LSG Rh-Pfalz - Urteil vom 28.06.2005 - Az.: L 4 VS 6/04
Der sozialrechtliche
Herstellungsanspruch wird durch eine rechtswidrige
Pflichtverletzung der Verwaltung ausgelöst, ohne dass diese dabei
ein Verschulden treffen muss, und ist auf Vornahme einer
Amtshandlung zur Herstellung desjenigen Zustandes gerichtet, der
bestehen würde, wenn der Hoheitsträger die ihm aus dem bestehenden
Sozialleistungsverhältnis erwachsenen Nebenpflichten ordnungsgemäß
wahrgenommen hätte. Dazu zählt die Pflicht zur Auskunft und Beratung nach §§ 14, 15 SGB I sowie
zur verständnisvollen Förderung des Berechtigten.
Muss den Sachbearbeitern der Verwaltung aufdrängen, dass auch eine
überlange Studiendauer in ursächlichem Zusammenhang mit den
anerkannten Schädigungsfolgen steht, ist der Betroffene so zu
stellen ist, als hätte er zu diesem Zeitpunkt einen Antrag auf
Berufsschadensausgleich gestellt.
Tatbestand
Die Beteiligten streiten über die Gewährung von Berufsschadensausgleich nach dem Bundesversorgungsgesetz (BVG).
Der geborene Kläger leistete vom 01.10.1983 bis März 1985 seinen Wehrdienst bei der Bundeswehr ab. Am 06.07.1984 erlitt er auf dem Weg vom Dienstort nach Hause einen Verkehrsunfall. Im März 1985 stellte der Kläger einen Antrag auf Versorgung nach dem SVG nach Ablauf seines Wehrdienstes. Zuletzt mit Abhilfebescheid vom 29.07.1988 und Bescheid vom 03.07.1990 erkannte das Versorgungsamt Mainz als Wehrdienstbeschädigungsfolgen mit einer Minderung der Erwerbsfähigkeit (MdE) von 70 vH an:
Hirnleistungsschwäche mit Einschränkung der Konzentrations- und Merkfähigkeit; Kopfschmerzen als Ausdruck zentral vegetativer Störungen, zentrale, armbetonte Halbseitenrestsymptomatik links, Arthrose der Atlanto-axial-Gelenke beidseits und Bewegungseinschränkung der Halswirbelsäule nach Dens-Fraktur, plastisch gedeckter großer Knochendefekt der Schädelkalotte, Beeinträchtigung des Riechvermögens, Schwellneigung der linken Augenbraue, reizlose Narbe über dem linken Augenlid, Tracheotomienarbe.
Der Kläger begann im Wintersemester 1986/87, wie vor dem Unfall geplant, mit einem Studium der Pharmazie an der Universität M , nachdem die Studienberatung der Universität und eine beim Psychologischen Dienst des Arbeitsamtes B durchgeführte Eignungsuntersuchung keinerlei Bedenken gegen das Studium der Pharmazie ergeben hatten. Das Arbeitsamt M teilte dem Beklagten im März 1988 mit, das Studium mache dem Kläger Spaß, obwohl es gelegentlich Probleme gebe. Es sei davon auszugehen, dass die Probleme Folgen der Behinderung seien. Der Kläger arbeite zielgerichtet und kontinuierlich, um die von ihm erwarteten Leistungen zu erbringen. Es sei davon auszugehen, dass er bei der Aneignung von neuem Stoff etwas längere Zeit brauche. Der Kläger sei zuversichtlich, das Studium mit Erfolg zu beenden, woran es zur Zeit keine Zweifel gebe.
Mit Bescheid vom 06.12.1988 lehnte das Versorgungsamt Mainz u.a. die Gewährung von Berufsschadensausgleich ab. Zur Begründung wurde ausgeführt, ein Berufsschaden, der abzugelten wäre, sei noch nicht eingetreten, da der Kläger noch keinen Beruf erlernt und seine Berufsausbildung noch nicht abgeschlossen habe. Der Kläger befinde sich seit Oktober 1986 in dem vor der Einberufung zur Bundeswehr bereits vorgesehenen beruflichen Ausbildungsweg, sei in der Lage gewesen, das Studium aufzunehmen und werde es auch aller Voraussicht nach erfolgreich abschließen. Für die Zeit der schädigungsbedingten Arbeitsunfähigkeit vom 01.04.1985 bis zur Aufnahme des Studiums sei Versorgungskrankengeld gewährt worden, da es sich nicht um eine dauerhafte, sondern nur um eine vorübergehende berufliche Beeinträchtigung gehandelt habe. Daher stehe dem Kläger für die Zeit ab 01.04.1985 kein Anspruch auf Berufsschadensausgleich zu.
Im Rahmen einer durch Prof. Dr. S , Direktor des Neurologischen Landeskrankenhauses M im Februar 1990 durchgeführten Begutachtung teilte der Kläger mit, den Anforderungen des Studiums im 5. pharmazeutischen Fachsemester fühle er sich durchaus gewachsen.
Im April 1991 teilte der Kläger mit, er sei zwar weiterhin für das Pharmaziestudium immatrikuliert, leide aber mit Zunahme des Lernpensums trotz intensiver Bemühungen an stärkerer Konzentrationsschwäche, verbunden mit lang anhaltenden Kopfschmerzen. Er befürchte, dass er das Studienziel nicht erreichen werde und bitte um Beratung. Der Beklagte (Hauptfürsorgestelle) schlug dem Kläger daraufhin vor, sich baldmöglichst mit dem Arbeitsamt M (Berufsberatung) in Verbindung zu setzen, damit dort gegebenenfalls ein neuer Eingliederungsvorschlag erarbeitet werden könne. In der Folgezeit legte der Kläger zahlreiche Bescheinigungen über die fortbestehende Immatrikulation für das Studienfach Pharmazie vor (zuletzt für das Wintersemester 1996/97).
Im Februar 1997 teilte der Kläger mit, er habe am 01.02.1997 eine zweijährige Lehre als Kaufmann im Groß- und Außenhandel begonnen und legte den Lehrvertrag sowie eine Verdienstabrechnung vor. Auf Rückfrage teilte der Kläger mit, eine Exmatrikulation sei noch nicht erfolgt, da zunächst die Probezeit des Lehrvertrags abgewartet werden solle.
Im August 1998 beantragte der Kläger erneut die Gewährung von Berufsschadensausgleich und teilte mit, er habe bis zum 4. Fachsemester studiert, das Studium jedoch vor allem aufgrund der unfallbedingten Konzentrationsschwierigkeiten nicht zu Ende führen können, so dass ihm Berufsschadensausgleich nach dem Vergleichseinkommen eines angestellten Apothekers zustehe. Im Juli 1998 legte der Kläger die Prüfung zum Groß- und Außenhandelskaufmann ab. Am 17.11.1998 wurde der Kläger an der J G -Universität M exmatrikuliert. Die Universität teilte auf Anfrage mit, der Kläger habe seine letzte Prüfung im Institut für Pharmazie am 29.11.1992 abgelegt und danach an keinem Praktikum mehr teilgenommen.
Die Sozialmedizinerin Frau Dr. F kam in einer versorgungsärztlichen Stellungnahme zu dem Ergebnis, aus ärztlicher Sicht könne nicht festgestellt werden, ob weitere Gründe neben den anerkannten Gesundheitsstörungen für die Aufgabe des Pharmaziestudiums vorgelegen hätten. Aufgrund der Art und Schwere der anerkannten Schädigungsfolgen sei jedoch davon auszugehen, dass diese gesundheitlichen Schäden vorrangig für die Aufgabe des Studiums der Pharmazie von Bedeutung gewesen seien. Mit Bescheid vom 03.05.1999 erhöhte das Amt für soziale Angelegenheiten Mainz daraufhin die MdE nach § 30 Abs. 1 und 2 BVG auf 80 vH.
Mit Bescheid vom 12.07.1999 gewährte das Amt für soziale Angelegenheiten dem Kläger ab 01.08.1998 Berufsschadensausgleich und ging davon aus, dass der Kläger aufgrund der anerkannten Schädigungsfolgen das Studium aufgegeben und eine Ausbildung zum Großhandelskaufmann absolviert hätte. Daher sei davon auszugehen, dass er als Pharmazeut ein höheres Einkommen (Durchschnittseinkommen der Besoldungsgruppe A 13 Dienstalterstufe 6) habe, so dass eine Einkommensminderung angenommen werde.
Hiergegen legte der Kläger Widerspruch ein, mit dem er die Gewährung von Berufsschadensausgleich für frühere Zeiten begehrte. Mit Bescheid vom 28.07.1999 lehnte das Amt für soziale Angelegenheiten einen Zugunstenantrag auf Zurücknahme des Bescheids vom 06.12.1988 und Gewährung von Berufsschadensausgleich für einen früheren Zeitraum ab. Mit Bescheid vom 27.09.1999 berechnete der Beklagte die dem Kläger zustehenden Leistungen neu, wogegen der Kläger Widerspruch einlegte, soweit die Versorgungsbezüge erst ab 1998 gezahlt würden.
Den Widerspruch gegen den Bescheid vom 12.07.1999 wies der Beklagte mit Widerspruchsbescheid vom 05.01.2000 zurück. Den Widerspruch gegen den Bescheid vom 28.07.1999 wies der Beklagte mit Widerspruchsbescheid vom 06.01.2000 zurück.
Die hiergegen erhobenen Klagen hat das Sozialgericht Mainz zur gemeinsamen Verhandlung und Entscheidung verbunden und mit Urteil vom 29.03.2003 abgewiesen. Zur Begründung hat es im Wesentlichen ausgeführt, dem Kläger stehe kein Anspruch nach § 44 SGB X auf Gewährung von Berufsschadensausgleich ab einem früheren Zeitpunkt zu. Die Leistung sei gemäß § 60 Abs. 1 BVG erst ab dem Antragsmonat zu gewähren. Der Beklagte habe im Bescheid vom 06.12.1988 zutreffend die Gewährung von Berufsschadensausgleich abgelehnt. Zum damaligen Zeitpunkt habe der Kläger noch keinen Beruf ausgeübt, sondern studiert. Der Kläger hätte, auch wenn es nicht zur Schädigung gekommen wäre, ein Studium begonnen und durchgeführt. Selbst wenn man davon ausgehe, dass dieses Studium im Wintersemester 1985 begonnen worden sei, ergebe sich bei einer Regelstudienzeit von 8 Semestern für das angestrebte Pharmaziestudium, dass sich der Kläger zum Zeitpunkt der Entscheidung im Jahr 1988 noch im Studium befunden hätte. Deshalb seien zum damaligen Zeitpunkt die Voraussetzungen für einen Berufsschadensausgleich noch nicht gegeben gewesen. Ein Anspruch auf Gewährung von Berufsschadensausgleich aus einem so genannten sozialrechtlichen Herstellungsanspruch ergebe sich ebenfalls nicht. Dieser setze eine Pflichtverletzung durch die Verwaltung voraus, die nach Auffassung der Kammer nicht erkennbar sei. Zwar habe der Kläger sich im April 1991 mit der Bitte um Beratung an den Beklagten gewandt, weshalb der damals zuständige Sachbearbeiter den Kläger aufgefordert habe, sich mit dem Arbeitsamt zur Erarbeitung eines neuen Eingliederungsvorschlages in Verbindung zu setzen, und gebeten habe, das Ergebnis der entsprechenden Gespräche mitzuteilen. Der Kläger habe in der Folgezeit weitere Studienbescheinigungen übersandt, so dass der Beklagte nach verständiger Würdigung davon habe ausgehen müssen, dass der Kläger sein Studium fortgesetzt habe. Aus den sich in den Akten befindlichen Unterlagen auf medizinischem Gebiet aus dieser Zeit ergebe sich, dass die entsprechenden medizinischen Sachverständigen den Kläger für fähig gehalten hätten, ein entsprechendes Studium durchzuführen, so dass sich kein hinreichender Anlass ergeben habe, den Kläger unaufgefordert auf eine weitere Antragstellungsmöglichkeit hinzuweisen. Auch sei später nicht mitgeteilt worden, dass das Studium aus medizinischen Gründen abgebrochen worden sei. Vielmehr habe der Kläger angegeben, er habe eine Lehre als Großhandelskaufmann aufgenommen, es sei aber noch keine Exmatrikulation erfolgt, da ein eventuelles Weiterstudium geplant sei, wenn er die Probezeit nicht schaffe.
Am 16.06.2004 hat der Kläger gegen das ihm am 19.05.2004 zugestellte Urteil Berufung eingelegt.
Der Kläger trägt vor, er habe ausdrücklich im Schreiben vom 07.04.1991 dem Beklagten dargelegt, dass er zwar weiterhin für das Sommersemester 1991 immatrikuliert sei, er jedoch mit Zunahme des Lernpensums trotz intensiver Bemühungen an stärkeren Konzentrationsschwächen, verbunden mit lang anhaltenden Kopfschmerzen leide. Dies habe letztlich im Jahr 1995 zur Aufgabe des Studiums, zur Aufnahme einer anderweitigen Ausbildung und daraufhin zur Gewährung des Berufsschadensausgleichs ab 1998 geführt. Er habe mit der von ihm formulierten Rechtsanfrage Anlass zur umfassenden Beratung über seine Rechte und Pflichten gegeben.
Der Kläger beantragt,
das Urteil des Sozialgerichts Mainz vom 29.03.2004 sowie die Bescheide vom 12.07.1999 und 28.07.1999 in Gestalt der Widerspruchsbescheide vom 05.01.2000 und 06.01.2000 abzuändern und den Beklagten zu verurteilen, unter Rücknahme des Bescheids vom 06.12.1988 ihm Berufsschadensausgleich ab dem 01.01.1994 zu gewähren.
Der Beklagte beantragt,
die Berufung zurückzuweisen.
Der Beklagte trägt vor,
im Bescheid vom 06.12.1988 sei zutreffend Berufsschadensausgleich abgelehnt worden, da zum damaligen Zeitpunkt die Voraussetzungen dieses Anspruchs nicht vorgelegen hätten. Der Anspruch sei zutreffend ab dem Antragsmonat gewährt worden.
Im Übrigen wird zur Ergänzung Bezug genommen auf den Inhalt der beigezogenen und den Kläger betreffenden Verwaltungsakten des Beklagten (Az.: ), der WDB-Akte des Wehrbereichsgebührnisamtes V sowie der Gerichtsakte, der Gegenstand der mündlichen Verhandlung war.
Entscheidungsgründe
Die zulässige Berufung des Klägers ist begründet, da das Sozialgericht im angefochtenen Urteil sowie der Beklagte in dem angefochtenen Bescheid zu Unrecht die Gewährung von Berufsschadensausgleich zu einem früheren Zeitpunkt abgelehnt haben.
Nach § 30 Abs. 3 BVG erhalten Beschädigte, deren Einkommen aus gegenwärtiger oder früherer Tätigkeit durch Schädigungsfolgen gemindert ist, nach Anwendung des Absatzes 2 einen Berufsschadensausgleich in Höhe 42,5 vH des auf volle Deutsche Mark nach oben abgerundeten Verlustes. Einkommensverlust ist der Unterschiedsbetrag zwischen dem gegenwärtigen Bruttoeinkommen aus gegenwärtiger oder früherer Tätigkeit zuzüglich der Ausgleichsrente (=derzeitiges Einkommen) und dem höheren Vergleichseinkommen (§ 30 Abs. 4 Satz 1 BVG). Abweichend hiervon ist der Einkommensverlust bei einer schädigungsbedingten Minderung einer Rente aus der gesetzlichen Rentenversicherung nach § 30 Abs. 3 Satz 3 und 4 BVG zu ermitteln. Wie sich das Vergleichseinkommen berechnet, ist in Abs. 5 des § 30 BVG geregelt. Demgemäß errechnet sich das Vergleichseinkommen (aus Satz 1) nach (Einzelheiten regelnden) Abs. 5 Sätze 2 bis 6 aus dem monatlichen Durchschnittseinkommen der Berufs- oder Wirtschaftsgruppe, der der Beschädigte ohne die Schädigung nach seinen Lebensverhältnissen, Kenntnissen und Fähigkeiten und dem bisher betätigten Arbeits- und Ausbildungswillen wahrscheinlich angehört hätte.
Wie der Einkommensverlust bei einer vor Abschluss der Schulausbildung erlittenen Schädigung –also auch im vorliegenden Fall– zu ermitteln ist, hat die vom Gesetzgeber in § 30 Abs. 14 Buchst b BVG ermächtigte Bundesregierung in der BSchAVO bestimmt. Das Vergleichseinkommen richtet sich nach den Besoldungsgruppen des Bundesbesoldungsgesetzes (§ 2 Abs. 1 Satz 2, § 7 Abs. 1 Satz 1 BSchAVO). In welche dieser Besoldungsgruppen der Antragsteller einzustufen ist, entscheidet sich nach seiner Veranlagung und seinen Fähigkeiten, hilfsweise auch unter Berücksichtigung der beruflichen und sozialen Stellung seiner Eltern und sonstigen Lebensverhältnisse. Es handelt sich um eine von den allgemeinen Einstufungsregeln abweichende Sondervorschrift, die –wenn ihre Anwendbarkeit feststeht– als abschließende Regelung auch allein maßgeblich bleibt (BSG SozR 3640 § 7 Nr. 1 unter Hinweis auf Hansen, Berufsschadensausgleich, S. 142 ff mwN; BSG, Urteil vom 27. Februar 2002, Az: B 9 VJ 1/01 R). Bei vermutlichem Abschluss einer Hochschulausbildung ist nach § 7 Abs. 1 Satz 2 BSchAVO das in § 4 Abs. 1 BSchAVO für Beamte des höheren Dienstes bestimmte Durchschnittseinkommen maßgeblich, bis zur Vollendung des 37. Lebensjahres also das Durchschnittseinkommen des Grundgehalts nach A 13. Davon, dass der Kläger ohne die Schädigung das Studium der Pharmazie nicht nur angestrebt, sondern auch erfolgreich abgeschlossen hätte, geht auch der Beklagte zu Recht aus, so dass dem Kläger, da dieser ein geringeres Einkommen erzielt, Berufsschadensausgleich zusteht.
Dieser Anspruch steht dem Kläger aber nicht erst, wie vom Beklagten zugesprochen, ab 01.08.1999 zu, sondern bereits ab 01.01.1994.
I. Entgegen der Ansicht des Klägers ergibt sich ein solcher Anspruch aber nicht aus § 44 SGB X. Insoweit käme als zurückzunehmender Bescheid lediglich derjenige vom 06.12.1988 in Betracht, in dem ein Anspruch auf Berufsschadensausgleich nach § 30 Abs. 3 BVG ausdrücklich abgelehnt worden ist. Zum damaligen Zeitpunkt lagen die Voraussetzungen eines Anspruchs auf Berufsschadensausgleich aber nicht vor, wie das Sozialgericht zutreffend ausgeführt hat. Unter Berücksichtigung des hypothetischen beruflichen Werdeganges des Klägers ohne die Schädigung ist davon auszugehen, dass dieser bei normalem Verlauf der Dinge nach Beendigung seines Wehrdienstes frühestens im Sommersemester 1985 bzw. im Wintersemester 1985 ein Pharmaziestudium aufgenommen hätte. Nach der vom Beklagten beigezogenen Approbationsordnung für Apotheker vom 23.08.1971 sowie derjenigen vom 19.06.1991 gliederte sich die pharmazeutische Ausbildung in ein Studium der Pharmazie von mindestens 3 ½ Jahren sowie eine praktische Ausbildung von 12 Monaten. Demnach hätte die Ausbildung, nach Ablegung der Prüfung frühestens mit Abschluss des Wintersemesters 1988/89 beendet werden können, d.h. zu einem Zeitpunkt nach Erteilung des Bescheids vom 06.12.1988.
II. Der Anspruch auf Gewährung von Berufsschadensausgleich ab dem 01.01.1994 ergibt sich dem Grunde nach jedoch aus dem so genannten sozialrechtlichen Herstellungsanspruch.
Die Gewährung von Berufsschadensausgleich im Rahmen eines sozialrechtlichen Herstellungsanspruchs setzt voraus, dass alle Voraussetzungen des Anspruchs auf Berufsschadensausgleich außer dem Antrag vorgelegen haben und die Versorgungsverwaltung dem Beschädigten nicht geraten hat, einen entsprechenden Leistungsantrag zu stellen, obgleich es auf der Hand lag, dass die Voraussetzungen des Anspruchs wahrscheinlich gegeben waren (vgl. Urteil des erkennenden Senat vom 12.03.2003, Breith 2003, S. 589 ff mwN).
Der von der Rechtsprechung entwickelte sozialrechtliche Herstellungsanspruch ist auf die Vornahme einer Amtshandlung zur Herstellung des Zustandes gerichtet, der bestehen würde, wenn der Sozialleistungsträger die ihm aufgrund eines Gesetzes oder konkreten Sozialrechtsverhältnisses dem Berechtigten gegenüber erwachsenen Haupt- oder Nebenpflichten, insbesondere zur Auskunft und Beratung, ordnungsgemäß wahrgenommen hätte (stRspr; vgl. BSG SozR 3 1200 § 14 Nr. 12 mwN; SozR 3 3200 § 86a Nr. 2). Der sozialrechtliche Herstellungsanspruch, der einen Schaden des Versorgungsberechtigten ausgleichen soll, wird durch eine rechtswidrige Pflichtverletzung der Verwaltung ausgelöst, ohne dass diese dabei ein Verschulden treffen muss, und ist auf Vornahme einer Amtshandlung zur Herstellung desjenigen Zustandes gerichtet, der bestehen würde, wenn der Hoheitsträger die ihm aus dem bestehenden Sozialleistungsverhältnis erwachsenen Nebenpflichten ordnungsgemäß wahrgenommen hätte. Dazu zählt die Pflicht zur Auskunft und Beratung nach §§ 14, 15 SGB I sowie zur verständnisvollen Förderung des Berechtigten. Bei Vorliegen eines konkreten Anlasses hat der Leistungsträger den Berechtigten auf solche Gestaltungsmöglichkeiten hinzuweisen, die klar zutage liegen und deren Wahrnehmung offenbar so zweckmäßig ist, dass jeder verständige Anspruchsberechtigte sie mutmaßlich nutzen würde (BSGE 50, S. 88, 91; BSG, SozR 3 5795 § 4 Nr. 3).
Im vorliegenden Fall finden mehrfach solche konkreten Anlässe für ein Tätigwerden des Beklagten durch seine mit der Bearbeitung der Versorgungssache des Klägers betrauten Amtswalter.
Insoweit ist zunächst auf den Zeitpunkt des Schreibens vom 07.04.1991 hinzuweisen, in dem der Kläger ausdrücklich darauf aufmerksam gemacht hat, er habe Schwierigkeiten, sein Studium fortzuführen, und bitte um Beratung. Der Beklagte kann insoweit nicht damit gehört werden, er habe den Kläger an das Arbeitsamt zur Erarbeitung eines weiteren Eingliederungsvorschlages verwiesen und keinen Beratungsbedarf mehr gesehen, nachdem weitere Studienbescheinigungen vorgelegt worden sind. Denn bei normalem Studienverlauf hätte der Kläger ohne die Schädigung bereits zu diesem Zeitpunkt sein Studium beendet gehabt, so dass bereits zum damaligen Zeitpunkt ein beruflicher Schaden eingetreten war, was sich unschwer bei Beachtung der Zeiträume und der Mindeststudienzeitdauer ergeben könnte. Insoweit ist auch auf § 7 Abs. 1 Satz 3 BSchAVO hinzuweisen, wonach ein Berufsschadensausgleich frühestens nach dem vermutlichen Abschluss des Studiums zu gewähren ist, weshalb auch seitens des Beklagten nach Ablaufen der Mindeststudiendauer ein beruflicher Schaden zu prüfen war.
Damit hätte sich den Sachbearbeitern des Beklagten bei Vorlage jeder einzelnen Studienbescheinigung, in denen die Studiensemester ausgewiesen sind, und in Kenntnis der aktenkundigen medizinischen Vorgeschichte aufdrängen müssen, dass auch die überlange Studiendauer des Klägers im Hinblick auf die von diesem geschilderten beruflichen bzw. gesundheitlichen Konzentrationsprobleme in ursächlichem Zusammenhang mit den anerkannten Schädigungsfolgen stehen müssten, so dass der Kläger aufgrund des sozialrechtlichen Herstellungsanspruchs so zu stellen ist, als hätte er zu einem früheren Zeitpunkt (April 1991) einen Antrag auf Berufsschadensausgleich gestellt.
Allerdings ist entsprechend § 44 Abs. 4 SGB X Berufsschadensausgleich rückwirkend nur für einen Zeitraum von bis zu vier Jahren vor Antragstellung zu leisten (vgl. BSG, SozR 1300 § 44 Nr. 17; Urteil vom 28.04.1999, Az: B 9 V 16/98 R), hier also, da der Antrag im August 1998 gestellt wurde, ab 01.01.1994.
Die Entscheidung über die Kosten stützt sich auf § 193 SGG.
Die Revision wird nicht zugelassen, da Revisionszulassungsgründe (§ 160 Abs. 2 Nr. 1 und Nr. 2 SGG) nicht vorliegen.