Tatbestand:

Streitig ist die Höhe des Krankengeldes.

Der 1952 geborene Kläger übte zunächst bis Ende Juni 2009 eine versicherungspflichtige Beschäftigung bei der Firma K. B. aus; dort verdiente er im Durchschnitt rund EUR 1.900,00 netto monatlich. Bis zum 20.7.2010 blieb er bei der Beklagten wegen Krankengeldbezuges aufgrund einer depressiven Episode versichert. Danach bezog er bis auf kurze Unterbrechungen Arbeitslosengeld (zuletzt vom 28.12.2010 bis 30.11.2011 in Höhe von 1.241,70 monatlich).

Zum 1.12.2011 nahm er eine neue Beschäftigung bei der Firma W. als "Handlungsgehilfe im Außendienst" zwecks Vermittlung von Telekom-Verträgen auf. Das Arbeitsverhältnis war auf ein Jahr befristet, die ersten sechs Monate sollten als Probezeit gelten. Die im Arbeitsvertrag (vom 1.12.2011) vereinbarte Vergütung bestand aus einem garantierten Mindestgehalt von EUR 512,00 und einer zusätzlichen Provision pro vermitteltem Auftrag (in Höhe von EUR 50,00 netto). Mit Schreiben vom 22.12.2011 kündigte die Arbeitgeberin das Arbeitsverhältnis während der Probezeit unter Wahrung der vereinbarten Kündigungsfrist von 14 Tagen zum 5.1.2011. Für seine Dienste im Dezember 2011 zahlte sie dem Kläger EUR 358,38 brutto (EUR 283,56 netto) und für die Dienste im Januar 2012 EUR 89,60 brutto (EUR 71,04 netto) aus (Entgeltbescheinigung vom 2.4.2012).

Am 22.12.2011 erkrankte der Kläger wegen einer Störung seines Kurzzeitgedächtnisses arbeitsunfähig.

Seinen bei der Beklagten gestellten Antrag auf Krankengeld lehnte diese ab (Bescheid vom 30.1.2012). Wegen der Arbeitsunfähigkeit ab 22.12.2011 stehe dem Kläger aufgrund des Erreichens der Höchstanspruchsdauer kein Krankengeld zu. Seine Mitgliedschaft bei der Beklagten ende mit dem 5.1.2012.

Hiergegen legte der Kläger (mit Schriftsatz vom 30.1.2012) Widerspruch ein.

Zugleich hat er sein Anliegen vor dem Sozialgericht Düsseldorf (SG) mit einem Antrag auf Erlass einer einstweiligen Anordnung vom 27.6.2012 verfolgt (Aktenzeichen: S 9 KR 579/12 ER): Die Beklagte habe seinen Krankengeldanspruch zu Unrecht abgelehnt, da seine Krankschreibung ab dem 22.12.2011 nicht auf derselben Krankheit beruhe, die für seinen vorangegangen Krankengeldbezug maßgeblich war. Dies habe die Beklagte mittlerweile auch anerkannt, sei aber nicht imstande den Anspruch zu berechnen und an ihn auszukehren. Im Rahmen eines gerichtlichen Erörterungstermins vom 23.8.2012 hat der Kläger seinen Antrag zurückgenommen.

Die Beklagte gab dem Widerspruch insoweit statt, als dem Kläger für die Arbeitsunfähigkeit vom 23.12.2011 bis 28.12.2011 Krankengeld in Höhe von EUR 10,46 und für die hier streitgegenständliche Zeit ab dem 6.1.2012 in Höhe von EUR 10,48 kalendertäglich zustehe (Widerspruchsbescheid vom 21.11.2012). Dem liege folgende Berechnung zu Grunde: Da der Kläger während seiner kurzen Arbeitsleistung keine höhere Vergütung erzielt habe, habe sie auf das im Arbeitsvertrag vereinbarte Mindestentgelt in Höhe von EUR 512,00 abgestellt. Der dreißigste Teil des erzielten Bruttoarbeitsentgeltes habe demnach EUR 17,07 kalendertäglich betragen. Bei einem daraus ermittelten monatlichen Nettoarbeitsentgelt von EUR 405,13 ergebe sich ein kalendertägliches Nettoarbeitsentgelt in Höhe von EUR 13,51. Da das Krankengeld 70 v.H. des Regelentgeltes (brutto) betrage, folge hieraus ein Krankengeldbetrag von EUR 11,95. Davon seien noch Beiträge zur Rentenversicherung in Höhe von EUR 1,19 (ab dem 1.1.2012: EUR 1,17), zur Arbeitslosenversicherung in Höhe von EUR 0,18 und zur sozialen Pflegeversicherung in Höhe von EUR 0,12 kalendertäglich in Abzug zu bringen. Im Ergebnis habe dem Kläger damit ein Anspruch für die Zeit vom 23.12.2011 bis 28.12.2011 in Höhe von (EUR 10,46 x 6 =) EUR 62,76 und für die Zeit vom 6.1. bis 4.7.2012 in Höhe von (EUR 10,48 x 180 =) EUR 1.886,40 zugestanden. Eine Übernahme der Kosten des Widerspruchsverfahrens komme wegen mangelnden Erfolgs des Widerspruchs nicht in Betracht.

Mit seiner hiergegen am 14.12.2012 vor dem SG erhobenen Klage hat der Kläger sein Anliegen weiter verfolgt. Da er seine letzte Beschäftigung nicht mindestens vier Wochen ausgeübt habe, liege kein für die Berechnung des Krankengeldes nach § 47 Abs. 2 Sozialgesetzbuch Fünftes Buch (SGB V) relevanter Bemessungszeitraum vor, so dass die Beklagte nicht auf das Mindestgehalt der letzten Beschäftigung hätte abstellen dürfen. Das Krankengeld solle nach seinem Sinn und Zweck den bisherigen Lebensstandard aufrechterhalten. Dies verbiete es, auf ein dreiwöchiges Probearbeitsverhältnis abzustellen, zumal die Vergütung zum großen Teil provisionsabhängig gewesen sei, wovon er erst nach Monaten profitiert hätte. Anzuknüpfen sei vielmehr an das vorletzte Arbeitsverhältnis bei der Firma K. und den dortigen Verdienst. Anderenfalls werde er für seine Arbeitsaufnahme bestraft, obwohl er bis zur Aussteuerung noch Anspruch auf Arbeitslosengeld für zwei weitere Monate gehabt hätte, das ihn wirtschaftlich günstiger gestellt hätte.

Der Kläger hat beantragt,

die Beklagte unter Abänderung des Bescheides vom 30.1.2012 in Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 21.11.2012 zu verpflichten, ihm für die Zeit ab dem 6.1.2012 bis zum 20.6.2013 Krankengeld nach Maßgabe der gesetzlichen Bestimmungen des SGB V auf Basis des beim vorletzten Arbeitgebers erzielten Einkommens zu bewilligen und auszuzahlen,

hilfsweise,

solle die Kammer darüber beraten, ob der Krankengeldanspruch in der Höhe des letzten Arbeitslosengeld - Bezuges festzusetzen ist.

Die Beklagte hat beantragt,

die Klage abzuweisen.

Sie hat ihre Berechnung verteidigt. Ihr sei nicht ersichtlich, auf welcher Rechtsgrundlage an das vorletzte Beschäftigungsverhältnis angeknüpft werden könne.

Das SG hat die Beklagte mit Urteil vom 2.10.2013 (zugestellt am 28.10.2013) unter Abänderung der angefochtenen Bescheide verpflichtet, das Krankengeld unter Zugrundelegung eines Bemessungszeitraums vom 22.9.2011 bis 22.12.2011 und der innerhalb dieser Zeit vom Kläger erzielten Einkünfte neu zu berechnen; im Übrigen werde die Klage abgewiesen. Der Gesetzgeber bringe in der Berechnungsvorschrift des § 47 Abs. 2 SGB V zum Ausdruck, dass der Bemessungszeitraum für das Krankengeld "mindestens" vier Wochen betragen müsse, jedenfalls aber auch länger sein könne. Die Vorschrift sei in Zusammenhang mit § 47b Abs. 2 SGB V zu lesen, dort hieße es: "Ändern sich während des Bezuges von Krankengeld die für den Anspruch auf Arbeitslosengeld oder Unterhaltsgeld maßgeblichen Verhältnisse des Versicherten, so ist auf Antrag des Versicherten als Krankengeld derjenige Betrag zu gewähren, den der Versicherte als Arbeitslosengeld oder Unterhaltsgeld erhalten würde, wenn er nicht erkrankt wäre." Hieraus ergebe sich, dass sich die Höhe des Krankengeldes nach dem Willen des Gesetzgebers an der wirtschaftlichen Situation des Klägers zum Zeitpunkt der Erkrankung zu orientieren habe. Die Kammer sehe in dieser Hinsicht den Zeitraum vom 22.9.2011 bis 22.12.2011 als prägend an. Der Verdienst aus der vorletzten Beschäftigung werde insoweit berücksichtigt, als er Grundlage für die Berechnung des Arbeitslosengeldes in dem herausgegriffenen Zeitraum sei.

Die Beklagte hat gegen das Urteil am 20.11.2013 Berufung eingelegt. Das SG habe zu Unrecht auf die letzten drei Monate vor Eintritt der Arbeitsunfähigkeit abgestellt. Auf diese Weise müsse neben dem in der Zeit vom 1.12.2011 bis 22.12.2011 verdienten Arbeitseinkommen unzulässiger Weise auch das in der Zeit vom 22.9.2011 bis 30.11.2011 bezogene Arbeitslosengeld berücksichtigt werden. Es sei gesetzlich nicht ausdrücklich geregelt, wie zu verfahren sei, wenn zu Beginn der Arbeitsunfähigkeit noch kein voller Kalendermonat abgelaufen sei. Aus der Rechtsprechung des Bundessozialgerichts (BSG) ergebe sich jedoch eindeutig, dass bei der Krankengeldberechnung ausschließlich auf die Entgeltverhältnisse aus dem bei Beginn des Krankengeldanspruchs bestehenden Beschäftigungsverhältnis abzustellen sei (vgl. Urteil vom 30.5.2006, Aktenzeichen: B 1 KR 19/05 R). Krankengeld könne grundsätzlich nur als Ersatz für diejenigen Einkünfte beansprucht werden, die der Versicherte vor Eintritt der Arbeitsunfähigkeit als Arbeitseinkommen bezogen habe und die wegen der Erkrankung entfielen. Nach Gesetzessystematik und Rechtsprechung sei es daher korrekt, auf das tatsächlich verdiente Mindestgehalt abzustellen. Entgegen der Rechtsauffassung des SG sei § 47b SGB V nicht anwendbar, da der Kläger zur Zeit des Entstehens des Krankengeldanspruchs kein Arbeitslosengeld bezogen habe.

Die Beklagte beantragt,

das Urteil des Sozialgerichts Düsseldorf vom 2.10.2013 zu ändern und die Klage abzuweisen.

Der Kläger beantragt,

die Berufung zurückzuweisen.

Er sieht sich durch das erstinstanzliche Urteil in seiner Rechtsauffassung bestätigt, dass ein Abstellen auf das garantierte Mindestgehalt der letzten Beschäftigung zu kurz griffe. Er hätte die neue Beschäftigung nie aufgenommen, wenn er nicht damit gerechnet hätte, das Einkommen im Laufe der Zeit über die Provisionen erheblich zu steigern.

In der mündlichen Verhandlung haben die Beteiligten einen Teilvergleich dahingehend geschlossen, dass die Beklagte die außergerichtlichen Kosten des Klägers im Widerspruchsverfahren übernimmt. Auf die Sitzungsniederschrift vom 27.11.2014 wird verwiesen.

Wegen der weiteren Einzelheiten wird auf die Verwaltungsakte der Beklagten sowie die Gerichtsakte zur Hauptsache und zum beigezogenen Eilverfahren (Aktenzeichen: S 9 KR 579/12 ER) Bezug genommen.

 

Entscheidungsgründe:

Die Berufung ist zulässig und begründet.

Das SG hat der Klage zu Unrecht mit der Maßgabe stattgegeben, dass bei der Berechnung des Krankengeldes auf einen vor Aufnahme der Beschäftigung des Arbeitsverhältnis mit der Firma W. (1.12.2011) liegenden Bemessungszeitraum abzustellen sei und damit einhergehend Einkünfte aus Arbeitslosengeld aus der Zeit vom 22.9.2011 bis 30.11.2011 Berücksichtigung finden.

Nachdem die Beklagte in der mündlichen Verhandlung ihre Entscheidung bezüglich der Kosten des Widerspruchsverfahrens durch Teilvergleich korrigiert hat, ist der Bescheid vom 30.1.2012 in Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 21.11.2012 rechtmäßig und verletzt den Kläger nicht in seinen Rechten nach § 54 Abs. 2 Sozialgerichtsgesetz (SGG).

Er hat keinen Anspruch auf ein höheres Krankengeld als die von der Beklagten für die Zeit ab dem 6.1.2012 errechneten EUR 10,48 kalendertäglich. Die Beklagte hat bei ihrer Berechnung zu Recht ausschließlich auf das zum Zeitpunkt der Feststellung der Arbeitsunfähigkeit bestehende Beschäftigungsverhältnis mit der Firma W. und die daraus resultierenden Einkünfte des Klägers abgestellt. Der Kläger hat weder einen Anspruch auf Berücksichtigung seines Verdienstes bei seinem vorletzten Arbeitgeber, noch auf Berücksichtigung seines Einkommens aus Arbeitslosengeld.

Maßgeblich für die Höhe des Krankengeldes ist die allgemeine Berechnungsvorschrift des § 47 SGB V. Der Anwendungsbereich der Sondernorm des § 47 b SGB V, der die Höhe und Berechnung des Krankengeldes bei Beziehern von Entgeltersatzleistungen regelt, ist dagegen nicht eröffnet. Zum Zeitpunkt der Feststellung seiner Arbeitsunfähigkeit war der Kläger entgeltpflichtiger Beschäftigter der Firma W. und gerade nicht mehr Bezieher von Arbeitslosengeld. Nach ständiger höchstrichterlicher Rechtsprechung (vgl. BSG, Urteil vom 14.12.2006, B 1 KR 9/06 R, Rn. 11, zitiert nach juris m.w.N.), der der Senat nach eigener Überzeugung folgt (vgl. bspw. LSG NRW, Urteil vom 13.10.2011, L 5 KR 327/11 unter www.sozialgerichtsbarkeit.de), ist für den Umfang des Krankengeldanspruches regelmäßig und allein das im Zeitpunkt der Anspruchsentstehung wirksame Versicherungsverhältnis entscheidend. Krankengeld dient der wirtschaftlichen Absicherung bei Krankheit und bietet (nur) Ersatz für das Entgelt, das dem Versicherten infolge Krankheit entgeht. Deshalb ist wirtschaftlicher Bezugspunkt regelmäßig diejenige Tätigkeit, die der versicherte Arbeitsunfähige ohne Krankheit ausüben würde (BSG, Urteil vom 7.8.1991, 1/3 RK 28/89, SozR 3-2200 § 182 Nr. 9 S. 38 f). Für ein Anknüpfen an bereits aufgegebene Beschäftigungsverhältnisse (hierzu ausdrücklich BSG, Urteil vom 14.12.2006, a.a.0., Rn. 12; und bereits zum früheren Recht der RVO BSG, Urteil vom 21.3.1974, 8 RU 81/73, SozR 2200 § 560 Nr. 1, Rn. 17) besteht damit entgegen der Rechtsauffassung des Klägers kein Raum.

Gemäß § 47 Abs. 1 SGB V beträgt das Krankengeld 70 v.H. des erzielten regelmäßigen Arbeitsentgelts und Arbeitseinkommens, soweit es der Beitragsberechnung unterliegt (Regelentgelt). Das aus dem Arbeitsentgelt berechnete Krankengeld darf 90 v.H. des bei entsprechender Anwendung des Abs. 2 berechneten Nettoarbeitsentgelts nicht übersteigen. Für die Berechnung des Regelentgelts ist dabei das vom Versicherten im letzten vor Beginn der Arbeitsunfähigkeit abgerechneten Entgeltzeitraum, mindestens das während der letzten abgerechneten vier Wochen (Bemessungszeitraum) erzielte und um einmalig gezahltes Arbeitseinkommen verminderte Arbeitsentgelt durch die Zahl der Stunden zu teilen, für die es gezahlt wurde (§ 47 Abs. 2 Satz 1 SGB V). Ist das Arbeitsentgelt nach Monaten zu bemessen oder ist eine Berechnung des Regelentgelts nach den Sätzen 1 und 2 nicht möglich, gilt der dreißigste Teil des im letzten vor Beginn der Arbeitsunfähigkeit abgerechneten Kalendermonat erzielten und um einmalig gezahltes Arbeitsentgelt verminderten Arbeitsentgelts als Regelentgelt (§ 47 Abs. 2 S. 3 SGB V).

Nach diesen Voraussetzungen ist der vom Arbeitgeber abgerechnete Zeitraum ab dem 1.12.2011 bis zum Beginn der am 22.12.2011 ärztlich festgestellten Arbeitsunfähigkeit zu berücksichtigen. Dass dieser Zeitraum nicht einmal vier Wochen erfasst, schließt den Anspruch auf Krankengeld nicht aus. Der Zweck des vierwöchigen Bezugszeitraumes besteht nicht darin, den Krankengeldanspruch zu verhindern, sondern lediglich darin, mit einer hinreichend langen Referenzzeit Zufallsergebnisse auszuschließen (allgemeine Meinung, vgl. Knittel in: Krauskopf, Soziale Krankenversicherung Pflegeversicherung, § 47 SGB V, EL 74 Juli 2011, Rn. 10 m.w.N.). Unter Abweichung vom strengen Zuflussprinzip (arg. e § 47 Abs. 2 S. 1 SGB V "erzieltes" Entgelt) ist es bei Eintritt der Arbeitsunfähigkeit kurz nach Aufnahme einer Beschäftigung auch nicht nötig, dass das Gehalt ausgezahlt wurde, sondern es soll ausreichen, wenn das Arbeitsentgelt durch Antritt der Beschäftigung bereits erarbeitet wurde (BSG, Urteil vom 30.5.2006, B 1 KR 19/05 R, SozR 4-2500, § 47 Nr. 4 Rn. 25).

Für die Heranziehung einer Bemessungsgrundlage im Einzelnen ist, da das Gesetz für den Fall der Unterschreitung des Mindestreferenzzeitraums keine ausdrückliche Regelung vorsieht, ergänzend auf die höchstrichterliche Rechtsprechung zurückzugreifen:

Die frühere Rechtsprechung (BSG, Urteil vom 23.1.1973, 3 RK 22/70, SozR Nr. 57 zu § 182 RVO; BSG, Urteil vom 22.6.1973, 3 RK 90/70, SozR Nr. 59 zu § 182 RVO) füllte die gesetzliche Lücke dadurch, dass sie entsprechend der Regelung für die Berechnung des Mutterschaftsgeldes in § 200 Abs. 2 S. 4 Reichsversicherungsordnung (RVO) den durchschnittlichen Verdienst eines gleichartig Beschäftigten zu Grunde legte. Abweichend hiervon wurde - wegen des mit der Referenzmethode nach § 47 Abs. 2 SGB V verfolgten gesetzgeberischen Zieles einer raschen Entscheidung - in der Literatur zum Teil eine Hochrechnung aus den vorhandenen Abrechnungszeiträumen vorgenommen und auf das Entgelt eines vergleichbaren Beschäftigten nur abgestellt, wenn die Hochrechnung die Verdienstverhältnisse nicht ausreichend widerspiegelte (Brandts in: Kasseler Kommentar, § 47 SGB V, Stand: EL 71, Oktober 2011, Rn. 46 m.w.N.).

Die neuere Rechtsprechung des BSG (grundlegend: Urteil vom 30.5.2006, a.a.O., Rn. 27 ff.; vgl. auch Urteil vom 24.5.2007, B 1 KR 3/07 R, Rn. 18 und Urteil vom 2.11.2007, B 1 KR 12/07 R, Rn. 19, jeweils juris), der sich der Senat nach eigener Prüfung anschließt, verwendet vor dem Hintergrund der Rechtsprechung des Bundesverfassungsgerichts (BVerfG) zu Beitragsbemessung und Leistungsgewährung bei Einmalzahlungen (Beschluss vom 11.1.1995, 1 BvR 892/88, SozR 3-2200 § 385 Nr. 6; Beschluss vom 24.5.2000, 1 BvL 1/98, 1 BvL 4/98, 1 BvL 15/99, SozR 3-2400 § 23a Nr. 1) ebenfalls den methodischen Ansatz, die individuellen Verhältnisse des Versicherten zu berücksichtigen: Demnach ist das Arbeitsentgelt anhand der von den Arbeitsvertragsparteien getroffenen und praktizierten Vereinbarungen zu schätzen. Bei hinreichender Aussagekraft kann etwa ein fest vereinbartes Monatsgehalt zu Grunde gelegt werden. Auch bei variablen Lohnbestandteilen sind vorrangig die individuellen nach dem Inhalt des Arbeitsvertrages vorausgesetzten Verhältnisse in die Schätzung einzubeziehen. Nur, wenn dies zu keinem brauchbaren Ergebnis führt, ist auf den Verdienst eines gleichartigen Beschäftigten abzustellen (BSG, Urteil vom 30.5.2006, a.a.O., Rn. 28).

Unter Zugrundelegung dieser Kriterien hat die Beklagte zutreffend auf das vereinbarte Mindestentgelt abgestellt und damit die abgerechneten drei Wochen auf einen Monatsverdienst hochgerechnet. Der Senat stellt fest, dass dies unter Berücksichtigung der individuellen Vereinbarungen der Arbeitsvertragsparteien den bei regulärem Verlauf zu erwartenden Verdienst im ersten Beschäftigungsmonat widerspiegelt. Damit wird zu Gunsten des Klägers die tatsächliche Vertragspraxis unberücksichtigt gelassen, dass die Firma W. ihm für den Kalendermonat Dezember nicht einmal das volle Mindestgehalt ausgezahlt hat. Eine Berechnung des Krankengeldes auf einer Basis unterhalb des Mindestgehaltes macht indes nicht einmal die Beklagte geltend. Für die Berücksichtigung eines individuell höheren Entgeltes, insbesondere aufgrund etwaiger Provisionen, bestand umgekehrt ebenfalls kein Anhaltspunkt. Bei dem Provisionsanspruch handelt es sich vielmehr um einen nicht realisierten und damit nach der Rechtsprechung nicht in Ansatz zu bringenden Entgeltanspruch (vgl. nur BSG, Urteil vom 24.5.2007, a.a.O., Rn. 18). Provisionen hat der Kläger im ersten Beschäftigungsmonat unstreitig weder ausgezahlt bekommen noch abstrakt erdient. Er geht sogar nach seinem eigenen Sachvortrag davon aus, dass dies kein Zufall war, sondern, dass Provisionen für ihn innerhalb der ersten Zeit auch realistischer Weise nicht zu erzielen waren. Es entspricht auch den Besonderheiten einer provisionsabhängigen Beschäftigung, dass diese sich wirtschaftlich erst mit zunehmender Berufserfahrung amortisiert. Dieses Risiko ist der Kläger mit Abschluss einer weitgehend variabel vergüteten Beschäftigung eingegangen. Es hätte auch jeden vergleichbaren kaufmännisch ungelernten Beschäftigten im hart umkämpften Sektor der Vertrags-Akquise im ersten Monat getroffen. Der Versicherungsschutz entspricht dem Umfang dieser zum Zeitpunkt der Arbeitsunfähigkeit ausgeübten Beschäftigung und kann jenseits der Maßgaben des BSG aus Anlass der Arbeitsunfähigkeit weder fiktiv noch wohlwollend erhöht werden.

Eine Aufstockung der fehlenden vierten Woche des Referenzzeitraumes durch das in der Zeit vom 22.11.2011 bis 22.12.2011 bezogene und im Vergleich zu dem späteren Mindestentgelt höhere Arbeitslosengeld schied im Anwendungsbereich des § 47 Abs. 1 SGB V ebenfalls aus. Dies ergibt sich bereits daraus, dass in dieser Regelung von dem erzielten "Arbeitsentgelt und Arbeitseinkommen" die Rede ist, das in §§ 14, 15 Sozialgesetzbuch Viertes Buch (SGB IV) legaldefiniert ist und gerade keine Lohnersatzleistungen erfasst (vgl. hierzu auch Urteil des Senates vom 13.10.2011, a.a.O.).

Ausgehend von dem vereinbarten Mindestentgelt von EUR 512,00 betrug der Krankengeldanspruch ab dem 6.1.2012 EUR 10,48 kalendertäglich. Dies hat die Beklagte rechnerisch richtig entsprechend § 47 Abs. 1 SGB V ermittelt. Da der Kläger die Berechnung als solche auch nicht angegriffen hat, verweist der Senat wegen der Einzelheiten auf die zutreffenden Ausführungen der Beklagten.

Die Kostenentscheidung folgt aus §§ 193, 183 SGG.

Die Revision war nicht zuzulassen. Es liegt kein Zulassungsgrund im Sinne von § 160 Abs. 2 SGG vor. Zwar ist die Berechnung des Krankengeldes bei Unterschreitung des vierwöchigen Referenzzeitraumes im Sinne von § 47 Abs. 2 SGB V gesetzlich nicht geregelt. Jedoch gibt die Rechtsprechung des BSG klare Vorgaben, wie diese Lücke auszufüllen ist. Hiervon weicht der Senat nicht ab. Die höchstrichterliche Maßgabe auf die individuellen Verhältnisse abzustellen führt zudem zwangsnotwendig zu einer Einzelfallentscheidung.