Tatbestand:

Zwischen den Beteiligten ist die Bewilligung von Rente wegen Erwerbsminderung vom 1. November 2008 bis zum 31. Oktober 2014 nach dem Sechsten Buch Sozialgesetzbuch (Gesetzliche Rentenversicherung - SGB VI) streitig.

Die am ... 1955 geborene Klägerin absolvierte nach dem Abschluss der 10. Schulklasse in der Zeit von September 1971 bis Juni 1973 erfolgreich eine Ausbildung zum Industriekaufmann. Sie war anschließend von September 1973 bis Dezember 1974 als "Betriebsabrechnerin", von 1975 bis 1984 als Sachbearbeiterin im Bereich "Absatz und Lagerwesen" bzw. "Materialwirtschaft", von Januar bis März 1985 als Maschinenbetreuerin, von März bis April 1985 als Abteilungsleiterin "Rechnungsführung/Statistik", als Sachbearbeiterin von Mai bis Juli 1985 im Bereich "Versicherung", von August 1985 bis März 1987 im Bereich "Investitionen", von März 1987 bis Juli 1988 im Bereich "Wissenschaftliche Arbeitsorganisation (WAO)" und von August 1988 bis Juli 1990 als Sicherheitsbeauftragte der Schuhfabrik E. versicherungspflichtig beschäftigt. Nach vorübergehender Arbeitslosigkeit ist sie seit Oktober 1990 als selbstständige Versicherungsvermittlerin, nach ihren Angaben zuletzt maximal ein bis zwei Stunden täglich bei einem Einkommen von ca. 800,- EUR monatlich, tätig. Sie verfügt über einen Ausweis des Berufsbildungswerks der Deutschen Versicherungswirtschaft (BWV) e.V. als "Versicherungsfachfrau (BWV)" - nach ihren Angaben aus dem Jahr 1994. Die Klägerin ist seit dem 17. September 2008 arbeitsunfähig. Seit der Ausschöpfung des Krankengeldanspruchs am 7. Oktober 2009 bezieht sie keine Sozialleistungen.

Sie beantragte am 24. September 2008 bei der Beklagten die Bewilligung von Rente wegen Erwerbsminderung und machte geltend, wegen häufiger Infekte, Herzproblemen sowie Stress- und Schwächesituationen mit spürbarer Überforderung keine Tätigkeiten mehr verrichten zu können. Die Beklagte zog zunächst die medizinischen Unterlagen aus dem vorangegangenen medizinischen Rehabilitationsverfahren bei, u.a. das neurologisch-psychiatrische Gutachten des Facharztes für Neurologie und Psychiatrie P. vom 4. April 2006 und den Entlassungsbericht der Rehabilitationsklinik G., Abteilung Psychosomatik/Psychotherapie, vom 11. Juli 2006 über die stationäre Rehabilitationsmaßnahme vom 17. Mai bis zum 21. Juni 2006. Herr P. zeigte auf, dass die chronifizierte leichte depressive Störung und die anhaltende somatoforme Schmerzstörung die psychisch-emotionale Belastbarkeit der Klägerin beeinträchtigten, den spontanen Antrieb verringerten und zu vermehrter Erschöpfbarkeit führten. Bei weiterhin ausbleibender psychosomatisch-psychotherapeutischer Behandlung sei die Erwerbsfähigkeit auf Dauer gefährdet. Gleichwohl sei die Klägerin sechs Stunden und mehr täglich als Vertreter für Versicherungen sowie auf dem allgemeinen Arbeitsmarkt für leichte bis mittelschwere Arbeiten einsetzbar. In dem Entlassungsbericht der Rehabilitationsklinik G. wird die Klägerin als in der Lage erachtet, körperlich leichte bis mittelschwere Tätigkeiten auf dem allgemeinen Arbeitsmarkt sowie die zuletzt ausgeübte Tätigkeit als Handelsvertreterin für Versicherungen vollschichtig zu verrichten. Die Entlassung sei wegen der anhaltenden depressiven Symptomatik noch arbeitsunfähig erfolgt.

Nach Einholung eines Befundberichtes der Fachärztin für Allgemeinmedizin Dr. B. vom 14. Oktober 2008 ließ die Beklagte im Rentenverfahren den Facharzt für Orthopädie, Chirotherapie Dr. H. das Gutachten vom 1. April 2009 auf der Grundlage einer ambulanten Untersuchung der Klägerin vom selben Tag erstatten. Als Diagnosen benannte er:

Somatoformes Schmerzsyndrom.

Unteres Cervikalsyndrom.

Chronisch rezidivierendes lumbales vertebragenes Schmerzsyndrom.

Gonarthrose beidseits, links mehr als rechts.

Beginnende Sprunggelenksarthrose links.

Ausgeprägter Senk-Spreizfuß mit Zehendeformität, Hallux valgus-Bildung, Krallen- und Hammerzehenbildung, insbesondere D2.

Die Klägerin erscheine insgesamt antriebsgemindert und durch eine depressive Störung gekennzeichnet. Sie sei aus orthopädischer Sicht sowohl in ihrem überwiegend ausgeübten Beruf als Versicherungsfachfrau als auch auf dem allgemeinen Arbeitsmarkt für leichte bis mittelschwere Tätigkeiten vollschichtig einsetzbar. Auszuschließen seien Tätigkeiten mit Heben und Tragen mittelschwerer bis schwerer Lasten, mit körperlichen Zwangshaltungen, längerem Knien und Hocken, ständigem Stehen sowie unter Nässe, Kälte und Zugluft.

Die Beklagte zog sodann den Entlassungsbericht der M.- Klinik K. vom 10. September 2009 über die stationäre Rehabilitationsmaßnahme vom 4. August bis zum 5. September 2009 - Abteilung Orthopädie -, deren Kostenträger die Beklagte war, bei. Bei der Klägerin liege vor allem ein somatoformes Schmerzsyndrom bei einem chronisch rezidivierenden Cervikobrachialsyndrom beidseits bei degenerativen Veränderungen im Segment C5/6, einem chronisch rezidivierenden vertebrogenen Schmerzsyndrom bei degenerativen Veränderungen in der Lendenwirbelsäule (LWS) L4/5 und L5/S1, eine Gonarthrose beidseits, links mehr als rechts, eine beginnende SprunggelenksLarthrose und eine Polyarthrose beider Hände mit Rhizarthrose beidseits vor. Die Klägerin werde arbeitsunfähig entlassen. Nach einer Rekonvaleszenzzeit von zwei bis drei Wochen könne sie ihre derzeitige im Allgemeinen körperlich leichte berufliche Tätigkeit weiterführen. Auf dem allgemeinen Arbeitsmarkt könne sie leichte bis mittelschwere Tätigkeiten im Wechsel von Sitzen, Stehen und Gehen ohne häufiges Bücken, Ersteigen von Treppen, Leitern und Gerüsten, schweres Heben und Tragen und Bewegen von Lasten von mehr als 10 kg, ohne Zwangshaltungen bzw. Überkopfarbeit sowie ständige Kälte und Nässe sechs Stunden und mehr täglich verrichten. Bei bekannten depressiven Episoden sei auch die geistig-psychische Belastbarkeit der Klägerin zu beachten. Eine psychosomatische Sachaufklärung aufgrund der Persönlichkeitsstruktur sei sinnvoll.

Die Beklagte lehnte den Rentenantrag der Klägerin ab. Die Erwerbsfähigkeit sei durch ein Wirbelsäulen- und Gelenkleiden, eine psychische Gesundheitsstörung und einen Bluthochdruck beeinträchtigt. Gleichwohl bestehe ein Leistungsvermögen für sechs Stunden und mehr täglich für leichte bis mittelschwere Arbeiten in wechselnder Körperhaltung, ohne häufiges Bücken, Ersteigen von Treppen, Leitern und Gerüsten, Heben und Tragen und Bewegen von Lasten über 10 kg, ohne Gefährdung durch Kälte und Nässe sowie ohne häufige Überkopfarbeiten. Die Klägerin sei zudem nicht berufsunfähig. Es sei von einem Hauptberuf als selbstständige Versicherungsfachfrau auszugehen, den die Klägerin noch mindestens sechs Stunden täglich verrichten könne (Bescheid vom 30. April 2009 in der Fassung des Widerspruchsbescheides vom 3. August 2010).

Hiergegen hat sich die Klägerin mit der am 3. September 2010 beim Sozialgericht Halle erhobenen Klage gewandt und geltend gemacht, insbesondere wegen der Leistungseinschränkungen in psychologischer Hinsicht zur Verrichtung von Arbeiten im Umfang von mindestens drei Stunden täglich nicht in der Lage zu sein.

Die Fachärztin für Allgemeinmedizin Dr. B. hat dem auf Anforderung des Sozialgerichts erstatteten Befundbericht vom 5. April 2011 das Gutachten von Dipl.-Med. L. vom 15. Januar 2009, erstellt für den Medizinischen Dienst der Krankenkassen (MDK) Sachsen-Anhalt, beigefügt. Danach sei unter Berücksichtigung einer rezidivierenden depressiven Störung, gegenwärtig mittelgradige Episode, die Arbeitsunfähigkeit weiterhin als regelrecht einzuschätzen. Eine medikamentöse Behandlung der psychischen Problematik sowie die indizierte psychotherapeutische Krankenhausbehandlung lehne die Klägerin ab. Unter der Voraussetzung einer erfolgreichen intensiven Psychotherapie sei perspektivisch damit zu rechnen, dass für den allgemeinen Arbeitsmarkt ein vollschichtiges Leistungsbild mit geringen Einschränkungen (Arbeiten ohne Zeit- und Leistungsdruck) erreicht werden könne.

Auf Veranlassung des Sozialgerichts hat der Facharzt für Psychiatrie Dr. B. ein psychiatrisches Gutachten unter dem 1. April 2012 auf der Grundlage einer ambulanten Untersuchung der Klägerin am 28. Februar 2012 erstattet. Dr. B. hat seitens seines Fachgebietes die Diagnose einer aktuellen mäßiggradigen depressiven Episode, zeitweilig (2008) in schwerer Ausprägung bei Burnout-Syndrom, benannt. Seit der Rehabilitationsmaßnahme in G. 2006 sei eine Verschlechterung dahingehend eingetreten, dass die Klägerin allenfalls noch sehr leichte geistige Tätigkeiten mit einer sehr geringen psychischen Belastung/Verantwortung zumutbar verrichten könne. Für ihre bisherige Tätigkeit als Versicherungskauffrau sei sie nicht mehr bzw. unter drei Stunden täglich einsetzbar. Die Klägerin sei auch zu einer untervollschichtigen Leistung nicht mehr in der Lage. Bei der Neuaufnahme von sehr leichten geistigen Tätigkeiten sei davon auszugehen, dass die Klägerin mit sehr großer Wahrscheinlichkeit mit einer erneuten Verstärkung der depressiven Symptomatik reagieren werde. Es sei mit jährlich mehrfachen Ausfallzeiten zu rechnen. Dies dürfte auf dem Boden einer sehr leistungs- und karrierebewussten Haltung heraus geschehen und wäre von der Klägerin nicht durch Willensanstrengung zu vermeiden. Die Gehfähigkeit sei nicht wesentlich eingeschränkt. Die festgestellten Einbußen bestünden in zunehmender Ausprägung seit Antragstellung im Herbst 2008. Hinsichtlich der Einschätzung des körperlichen Leistungsbildes schließe er sich der Beurteilung von Dr. H. und der Rehabilitationsklinik Klinik G. 2006 an. Angesichts des physiologischen Alterungsprozesses würde eine neue Rehabilitation nicht zur Wiederherstellung der Leistungsfähigkeit führen.

Mit Urteil vom 17. Juli 2012 hat das Sozialgericht unter Abweisung der Klage im Übrigen die Beklagte zur Gewährung einer Rente wegen voller Erwerbsminderung vom 1. November 2008 bis zum 31. Oktober 2014 verurteilt. Nach den überzeugenden Ausführungen des Sachverständigen Dr. B. ergebe sich ein unter dreischichtiges (muss heißen dreistündiges) Leistungsvermögen der Klägerin. Wegen der - entgegen dem Gutachten - bestehenden Möglichkeit einer Besserung des Leistungsvermögens sei die Rente zeitlich zu befristen gewesen. Ausgehend von den Befunden im Gutachten von Dipl.-Med. L. vom 15. Januar 2009 sei von einem Eintritt des Versicherungsfalles im Frühjahr 2008 auszugehen, so dass nach § 101 Abs. 1 SGB VI eine Rentengewährung ab Antragstellung zu erfolgen habe.

Gegen das ihr am 10. August 2012 zugestellte Urteil hat die Beklagte am 10. September 2012 Berufung beim Landessozialgericht Sachsen-Anhalt eingelegt. Der Leistungsfall der vollen Erwerbsminderung sei mit dem Gutachten von Dr. B. vom 1. April 2012 nicht nachgewiesen. Eine weitere medizinische Sachaufklärung sei erforderlich.

Die Beklagte beantragt,

das Urteil des Sozialgerichts Halle vom 17. Juli 2012 aufzuheben und die Klage insgesamt abzuweisen.

Die Klägerin beantragt,

die Berufung der Beklagten zurückzuweisen.

Sie hält das Urteil des Sozialgerichts für zutreffend. Sie hat ergänzend vorgetragen, sie sei in ihrer letzten Tätigkeit als Versicherungsvermittlerin in die Gruppe der Facharbeiter einzustufen.

Die Klägerin hat Arztbriefe der Fachärztin für Humangenetik Dr. M. vom 2. März und vom 3. Mai 2011 sowie einen Bericht von Dr. K. vom 19. November 2012 vorgelegt. Wegen der Einzelheiten wird auf Blatt 197 bis 202 der Gerichtsakten Bezug genommen.

Der Senat hat einen Befundbericht der Dipl.-Psychologin und Psychologischen Psychotherapeutin (im Weiteren Dipl.-Psych.) E. vom 26. August 2013 eingeholt. Diese hat nach einer Behandlung der Klägerin vom 6. August 2008 bis zum 20. Januar 2011 die Diagnose einer mittelgradigen depressiven Episode bei chronischer Belastungssituation mit der Differentialdiagnose "rezidivierende depressive Störung" angegeben. Eine aufgrund der Schwere und der Komplexität des Beschwerdebildes indizierte und mehrfach empfohlene (teil-)stationäre Behandlung sei ebenso wie eine fachärztliche psychiatrisch-medikamentöse Behandlung von der Klägerin abgelehnt worden. Die bei späterer Bereitschaft durchgeführte Psychotherapie sei bei erreichter Stabilisierung der Klägerin nach Absolvierung einer Langzeit-Verhaltenstherapie regulär beendet worden. Die Klägerin habe am Ende der ambulanten Behandlung trotz weiterhin vorhandener depressiver Symptome und der Beeinträchtigung durch Schmerzustände eine Stabilisierung ihres Gesamtzustandes bei Verbesserung der psychischen Bewältigungsfähigkeiten angegeben.

Der Senat hat den Facharzt für Psychiatrie, Neurologie und Psychotherapie Privatdozent (PD) Dr. G. das Gutachten vom 26. Oktober 2013 auf der Grundlage einer ambulanten Untersuchung der Klägerin am 27. Juli 2013 erstatten lassen. Diese habe über Konzentrationsstörungen ("Chaos im Kopf") sowie eine Kraft- und Antriebslosigkeit und ein Ziehen in der Halswirbelsäule (HWS) bis in die Arme geklagt. Gleichwohl müsse sie ihren Verpflichtungen nachkommen. Dank Dipl.-Psych. E. habe sie wieder einen strukturierten Tag. PD Dr. G. hat angegeben, nach den anamnestischen Angaben sei die Diagnose einer rezidivierenden depressiven Störung, zurzeit leichtgradig, zu stellen. Für die Vergangenheit sei von fachärztlicher und -psychotherapeutischer Seite eine mittelgradig ausgeprägte Symptomatik gesehen worden. Die nach den Angaben der Klägerin trotz eingetretener Besserung gegenwärtig immer noch bestehende Symptomatik wie Arbeits- und Antriebshemmung, das Gefühl der Leere und des Ausgebranntseins bestehe ausschließlich in deren subjektiven Erleben. Bei objektivierender Betrachtung habe sich in der Begutachtungssituation keinerlei Hinweis für eine Antriebsminderung dargestellt, der Affekt sei nicht gedrückt, sondern geradezu überschießend, die Psychosomatik sehr lebhaft gewesen. Eine erhebliche Diskrepanz zwischen der wort- und affektreichen Schilderung in drastischer Sprache und dem dargestellt antriebslosen und gehemmten Verhalten in der häuslichen Situation sei bei einer gleichzeitig ansonsten weitgehend unbeeinträchtigten Alltagsbewältigung festzustellen gewesen. Darüber hinaus liege eine akzentuierte Persönlichkeit vor, ohne das Vollbild einer Störung zu erfüllen. Es bestehe eine deutliche Diskrepanz zwischen dem außerordentlichen Affekt, mit dem die Klägerin die Ablehnung ihrer Arbeit geschildert habe, und dem Anlass sowie dem Tatsachenhintergrund dieses Gefühlsausbruches. Die Klägerin habe konkret nur eine Entfremdung von der inzwischen ungeliebten Arbeit schildern können, ohne konkrete Konflikte. Aus dieser Ablehnung heraus könne sie die Arbeit nicht mehr ausüben. Sie wolle Gerechtigkeit, nur ihre Ruhe, keinen Druck mehr. In der konkreten Begutachtungssituation habe der Gutachter eine erhebliche manipulative Kraft bei einem starken Willen erlebt. An körperlichen Erkrankungen bestünden ausweislich der Unterlagen eine gut eingestellte Hypertonie, ein Cervikalsyndrom, ein chronisch rezidivierendes lumbales vertebragenes Schmerzsyndrom, eine Gonarthrose beidseits, eine beginnende Sprunggelenksarthrose links sowie ein Senkspreizfuß mit Zehendeformität. Hinsichtlich des in den Akten ebenfalls vermerkten bestehenden Antiphosophilipid-Syndroms (APS) sei festzustellen, dass es sich nach den Laborwerten um eine Verdachtsdiagnose handele. Auswirkungen von sozialmedizinischer Relevanz bestünden nicht, da bislang keine Thrombosen bei der Klägerin aufgetreten seien.

Die Klägerin könne noch Arbeiten mit durchschnittlichen Anforderungen an das Seh- und Hörvermögen, an Reaktionsfähigkeit, Übersicht, Aufmerksamkeit, Verantwortungsbewusstsein und Zuverlässigkeit und mit mittelschwierigen geistigen Anforderungen vollschichtig verrichten. Arbeiten mit Publikumsverkehr seien möglich, Arbeiten unter besonderem Zeitdruck sowie in Wechsel- und Nachtschicht sollten vermieden werden. Einfache körperliche Verrichtungen, wie Zureichen, Abnehmen, Transportieren, Reinigen, Bedienen von Maschinen, Kleben, Sortieren, Verpacken, Zusammensetzen von Teilen seien zumutbar. Gegenwärtig bestünden keine objektiven Beeinträchtigungen, die das Leistungsvermögen der Klägerin beeinträchtigten. Die Tatsache, dass die Klägerin ihren eigenen Ansprüchen nicht gerecht werde, könne nicht als objektive Beeinträchtigung klassifiziert werden. Die Klägerin strebe zweckgerichtet eine Entlastung vom subjektiv erlebten Arbeitsdruck an. Krankheitsbedingte Ausfallzeiten seien in Abhängigkeit von der Stimmungslage und dem medizinischen Inanspruchnahmeverhalten auch in Zukunft zu erwarten.

Die Klägerin hat mit Schreiben vom 12. Dezember 2013 Einwände gegen das Gutachten von PD Dr. G. erhoben. Insoweit wird auf Blatt 295 bis 296 der Gerichtsakten Bezug genommen. Ferner hat sie eine hausärztliche Stellungnahme von Dr. B. vom 8. Dezember 2013 übersandt, in der diese mitteilt, die ambulante Psychotherapie sei nach drei Jahren nicht wegen einer wesentlichen Besserung der Klägerin, sondern wegen des Ausschöpfens des für eine Verhaltenstherapie üblichen von den Krankenkassen gewährten Rahmens beendet worden. Nach ihrer Einschätzung bestehe ein erhebliches Defizit der Klägerin in der Bewältigung der Alltagserfordernisse. Zudem hätten sich bestehende Polyarthrosen und eine Infektanfälligkeit über die Jahre chronifiziert und führten zu einer Erwerbsminderung von unter drei Stunden pro Tag. Die Leistungseinschränkung der Klägerin beruhe auf dem Aufeinandertreffen ungünstiger sozialer und beruflicher Erfordernisse mit der persönlichkeitsstrukturierten Fehlentwicklung.

PD Dr. G. hat mit Schreiben vom 26. Januar 2014 dazu ergänzend Stellung genommen. Wegen der Einzelheiten wird auf Blatt 310 bis 312 der Gerichtsakten verwiesen.

Schließlich ist auf Antrag der Klägerin nach § 109 Sozialgerichtsgesetz (SGG) von dem Arzt für Neurologie und Psychiatrie, Psychotherapie Prof. Dr. R. das Gutachten vom 7. April 2014 auf der Grundlage von ambulanten Untersuchungen der Klägerin am 28. Februar und 1. April 2014 erstattet worden. Auf psychiatrischem Fachgebiet ergebe sich kein Hinweis auf eine hirnorganische begründbare Schädigung. Vorrangig werde der psychopathologische Befund durch eine depressive Symptomatik mit somatischen Beschwerden, zurzeit wieder von mittlerer Schwere, verbunden mit multiplen Angstsymptomen und der Entwicklung psychisch begründeter körperlicher Befindenseinschränkungen bestimmt. Der Befund zeige nach den Akten einen episodischen Verlauf, in den letzten Jahren schwankend zwischen leicht- und mittelgradig. Der psychopathologische Befund werde seit Jahren keiner Behandlung zugeführt, sodass eine anhaltende Befindensbesserung nicht habe entstehen können. Auf psychiatrischem Fachgebiet könne bei der Klägerin eine Therapie mit Psychopharmaka per Supervision eine weitere Leistungsverbesserung bewirken. Zum psychopathologischen Befund - aber auch zu den Beschwerden auf orthopädischem und internistischem Fachgebiet - ergebe sich ursächlich der Hinweis auf einen nachgewiesenen Gendefekt, in dessen Gefolge sich ein Autoimmunprozess im Sinne eines APS manifestiert habe, das diagnostisch von den bisherigen Gutachtern unbeachtet geblieben sei, insbesondere unter therapeutischen Aspekten und auch hinsichtlich der Beurteilung der Leistungsfähigkeit. Notwendig sei eine immunologisch orientierte Langzeittherapie. Binnen drei bis vier Monaten könnten sich die aktuellen Gesundheitsstörungen zurückbilden und das zurzeit eingeschränkte Leistungsvermögen verbessern. Die Klägerin könne bis zu geistig mittelschwere Arbeiten und Tätigkeiten mit durchschnittlichen Anforderungen an Reaktionsfähigkeit, Übersicht, Aufmerksamkeit, Verantwortungsbewusstsein und Zuverlässigkeit unter Ausschluss von Schichtdienst, Akkord- oder Fließbandarbeit sowie Tätigkeiten mit hohem Publikumsverkehr verrichten. Einfache körperliche Verrichtungen seien möglich, wenn es sich um leicht- bis mittelschwere Objekte handele. Bei der Klägerin bestehe eine depressive Erkrankung von zurzeit mittlerer Schwere mit somatischem Syndrom. Die Klägerin könne noch mindestens sechs Stunden täglich erwerbstätig sein, weil eine depressive Symptomatik, wie oben beschrieben, keine Erwerbsunfähigkeit, sondern allenfalls eine eingeschränkte Erwerbsfähigkeit beinhalte, die man therapeutisch binnen sechs Monaten beheben könne. Eine mindestens sechsstündige Arbeitseinsatzfähigkeit sei vom psychopathologischen Befund her zumutbar, insbesondere nach Optimierung der Therapie. Längere krankheitsbedingte Ausfallzeiten oder Arbeitsunterbrechungen seien unter optimaler Therapie nicht zu erwarten. Ausgehend von der Ursache für den beschriebenen psychopathologischen Befund zeige dieser episodisch über die Jahre hinweg Verschlimmerungen und Verbesserungen, entsprechend einem schubförmigen Krankheitsverlauf, abhängig von dem Autoimmunprozess, der das gesamte Gefäßsystem involviere, den Hirnkreislauf eingeschlossen, aber auch eine periodische Beschwerdeverschlimmerung auf orthopädischem Fachgebiet hervorrufe. Die Leistungsfähigkeit der Klägerin stelle sich nach dem Untersuchungsergebnis vom 1. April 2014 so dar, wie sie, abgesehen von dem Gutachten von April 2012, in den Akten beschrieben worden sei. Die unverzügliche Einleitung einer Therapie auf internistisch-immunologischer Basis sei erforderlich, um die aus dem nachgewiesenen Gendefekt resultierende Störung des Immunsystems zu beheben. Dann könnten die bei der Klägerin beschriebene Infektneigung für die oberen Luftwege und die Gesundheitsstörungen auf orthopädischem und neurologisch-psychiatrischem Fachgebiet zur Rückbildung gebracht werden. Die Einholung weiterer Gutachten erscheine nicht erforderlich.

Auf Anforderung des Senats hat das Berufsbildungswerk der Deutschen Versicherungswirtschaft (BWV) e.V. mit Schreiben vom 14. Juli 2014 Auskunft zum "Versicherungsfachmann/-fachfrau (BWV)" unter Übersendung der Prüfungsordnung vom 26. September 1990 erteilt.

Wegen der weiteren Einzelheiten wird auf den Inhalt der Gerichtsakten und der Verwaltungsakte der Beklagten, die sämtlich Gegenstand der mündlichen Verhandlung gewesen sind, Bezug genommen.

 

Entscheidungsgründe:

Die Berufung der Beklagten ist begründet.

Das Sozialgericht hat der Klage zu Unrecht teilweise stattgegeben und die Beklagte zur Zahlung einer - zeitlich befristeten - Rente wegen voller Erwerbsminderung verurteilt. Die Klägerin hat keinen Anspruch auf Bewilligung einer Rente wegen voller oder teilweiser Erwerbsminderung, auch nicht bei Berufsunfähigkeit, für die Zeit vom 1. November 2008 bis zum 31. Oktober 2014. Der ablehnende Bescheid der Beklagten ist rechtmäßig und verletzt die Klägerin nicht in ihren Rechten (§§ 153 Abs. 1, 54 Abs. 2 Satz 1 SGG). Aus diesem Grunde war das Urteil des Sozialgerichts aufzuheben und die Klage insgesamt abzuweisen.

Nach § 43 Abs. 1, Abs. 2 SGB VI haben Versicherte bis zum Erreichen der Regelaltersgrenze Anspruch auf Rente wegen teilweiser oder voller Erwerbsminderung, wenn sie teilweise oder voll erwerbsgemindert sind, in den letzten fünf Jahren vor Eintritt der Erwerbsminderung drei Jahre Pflichtbeiträge für eine versicherte Beschäftigung oder Tätigkeit und vor Eintritt der Erwerbsminderung die allgemeine Wartezeit erfüllt haben.

Die Klägerin ist aber weder teilweise noch voll erwerbsgemindert. Nach § 43 Abs. 1 Satz 2 SGB VI sind teilweise erwerbsgemindert Versicherte, die wegen Krankheit oder Behinderung auf nicht absehbare Zeit außerstande sind, unter den üblichen Bedingungen des allgemeinen Arbeitsmarktes mindestens sechs Stunden täglich erwerbstätig zu sein. Nach § 43 Abs. 2 Satz 2 SGB VI sind voll erwerbsgemindert Versicherte, die wegen Krankheit oder Behinderung auf nicht absehbare Zeit außerstande sind, unter den üblichen Bedingungen des allgemeinen Arbeitsmarktes mindestens drei Stunden täglich erwerbstätig zu sein. Erwerbsgemindert ist nach § 43 Abs. 3 SGB VI nicht, wer unter den üblichen Bedingungen des allgemeinen Arbeitsmarktes mindestens sechs Stunden täglich erwerbstätig sein kann; dabei ist die jeweilige Arbeitsmarktlage nicht zu berücksichtigen.

Nach dem Ergebnis der Beweisaufnahme kann die Klägerin seit der Rentenantragstellung unter den üblichen Bedingungen des allgemeinen Arbeitsmarktes mindestens sechs Stunden täglich erwerbstätig sein. Dabei geht der Senat von folgendem Leistungsbild aus: Die Klägerin kann noch zumindest körperlich leichte Tätigkeiten sechs Stunden und mehr täglich verrichten. Arbeiten unter Einfluss von Nässe, Kälte und Zugluft, mit Zwangshaltungen, längerem Bücken, Knien und Hocken, mit Ersteigen von Treppen, Leitern und Gerüsten, mit ständigem Stehen, dem Tragen und Heben von Lasten von mehr als 10 kg und Überkopfarbeit sind ausgeschlossen. Die Gebrauchsfähigkeit beider Hände ist gegeben. Arbeiten mit Publikumsverkehr sind möglich, Arbeiten unter besonderem Zeitdruck sowie in Wechsel- und Nachtschicht sind nicht zumutbar. Die Klägerin ist Arbeiten mit durchschnittlichen Anforderungen an das Seh- und Hörvermögen und an mnestische Fähigkeiten sowie mit geistig mittelschwierigen Anforderungen gewachsen.

Dieses Leistungsbild ergibt sich für den Senat aus dem Gesamtergebnis der medizinischen Ermittlungen im Verwaltungs- und Gerichtsverfahren, insbesondere aus dem überzeugenden Gutachten von PD Dr. G. vom 26. Oktober 2013 und seiner ergänzenden Stellungnahme vom 26. Januar 2014, dem Gutachten von Dr. H. vom 1. April 2009, dem Entlassungsbericht der M.- Klinik K. vom 10. September 2009 sowie dem Befundbericht von Dipl.-Psych. E. vom 26. August 2013. Im Einklang hierzu steht auch das auf Antrag der Klägerin eingeholte Gutachten von Prof. Dr. R. vom 7. April 2014.

Bei der Klägerin besteht eine rezidivierende depressive Störung von leicht- bis mittelgradiger Ausprägung. PD Dr. G. hat aufgezeigt, vordergründig ist ein zweckgerichtetes Bestreben der Klägerin nach einer Entlastung vom subjektiv erlebten Arbeitsdruck durch die Bewilligung einer Rente festzustellen. Eine daraus resultierende krankheitswertige, das Leistungsvermögen der Klägerin beeinträchtigende Symptomatik ist nicht nachweisbar gewesen. Die von der Klägerin angegebenen Beschwerden sind nicht zu objektivieren gewesen. Auch Dipl.-Psych. E. hat in ihrem Befundbericht vom 26. August 2013 in Übereinstimmung mit PD. Dr. G. ausweislich der nach der Therapie durchgeführten orientierenden testpsychologischen Untersuchungen eine objektive und damit messbare Beeinträchtigung von Konzentration und Aufmerksamkeit entgegen dem subjektiven Empfinden der Klägerin nicht feststellen können.

Der Senat vermag der Einschätzung von Dr. B. eines auf Dauer quantitativ geminderten Leistungsvermögens nicht zu folgen. Der Gutachter stützt seine Einschätzung vorrangig auf die von der Klägerin subjektiv geschilderte Symptomatik im Hinblick auf die Ängste im beruflichen Bereich, ohne entsprechende pathologische klinisch-neurologische oder klinisch-psychische Befunde zu erheben. Die von ihm dargestellte Symptomatik eines gesteigerten Antriebs, von Versagensängsten, Insuffizienzgefühlen, depressiven Gedankeninhalten, einer inneren Unruhe, des sozialen Rückzugs und die depressive Stimmungslage erreichen nicht das Ausmaß einer rentenrelevanten Einschränkung der Leistungsfähigkeit der Klägerin im Erwerbsleben. Schließlich hat der Gutachter im psychopathologischem Befund keine erheblichen Auffälligkeiten beschrieben. Kognitive Störungen sind nur diskret vorhanden, Aufmerksamkeit und Auffassungsgabe nur leicht vermindert gewesen. Dr. B. hat in Relation zu den aus der Biografie der Klägerin ersichtlichen früheren Leistungen aller Wahrscheinlichkeit nach auch Konzentration und Mnestik als objektiv vermindert erachtet. Er hat dann eingeräumt, dass objektiv keine deutlichen Leistungsminderungen vorzuliegen scheinen. Er hat ferner für den Senat nicht nachvollziehbar als Indiz für die eingeschränkte Leistungsfähigkeit der Klägerin, die ihre selbstständige Tätigkeit seit der Rentenantragstellung fortgeführt hat, die Reduzierung ihrer beruflichen Aktivität und der damit verbundenen sozialen Kontakte auf ein Minimum dargestellt. Gegenüber Dr. B. hat die Klägerin angegeben, das Büro ca. zehn Stunden wöchentlich geöffnet und "die restliche Zeit" bei Kunden bzw. auf dem Weg dorthin zu verbringen. Gegenüber PD Dr. G. hat sie mitgeteilt, ca. 800 Kunden zu betreuen. Erst bei Prof. Dr. R. hat sie davon berichtet, dass ihre Versicherungsagentur zur Zeit ruhe und sie von alten Provisionen lebe. Im Übrigen ist die Einschätzung von Dr. B. bzgl. einer Minderung der Erwerbsfähigkeit der Klägerin auf Dauer nicht nachvollziehbar. Zunächst ist festzustellen, dass die Klägerin die medizinischen Behandlungsmöglichkeiten nicht ausgeschöpft hat. Sie hat sich bislang trotz übereinstimmender ärztlicher Empfehlung keiner (teil-)stationären Behandlung und auch keiner medikamentösen antidepressiven Behandlung unterzogen. Darüber hinaus dürfte angesichts der Tatsache, dass die depressive Episode erfolgreich im Rahmen der ambulanten Psychotherapie bei Dipl.-Med. E. behandelt worden ist, die Aussage von Dr. B. widerlegt sein, dass durch den physiologischen Alterungsprozess angesichts des bisher sich nicht einstellenden dauerhaften Erfolges weitere Maßnahmen mit großer Wahrscheinlichkeit auch nicht erfolgreich sein könnten.

Die Einschätzung von Dr. B. vom 8. Dezember 2013, die Klägerin könne nur noch unter drei Stunden täglich erwerbstätig sein, ist für den Senat bereits im Hinblick auf die Angaben der Klägerin hinsichtlich ihrer beruflichen Aktivitäten bei den Begutachtungen durch Dr. B. und PD Dr. G. nicht nachvollziehbar. Darüber hinaus wird die von der behandelnden Hausärztin beschriebene Situation der Klägerin im Hinblick auf ungünstige soziale und berufliche Erfordernisse sowie eine persönlichkeitsstrukturierte Fehlentwicklung in sämtlichen Gutachten bestätigt. Eine objektive Befundlage, aus der eine quantitative Leistungsminderung abzuleiten wäre, ist jedoch nicht gegeben.

Die ferner auf orthopädischem und internistischem Fachgebiet bestehenden Erkrankungen der Klägerin - das chronisch rezidivierende lumbale vertebragene Schmerzsyndrom, die Gonarthrose beidseits, die beginnende Sprunggelenksarthrose links, der Senkspreizfuß mit Zehendeformitäten sowie das Cervikalsyndrom - führen lediglich zu qualitativen Leistungseinschränkungen und stehen einer mindestens sechsstündigen täglichen Tätigkeit nicht entgegen. Prof. Dr. R. hat zwar aufgezeigt, dass der bei der Klägerin bestehende Gendefekt in den Vorgutachten keine Beachtung gefunden habe. Bei der Beurteilung der Leistungsfähigkeit der Klägerin kommt es jedoch nicht auf die Kausalität von Erkrankungen an. Maßgeblich ist allein das sozialmedizinische Leistungsvermögen. Unter Berücksichtigung der Gutachten von PD Dr. G., von Dr. H., und dem Rehabilitationsbericht der M.- Klinik K. ergeben sich keine ein quantitativ vermindertes Leistungsvermögen der Klägerin begründende funktionelle Einschränkungen, weder auf neurologisch-psychiatrischem noch auf orthopädischem oder auf internistischem Fachgebiet. PD Dr. G. hat Auswirkungen des Gendefektes auf das Leistungsvermögen der Klägerin ausschließen können. Die von Prof. Dr. R. als erforderlich erachtete Einleitung einer Therapie auf internistisch-immunologischer Basis soll die aus dem nachgewiesenen Gendefekt resultierende Störung des Immunsystems beheben, insbesondere die Infektneigung der oberen Luftwege mindern. Im Übrigen hat Dr. M. in ihren Arztbriefen vom 2. März und 3. Mai 2011 mitgeteilt, es ergäben sich lediglich Anhaltspunkte für das Vorliegen eines APS. Die Befunde hätten insgesamt keinen Hinweis auf eine genetisch bedingte erhöhte Gerinnungsneigung ergeben. Die molekulargenetische Diagnostik sei unauffällig gewesen. Die Kontrolle der AP-Antikörper sei indiziert. Insoweit sieht der Senat keine Veranlassung zu weiteren medizinischen Ermittlungen, zumal weder PD Dr. G. noch Prof. Dr. R. eine weitere medizinische Aufklärung für erforderlich gehalten haben.

Es liegen bei der Klägerin auch keine schwere spezifische Leistungsbehinderung oder eine Summierung ungewöhnlicher Leistungseinschränkungen sowie auch kein Katalog- oder Seltenheitsfall vor, die trotz der sechsstündigen Einsetzbarkeit zur Verschlossenheit des allgemeinen Arbeitsmarktes führten. Die Beklagte ist daher nicht verpflichtet, einen konkreten Arbeitsplatz zu benennen.

Die Klägerin hat auch keinen Anspruch auf Bewilligung einer Rente wegen teilweiser Erwerbsminderung bei Berufsunfähigkeit. Nach § 240 Abs. 1 SGB VI haben Anspruch auf eine solche Rente bei Erfüllung der sonstigen Voraussetzungen auch Versicherte, die vor dem 2. Januar 1961 geboren und berufsunfähig sind.

Die Klägerin ist vor dem 2. Januar 1961, nämlich am 1. Mai 1955 geboren.

Sie ist nicht berufsunfähig. Berufsunfähig sind nach § 240 Abs. 2 SGB VI Versicherte, deren Erwerbsfähigkeit wegen Krankheit oder Behinderung im Vergleich zur Erwerbsfähigkeit von körperlich, geistig und seelisch gesunden Versicherten mit ähnlicher Ausbildung und gleichwertigen Kenntnissen und Fähigkeiten auf weniger als sechs Stunden gesunken ist. Der Kreis der Tätigkeiten, nach denen die Erwerbsfähigkeit von Versicherten zu beurteilen ist, umfasst alle Tätigkeiten, die ihren Kräften und Fähigkeiten entsprechen und ihnen unter Berücksichtigung der Dauer und des Umfangs ihrer Ausbildung sowie ihres bisherigen Berufs und der besonderen Anforderungen ihrer bisherigen Berufstätigkeit zugemutet werden können. Berufsunfähig ist nach § 240 Abs. 2 Satz 4 SGB VI nicht, wer eine zumutbare Tätigkeit mindestens sechs Stunden täglich ausüben kann; dabei ist die jeweilige Arbeitsmarktlage nicht zu berücksichtigen.

Für die Frage, ob ein Versicherter berufsunfähig ist, ist sein "bisheriger Beruf" maßgeblich. Wenn er diesen aus gesundheitlichen Gründen nicht mehr ausüben kann, ist die Zumutbarkeit einer anderen Tätigkeit zu prüfen. Bisheriger Beruf im Sinne des § 240 SGB VI ist grundsätzlich die zuletzt ausgeübte und auf Dauer angelegte versicherungspflichtige Beschäftigung oder Tätigkeit. Diese muss also mit dem Ziel verrichtet werden, sie bis zur Erreichung der Altersgrenze auszuüben. Dieser Grundsatz gilt jedenfalls dann, wenn die Tätigkeit zugleich die qualitativ höchste im Berufsleben des Versicherten gewesen ist (KassKomm-Niesel § 240 SGB VI RdNr 21 m.w.N).

Bisheriger Beruf der Klägerin ist die selbstständige Tätigkeit als Versicherungsvermittlerin, die von Oktober 1990 bis Dezember 1991 versicherungspflichtig gewesen ist. Der Senat konnte unentschieden lassen, ob die Klägerin dieser Tätigkeit, die sie seit der Rentenantragstellung noch ausgeübt hat, in gesundheitlicher Hinsicht noch gewachsen ist. Denn selbst wenn der Klägerin die Ausübung ihrer bisherigen Tätigkeit nicht mehr zumutbar wäre, läge keine Berufsunfähigkeit vor. Mangels Berufsschutz wäre sie auf den allgemeinen Arbeitsmarkt verweisbar.

Auf welche Berufstätigkeiten ein Versicherter nach seinem fachlichen und gesundheitlichen Leistungsvermögen noch zumutbar verwiesen werden kann, beurteilt das BSG nach einem von ihm entwickelten Mehrstufenschema, das auch der Senat seinen Entscheidungen zugrunde legt. Dieses gliedert die Berufe hierarchisch in vier Gruppen mit verschiedenen Leitberufen. An oberster Stelle steht die Gruppe der Facharbeiter mit Vorgesetztenfunktion und der besonders qualifizierten Facharbeiter. Es folgen die Facharbeiter in einem anerkannten Ausbildungsberuf mit einer Ausbildungszeit von mehr als zwei bis drei Jahren, danach die angelernten Arbeiter mit einer Ausbildungszeit von bis zu zwei Jahren. Zuletzt folgen die so genannten Ungelernten, auch mit einer erforderlichen Einarbeitungs- oder Einweisungszeit von bis zu drei Monaten. Eine von dem Versicherten sechsstündig ausübbare Tätigkeit ist ihm zumutbar im Sinne des § 240 Abs. 2 SGB VI, wenn er irgendwelche Tätigkeiten der eigenen Qualifikationsstufe oder aber der nächst niedrigeren Stufe spätestens nach einer Einarbeitung und Einweisung von drei Monaten zum Erwerb der notwendigen Kenntnisse und Fähigkeiten vollwertig ausüben kann. Dabei muss dem Versicherten allerdings grundsätzlich ein konkreter Verweisungsberuf benannt und zugeordnet werden können, anhand dessen sich die Zumutbarkeit seiner Ausübung beurteilen lässt. Kann ein anderer Beruf nicht konkret in Betracht gezogen werden, liegt bei der Unfähigkeit der Ausübung des bisherigen Berufs Berufsunfähigkeit vor.

Eine Ausnahme vom Erfordernis der konkreten Benennung eines Verweisungsberufs besteht aber dann, wenn dem Versicherten fachlich-qualitativ ungelernte Tätigkeiten und jedenfalls leichte körperliche, seelische und geistige Belastungen zumutbar sind. Es gibt eine Vielzahl von ungelernten Berufen im inländischen Erwerbsleben. Sie stellen gerade keine besonderen Anforderungen an Kenntnisse, fachliche Fähigkeiten, Ausbildung und Berufserfahrung.

Einem Versicherten ist die Ausübung einer ungelernten Arbeitstätigkeit grundsätzlich zuzumuten, wenn sein bisheriger Beruf entweder dem Leitberuf des angelernten Arbeiters oder dem des ungelernten Arbeiters zuzuordnen ist. Allerdings ist bei den angelernten Arbeitern weiter zu differenzieren: Angelernte mit einer Regelausbildungszeit von bis zu einem Jahr (so genannte untere Angelernte) sind auf alle ungelernten Tätigkeiten verweisbar. Dem gegenüber können Angelernte mit einer Regelausbildungszeit von mehr als einem Jahr bis zu zwei Jahren (so genannte obere Angelernte) nur auf ungelernte Tätigkeiten verwiesen werden, die sich durch bestimmte Qualitätsmerkmale auszeichnen. Daher sind für Angelernte des oberen Bereichs Verweisungstätigkeiten konkret zu benennen (KassKomm-Niesel § 240 SGB VI RdNr 101 mit weiteren Nachweisen).

Der bisherige Beruf der Klägerin als Versicherungsvermittlerin ist dem Bereich der unteren Angelernten zuzuordnen. Einen Facharbeiterstatus kann die Klägerin für sich entgegen ihrem Vorbringen nicht in Anspruch nehmen. Sie hat keine Ausbildung mit dem Abschluss als Versicherungskauffrau im Sinne des Berufsbildungsgesetzes (BBiG) durchlaufen. Soweit die Klägerin über einen Abschluss als "Industriekaufmann" verfügt, führt dies nicht zum Facharbeiterstatus in Bezug auf die zuletzt ausgeübte Tätigkeit als Versicherungsvermittlerin. Denn die im Rahmen dieser Facharbeiterausbildung erlangten Kenntnisse und Fähigkeiten konnte die Klägerin bei ihrer Tätigkeit als Versicherungsvermittlerin nicht verwerten. Ausweislich des Facharbeiterzeugnisses vom 22. Juni 1973 waren Schwerpunkte und Inhalte der Ausbildung zum Industriekaufmann u.a. Betriebsökonomik, Grundlagen der BMSR-Technik, die Bereiche Lohn-, Finanz- und Materialrechnung, Absatz, und Technik. Diese Kenntnisse waren für die Tätigkeit als Versicherungsvermittlerin nicht maßgebend.

Der dem Senat vorgelegte Ausweis des BWV aus dem Jahr 1994 besagte lediglich, dass die Klägerin als Inhaberin des Ausweises die Qualifikation zur Versicherungsfachfrau (BWV) erworben hat und berechtigt ist, diese Berufsbezeichnung zu führen. Diese Anerkennung zur Versicherungskauffrau (BWV) erfolgte nach ihren eigenen Angaben ohne Prüfung. Sie beruht gerade nicht auf einer Ausbildung, sondern setzte lediglich eine Berufspraxis in der Versicherungsbranche voraus. Nach den Auskünften des BWV vom 14. Juli 2014 konnte im Zeitraum von 1991 bis 1994 die Anerkennung zur Versicherungskauffrau (BVW) aufgrund praktischer Tätigkeit vor dem 1. Januar 1991 erfolgen. Voraussetzung war ein aktuelles, unmittelbares und hauptberufliches Vertragsverhältnis mit einem Versicherungsunternehmen. Abgesehen davon, dass die Klägerin bereits nicht bei einem Versicherungsunternehmen hauptberuflich beschäftigt, sondern ausschließlich selbstständig als Versicherungsvermittlerin tätig gewesen ist und deshalb die Bescheinigung auf der Grundlage ihrer eigenen Angaben ausgestellt worden sein müsste, kam dieser brancheninternen Basisqualifikation lediglich eine gewerberechtliche Bedeutung zu. Die Voraussetzungen für einen Ausbildungsberuf im Sinne des BBiG waren damit ebenso wenig wie der Nachweis einer Anlernzeit von mehr als einem Jahr zur Erlernung des Berufs der Versicherungsvermittlerin gegeben.

Als untere Angelernte ist die Klägerin auf alle Tätigkeiten des allgemeinen Arbeitsmarktes verweisbar, ohne dass es einer konkreten Benennung einer Verweisungstätigkeit bedarf. Vielmehr ist davon auszugehen, dass die Klägerin - wie oben dargelegt - auf dem allgemeinen Arbeitsmarkt ihr Leistungsvermögen zum Erwerb von nicht nur geringfügigem Arbeitsentgelt sechs Stunden und mehr zumindest für körperlich leichte Tätigkeiten einsetzen kann.

Die Kostenentscheidung beruht auf § 193 SGG.

Gründe für eine Zulassung der Revision im Sinne von § 160 Abs. 2 SGG liegen nicht vor. Es handelt sich um eine Einzelfallentscheidung auf gesicherter Rechtsgrundlage, ohne dass der Senat von einer Entscheidung der in § 160 Abs. 2 Nr. 2 SGG genannten Gerichte abweicht.