Bayerisches Landessozialgericht - L 2 SB 48/12 B - Beschluss vom 08.05.2012
Nach §§ 111, 202 SGG i.V.m. § 141 ZPO kann das persönliche Erscheinen eines Beteiligten zur mündlichen Verhandlung angeordnet werden und derjenige, der der Anordnung nicht Folge leistet, mit Ordnungsgeld wie ein im Vernehmungstermin nicht erschienener Zeuge belegt werden. Ob der Vorsitzende eine Anordnung nach § 111 SGG treffen will, steht in seinem pflichtgemäßen Ermessen. Nach § 141 Abs. 1 S. 1 ZPO ist die Anordnung des persönlichen Erscheinens eines Beteiligten dann ermessensfehlerfrei, wenn dies zur Aufklärung des Sachverhalts geboten erscheint. Im sozialgerichtlichen Verfahren ist dabei der Ermessensspielraum weiter. Die Anordnung des persönlichen Erscheinens ist auch ermessensfehlerfrei möglich, wenn Zweck der Anordnung des persönlichen Erscheinens auch die Herbeiführung einer vergleichsweisen Erledigung ist.
Gründe:
I.
Die Beschwerde richtet sich gegen die Verhängung von Ordnungsgeld.
Mit Bescheid vom 10. September 2002 in der Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 20. März 2003 gewährte die Beklagte auf Antrag der Klägerin und Beschwerdeführerin (im Folgenden: Bf.) einen Grad der Behinderung (GdB) von 20. Im hiergegen gerichteten Klageverfahren vor dem Sozialgericht Nürnberg (Az. zunächst: S 5 SB 302/03) ist die Bf. im Zeitraum bis November 2004 mehreren von der Kammer angeordneten Terminen zur Untersuchung und Begutachtung nicht nachgekommen.
Mit Schreiben vom 7. November 2011 hat das Sozialgericht das durch Änderung im Geschäftsverteilungsplan bedingte neue Aktenzeichen zur Fortführung des Rechtsstreits mitgeteilt. Zu der mündlichen Verhandlung am 14. Dezember 2011 hat das Sozialgericht das persönliche Erscheinen der Bf. angeordnet. Die Ladung wurde ihr am 17. November 2011 zugestellt. Sie war mit dem Hinweis versehen, dass gegen die Bf. ein Ordnungsgeld bis zu 1.000.- EUR festgesetzt werden kann, falls sie ohne genügende Entschuldigung nicht erscheint.
Mit Fax vom 23. November 2011 hat die Bf. angefragt, um welche Angelegenheit es sich bei der Ladung handele. Das Sozialgericht hat mit Schreiben vom 24. November 2011 hierüber informiert.
Zur Sitzung am 14. Dezember 2011 ist die Bf. nicht erschienen. Die Kammervorsitzende hat die ordnungsgemäße Ladung festgestellt und mit Beschluss ein Ordnungsgeld in Höhe von 200.- EUR verhängt. Ferner hat das Sozialgericht die Einholung eines Gutachtens nach Aktenlage angeordnet. Die Sitzungsniederschrift ist der Bf. mit einfachem Brief vom 14. Dezember 2011 übermittelt worden.
Am 20. Januar 2012 ist beim Sozialgericht die Beschwerde der Bf. gegen den Ordnungsgeldbeschluss eingegangen. Sie habe mit Schreiben vom 23. November 2011 vor der Sitzung um Mitteilung gebeten, warum sie geladen sei. Auf dieses Schreiben habe sie keine Antwort erhalten. Damit sei für sie die Angelegenheit erledigt gewesen. Zudem sei ihr Ehemann am 12. Dezember 2011 operiert worden, weshalb sie "nervlich am Ende" gewesen sei.
II.
Die Beschwerde ist zulässig (§§ 172, 173 Sozialgerichtsgesetz- SGG). Zwar ging diese erst am 20. Januar 2012 beim Sozialgericht ein, so dass fraglich ist, ob die Monatsfrist des § 173 S. 1 SGG gewahrt ist. Allerdings wurde der Bf. der Beschluss mit einfacher Post versandt, so dass ein Zustellnachweis nicht geführt werden kann. Es ist daher von einer rechtzeitigen Erhebung der Beschwerde durch die Bf. auszugehen. Die Beschwerde ist jedoch unbegründet. Nach §§ 111, 202 SGG i.V.m. § 141 Zivilprozessordnung (ZPO) kann das persönliche Erscheinen eines Beteiligten zur mündlichen Verhandlung angeordnet werden und derjenige, der der Anordnung nicht Folge leistet, mit Ordnungsgeld wie ein im Vernehmungstermin nicht erschienener Zeuge belegt werden. Ob der Vorsitzende eine Anordnung nach § 111 SGG treffen will, steht in seinem pflichtgemäßen Ermessen. Nach § 141 Abs. 1 S. 1 ZPO ist die Anordnung des persönlichen Erscheinens eines Beteiligten dann ermessensfehlerfrei, wenn dies zur Aufklärung des Sachverhalts geboten erscheint. Im sozialgerichtlichen Verfahren ist dabei der Ermessensspielraum weiter. Die Anordnung des persönlichen Erscheinens der Bf. ist insofern ermessensfehlerfrei, zumal Zweck der Anordnung des persönlichen Erscheinens auch die Herbeiführung einer vergleichsweisen Erledigung sein kann (so z.B. auch Meyer-Ladewig/Keller/Leitherer, SGG, 10. Aufl., § 111 Rdnr. 2). Da die Bf. ordnungsgemäß geladen war und im Sitzungstermin unentschuldigt nicht erschienen ist, sind die Voraussetzungen des § 111 SGG i.V.m. §§ 141 Abs. 3, 380, 381 ZPO erfüllt. Nach § 380 ZPO sind einem ordnungsgemäß geladenen Zeugen, der nicht erscheint, die durch sein Ausbleiben verursachten Kosten sowie ein Ordnungsgeld aufzuerlegen. § 381 ZPO nennt die Gründe, nach denen die Auferlegung eines Ordnungsgeldes zu unterbleiben hat bzw. nachträglich aufzuheben ist. Dies ist dann der Fall, wenn der Beteiligte sein Ausbleiben genügend entschuldigen kann. Entschuldigt er sein Fernbleiben rechtzeitig, d.h. so rechtzeitig, dass der Termin aufgehoben und die übrigen Beteiligten hiervon noch unterrichtet werden können, so hat die Festsetzung eines Ordnungsgeldes zu unterbleiben. Erfolgt die Entschuldigung nicht rechtzeitig, so entfällt die Festsetzung eines Ordnungsgeldes nur dann, wenn glaubhaft gemacht wird, dass den Betroffenen an der Verspätung der Entschuldigung kein Verschulden trifft und die Entschuldigung hinreichend ist. Was als Entschuldigung gilt, entscheidet das Gericht nach freiem Ermessen und unter Würdigung der Gesamtumstände des Einzelfalls. Für die genügende Entschuldigung müssen Umstände vorliegen, die das Ausbleiben nicht als pflichtwidrig erscheinen lassen. Soweit die Bf. vorbringt, mit Fax vom 23. November 2011 das Sozialgericht um Aufklärung über die Hintergründe der Ladung gebeten zu haben, vermag dies das Ausbleiben nicht zu entschuldigen. Bereits mit Schreiben vom nächsten Tag hat das Sozialgericht auf den anhängigen Rechtsstreit hingewiesen. Aber auch sofern die Bf. dieses Schreiben, für das es keinen Zustellungsnachweis gibt, nicht erhalten haben sollte, muss sie sich auf die Anhängigkeit des von ihr betriebenen sozialgerichtlichen Verfahrens verweisen lassen. Auch wenn das Verfahren faktisch seit November 2004 ruhte, erfolgte mit Schreiben vom 7. November 2011 ein Hinweis durch das Sozialgericht, unter welchem Aktenzeichen das Verfahren fortgeführt wird. Darüber hinaus hätte von der Bf. erwartet werden können, dass sie sich, wenn sie auf ihr Fax vom 23. November 2011 keine Antwort erhalten hat, nochmals - ggf. telefonisch - beim Sozialgericht über den Anlass der Ladung informiert. Schließlich ergeben sich aus der Ladung selbst die wesentlichen Informationen, nämlich die Parteien des Rechtsstreits, das Aktenzeichen, die ungefähre Dauer des sozialgerichtlichen Verfahrens und das Schwerbehindertenrecht als einschlägiges Fachgebiet. Die Bf. war daher soweit informiert, dass sie zumindest daraus ihre unmittelbare Betroffenheit von der Ladung ableiten konnte; sie konnte daher nicht davon ausgehen, dass sie durch die Ladung nicht betroffen ist. Auch ist die Operation ihres Ehemanns kein ausreichender Entschuldigungsgrund. Die Operation fand bereits zwei Tage vor dem Sitzungstermin statt, so dass ausreichend Zeit gewesen wäre, eine Verhinderung vor dem Sitzungstermin dem Gericht mitzuteilen. Die nachträgliche Entschuldigung ist damit jedenfalls nicht ohne Verschulden der Bf. verspätet. Eine eigene - nervliche - Erkrankung der Bf. in der Form, dass ihr eine Teilnahme an der Sitzung nicht möglich gewesen wäre, ist nicht vorgebracht und belegt. Vielmehr ergibt sich aus der Beschwerdebegründung, dass die Belastung durch die Operation des Ehemanns nicht im Vordergrund für das Nichterscheinen stand, sondern die fehlende Information, zu welcher Verhandlung sie geladen sei. Die Höhe des Ordnungsgeldes richtet sich nach Art. 6 Abs. 1 des Einführungsgesetzes zum Strafgesetzbuch (EGStGB). Danach ist ein Rahmen von 5,00 EUR bis 1.000,00 EUR vorgegeben, innerhalb dessen sich das Ordnungsgeld bewegen kann. Bei der Zumessung hat das Gericht die Umstände, die für oder gegen die Bf. sprechen, gegeneinander abzuwägen. Dabei ist auf das Maß der Pflichtwidrigkeit, die Art des Verstoßes und dessen schuldhafte Auswirkungen, auf die persönlichen und wirtschaftlichen Verhältnisse der Bf. sowie auf das Verhalten nach dem Ordnungsverstoß abzustellen. In der Regel bedarf es keiner eingehenden Begründung dieser Ermessensentscheidung, wenn sich das Ordnungsgeld im unteren Mittel des vorgegebenen Rahmens bewegt. Dies ist hier bei der Festsetzung von Ordnungsgeld in Höhe von 200,00 EUR der Fall. Vor diesem Hintergrund und in Anbetracht der Tatsache, dass die Bf. keine Einwendungen gegen die Höhe des festgesetzten Ordnungsgeldes erhoben hat, hält der Senat den Beschluss des Sozialgerichts für rechtmäßig.
Die Kostenentscheidung erfolgt analog § 193 SGG.
Dieser Beschluss ist gemäß § 177 SGG unanfechtbar.