Tatbestand:

Der Kläger begehrt die Anerkennung eines tätlichen Angriffs im Sinne des § 1 Abs. 1 Opferentschädigungsgesetz (OEG).

Der Kläger, der mindestens 13 Alias-Namen trägt und Geburtsdaten zwischen Anfang 1975 und Ende 1980 angibt, ist Marokkaner und hat in der mündlichen Verhandlung vor dem Senat seinen Namen abweichend von seinen im vorliegenden Verfahren bisher gemachten Angaben mit H. St. angegeben. Seinem Vorbringen zufolge reiste er 2002 in die Bundesrepublik Deutschland ein. 2004 hielt er sich für unbestimmte Zeit in Frankreich, Belgien und Österreich auf und wurde jeweils in die Bundesrepublik Deutschland rücküberstellt. Seit dem 02.04.2004 ist er bestandskräftig ausreisepflichtig. Seitdem erhielt er Duldungen, zunächst, weil seine richtige Identität nicht bekannt war und keine Passdokumente beantragt werden konnten, anschließend seit Herbst 2011 wegen einer Thromboseerkrankung im Gehirn und daraus folgender Fluguntauglichkeit. Nachdem er mehrfach untertauchte, die Bescheinigungen über die Aussetzung der Abschiebung abliefen und er gegen die Auflage der räumlichen Beschränkung verstieß, stellte die Stadt R. eine Strafanzeige und erwirkte einen Haftbefehl zur Aufenthaltsermittlung. Im Zuge der polizeilichen Aufenthaltsermittlung wurde bekannt, dass gegen ihn ein weiterer Haftbefehl des Amtsgerichts Ravensburg wegen eines Raubes im Jahr 2007 vorlag.

Am 02.02.2012 wurde er in der Augenklinik der Universitätsklinik U., die er selbst aufgesucht hatte, festgenommen. Bei seiner stationären Aufnahme gab er an, seine Verletzungen während einer Schlägerei erlitten zu haben und zuvor bereits in einem Krankenhaus in S. gewesen zu sein. Eine Nachfrage der Klinik bei sämtlichen S. Krankenhäusern ergab allerdings keine Bestätigung.

Bei seiner richterlichen Vernehmung bei Eröffnung des Haftbefehls am 03.02.2012 gab der Kläger an, seine Verletzung am Auge stamme von einem Faustschlag, der mit einem Stück Holz ausgeführt worden sei. Es sei nachts um 22 Uhr in S., Stadtmitte, nicht weit vom Bahnhof passiert. Er habe von F. über S. nach R. fahren wollen. Er sei auf der Straße drei Personen begegnet, die ihn nach Zigaretten gefragt hätten. Er habe dem Ansinnen nicht entsprechen können. Eine der drei Personen habe nach seiner Tasche gegriffen, der Kläger habe dies abgewehrt und dann unmittelbar einen Schlag aufs Auge erhalten. Die Täter seien zwischen 26 und 27 Jahren alt gewesen, er würde die Gesichter auf Vorhalt wieder erkennen. Er sei in S im Krankenhaus gewesen und habe vier Tage im Koma gelegen. Dann sei er in R. und in U. im Krankenhaus gewesen. In S. habe er keinen Arzt angetroffen. Er habe das Krankenhaus verlassen, da er die Verletzung des Auges nicht für gefährlich gehalten habe. Die Lichtbildvorlage von 503 Personen führte zu keinem Ergebnis. Das Ermittlungsverfahren gegen die unbekannten Täter wurde eingestellt.

Bei seiner polizeilichen Vernehmung am 22.02.2012 als Geschädigter gab er an, sich die vergangenen Wochen bei namentlich nicht benannten Bekannten in F., A. und H. aufgehalten zu haben. Auf der Rückfahrt sei er in der Nähe des Bahnhofs in der Fußgängerzone der Innenstadt von S. von drei unbekannten männlichen Tätern angegriffen worden, von denen ihm einer mit einem Holzstock seitlich auf das rechte Auge geschlagen habe. Von den drei Tätern habe er zwei nicht wirklich gesehen. Einer sei aber ein kleiner Dicker (ca. 1,70 m) mit wenig Haaren, osteuropäischem Aussehen und einem kleinen farbigen Tattoo an der Halsseite gewesen. Er habe eine Sch.e Jacke der Marke "Star" angehabt. Die drei seien betrunken gewesen, hätten Bier in der Hand gehabt und ihn normal, nicht aggressiv, nach Zigaretten gefragt. Der Dicke habe ihm dann in die Hosentasche und die Gesäßtasche gegriffen. Er habe dessen Hände festgehalten, worauf einer der anderen ihm mit einem Holzstock seitlich einen Schlag aufs rechte Auge versetzt habe. Es sei nur ein Schlag gewesen, seitlich ins Auge, nicht gegen die Augenhöhle oder Knochen, sondern direkt ins Auge. Den Holzstock habe er nicht gesehen, aber gespürt. Er habe sein Auge mit der Hand bedeckt, alles sei voller Blut gewesen. Er sei dann zu Boden gegangen und bewusstlos geworden. Die Täter seien gleich abgehauen. Er habe Zigaretten, Handy und 80,00 Euro Bargeld dabei gehabt, die seien nach dem Angriff noch da gewesen. Nach vier Tagen sei er im Krankenhaus wieder zu sich gekommen.

Der Arztbrief der Augenklinik des Universitätsklinikums U. vom 03.02.2012 ergab nach notfallmäßiger stationärer Aufnahme für das rechte Auge die Diagnosen Zustand nach (Z. n.) contusio bulbi bei Schlägerei am 21.01.2012, Z. n. Bindehaut- und Skleranaht, extern, Hämophtalmus und allgemein retrograde Amnesie, Nasenpyramidenfraktur, Orbitabodenfraktur. Auf dem rechten Auge bestand kein Sehvermögen. Empfohlen wurde eine Enukleatio bulbi. Die Operation wurde am 28.02.2012 durchgeführt (Arztbrief Augenklinik des Universitätsklinikums U. vom 29.02.2012).

Am 05.07.2012 beantragte er beim Beklagten Beschädigtenversorgung nach dem OEG. Er gab an, am 21.01.2012 Opfer eines Raubes geworden zu sein und das rechte Auge verloren zu haben. Dipl.-Musiker, Dipl.-Psych. B. bescheinigte am 29.05.2012 nach psychotherapeutischer Behandlung seit dem 14.05.2012 eine schwere Persönlichkeitsstörung.

Der Kläger war bereits nach dem Stand vom Februar 2012 25mal polizeilich in Erscheinung getreten. Derzeit verbüßt er eine mehrjährige Freiheitsstrafe in der Justizvollzugsanstalt R. Er ist mehrfach vorbestraft, auch wegen Körperverletzung. Am 28.12.2013 verletzte er einen Mitbewohner im Wohnheim mit einem Teppichmesser im Gesicht. Zuvor hatte er am 27.09.2012 einem Mitbewohner eine Bierflasche auf den Kopf geschlagen. Am 19.10.2012 erstattete Dr. Sch., Ärztin der Institutsambulanz der Südwürttembergischen Zentren für Psychiatrie (ZfP W.), ein psychiatrisches Gutachten zur Frage der Unterbringungsbedürftigkeit. Sie stellte die Diagnosen Alkoholabhängigkeit, Anpassungsstörung und Verdacht auf eine kombinierte Persönlichkeitsstörung mit emotional-instabilen und dissoziativen Anteilen, insbesondere mit geringer Frustrationstoleranz und erhöhter Impulsivität. In den wiederholten Phasen massiven Alkoholkonsums sei es immer wieder zu selbst- und fremdaggressiven Durchbrüchen gekommen. Es gebe mehrere Suizidversuche in der Vorgeschichte. Am 23.09.2011 sei er wegen akuter Suizidalität bei Alkoholintoxikation in das Krankenhaus St. E. eingewiesen worden, nachdem Passanten ihn stark blutend auf der Straße gefunden hätten. Er habe sich in suizidaler Absicht ins rechte Handgelenk geschnitten. In der Nacht vom 03. auf den 04.06.2012 habe sich der Kläger in der Unterkunft unter Alkoholeinfluss so massiv selbst verletzt, dass das Blut bis fast unter die Decke gespritzt sei und sämtliche Wände hätten abgewaschen und neu gestrichen werden müssen. Der Kläger selbst gab gegenüber der Gutachterin an, diese Probleme seit ca. fünf Jahren zu haben, bei seinem stationären Aufenthalt in der ZfP W. gab er 12 Jahre an. Wenn er trinke, habe er keine Kontrolle über sich selbst. Eine geschlossene Unterbringung wurde mangels Erfolgsaussicht nicht befürwortet, da er sich für eine Fortsetzung seines Konsums entschieden habe. Mit Beschluss vom 22.10.2012 verfügte das Amtsgericht Ravensburg nach einem weiteren Angriff auf einen Mitbewohner die vorläufige Einweisung des Klägers. Während des Polizeieinsatzes zertrümmerte er sein Glasauge.

Mit Bescheid vom 01.10.2012 lehnte der Beklagte die Gewährung von Beschädigtenversorgung ab. Zum Zeitpunkt des Vorfalls am 21.01.2012 sei aufgrund des Untertauchens des Klägers sein Aufenthalt nicht rechtmäßig gewesen, so dass er nicht zum anspruchsberechtigten Personenkreis des OEG gehöre. Außerdem sei nach Auswertung der Ermittlungsakten nicht nachgewiesen, dass die am 21.01.2012 erlittene Körperverletzung auf einen vorsätzlichen, rechtswidrigen tätlichen Angriff im Sinne des § 1 OEG zurückzuführen sei. Der nicht näher begründete Widerspruch des Klägers wurde mit Widerspruchsbescheid vom 08.03.2013 zurückgewiesen.

Hiergegen hat der Kläger am 10.04.2013 Klage beim Sozialgericht Konstanz (SG) erhoben, zunächst gerichtet auf Leistungen nach dem OEG. Er habe ein schwerwiegendes Trauma erlitten und deshalb ein völlig anormales Sozialverhalten. Das SG hat die zuletzt auf Anerkennung des Ereignisses vom 21.01.2012 nach dem OEG gerichtete Klage mit Urteil vom 14.08.2013 abgewiesen. Es könne offen bleiben, ob die Klage unzulässig sei, da der Kläger derzeit obdachlos sei und sein Bevollmächtigter ihn nicht zur mündlichen Verhandlung habe abholen können. Immerhin bestünden gelegentliche Kontakte. Die Klage sei jedenfalls unbegründet, da der Kläger nicht zu dem vom OEG geschützten Personenkreis gehöre. Ein rechtmäßiger Aufenthalt in der Bundesrepublik Deutschland habe im Januar 2012 wegen der Befristung der Duldung nicht vorgelegen. Hinsichtlich der Frage, ob der Kläger einen tätlichen Angriff erlitten habe, teile das Gericht die Bedenken des Beklagten hinsichtlich des fehlenden Nachweises prinzipiell.

Gegen das am 30.09.2013 zugestellte Urteil hat der Kläger am 31.10.2013 Berufung beim Landessozialgericht Baden-Württemberg eingelegt. Ihm stünden Leistungen nach dem OEG zu, weil er sonst zum zweiten Mal Opfer würde. Er komme mit seiner Behinderung nicht zurecht, könne nicht arbeiten, niemand helfe ihm. Der Angriff stehe außer Zweifel, denn niemand würde sich freiwillig oder selbst so schwer verletzen. Er habe die Verlängerung der Duldung vor der Tat beantragt.

Der Kläger beantragt,

das Urteil des Sozialgerichts Konstanz vom 14. August 2013 und den Bescheid vom 1. Oktober 2012 in der Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 8. März 2012 aufzuheben und den Beklagten zu verurteilen, das Ereignis vom 21. Februar 2012 nach dem OEG anzuerkennen.

Der Beklagte beantragt,

die Berufung zurückzuweisen.

Er hält die Berufung aus allen vom SG genannten Gründen für unbegründet.

Der Senat hat den Kläger in der mündlichen Verhandlung am 17.12.2015 persönlich angehört. Der Kläger hat angegeben, er habe in S. einen Freund namens S. H. besucht. Dieser habe ihn vom Bahnhof abgeholt und sie seien mit Straßenbahn und Bus zu ihm nach Hause gefahren. Dort habe er etwas Wein getrunken. Danach habe er einen Platz gesucht, wo man Wein bekommen könne. Auf diesem Weg habe er die Täter getroffen. Der Tatort sei eine Stelle gewesen, wo viele Fernbusse hielten. Er könne von den Tätern nur den beschreiben, dessen Hände er festgehalten habe. Dieser sei 24 bis 30 Jahre alt gewesen, von kräftiger Statur und so groß wie er selbst. Er habe eine kleine Tätowierung auf der linken Seite gehabt. Er schätzte, er sei Europäer gewesen. Seine Haare seien so kurz gewesen, dass sie hochgestanden hätten. Das Gesicht sei voll mit Punkten gewesen. Er sei ca. drei bis fünf Minuten nach dem Schlag bewusstlos geworden. Einen Passantin habe den Krankenwagen angerufen. Er habe nicht mitbekommen, wie er in den Krankenwagen transportiert worden sei. Er sei im Krankenhaus zu sich gekommen. Vorher sei er vielleicht zwei Tage bewusstlos gewesen. Er sei an der Augenbraue genäht worden. Er habe gemerkt, dass er nicht mehr die volle Sehkraft habe und habe das Krankenhaus eigenmächtig verlassen. Er habe seine Ausweispapiere bei sich gehabt, auch nach Verlassen des Krankenhauses.

Wegen der weiteren Einzelheiten wird auf die Senatsakte, insbesondere die Niederschrift über die mündliche Verhandlung am 17.12.2015, die SG-Akte, die OEG-Akte nebst Ermittlungsakte und die Akten der Ausländerbehörde der Stadt R. verwiesen.

 

Entscheidungsgründe:

Die Berufung ist form- und nach § 151 Abs. 1 SGG auch fristgereicht eingelegt worden. Die Berufung ist auch im Übrigen zulässig, insbesondere statthaft (§ 143, § 144 Abs. 1 SGG), aber unbegründet.

Dies folgt zum einen aus der fehlenden Zulässigkeit der Klage. Der Kläger hat seine ursprünglich zulässige kombinierte Anfechtungs- und Leistungsklage (§ 54 Abs. 1 und 4 SGG) auf Leistungen nach dem OEG in der mündlichen Verhandlung beim SG auf die Verurteilung des Beklagten zur Anerkennung des Ereignisses am 21.01.2012 nach dem OEG beschränkt, Leistungen ausdrücklich nicht mehr gefordert. Die Auslegung dieses Klageantrags ergibt, dass nunmehr eine Feststellung begehrt wurde, auch wenn der Begriff nicht genannt wurde. Diese Klageänderung führt zur Unzulässigkeit der Klage (vgl. LSG Baden-Württemberg, Urteil vom 18.09.2009 - L 8 U 5884/08 -, juris, Rz. 32 ff. zu einer Teilrücknahme der Klage durch spätere Antragsbeschränkung; zuletzt Beschluss des Senats vom 30.11.2015 - L 6 VG 4477/14 - nicht veröffentlicht). Hintergrund ist, dass bis zur Entscheidung des Bundessozialgerichts vom 16.12.2014 (B 9 V 1/13 R -, SozR 4-3800 § 1 Nr. 21) eine Elementenfeststellung von der Rechtsprechung, auch des erkennenden Senats, für sachgerecht gehalten wurde (vgl. Urteil des Senats vom 13.12.2012 - L 6 VG 2210/12 -, juris), die Instanzgerichte infolge dessen auf entsprechende - sachdienliche - Antragstellung hingewirkt haben. Nach der höchstrichterlichen Rechtsprechung kann aber ein Feststellungsbegehren weder auf § 55 Abs. 1 Nr. 3 SGG noch auf § 55 Abs. 1 Nr. 1 SGG gestützt werden, weil nur eine isolierte Feststellung von Schädigungsfolgen im Sinne des OEG zulässig ist, nicht aber die Klärung einzelner Elemente als Vorfrage des Anspruches nach § 1 Abs. 1 Satz 1 OEG (vgl. hierzu BSG, a.a.O., Rz. 10 ff). Danach ist die auf Feststellung gerichtete Klage unzulässig.

Die Berufung ist aber auch deswegen zurückzuweisen, weil der geltend gemachte Anspruch nicht besteht und die Klage damit unbegründet ist. Nach § 1 Abs. 1 Satz 1 OEG erhält, wer im Geltungsbereich des OEG in Folge eines vorsätzlichen, rechtswidrigen tätlichen Angriffs gegen seine oder eine andere Person oder durch dessen rechtmäßige Abwehr eine gesundheitliche Schädigung erlitten hat, wegen der gesundheitlichen und wirtschaftlichen Folgen auf Antrag Versorgung in entsprechender Anwendung der Vorschriften des Bundesversorgungsgesetzes (BVG).

Grundsätzlich müssen die tatbestandlichen Voraussetzungen des § 1 OEG voll bewiesen sein. Ein solcher Nachweis eines vorsätzlichen, rechtswidrigen tätlichen Angriffs ist vorliegend nicht erbracht. Zeugen sind nicht vorhanden, Täter konnten nicht ermittelt werden.

Nach § 6 Abs. 3 OEG ist allerdings auch im Anwendungsbereich des OEG das Gesetz über das Verwaltungsverfahren der Kriegsopferversorgung (KOVVfG) mit Ausnahme der §§ 3 bis 5 KOVVfG anzuwenden, insbesondere auch die für Kriegsopfer geschaffene spezielle Beweiserleichterung des § 15 KOVVfG. Danach sind die Angaben des Antragstellers, die sich auf die mit der Schädigung im Zusammenhang stehenden Tatsachen beziehen, wenn Unterlagen nicht vorhanden oder nicht zu beschaffen oder ohne Verschulden des Antragstellers oder seiner Hinterbliebenen verlorengegangen sind, der Entscheidung zugrunde zu legen, soweit sie nach den Umständen des Falles glaubhaft erscheinen (Satz 1 der Vorschrift).

Glaubhaftmachung i. S. des § 15 KOVVfG bedeutet das Dartun überwiegender Wahrscheinlichkeit, d.h. der guten Möglichkeit, dass der Vorgang sich so zugetragen hat, wobei durchaus gewisse Zweifel bestehen bleiben können (BSG, Beschluss vom 8. August 2001 - B 9 V 23/01 B - SozR 3-3900 § 15 Nr. 4; Urteil vom 22. September 1977 - 10 RV 15/77 - BSGE 45, 9; vgl. auch Urteil vom 17. Dezember 1980 - 12 RK 42/80 - SozR 5070 § 3 Nr. 1). Dieser Beweismaßstab ist durch seine Relativität gekennzeichnet. Es muss nicht, wie bei der Wahrscheinlichkeit des ursächlichen Zusammenhanges, mehr für als gegen die glaubhaft zu machende Tatsache sprechen. Es reicht die gute Möglichkeit aus, d.h. es genügt, wenn bei mehreren ernstlich in Betracht zu ziehenden Möglichkeiten das Vorliegen einer davon relativ am wahrscheinlichsten ist, weil nach Gesamtwürdigung aller Umstände besonders viel für diese Möglichkeit spricht; von mehreren ernstlich in Betracht zu ziehenden Sachverhaltsvarianten muss den Übrigen gegenüber einer das Übergewicht zukommen. Die bloße Möglichkeit einer Tatsache genügt jedoch nicht, die Beweisanforderungen zu erfüllen. Ob das Gericht die Beweisanforderungen als erfüllt ansieht, obliegt nach § 128 Abs. 1 Satz 1 SGG seiner freien richterlichen Beweiswürdigung. Die Anwendung dieses Maßstabes setzt aber voraus, dass der Antragsteller Angaben zu den entscheidungserheblichen Fragen aus eigenem Wissen machen kann und widerspruchsfrei vorträgt (LSG Nordrhein-Westfalen, Urteil vom 20. Dezember 2006 - L 10 VG 17/02 - zit. nach Juris).

Eine gute Möglichkeit, dass die Augenverletzung des Klägers auf einen tätlichen vorsätzlichen rechtswidrigen Angriff zurück, besteht zur Überzeugung des Senats nicht. Der Beklagte hat dies zu Recht auch so gesehen. Zeugen für den Vorfall gibt es nicht. Der Kläger hat bisher widersprüchliche Angaben zu dem Vorfall gemacht. Bei seiner richterlichen Vernehmung hat er angegeben, alle drei Täter seien zwischen 26 und 27 Jahren alt und er könne alle drei auf Vorhalt wieder erkennen. Bei der polizeilichen Vernehmung hat er angegeben, nur einen gesehen zu haben, konnte diesen aber präzise beschreiben. Schließlich hat er bei Vorhalt von mehr als 500 Fotos niemanden erkannt. Bei seiner Aufnahme in der Augenklinik U. hat er als Ursache seiner Verletzungen eine Schlägerei angegeben, keinen Angriff. Diesen hat er erstmals gegenüber den Polizisten angegeben, die ihn in der Klinik aufgrund eines Haftbefehls festnehmen wollten. Bei der richterlichen Vernehmung hat er angegeben, er habe dem Ansinnen nach Zigaretten nicht entsprechen können. In der polizeilichen Vernehmung hat er angegeben, er habe Zigaretten (und Handy nebst Bargeld) dabei gehabt. Diese seien auch nach dem Angriff noch da gewesen. Inkonsistent ist auch das Vorbringen, nur einen Schlag - einmal mit einer Faust, einmal mit einer Holzlatte - erhalten zu haben, da er zwei Frakturen erlitten hat. Schließlich kann auch das Datum des Vorfalls nicht als gesichert angenommen werden, weil zwar eine Vorbehandlung vor der stationären Aufnahme am 29.01.2012 im Universitätsklinikum U. stattgefunden haben muss, denn dort wurde ein Zustand nach Bindehaut- und Skleranaht, extern, festgestellt. Wann und wo diese erfolgt ist, kann aber nicht festgestellt werden, da insbesondere die vom Kläger angegebene Behandlung in einem Krankenhaus in S., wo er seinen Angaben zufolge allerdings keinen Arzt gesehen habe, sich nicht verifizieren ließ, da in allen S. Krankenhäusern auf Anfrage eine Behandlung des Klägers im fraglichen Zeitraum nicht dokumentiert ist. Angesichts der auch noch am 02.02.2012 noch bestehenden gravierenden Augenverletzung und dem behaupteten Koma ist es schlechterdings nicht vorstellbar, dass sich in einem deutschen Krankenhaus kein Arzt um den Kläger gekümmert hat und er dieses ohne Weiteres wieder verlassen konnte ohne dass irgendwelche Krankenunterlagen noch so zeitnah hätten ermittelt werden können. Dies spricht aus Sicht des Senats vielmehr dafür, dass der Kläger überhaupt nicht in S. in ärztlicher Behandlung war, was seine Glaubwürdigkeit hinsichtlich des Tatorts und der Tatzeit erschüttert. Es ist auch wenig glaubhaft, dass Täter, die ihrer Forderung nach Zigaretten mit einem Faustschlag Nachdruck verleihen, dann aber dem wehrlosen Opfer alle Wertgegenstände sogar die Zigaretten überlassen.

Diese Widersprüchlichkeiten konnten auch durch die erneute Befragung des Klägers in der mündlichen Senatsverhandlung nicht ausgeräumt werden. Zunächst hat er einen anderen Anlass seines Aufenthalts in S. genannt, nämlich den Besuch bei seinem Freund S. H., der ihn am Bahnhof abgeholt hat und den anschließenden Aufenthalt in der Stadt, um Wein zu bekommen. In den beiden vorherigen Vernehmungen hat er demgegenüber angegeben, auf dem Weg nach R. gewesen zu sein. Der Kläger hat auch eine abweichende Beschreibung eines Täters geliefert. Er hat nämlich angegeben, der eine Täter sei so groß wie er gewesen, während er zuvor angegeben hatte, dieser sei kleiner als er gewesen und dick. Auch konnte er nunmehr - knapp vier Jahre nach dem behaupteten Vorfall - erstmals noch nähere Angaben zum Aussehen, nämlich Haare so kurz, dass sie hochstanden und viele Punkte im Gesicht machen, was für den Senat nicht nachvollziehbar ist. Das Alter des einen Täters hat er nunmehr mit 24 bis 30 Jahre angegeben, in der richterlichen Vernehmung hat er alle Täter als 26 bis 27 Jahre alt geschätzt. Zum Tatort hat er ebenfalls abweichende Angaben von den beiden bisherigen Vernehmungen gemacht, nämlich eine Stelle, an der viele Fernbusse halten. Bisher hat er die Stuttgarter Innenstadt in der Nähe des Bahnhofs als Tatort angegeben. Die Fernbusse hielten jedoch bereits 2012 nicht in der Nähe des Hauptbahnhofs in der Innenstadt, sondern am Bahnhof Z. Er hat behauptet, zu dieser Zeit Ausweispapiere bei sich geführt zu haben, die er nach dem Verlassen des Krankenhauses immer noch gehabt habe. Umso weniger ist für den Senat der Umstand nachvollziehbar, dass sich trotz der Nachfragen der Universitätsklinik U. in allen S. Krankenhäusern kein Hinweis auf einen Aufenthalt des Klägers gefunden hat. Insgesamt haben die Angaben des Klägers in der mündlichen Verhandlung vor dem Senat nicht zur Beseitigung der bisherigen Widersprüche geführt, sondern weitere hervorgebracht.

Auch ist der vom Kläger geschilderte Angriff nicht relativ am wahrscheinlichsten von allen denkbaren Geschehensabläufen. Dies folgt aus der aktenkundigen Vorgeschichte des Klägers. Nach dem psychiatrischen Gutachten der Dr. Sch. im Unterbringungsverfahren, das im Wege des Urkundsbeweises verwertet wird, hat der Kläger nach massivem Alkoholkonsum bei Alkoholabhängigkeit aggressive Durchbrüche, die sowohl fremdaggressiv aber auch selbstverletzend verlaufen. Abgesehen von mehreren weiteren Suizidversuchen sind zwei Vorfälle aktenkundig, bei denen er nach Selbstverletzungen in seinem Blut liegend vorgefunden wurde, der eine im September 2011, also vor dem hier fraglichen Angriff. Nach seinen eigenen Angaben besteht diese Problematik bei ihm bereits mehrere Jahre, also bereits vor der hier fraglichen Schädigung. Bei der Aufnahme in das ZfP W. hat er sogar angegeben, seit 12 Jahren. Somit ist es genauso wahrscheinlich, dass der Kläger sich wieder selbst verletzt hat. In Betracht zu ziehen ist angesichts möglicher massiver Alkoholintoxikation auch ein Unfall oder - wie von ihm in der Augenklinik angegeben - eine Schlägerei, da er in der Vergangenheit auch häufig fremdaggressiv aufgefallen und sogar wegen Körperverletzung vorbestraft ist.

Die Ablehnung kann allerdings nicht darauf gestützt werden, dass der Kläger als Ausländer nicht zum anspruchsberechtigten Personenkreis zählt. Gemäß § 1 Abs. 4 OEG haben Ausländer einen Anspruch auf Versorgung, wenn sie Staatsangehörige eines Mitgliedsstaates der Europäischen Gemeinschaften sind (Nr. 1) oder soweit Rechtsvorschriften der Europäischen Gemeinschaften, die eine Gleichbehandlung mit Deutschen erforderlich machen, auf sie anwendbar sind (Nr. 2) oder wenn die Gegenseitigkeit gewährleistet ist (Nr. 3).

Gemäß Absatz 5 der Vorschrift erhalten sonstige Ausländer, die sich rechtmäßig nicht nur für einen vorübergehenden Aufenthalt von längstens sechs Monaten im Bundesgebiet aufhalten, Leistungen wie Deutsche, wenn sie sich seit mindestens drei Jahren ununterbrochen rechtmäßig im Bundesgebiet aufhalten (Nr. 1). Sie erhalten ausschließlich einkommensunabhängige Leistungen, wenn sie sich noch nicht drei Jahre ununterbrochen rechtmäßig im Bundesgebiet aufhalten (Nr. 2). Nach Satz 2 ist ein rechtmäßiger Aufenthalt im Sinne dieses Gesetzes auch gegeben, wenn die Abschiebung aus rechtlichen oder tatsächlichen Gründen oder aufgrund erheblicher öffentlicher Interessen ausgesetzt ist. Der Begriff der Rechtmäßigkeit des Aufenthalts ist somit abweichend vom Ausländerrecht definiert, weil auch der nach Ausländerrecht vollziehbar ausreisepflichtige, geduldete Ausländer sich nach dem OEG rechtmäßig in Deutschland aufhält. Ein rechtmäßiger Aufenthalt im Sinne des OEG liegt auch nach Ablauf einer Duldung vor, wenn der unrechtmäßige Aufenthalt stillschweigend hingenommen wird, obgleich nach Ablauf der Duldung die unverzügliche Abschiebung zwingend vorgeschrieben ist (vgl. Rademacker in: Knickrehm, Gesamtes Soziales Entschädigungsrecht, Handkomm., Rn. 119 zu § 1 OEG). Dies hat das Bundessozialgericht entschieden für den Fall eines Ausländers im Strafvollzug (BSG, Urteil vom 18.04.2001 - B 9 VG 5/00 R-; SozR3-3800 § 1 Nr. 19). Der Senat lässt es dahin stehen, ob diese Entscheidung auf andere Fälle, in denen ein unrechtmäßiger Aufenthalt hingenommen wird, ohne dass eine Duldung erteilt wird, auszudehnen ist. Ebenso nicht entscheidungserheblich ist die Frage, ob unter Berücksichtigung verfassungsrechtlicher Rechtsprechung ein rechtmäßiger Aufenthalt nach dem OEG bereits vorliegt, wenn ein Anspruch auf eine Duldung bestanden hätte (Rademacker, a.a.O. m.w.N.). Dies hätte zur Folge, dass zu prüfen wäre, ob ein Anspruch auf Duldung bestand.

Der Kläger ist Nordafrikaner algerischer, marokkanischer oder tunesischer Staatsangehörigkeit. Zum Zeitpunkt der behaupteten Schädigung war er untergetaucht, seine Duldung sollte beim nächsten Vorstellungstermin verlängert werden. Es ist nicht erkennbar, dass die Gründe, die während vergangenen acht Jahre zur Verlängerung der Duldung geführt hatten, entfallen waren. Vielmehr war nach Aktenlage der Stand nach seiner Inhaftierung im Februar 2012, dass die Sachbearbeiterin "nachsehen" wollte, wie es mit der Abschiebungsmöglichkeit (Reisedokumente etc.) stehe und Ermittlungen hinsichtlich der Reisefähigkeit anstellen wollte. Der Senat weist darauf hin, dass der Kläger derzeit eine Haftstrafe verbüßt. Ihm sind zwischenzeitlich weitere Duldungen erteilt worden.

Daher war die Berufung zurückzuweisen.

Die Kostenentscheidung beruht auf § 193 SGG.

Die Revision war nicht zuzulassen, da die Voraussetzungen des § 160 Abs. 2 SGG nicht vorliegen.