten, die nach den Besonderheiten des Einzelfalles und des in Betracht kommenden Rechtsgebietes das verspätete Geltendmachen des Rechts dem Verpflichteten gegenüber als illoyal erscheinen lassen. Solche, die Verwirkung auslösenden "besonderen Umstände" liegen vor, wenn der Verpflichtete infolge eines bestimmten Verhaltens des Berechtigten (Verwirkungsverhalten) darauf vertrauen durfte, dass dieser das Recht nicht mehr geltend machen werde (Vertrauensgrundlage) und der Verpflichtete tatsächlich darauf vertraut hat, dass das Recht nicht mehr ausgeübt wird (Vertrauenstatbestand) und sich infolgedessen in seinen Vorkehrungen und Maßnahmen so eingerichtet hat (Vertrauensverhalten), dass ihm durch die verspätete Durchsetzung des Rechts ein unzumutbarer Nachteil entstehen würde.
Tatbestand:
Die Beteiligten streiten (noch) über die Rechtmäßigkeit eines Betriebsprüfungsbescheides der Beklagten, mit dem diese den Kläger auf Nachentrichtung von Pflichtbeiträgen zur gesetzlichen Krankenversicherung und zur sozialen Pflegeversicherung für die Beigeladene zu 6) für den Zeitraum vom 1.7.2003 bis zum 31.1.2005 in Anspruch nimmt.
Der Kläger wurde in der Rechtsform eines eingetragenen Vereins mit Satzung vom 10.3.1987 mit Vereinssitz in F am Rhein gegründet. Er ist in dem Vereinsregister (VR) des Amtsgerichts F unter der Register-Nr. VR 000 eingetragen. Der Zweck des Vereins liegt gemäß § 2 Abs. 1 der Vereinssatzung in der Förderung der Bildung und Ausbildung. Dieser Zweck wird nach den in der Vereinssatzung statuierten Regelungen insbesondere durch Aus-, Fort- und Weiterbildung von Jugendlichen und Erwachsenen, durch Errichtung und Unterhaltung eines Altenwohn- und Altenpflegeheimes sowie die Unterhaltung und Gründung eines Ambulanten Sozialen Dienstes verwirklicht. Letzterer beinhaltet neben einer häuslichen Alten- und Krankenpflege Tagesbetreuung und Versorgung Hilfsbedürftiger (§ 2 Abs. 2 der Satzung). Organe des Vereins sind gemäß § 3 der Satzung die Mitgliederversammlung, das Kuratorium sowie der Vorstand, der aus dem Vorsitzenden, dem Stellvertreter und einem Finanzreferenten gebildet wird. Wegen der weiteren Einzelheiten wird auf den Inhalt der Satzung des Klägers vom 10.3.1987 Bezug genommen.
Mit Satzung vom 23.1.2001 wurde in der Rechtsform einer Aktiengesellschaft (AG) die T AG C gegründet (Amtsgericht C [HRB 000]). Deren Unternehmensgegenstand liegt nach dem Registerinhalt in der Konzeption und der Realisierung von sozialen Einrichtungen der öffentlichen Hand sowie der Konzeption und Umsetzung von privaten Einrichtungen und sozialen Zwecken. Ferner hat die Gesellschaft die Übernahme und ggf. Verwertung bestehender Immobilien von sozialen Einrichtungen ("Sozialimmobilien") zum Gegenstand, soweit diese Geschäfte nicht der Genehmigung gemäß § 34c der Gewerbeordnung (GewO) unterliegen. Nach dem weiteren Registerinhalt erbringt die T AG soziale Dienstleistungen und übernimmt Beratungs- und Konzeptionsleistungen, soweit es hierzu keiner besonderen gesetzlichen Genehmigung bedarf. Am 15.3.2001 wurde als Vorstand der T AG Herr V V in das Handelsregister eingetragen.
Unter dem 14.12.2002 schlossen der Kläger und die Beigeladene zu 6) einen schriftlichen Arbeitsvertrag, nach dessen Inhalt Letztere mit Wirkung zum 7.1.2003 für den Kläger als Bürosachbearbeiterin eingestellt wurde. Nach § 5 Abs. 1 des Arbeitsvertrages betrug die monatliche Vergütung der Beigeladenen zu 6) 2.200,00 EUR. Wegen der Einzelheiten wird auf den Inhalt des - von der Beigeladenen zu 6) unter dem 13.12.2004 mit Wirkung zum 31.1.2005 wirksam gekündigten - Arbeitsvertrages Bezug genommen.
Mit Beschluss vom 1.7.2003 bestellte der Aufsichtsrat der T AG die Beigeladene zu 6) mit sofortiger Wirkung "auf unbestimmte Zeit zum weiteren stellvertretenden Vorstandsmitglied". Nach § 2 des zwischen der T AG und der Beigeladenen zu 6) geschlossenen Anstellungs- und Versorgungsvertrages vom 1.7.2003 erhielt Letztere ausschließlich eine leistungsbezogene Vergütung für die Vermittlung von Beratungsverträgen für Pflegebedürftige und ambulante Pflegedienste. Auf den Inhalt des Anstellungs- und Versorgungsvertrages vom 1.7.2003 wird wegen der weiteren Einzelheiten Bezug genommen.
Die Eintragung der Bestellung der Beigeladenen zu 6) in das Handelsregister des Amtsgerichts C erfolgte am 28.1.2004. Ab diesem Zeitpunkt sind neben Herrn V V und der Beigeladenen zu 6) als weitere Vorstandsmitglieder der T AG Herr K S, geb. 00.00.1957, X, Herr G L, geb. 00.00.1962, L, Herr K F, geb. 00.00.1968, L, Herr O I, geb. 00.00.1975, C, Herr U X, geb. 00.00.1967, C, Herr O U, geb. 00.00.1969, M, Frau L K, geb. 00.00.1971, C, Herr K L, geb. 00.00.1958, C, Herr G S, geb. 00.00.1966, T, Herr Q T, geb. 00.00.1948, X, Herr G L, geb. 00.00.1975, L, Herr X H, geb. 00.00.1967, C, Herr C I, geb. 00.00.1962, F, Herr U I, geb. 00.00.1969, C, Herr F Q, geb. 00.00.1966, L, Herr N Ll, geb. 00.00.1960, X, Herr B T, geb. 00.00.1969, T, Frau C F, geb. 00.00.1968, E, Herr N E, geb. 00.00.1962, X, Herr L X, geb. 00.00.1949, C, Herr Dr. T N, geb. 00.00.1958, C, Herr Dr. N Q, geb. 00.00.1963, S, Frau Dr. B C, geb. 00.00.1952, C, Herr S C, geb. 00.001971, U in das Handelsregister eingetragen worden.
Mit Schreiben vom 16.7.2003 informierte die Beigeladene zu 6) die Beigeladene zu 2) unter Nutzung einer ihr von dem Kläger bereitgestellten Textvorlage über die Bestellung zum stellvertretenden Vorstandsmitglied und wies gleichzeitig unter Berufung auf eine von der früheren Bundesversicherungsanstalt für Angestellte (BfA) veröffentlichte Publikation "Versicherungspflicht und Beitragszahlung" auf eine aus ihrer Sicht fehlende Versicherungspflicht in der gesetzlichen Rentenversicherung hin.
In Reaktion auf diese Mitteilung ließ die Beigeladene zu 2) der Beigeladenen zu 6) mit Schreiben vom 31.7.2003 eine in der Betreffzeile mit "Versicherungsfreiheit zur Rentenversicherung" überschriebene Mitteilung zukommen, in der es auszugsweise hieß:
"( ...). Sie haben uns mitgeteilt, dass Sie seit dem 01.07.03 zur stellvertretenden Vorstandsvorsitzenden der T AG bestellt worden sind.
Bitte teilen Sie dies Ihrem Arbeitgeber mit, damit dieser eine entsprechende Ummeldung zur Sozialversicherung vornehmen kann.
Eine Veränderung in Ihrem Mitgliedschaftsverhältnis zur Kranken- und Pflegeversicherung ergibt sich aus Ihrer Mitteilung nicht. ( ...)."
Nachdem die Beigeladene zu 2) der Beigeladenen zu 6) unter dem 8.8.2003 einen "Fragebogen zur Feststellung der hauptberuflich/nebenberuflich selbständigen Erwerbstätigkeit" hatte zukommen lassen, forderte Letztere mit Schreiben vom 18.8.2003 die Beigeladene zu 2) auf, ihren "Rentenversicherungsstatus" zu beurteilen. Zugleich bekräftigte sie ihre Annahme, seit der Bestellung zum stellvertretenden Vorstandsmitglied der T AG nicht mehr der Rentenversicherungspflicht zu unterliegen. Für andere Beschäftigungen, die nicht in Konzernunternehmen gemäß § 18 Aktiengesetz (AktG) ausgeübt würden, unterliege sie der Beitragspflicht in der Arbeitslosenversicherung.
Mit - nicht mit einer Rechtsbehelfsbelehrung versehenem - an die Beigeladene zu 6) adressiertem Schreiben vom 4.9.2003 erklärte die Beigeladene zu 2) unter Beifügung eines Formularfragebogens ("Anlage über Einkommensverhältnisse") daraufhin unter anderem:
"( ...). Hiermit bestätigen wir Ihnen, dass Sie aufgrund Ihrer Bestellung zur stellvertretenden Vorstandsvorsitzenden der T AG nicht mehr der Rentenversicherungspflicht unterliegen (§ 1 Satz 4 SGB VI). Dies gilt auch für alle daneben ausgeübten Beschäftigungen bei anderen Arbeitgebern.
Des Weiteren unterliegen Sie nicht der Versicherungspflicht zur Bundesanstalt für Arbeit (§ 27 Abs. 1 Nr. 5 SGB III), dies gilt jedoch nur für Beschäftigungen innerhalb von Konzernunternehmen.
Da Sie dem Grunde nach nicht mehr der Kranken- und Pflegeversicherungspflicht unterliegen, weil Sie als Vorstandsmitglied mit Ihrem Arbeitsentgelt die monatliche Beitragsbemessungsgrenze übersteigen, bitten wir Sie, uns mitzuteilen, ob Sie seit dem 01.07.2003 bei einem privaten Krankenversicherungsunternehmen versichert sind.
Sollten Sie sich jedoch noch nicht für eine Krankenversicherung entschieden haben, bieten wir Ihnen gern eine freiwillige Mitgliedschaft bei unserer BKK für Heilberufe an.
Als Anlage erhalten Sie einen entsprechenden Mitgliedschaftsantrag und einen Feststellungsbogen, damit wir die Höhe Ihrer monatlichen Beiträge berechnen können."
Nachdem der Kläger Kenntnis über den Inhalt dieser Korrespondenz erlangt hatte, veranlasste er nachträglich mit Wirkung zum 1.7.2003 die Einstellung der Abführung von Beiträgen zur gesetzlichen Kranken- und sozialen Pflegeversicherung. Tatsächlich wurden für die Beigeladene zu 6) in dem Zeitraum vom 1.7.2003 bis zum 31.1.2005 Beiträge zu diesen Zweigen der Sozialversicherung nicht mehr abgeführt.
Vom 29.6.2006 bis zum 14.3.2007 führte die Beklagte bei dem Kläger nach vorheriger Ankündigung für den Zeitraum ab dem 1.1.2002 eine Betriebsprüfung gemäß § 28p Sozialgesetzbuch Viertes Buch (SGB IV) durch.
Nach schriftlicher Anhörung vom 22.5.2007 forderte die Beklagte mit Bescheid vom 25.6.2007 von dem Kläger für verschiedene "Arbeitnehmer" Pflichtbeiträge zur Sozialversicherung, unter anderem für die Beigeladene zu 6) Pflichtbeiträge zur gesetzlichen Krankenversicherung, zur sozialen Pflegeversicherung sowie für die Arbeitslosenversicherung für die Zeit vom 1.7.2003 bis zum 31.1.2005 in Höhe von 11.791,58 EUR nach. Arbeiter und Angestellte, so die Beklagte zur Begründung, deren regelmäßiges Jahresarbeitsentgelt die Jahresarbeitsentgeltgrenze übersteige, seien nach Maßgabe des § 6 Abs. 1 Nr. 1 Sozialgesetzbuch Fünftes Buch (SGB V) in der gesetzlichen Krankenversicherung versicherungsfrei; andernfalls bestehe in diesem Zweig der Sozialversicherung sowie in der sozialen Pflegeversicherung Versicherungspflicht (§ 5 Abs. 1 SGB V, § 20 Abs. 1 Sozialgesetzbuch Elftes Buch [SGB XI]).
Für die Beigeladene zu 6) seien Beiträge zur gesetzlichen Kranken- und sozialen Pflegeversicherung sowie zur Arbeitslosenversicherung nachzufordern. Aus der schriftlichen Mitteilung der Beigeladenen zu 2) vom 4.9.2003 folge lediglich, dass für Vorstandsmitglieder einer AG dem Grunde nach Kranken- und Pflegeversicherungspflicht nicht bestehe, da in der Regel das Arbeitsentgelt die monatliche Beitragsbemessungsgrenze überschreite. Aufgrund der Höhe des regelmäßigen Arbeitsentgeltes der Beigeladenen zu 6) scheide eine Versicherungsfreiheit in diesem Zweig der Sozialversicherung nach § 6 Abs. 1 Nr. 1 SGB V aus. Wegen der weiteren Einzelheiten wird auf den Inhalt des Bescheides vom 25.6.2007 nebst Anlagen Bezug genommen.
Gegen diesen Bescheid erhob der Kläger am 10.7.2007 mit der Begründung Widerspruch, der "Bescheid" der Beigeladenen zu 2) vom 4.9.2003 entfalte ihm gegenüber Bindungswirkung. Da die Beigeladene zu 6) den Nachweis einer privaten Krankenversicherung erbracht habe, sei Beitragspflicht zur Sozialversicherung nicht gegeben.
Mit Widerspruchsbescheid vom 17.10.2007 wies die Beklagte den Widerspruch des Klägers unter Vertiefung der Ausführungen des Ausgangsbescheides als unbegründet zurück. Das Schreiben der Beigeladenen zu 2) treffe keine Feststellung, wonach die Beigeladene zu 6) keiner Versicherungspflicht unterliege; vielmehr sei lediglich darauf hingewiesen worden, dass das aufgrund einer Vorstandstätigkeit erzielte Arbeitsentgelt in der Regel die Beitragsbemessungsgrenze übersteige.
Die Tätigkeit der Beigeladenen zu 6) bei dem Kläger sei an sechs Tagen pro Woche ausgeübt worden, weshalb von einer Hauptbeschäftigung auszugehen und eine Versicherungspflicht in der gesetzlichen Krankenversicherung und sozialen Pflegeversicherung eingetreten sei.
Am 19.11.2007 hat der Kläger zum Sozialgericht (SG) Duisburg Klage erhoben, zu deren Begründung er sein Vorbringen aus dem Verwaltungs- und Widerspruchsverfahren im Wesentlichen wiederholt und vertiefend ausgeführt hat, der Inhalt des "Bescheides" der Beigeladenen zu 2) vom 4.9.2003 habe nicht zu erkennen gegeben, dass möglicherweise eine Versicherungspflicht bestehe, wenn die Beigeladene zu 6) eine Vergütung unterhalb der Beitragsbemessungsgrenze erziele. Er habe aufgrund der sprachlichen Fassung des - jedenfalls nach seinem Horizont als solchen zu interpretierenden - Bescheides, wonach Vorstandsmitglieder in der Regel nicht versicherungspflichtig seien, davon ausgehen dürfen, dass die Beigeladene zu 6) auch bei ihrer Tätigkeit für ihn nicht der Versicherungspflicht in der gesetzlichen Kranken- und sozialen Pflegeversicherung unterliege. In der Erklärung der Beigeladenen zu 2) finde sich auch kein Verweis auf die maßgeblichen gesetzlichen Regelungen, weshalb er nicht in der Lage gewesen sei, eine eigene Prüfung der Rechtslage vorzunehmen.
Er könne sich auf Vertrauensschutz berufen. Außerdem sei die Geltendmachung des Nachforderungsanspruchs verwirkt. Hilfsweise sei in Anwendung des § 7b SGB IV ein späterer Eintritt der Versicherungspflicht anzunehmen.
Der Kläger hat beantragt,
den Beitragsbescheid der Beklagten vom 25.6.2007 und den Widerspruchsbescheid vom 17.10.2007 aufzuheben.
Die Beklagte hat beantragt,
die Klage abzuweisen.
Mit Urteil vom 1.6.2010 hat das SG die gegen die Nacherhebung von Sozialversicherungsbeiträgen gerichtete Klage abgewiesen. Das Schreiben der Beigeladenen zu 2) vom 4.9.2003 stelle keinen Verwaltungsakt dar, sondern belehre lediglich informatorisch dahingehend, dass wegen der Höhe des Arbeitsentgelts in der Regel keine Versicherungspflicht zur gesetzlichen Kranken- und sozialen Pflegeversicherung bestehe. Da zuvor mit Schreiben vom 31.7.2003 konkret dargelegt worden sei, dass in diesen Zweigen der Sozialversicherung weiterhin Versicherungspflicht bestehe, sei nicht nachvollziehbar, weshalb der Kläger aus dieser Erklärung eine Versicherungsfreiheit in diesen Zweigen der Sozialversicherung herleiten zu können meine.
Die Mitteilung der Beigeladenen zu 2) erzeuge auch keinen Vertrauensschutz zugunsten des Klägers. Die Erklärungen in beiden Schreiben seien widersprüchlich, wenn man der Auslegung des Klägers folge, wonach in dem Schreiben vom 4.9.2003 eine Entscheidung getroffen worden sei. Werde die Versicherungspflicht zur gesetzlichen Kranken- und sozialen Pflegeversicherung an die Höhe des Arbeitsentgeltes geknüpft, obliege es jedem Arbeitgeber, sich nach der Beitragsbemessungsgrenze zu erkundigen, um seinen Meldepflichten nach § 28a SGB IV zu entsprechen. Im Übrigen habe die unterlassene Abführung von Beiträgen zur Arbeitslosenversicherung auch zwangsläufig zur Anforderung von Beiträgen zur gesetzlichen Kranken- und sozialen Pflegeversicherung geführt. Hierzu wäre nämlich die nach § 28a SGB IV vorgeschriebene Meldung unter Angabe der Entgelthöhe notwendig gewesen, die einen etwaigen Irrtum bemerkbar gemacht hätte. Auf die Entscheidungsgründe im Übrigen wird Bezug genommen.
Gegen das ihm am 25.10.2010 zugestellte Urteil hat der Kläger am 22.11.2010 bei dem Landessozialgericht (LSG) Nordrhein-Westfalen Berufung eingelegt. Er hat zunächst gemeint, die in Rede stehende Tätigkeit der Beigeladenen zu 6) stelle schon keine Beschäftigung im sozialversicherungsrechtlichen Sinne, da sie im Hinblick auf Arbeitszeit, Dauer, Ort und Art der Ausführung der Tätigkeit nicht weisungsgebunden tätig geworden sei. Diesen Vortrag hat der Kläger in der mündlichen Verhandlung ausdrücklich nicht aufrecht gehalten.
Soweit das SG die Auffassung vertreten habe, es handele sich bei der Mitteilung der Beigeladenen zu 2) vom 4.9.2003 nicht um einen Verwaltungsakt, werde übersehen, dass aus Sicht des Adressaten, nämlich des Klägers, die Voraussetzungen des § 31 Sozialgesetzbuch Zehntes Buch (SGB X) gegeben seien. Das Schreiben habe eine regelnde Entscheidung über den Status der Beigeladenen zu 2) in den erwähnten Zweigen der Sozialversicherung getroffen, in dem festgestellt worden sei, dass diese "dem Grunde nach" in diesen Zweigen nicht mehr der Versicherungspflicht unterliege. Da dem SGB V ebenso wie dem SGB XI eine "Versicherungspflicht dem Grunde nach" fremd sei, habe die Beigeladene zu 6) das Schreiben dahingehend verstehen dürfen, dass eine Versicherungspflicht in diesen Versicherungszweigen nicht mehr bestanden habe. Soweit in dem Bescheid präzisierend erklärt worden sei, aufgrund der Tätigkeit als stellvertretende Vorstandsvorsitzende liege das Gehalt lediglich "in der Regel" oberhalb der Beitragsbemessungsgrenze, führe dies nicht zu einer anderen Auslegung, da einem Laien die Höhe dieser Grenze nicht bekannt sei.
Etwaige in der Erklärung der Beigeladenen zu 2) liegende Widersprüche dürften sich nicht zu seinen Lasten auswirken, weshalb er - ausgehend von der Feststellung einer Versicherungsfreiheit in der gesetzlichen Rentenversicherung - auch eine solche in der gesetzlichen Kranken- und sozialen Pflegeversicherung habe annehmen dürfen, zumal andernfalls das schriftlich unterbreitete Angebot einer freiwilligen Krankenversicherung nicht nachvollziehbar sei.
Überdies sei durch den Inhalt des Bescheides der Beigeladenen zu 2) ein Vertrauenstatbestand erzeugt worden, in dessen Schutz neben dem Adressaten auch er einbezogen sei. Indem die Beigeladene zu 2) mit Bescheid vom 4.9.2003 über die Versicherungspflicht entschieden habe, sei sie hinsichtlich der Entscheidung über die Beitragspflicht in den Verwaltungsablauf der Beklagten einbezogen worden. Nach den für den sozialrechtlichen Herstellungsanspruch entwickelten Grundsätzen erwachse hieraus ein drittbezogener Schutz zu seinen Gunsten. Ihm könne auch nicht vorgeworfen werden, dass er bei Beachtung der im Verkehr erforderlichen Sorgfalt hätte erkennen können, dass sich die Befreiung von der gesetzlichen Kranken- und sozialen Pflegeversicherung nicht auf die bei ihm ausgeübte Tätigkeit bezogen habe. Dieses folge aus der gesetzgeberischen Wertung des § 45 Abs. 2 Satz 3 SGB X.
Selbst wenn eine Bindungswirkung der Erklärung der Beigeladenen zu 2) verneint werde, sei die Versicherungspflicht der Beigeladenen zu 6) nach § 7b SGB IV a.F. erst mit der Bekanntgabe der Feststellung über das Bestehen der Versicherungspflicht eingetreten.
Im Termin zur mündlichen Verhandlung hat der Kläger erklärt, das Aufhebungsbegehren hinsichtlich der mit dem streitbefangenen Bescheid nacherhobenen Beiträge zur Arbeitslosenversicherung nicht aufrecht zu erhalten.
Der Kläger beantragt nunmehr noch,
das Urteil des Sozialgerichts Duisburg vom 1.6.2010 zu ändern und den Bescheid der Beklagten vom 25.6.2007 in der Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 17.10.2007 auch insoweit aufzuheben, als mit diesem Beiträge zur gesetzlichen Krankenversicherung und zur sozialen Pflegeversicherung betreffend die Beigeladene zu 6) für den Zeitraum vom 1.7.2003 bis zum 31.1.2005 nacherhoben wurden.
Die Beklagte beantragt,
die Berufung zurückzuweisen.
Sie tritt dem Berufungsvorbringen unter Bezugnahme auf die Entscheidungsgründe des angefochtenen Urteils entgegen. Die in dem Schreiben der Beigeladenen zu 2) geäußerte Annahme, die Beigeladene zu 6) unterliege nicht der Kranken- und Pflegeversicherungspflicht, sei lediglich eine Vermutung. Der Adressat des Schreibens habe lediglich das Arbeitsentgelt aus der Beschäftigung bei dem Kläger der aktuellen Beitragsbemessungsgrenze gegenüber stellen müssen. Soweit der Kläger behaupte, der Beigeladenen zu 6) sei dieser Grenzwert unbekannt gewesen, sei darauf hinzuweisen, dass die Träger der gesetzlichen Rentenversicherung vielfältige Informationen bereithielten. Entsprechendes gelte für die Träger der Krankenversicherung. Es entziehe sich ihrer Vorstellungskraft, dass dem Kläger die Beitragsbemessungsgrenze nicht bekannt gewesen sein solle. Es verwundere auch, dass der Kläger einerseits die subjektive Annahme behaupte, dass es sich bei dem Schreiben der Beigeladenen zu 2) um einen Verwaltungsakt gehandelt, andererseits aber Beiträge zur Arbeitslosenversicherung nicht abgeführt habe. In dem Schreiben werde nämlich ausgeführt, dass die Beigeladene zu 6) nur in Beschäftigungen innerhalb von Konzernunternehmen nicht der Versicherungspflicht in der Arbeitslosenversicherung unterliege.
Der Kläger könne sich auch nicht auf § 7b a.F. SGB IV berufen, da der Anwendungsbereich dieser Bestimmung nicht eröffnet sei. Diese Vorschrift habe sich auf Statusentscheidungen außerhalb des Verfahrens vor der Clearingstelle bezogen. Ein Statusverfahren liege vor, wenn - anders als im vorliegenden Sachverhalt - entweder ein abhängiges Beschäftigungsverhältnis oder eine selbständige Erwerbstätigkeit festgestellt werde.
Mit Beschluss vom 11.6.2013 hat der Senat das Verfahren hinsichtlich der in dem streitbefangenen Bescheid betreffend Herrn G L erhobenen Beitragsforderung abgetrennt und unter dem Aktenzeichen L 8 R 573/13 fortgeführt.
Der Senat hat am 5.9.2014 einen Termin zur Erörterung der Sach- und Rechtslage durchgeführt. Wegen des Ergebnisses wird auf den Inhalt der Sitzungsniederschrift Bezug genommen. Zudem hat der Senat Auszüge aus dem Handelsregister des Amtsgerichts C (HRB 000), des Amtsgerichts L (HRB 000) betreffend die T Pflege AG sowie die Satzung des Klägers beigezogen und zum Gegenstand des Verfahrens gemacht. Schließlich ist von der Beklagten ein Versicherungsverlauf betreffend die Beigeladene zu 6) beigezogen und dessen Inhalt zum Gegenstand des Verfahrens gemacht worden.
Im Termin zur mündlichen Verhandlung, zu dem Vertreter der Beigeladenen zu 1) bis 5) trotz ordnungsgemäßer Terminsmitteilung nicht erschienen sind, hat der Senat den Finanzreferenten des Klägers, Herrn V V, sowie die Beigeladene zu 6) persönlich angehört. Wegen des Ergebnisses wird auf den Inhalt der Sitzungsniederschrift Bezug genommen.
Wegen der weiteren Einzelheiten des Sach- und Streitstandes wird Bezug genommen auf den Inhalt der Gerichtsakten betreffend das vorliegende sowie das bei dem erkennenden Gericht unter dem Aktenzeichen L 8 R 573/13 geführte Berufungsverfahren. Überdies wird Bezug genommen auf den Inhalt der Gerichtsakten betreffend das bei dem erkennenden Gericht unter dem Aktenzeichen L 16 R 16/08 R ER geführte Verfahren auf Gewährung vorläufigen Rechtsschutzes, die beigezogenen Verwaltungsvorgänge der Beklagten und der Beigeladenen zu 2), die Gegenstand der mündlichen Verhandlung gewesen sind.
Entscheidungsgründe:
Der Senat hat in Abwesenheit der Beigeladenen zu 1) bis 5) verhandeln und entscheiden können, da er sie mit ordnungsgemäßen Terminsmitteilungen auf diese Möglichkeit hingewiesen hat (§§ 153 Abs. 1, 110 Abs. 1 Sozialgerichtsgesetz [SGG]).
Gegenstand des Berufungsverfahrens ist der Bescheid der Beklagten vom 25.6.2007 in der Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 17.10.2007, soweit mit diesem Pflichtbeiträge zur gesetzlichen Kranken- und sozialen Pflegeversicherung betreffend die Beigeladene zu 6) nacherhoben wurden. Infolge des im Termin zur mündlichen Verhandlung in diesem Sinne begrenzten Antrages ist die Rechtmäßigkeit der Nacherhebung von Pflichtbeiträgen zur Arbeitslosenversicherung betreffend die Beigeladene zu 6) nicht mehr Gegenstand des Berufungsverfahrens. Die Rechtmäßigkeit der mit dem streitbefangenen Bescheid geregelten Nacherhebung von Beiträgen zur gesetzlichen Rentenversicherung betreffend Herrn G L ist mit Beschluss vom 11.6.2013 gemäß § 113 Abs. 1 SGG abgetrennt worden und Gegenstand des unter dem Aktenzeichen L 8 R 573/13 geführten Berufungsverfahrens.
I. Die am 22.11.2010 bei dem erkennenden Gericht schriftlich eingelegte Berufung des Klägers gegen das ihm am 25.10.2010 zugestellte Urteil ist zulässig, insbesondere gemäß §§ 143, 144 SGG statthaft und form- und fristgerecht erhoben worden (§ 151 Abs. 1, Abs. 3, § 64 Abs. 1, Abs. 2, § 63 SGG).
II. Die Berufung ist jedoch nicht begründet. Das SG hat die Klage gegen den Bescheid der Beklagten vom 25.6.2007 in der Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 17.10.2007 zu Recht abgewiesen, weil dieser den Kläger nicht im Sinne des § 54 Abs. 2 SGG beschwert. Er ist nicht rechtswidrig, da die Beklagte zu Recht auch Pflichtbeiträge zur gesetzlichen Kranken- und sozialen Pflegeversicherung betreffend die Beigeladene zu 6) für den Zeitraum vom 1.7.2003 bis zum 31.1.2005 von dem Kläger nacherhoben hat.
1. Ermächtigungsgrundlage für den angefochtenen Bescheid ist § 28p Abs. 1 Satz 5 SGB IV. Nach dieser Regelung erlassen die Träger der Rentenversicherung Verwaltungsakte zur Versicherungspflicht und Beitragshöhe in der Kranken-, Pflege-, und Rentenversicherung sowie nach dem Recht der Arbeitsförderung gegenüber den Arbeitgebern.
2. Die Ermächtigungsgrundlage ist formell ordnungsgemäß angewendet worden; insbesondere ist der Kläger als Adressat vor Erlass des ihn belastenden Bescheides vom 25.6.2007 mit Schreiben vom 22.5.2007 ordnungsgemäß nach § 24 Abs. 1 SGB X angehört worden.
3. Der Bescheid ist auch in materieller Hinsicht nicht zu beanstanden.
Die Beigeladene zu 6) war in dem streitbefangenen Zeitraum bei dem Kläger versicherungspflichtig beschäftigt [hierzu a)]; eine Versicherungsfreiheit kam in dieser Beschäftigung nicht in Betracht [hierzu b)]. Die Beklagte ist zutreffend davon ausgegangen, dass die Versicherungspflicht nicht erst mit der Bekanntgabe des Bescheides vom 25.6.2007 eingetreten ist [hierzu c)]. Die Beitragsforderung ist auch der Höhe nach nicht zu beanstanden [hierzu d)]. Die Geltendmachung des Anspruchs auf Nachentrichtung der Pflichtbeiträge durch die Beklagte verletzt schließlich kein berechtigtes Vertrauen des Klägers und unterliegt nicht der Verwirkung [hierzu e)].
a) Eine Versicherungspflicht in der gesetzlichen Krankenversicherung besteht gemäß § 5 Abs. 1 Nr. 1 SGB V bei einer Beschäftigung gegen Arbeitsentgelt im Sinne des § 7 Abs. 1 SGB IV. Akzessorisch hierzu erstreckt sich die Versicherungspflicht in der sozialen Pflegeversicherung auf Personen, die Mitglied in der gesetzlichen Krankenversicherung sind, wobei unerheblich ist, ob die Mitgliedschaft auf einer Pflichtversicherung oder einer freiwilligen Krankenversicherung beruht (§ 20 SGB XI). Die hiernach eine Versicherungspflicht begründende Beschäftigung ist nach § 7 Abs. 1 Satz 1 SGB IV die nichtselbständige Arbeit, insbesondere in einem Arbeitsverhältnis.
Die Beigeladene zu 6) stand in dem streitbefangenen Zeitraum vom 1.7.2003 bis zum 31.1.2005 aufgrund des am 14.12.2002 wirksam geschlossenen und in Vollzug gesetzten Arbeitsvertrages in einem Arbeitsverhältnis zum Kläger. Seinen ursprünglichen Vortrag, die Beigeladene zu 6) sei nicht im Rahmen eines Beschäftigungsverhältnisses für ihn tätig geworden, hat der Kläger im Termin zur mündlichen Verhandlung vor dem Senat ausdrücklich nicht aufrecht gehalten. Anhaltspunkte, die gegen das Vorliegen eines abhängigen Beschäftigungsverhältnisses sprechen könnten, sind auch von Amts wegen nicht ersichtlich.
Die Beschäftigung der Beigeladenen zu 6) erfolgte auch gegen Entgelt (§ 14 SGB IV).
b) Die Beigeladene zu 6) war in diesem Beschäftigungsverhältnis nicht in der gesetzlichen Kranken- und sozialen Pflegeversicherung versicherungsfrei. Eine Versicherungsfreiheit folgt weder aus einer den Kläger bindenden Feststellung kraft Verwaltungsakts [hierzu nachfolgend aa)], noch ergibt sich eine solche aus § 6 Abs. 1 Nr. 1 SGB V [hierzu nachfolgend bb)].
aa) Die Bindungswirkung eines Verwaltungsaktes (§ 77 SGG) erfasst grundsätzlich dessen Verfügungssatz bzw. - sätze, nicht hingegen die Gründe, die zu der Regelung geführt haben (vgl. BSG, Urteil v. 20.6.1984, 7 RAr 91/83, SozR 4100 § 112 Nr. 23 m.w.N.; Urteil v. 28.6.1990, 7 RAr 22/90, SozR 3-4100 § 137 Nr. 1; BSG, Urteil v. 30.10.2013, B 12 AL 2/11 R, SozR 4-2400 § 27 Nr. 5).
Ein der Bindungswirkung zugänglicher Verwaltungsakt (§ 31 SGB X) lässt sich - entgegen der Auffassung des Klägers - ausgehend von dem objektiven Empfängerhorizont (§ 133 Bürgerliches Gesetzbuch [BGB]) aus dem Schreiben der Beigeladenen zu 2) vom 4.9.2003 nicht entnehmen. Aus diesem Grund kann der Senat offen lassen, inwieweit sich der Kläger als Dritter überhaupt auf den Inhalt des Schreibens der Beigeladenen zu 2) vom 4.9.2003 berufen kann, obgleich dieses Schriftstück nicht an ihn, sondern ausschließlich an die Beigeladene zu 6) adressiert worden ist.
Diese - nicht mit einer Rechtsbehelfsbelehrung - versehene schriftliche Erklärung vom 4.9.2003 erging erkennbar in Reaktion auf das Schreiben der Beigeladenen zu 6) vom 18.8.2013, mit der Letztere "letztmalig" um Klärung ihres Rentenversicherungsstatus gebeten hatte. Eine Veranlassung zu einer für das Vorliegen eines (materiellen) Verwaltungsaktes im Sinne des § 31 Satz 1 SGB X konstitutiven regelnden Entscheidung außerhalb dieses Zweiges der Sozialversicherung hat demnach nicht bestanden. Vor diesem Hintergrund ist auch plausibel, dass die Beigeladene zu 2) ausdrücklich nur für die Rentenversicherung "bestätigt" hat, dass eine Versicherungspflicht nicht mehr besteht. Hinsichtlich der im vorliegenden Verfahren streitbefangenen gesetzlichen Kranken- und sozialen Pflegeversicherung enthält das Schreiben der Beigeladenen zu 2) hingegen - für den objektiven Empfänger auch ohne Weiteres erkennbar - nur allgemeine, nichtregelnde Informationen. Dies wird bereits durch Verwendung der Worte "dem Grunde nach" sowie "in der Regel" offenkundig. Auch zuvor hatte die Beigeladene zu 2) mit Schreiben vom 31.7.2003 mit der in der Betreffzeile mit "Versicherungsfreiheit zur Rentenversicherung" überschriebenen Mitteilung bekundet, dass sich infolge der Bestellung zur stellvertretenden Vorstandsvorsitzenden der T AG eine Veränderung in dem Mitgliedschaftsverhältnis zur Kranken- und Pflegeversicherung nicht ergebe. Aus Sicht des Senats liegt bei dieser Sachlage die von dem Kläger gewünschte Interpretation zugunsten einer regelnden Feststellung von Versicherungsfreiheit in der gesetzlichen Kranken- und sozialen Pflegeversicherung geradezu fern. Da die Beigeladene zu 2) ihrem Schreiben vom 4.9.2003 zudem einen Formularfragebogen ("Angaben über Einkommensverhältnisse") beigefügt hatte, war auch ohne Weiteres erkennbar, dass der Versicherungsträger noch keine Kenntnis über die Höhe des Arbeitsentgeltes der Beigeladenen zu 6) hatte, weshalb die in der schriftlichen Erklärung geäußerte Annahme, dass ein Vorstandsmitglied "in der Regel" mit dem "Arbeitsentgelt die monatliche Beitragsbemessungsgrenze" überschreite, eine lediglich spekulative Vermutung sein musste.
bb) Eine Versicherungsfreiheit der Beigeladenen zu 6) folgt auch nicht kraft Gesetzes aus § 6 Abs. 1 Nr. 1 SGB V. In der seinerzeit geltenden Fassung dieser Norm waren Arbeiter und Angestellte versicherungsfrei, deren regelmäßiges Jahresarbeitsentgelt die Jahresarbeitsentgeltgrenze nach den Absätzen 6 und 7 überstieg. Die Jahresarbeitsentgeltgrenzen gemäß § 6 Abs. 6 und 7 SGB V überstieg das Arbeitsentgelt der Beigeladenen zu 6) indessen nicht. Die Jahresarbeitsentgeltsgrenze gemäß § 6 Abs. 6 SGB V belief sich im Jahr 2003 auf 45.900,00 EUR (monatlich 3.825,00 EUR), im Jahr 2004 auf 46.350,00 EUR (monatlich 3.862,50 EUR) und im Jahr 2005 auf 46.800,00 EUR (monatlich 3.900,00 EUR). Die Jahresarbeitsentgeltgrenze nach § 6 Abs. 7 SGB V betrug im Jahr 2003 41.400,00 EUR (monatlich 3.450,00 EUR), im Jahr 2004 41.850,00 EUR (monatlich 3.487,50 EUR) und im Jahr 2005 42.300,00 EUR (monatlich 3.525,00 EUR). Dass die Beigeladene zu 6) ausgehend von dem in dem streitigen Beschäftigungsverhältnis geleisteten Arbeitsentgelt diese Grenzen überschritten hat, ist weder erkennbar noch von dem Kläger behauptet worden.
Zwar sind bei der Ermittlung des Jahresarbeitsentgeltes regelmäßige Arbeitsentgelte aus einer anderen Beschäftigung hinzuzuaddieren; gleichwohl bedurfte es diesbezüglich keiner weitergehenden Feststellungen des Senats im Hinblick auf ein etwaiges Arbeitsentgelt aus der Tätigkeit der Beigeladenen zu 6) für die T AG. Die wegen der Tätigkeit für dieses Unternehmen ggf. erzielte Vergütung stellt aufgrund der ausschließlich leistungsbezogenen Vergütungsstruktur (§ 2 Nr. 1 des Anstellungs- und Versorgungsvertrages vom 1.7.2003) kein im Sinne des § 6 Abs. 1 Nr. 1 SGB V "regelmäßiges" Jahresarbeitsentgelt dar, welches mit hinreichender Sicherheit zufließen wird (hierzu im Einzelnen Felix, in: jurisPK-SGB V, § 6 Rdnr. 16), und muss schon deshalb bei der Prüfung der Versicherungsfreiheit nach § 6 Abs. 1 Nr. 1 SGB V außer Ansatz bleiben. Ohnehin hat die Beigeladene zu 6) in dem Termin zur mündlichen Verhandlung vor dem Senat bekundet, sie könne sich nicht erinnern, leistungsbezogene Vergütungen der T AG erhalten zu haben.
Schließlich ergibt sich aus dem Inhalt des Versicherungsverlaufes der Beklagten kein Hinweis darauf, dass die Beigeladene zu 6) weiteres Arbeitsentgelt erzielte, welches unter Berücksichtigung der Vergütung aus dem Beschäftigungsverhältnis mit dem Kläger zur Überschreitung der Jahresarbeitsentgeltgrenze hätte führen können. Dem Inhalt des Versicherungsverlaufes sind auch im Termin zur mündlichen Verhandlung weder der Kläger noch die Beigeladene zu 6) entgegengetreten.
c) Die Beklagte ist ferner zutreffend davon ausgegangen, dass eine Versicherungspflicht der Beigeladenen zu 6) nicht gemäß § 7b SGB VI erst mit der Bekanntgabe der angefochtenen Entscheidung eingetreten ist. Diese - mit Wirkung zum 31.12.2007 durch Art. 1 Nr. 4 des Gesetzes zur Änderung des Vierten Buches Sozialgesetzbuch und anderer Gesetze (BGBl. I 2007, 3024) aufgehobene - Regelung bestimmte:
"Stellt ein Versicherungsträger außerhalb des Verfahrens nach § 7a fest, dass eine versicherungspflichtige Beschäftigung vorliegt, tritt die Versicherungspflicht erst mit dem Tage der Bekanntgabe dieser Entscheidung ein, wenn der Beschäftigte
1. zustimmt,
2. für den Zeitraum zwischen Aufnahme der Beschäftigung und der Entscheidung eine Absicherung gegen das finanzielle Risiko von Krankheit und zur Altersvorsorge vorgenommen hat, die der Art nach den Leistungen der gesetzlichen Krankenversicherung und der gesetzlichen Rentenversicherung entspricht, und
3. er oder sein Arbeitgeber weder vorsätzlich noch grob fahrlässig von einer selbstständigen Tätigkeit ausgegangen ist."
Obgleich die Regelung des § 7b SGB IV a.F. in den Fällen der Feststellung von Versicherungspflicht im Rahmen einer - dem vorliegenden Rechtsstreit zugrunde liegenden - Betriebsprüfung nach § 28p SGB IV grundsätzlich Anwendung findet, hat die Beklagte nicht im Sinne des § 7b SGB IV a.F. eine versicherungspflichtige Beschäftigung festgestellt. In diesem Sinne sind nämlich - schon wegen der gesetzessystematischen Nähe zu dem in § 7a SGB IV geregelten Verfahren - nur Sachverhalte gemeint, in denen ein Versicherungsträger anlässlich einer Betriebsprüfung eine versicherungsrechtliche Statusbeurteilung getroffen hat. Dass der Gesetzgeber hiermit nicht den - hier vorliegenden - Sachverhalt gemeint hat, in welchem zwischen dem Arbeitnehmer und dem Arbeitgeber das Vorliegen eines Beschäftigungsverhältnisses dem Grunde nach nicht umstritten war, Letzterer jedoch eine ursprünglich in Annahme eines Beschäftigungsverhältnisses vorgenommene Meldung nachträglich storniert, lässt sich nach Auffassung des Senats auch aus der Bestimmung des § 7b Nr. 3 SGB IV a.F. entnehmen. Hiernach war für die Anwendung des § 7b SGB IV a.F. tatbestandlich erforderlich, dass weder der Beschäftigte, noch sein Arbeitgeber vorsätzlich noch grob fahrlässig von einer "selbstständigen Tätigkeit" ausgegangen sind. Werden hingegen in zwischen den Arbeitsvertragsparteien unstreitigem Beschäftigungsverhältnis contra legem Beiträge nicht abgeführt, liegt dies außerhalb des Regelungszwecks des § 7b SGB IV a.F.
Selbst wenn man mit dem Kläger hingegen von der Anwendbarkeit des § 7b SGB IV a.F. ausgeht, sind dessen tatbestandliche Voraussetzungen jedoch im vorliegenden Rechtsstreit ohnehin nicht erfüllt. Weder der Kläger noch die Beigeladene zu 6) haben substantiiert dargelegt, im Sinne des § 7b Nr. 3 SGB IV von dem Vorliegen einer selbständigen Tätigkeit der Beigeladenen zu 6) ausgegangen zu sein.
d) Bedenken hinsichtlich der Höhe der Beitragsforderung sind weder substantiiert vorgetragen noch ersichtlich.
e) Die Nacherhebung der streitigen Pflichtbeiträge verletzt schließlich weder ein berechtigtes Vertrauen des Klägers [hierzu nachfolgend aa)], noch ist die Geltendmachung der Beitragsforderung durch die Beklagte verwirkt [hierzu nachfolgend bb)].
aa) Die Nacherhebung der Beiträge zur gesetzlichen Kranken- und sozialen Pflegeversicherung für die Beigeladene zu 6) verstößt nicht gegen den Grundsatz des Vertrauensschutzes. Der Grundsatz des Vertrauensschutzes wird aus dem Rechtsstaatsprinzip (Art. 20 Abs. 3 Grundgesetz) hergeleitet und verbietet solches Verwaltungshandeln, welches für sich genommen von den einschlägigen gesetzlichen Vorgaben gedeckt ist, aber schutzwürdiges Vertrauen des durch die Verwaltungsentscheidung nachteilig Betroffenen enttäuscht. Gegen diesen Grundsatz verstößt der angefochtene Bescheid der Beklagten bereits deshalb nicht, da der Kläger ein rechtlich relevantes und schützenswertes Vertrauen für sich nicht reklamieren kann.
Soweit der Kläger auf den Inhalt des Schreibens der Beigeladenen zu 2) verweist, war der - vorstehend dargelegte - Erklärungsinhalt bereits nicht geeignet, einen Vertrauenstatbestand im Sinne einer Versicherungsfreiheit in der gesetzlichen Kranken- und sozialen Pflegeversicherung zu erzeugen. Insoweit kann der Senat auch offen lassen, inwieweit der Kläger überhaupt geltend machen kann, dass der Bescheid der Beigeladenen zu 2) Grundlage für ein in seiner Person erzeugtes (schutzwürdiges) Vertrauen sein kann, obgleich nicht er, sondern allein die Beigeladene zu 6) Adressatin der Erklärung gewesen ist. Einen weitergehenden Vertrauensschutz als die Beigeladene zu 6) als Adressatin kann der Kläger jedenfalls nicht für sich beanspruchen. Nach dem maßgeblichen objektiven Empfängerhorizont (§ 133 BGB) war jedoch für die Beigeladene zu 6) ohne Weiteres erkennbar, dass den Ausführungen zur Versicherungsfreiheit in der gesetzlichen Kranken- und sozialen Pflegeversicherung keine regelnde Entscheidung zukam. Überdies hätte es dem Kläger als Arbeitgeber oblegen, bei etwaigen Unklarheiten zur Versicherungspflicht eine Klärung durch die Einzugsstelle herbeizuführen. Hierauf hat bereits das SG in der angefochtenen Entscheidung zutreffend hingewiesen.
bb) Die Geltendmachung der Beitragsforderung durch die Beklagte ist zudem nicht verwirkt. Das Rechtsinstitut der Verwirkung gilt als Ausprägung des Grundsatzes von Treu und Glauben (§ 242 BGB) auch im Sozialversicherungsrecht und ist insbesondere für die Nacherhebung von Beiträgen zur Sozialversicherung anerkannt (vgl. u.a. BSG, Urteil v. 1.7.2010, B 13 R 67/09 R = SozR 4-2400 § 24 Nr. 5, Rdnr. 30; BSG, Urteil v. 27.7.2011, B 12 R 16/09 = SozR 4-2400 § 7 Nr. 14).
Die Verwirkung setzt als Unterfall der unzulässigen Rechtsausübung voraus, dass der Berechtigte die Ausübung seines Rechts während eines längeren Zeitraums unterlassen hat und weitere besondere Umstände hinzutreten, die nach den Besonderheiten des Einzelfalles und des in Betracht kommenden Rechtsgebietes das verspätete Geltendmachen des Rechts dem Verpflichteten gegenüber als illoyal erscheinen lassen. Solche, die Verwirkung auslösenden "besonderen Umstände" liegen vor, wenn der Verpflichtete infolge eines bestimmten Verhaltens des Berechtigten (Verwirkungsverhalten) darauf vertrauen durfte, dass dieser das Recht nicht mehr geltend machen werde (Vertrauensgrundlage) und der Verpflichtete tatsächlich darauf vertraut hat, dass das Recht nicht mehr ausgeübt wird (Vertrauenstatbestand) und sich infolgedessen in seinen Vorkehrungen und Maßnahmen so eingerichtet hat (Vertrauensverhalten), dass ihm durch die verspätete Durchsetzung des Rechts ein unzumutbarer Nachteil entstehen würde (BSG, Urteil v. 1.7.2010, a.a.O., Rdnr. 31 m.w.N.; BSG, Urteil v. 27.7.2011, a.a.O., Rdnr. 36).
Eine Verwirkung scheitert hier bereits am Fehlen des Zeitmoments, also eines längeren Zeitraums, in dem es die Beklagte unterlassen hätte, ihr Recht zur Geltendmachung rückständiger Beiträge auszuüben. Es widerspräche der gesetzgeberischen Wertung, wenn entgegen dem durch § 28p Abs. 1 Satz 1 Halbs. 2 SGB IV angeordneten vierjährigen Prüfungsturnus bereits eine zeitnahe Geltendmachung von Nachforderungen aufgrund einer fristgerecht durchgeführten Prüfung ohne Weiteres als verspätet anzusehen wäre (BSG, Urteil v. 27.7.2011, a.a.O., Rdnr. 37). Zudem fehlt es am Vorliegen eines bestimmten Verwirkungsverhaltens der Beklagten, das geeignet ist, bei dem Kläger die berechtigte Erwartung zu begründen, einer Beitragsforderung nicht mehr ausgesetzt zu sein.
Die Kostenentscheidung beruht, da weder der Kläger noch die Beklagte zu dem von § 183 SGG erfassten Personenkreis gehören, auf § 197a Abs. 1 Satz 1 SGG i.V.m. §§ 154 Abs. 2, 162 Abs. 3 Verwaltungsgerichtsordnung.
Gründe, gemäß § 160 Abs. 2 SGG die Revision zuzulassen, sind nicht gegeben.
Die Festsetzung des Streitwertes in Höhe der streitigen Beitragsforderung beruht auf § 197a Abs. 1 Satz 1 SGG i.V.m. §§ 63 Abs. 2, 52 Abs. 1 und 3, 47 Abs. 1 Gerichtskostengesetz.