Tatbestand:

Zwischen den Beteiligten ist das Vorliegen der Voraussetzungen für das Merkzeichen "1. Kl." (Berechtigung zur Benutzung der 1. Wagenklasse mit Fahrausweis für die 2. Klasse) umstritten.

Auf Antrag des 1965 geborenen Klägers stellte der Beklagte mit Bescheid vom 24. November 2010 einen Grad der Behinderung (GdB) von 70 aufgrund des Verlustes des rechten Beines im Oberschenkel bei arterieller Verschlusskrankheit sowie das Merkzeichen "G" (erhebliche Beeinträchtigung der Bewegungsfähigkeit im Straßenverkehr) fest. Mit Bescheid vom 30. Mai 2012 stellte der Beklagte ab 1. März 2012 einen GdB von 80 sowie die Merkzeichen "B" (Berechtigung für eine ständige Begleitung) und "aG" (außergewöhnliche Gehbehinderung) aufgrund des Verlustes des rechten Beines im Oberschenkel, einer Funktionsbeeinträchtigung des linken Beines und einer psychischen Störung fest.

Am 17. Dezember 2013 beantragte der Kläger das Merkzeichen "1. Kl.". Mit Bescheid vom 2. Januar 2014 lehnte der Beklagte den Antrag ab, weil die Benutzung der 1. Klasse mit einem Fahrausweis der 2. Klasse bei Eisenbahnfahrten nur für Schwerkriegsbeschädigte und Verfolgte im Sinne des Bundesentschädigungsgesetzes mit einer Minderung der Erwerbsfähigkeit von wenigstens 70 vom Hundert (v.H.) nach dem Bundesversorgungsgesetz (BVG) in Betracht komme, deren auf den anerkannten Schädigungsfolgen beruhender körperlicher Zustand die Unterbringung in der 1. Klasse erfordere. Diese Voraussetzungen lägen beim Kläger nicht vor. Dagegen erhob der Kläger am 8. Januar 2014 Widerspruch und begründete diesen mit einer Verschlechterung seines gesundheitlichen Zustandes. Mit Widerspruchsbescheid vom 19. Mai 2014 wies der Beklagte den Widerspruch zurück, weil der Kläger nicht zum Personenkreis der Schwerkriegsbeschädigten und Verfolgten im Sinne des Bundesentschädigungsgesetzes gehöre.

Dagegen hat der Kläger am 6. Juni 2014 Klage beim Sozialgericht (SG) Dessau-Roßlau erhoben und vorgetragen: Er sei oberschenkelamputiert und könne in der 2. Klasse im Zug wegen der Enge nicht bzw. nicht lange sitzen. Zudem bestehe in der 2. Klasse keine Pflicht, Schwerbehindertenplätze frei zu halten. Er sei deshalb einem Schwerkriegsbeschädigten gleichzustellen. Der Beklagte hat dagegen eingewandt, die Regelung sei abschließend, eine Gleichstellung sei nicht möglich. Die Einholung weiterer medizinischer Unterlagen sei nicht erforderlich, da dies zu keiner anderen Entscheidung führen könne. Mit Schreiben vom 24. Juli 2014 hat das SG nach Hinweis auf die fehlenden Erfolgsaussichten der Klage die Beteiligten zu einer Entscheidung durch Gerichtsbescheid gemäß § 105 Abs. 1 des Sozialgerichtsgesetzes (SGG) angehört. Mit Gerichtsbescheid vom 21. August 2014 hat das SG die Klage abgewiesen und zur Begründung darauf verwiesen, dass die nach § 70 des Neunten Buches des Sozialgesetzbuches (SGB IX) i.V.m. § 3 Abs. 1 Nr. 6 der Schwerbehindertenausweisverordnung maßgeblichen Tarifbestimmungen vorsehen, dass lediglich Schwerkriegsbeschädigte die 1. Wagenklasse mit Fahrscheinen der 2. Klasse benutzen dürfen (Beförderungsbedingungen für besondere Personengruppen der Deutschen Bahn AG Nr. 600/D vom 11. Dezember 2011, Nr. 2.4). Der Kläger sei kein Kriegsbeschädigter. Für die von ihm begehrte Gleichstellung bestehe keine Rechtsgrundlage. Auf die Beurteilung, inwieweit seine gesundheitlichen Einschränkungen eine Unterbringung in der 1. Wagenklasse erforderten, komme es daher nicht an.

Gegen den ihm am 27. August 2014 zugestellten Gerichtsbescheid hat der Kläger am 18. September 2014 Berufung beim Landessozialgericht (LSG) Sachsen-Anhalt eingelegt und vorgetragen: Er begehre weiterhin die Benutzung der 1. Wagenklasse mit Fahrausweis für die 2. Wagenklasse, da die Züge der Deutschen Bahn meistens voll besetzt seien und niemand einen Behindertenplatz frei machen müsse. Ggf. müsse er einem Schwerkriegsbeschädigten gleichgestellt werden, da er nicht in der Lage sei, länger als fünf Minuten zu stehen.

Der Kläger beantragt sinngemäß nach seinem schriftlichen Vorbringen,

den Gerichtsbescheid des SG Dessau-Roßlau vom 21. August 2014 sowie den Bescheid des Beklagten vom 2. Januar 2014 in der Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 19. Mai 2014 aufzuheben und den Beklagten zu verpflichten, bei ihm ab 17. Dezember 2013 das Vorliegen der Voraussetzungen für das Merkzeichen "1. Kl." ab 17. Dezember 2013 festzustellen.

Der Beklagte beantragt,

die Berufung zurückzuweisen.

Er verweist erneut darauf, dass der Kläger nicht zum Personenkreis der Schwerkriegsbeschädigten oder zu den Verfolgten im Sinne des Bundesentschädigungsgesetzes gehöre und eine Gleichstellung nicht möglich sei.

Die Berichterstatterin hat den Kläger mit Schreiben vom 21. Oktober 2014 auf die fehlenden Erfolgsaussichten hingewiesen. Mit Schreiben vom 6. November 2014 hat er mitgeteilt, dass er das Berufungsverfahren weiter fortführen möchte. Mit einer Entscheidung ohne mündliche Verhandlung hat er sich nur zu seinen Gunsten einverstanden erklärt.

Wegen der weiteren Einzelheiten des Sach- und Streitstandes wird auf den Inhalt der Gerichts- und der Verwaltungsakte des Beklagten Bezug genommen.

 

Entscheidungsgründe:

Der Senat durfte den Rechtsstreit in Abwesenheit des Klägers verhandeln und entscheiden, weil dieser ordnungsgemäß geladen und in der Ladung auf diese Möglichkeit hingewiesen worden ist, § 110 Abs. 1 Satz 2 SGG.

Die Berufung gegen den Gerichtsbescheid des SG Dessau-Roßlau vom 21. August 2014 ist zulässig, aber unbegründet.

Der Kläger hat keinen Anspruch auf die Feststellung des von ihm begehrten Merkzeichens "1. Kl.". Auf Grundlage von § 70 SGB IX regelt § 3 Abs. 1 Nr. 6 der Schwerbehindertenausweisverordnung, dass das Merkzeichen "1. Kl." einzutragen ist, wenn der schwerbehinderte Mensch die im Verkehr mit Eisenbahnen tariflich festgelegten gesundheitlichen Voraussetzungen für die Benutzung der 1. Wagenklasse mit Fahrausweis der 2. Wagenklasse erfüllt. Für die Auslegung der gesundheitlichen Voraussetzungen des Merkzeichens "1. Kl." kann zwar nicht mehr unmittelbar auf die Nr. 34 der "Anhaltspunkte für die ärztliche Gutachtertätigkeit im sozialen Entschädigungsrecht und nach dem Schwerbehindertenrecht (Teil 2 SGB IX) = AHP" zurückgegriffen werden, denn diese sind ab dem 1. Januar 2009 durch die als Anlage zu § 2 der Versorgungsmedizin-Verordnung ergangenen "Versorgungsmedizinischen Grundsätze" (VMG) ersetzt worden, ohne dass in diesen eine der Nr. 34 entsprechende Festlegung enthalten ist. Der Senat wendet jedoch die bisherigen Grundsätze bei seiner Beurteilung des Merkzeichens "1. Kl." weiterhin an, weil nur so ein gleichmäßiger Maßstab im gesamten Bundesgebiet gewährleistet wird (so auch LSG Niedersachsen-Bremen, Beschluss vom 23. September 2010, L 12 SB 34/09, juris).

Nach Nr. 34 Abs. 1 AHP kommt der Nachteilsausgleich "1. Kl." für Schwerkriegsbeschädigte und Verfolgte im Sinne der Bundesentschädigungsgesetzes mit einer MdE von mindestens 70 v.H. in Betracht (so die maßgeblichen Tarifbestimmungen der Deutschen Bahn AG in der jeweiligen seit der Antragstellung gültigen Fassung; Beförderungsbedingungen für besondere Personengruppen - Tfv 600/D - aktuelle Fassung vom 14. Dezember 2014, Nr. 2.4). Diesem Personenkreis gehört der Kläger unstreitig nicht an. Er ist kein Schwerkriegsbeschädigter und auch kein Verfolgter im Sinne der Bundesentschädigungsgesetzes Für die von Kläger begehrte Gleichstellung mit diesem Personenkreis besteht keine Rechtsgrundlage. Aus seinen körperlichen Einschränkungen kann eine solche nicht abgeleitet werden, denn alle Schwerbehinderten mit einem vergleichbaren Leiden sind ebenfalls auf die Inanspruchnahme der 2. Wagenklasse zu verweisen. Es handelt sich beim Kläger nicht um einen besonders gelagerten Einzelfall, bei dem ausnahmsweise eine Regelungslücke besteht, die durch eine analoge Anwendung geschlossen werden müsste.

Die Kostenentscheidung beruht auf § 193 SGG.

Gründe für die Zulassung der Revision liegen nicht vor, § 160 Abs. 2 SGG.