LSG Schleswig-Holstein- Beschluss vom 27.01.2003 – Az.: L 2 B 121/02 SB PKH

 

 

Der durch eine Selbstbeteiligung nicht gedeckte Kostenanteil einer Rechtsschutzversicherung kann Gegenstand eines PKH- Antrages sein.

 

 

 

Gründe:

 

I.

 

Mit seiner Beschwerde begehrt der Kläger die Bewilligung von Prozesskostenhilfe für eine im Februar 2002 erhobene Klage.

Der Kläger hat in dem Klageverfahren S 5 SB 22/02 am 18. Februar 2002 Klage erhoben mit dem Ziel der Feststellung eines höheren Grades der Behinderung (GdB) als 40.

 

Das Sozialgericht hat im August 2002 einen Termin zur mündlichen  Verhandlung und Beweisaufnahme bestimmt auf den 29. Oktober 2002 und hat  zugleich zwei medizinische Sachverständige beauftragt, in der mündlichen Verhandlung Gutachten zu erstatten.

Am 14./16. Oktober 2002 hat der Kläger einen Antrag auf Bewilligung von Prozesskostenhilfe gestellt. Er sei nach seinen persönlichen und wirtschaftlichen Verhältnissen nicht in der Lage, die Kosten der Selbstbeteiligung seiner Rechtsschutzversicherung in Höhe von 153,00 Euro selbst zu tragen. Bezüglich dieses Betrages werde um Prozesskostenhilfe gebeten. Dem Antrag war eine Erklärung über die persönlichen und wirtschaftlichen Verhältnisse nebst Anlagen beigefügt.

 

Mit dem im Beschwerdeverfahren angefochtenen Beschluss vom 24. Oktober 2002 hat das Sozialgericht den Antrag auf Bewilligung von Prozesskostenhilfe abgelehnt. Der Kläger sei rechtsschutzversichert und könne auf die Rechtsschutzversicherung zurückgreifen. Er habe nicht nachgewiesen, dass  eine Deckungszusage nicht erteilt worden sei. Soweit eine Rechtsschutzversicherung Deckungsschutz gewähre, liege keine Bedürftigkeit  hinsichtlich § 115 ZPO in Verbindung mit § 202 SGG vor. Der Kläger erfülle  nicht die wirtschaftlichen Voraussetzungen für die Gewährung von  Prozesskostenhilfe. Daran ändere auch nichts der Umstand, dass er eine Selbstbeteiligung in Höhe von 153,00 Euro zu tragen habe. Die  Prozesskostenhilfe könne nicht auf diesen Betrag begrenzt werden. Es hänge  vom Willen des Klägers ab, sich die Bedingungen der Rechtsschutzversicherung auszuwählen. Er könne nicht zu Lasten des Landes  von einer Gestaltungsmöglichkeit mit einer Selbstbeteiligung Gebrauch  machen, um anschließend die Selbstbeteiligung im Wege der  Prozesskostenhilfe auf das Land abzuwälzen. Bei dieser Sach- und Rechtslage  komme es nicht auf die Erfolgsaussichten des zu Grunde liegenden Verfahrens  an. Der Beschluss ist dem Kläger am 28. Oktober 2002 zugestellt worden.

In dem Verhandlungstermin am 29. Oktober 2002 hat das Sozialgericht die  Klage abgewiesen. Diese Entscheidung ist noch nicht rechtskräftig.

 

Gegen den prozesskostenhilfeversagenden Beschluss vom 14./16. Oktober 2002 hat der Kläger am 27. November 2002 Beschwerde eingelegt. Er sei unstreitig rechtsschutzversichert. Die vorhandene Rechtsschutzversicherung beschränke die Bedürftigkeit auf den Selbstbehalt in Höhe von 153,00 Euro.

 

Die Begründung des Sozialgerichts könne nicht überzeugen.  Derjenige Kläger, der eine Rechtsschutzversicherung mit eigenen monatlichen Versicherungsbeiträgen abschließe, würde so trotz bestehender Bedürftigkeit schlechter gestellt, als derjenige Kläger, der keine eigene Vorsorge treffe. Gestaltungsmöglichkeiten habe er im Übrigen nicht, da es ihm auf Grund  seiner wirtschaftlichen Verhältnisse nicht möglich sei, eine Rechtsschutzversicherung ohne Selbstbeteiligung abzuschließen. Von einem Abwälzen der Selbstbeteiligung im Wege der Prozesskostenhilfe könne nicht die Rede sein. Bei Abschluss des Rechtsschutzversicherungsvertrages habe  er, der in rechtlichen Dingen nicht bewandert sei, in keiner Weise an die Möglichkeit der späteren Geltendmachung im Rahmen der Prozesskostenhilfe  gedacht. Auf Aufforderung des Senats hat der Kläger weitere Unterlagen zu der von  ihm zu tragenden Selbstbeteiligung in Höhe von 153,00 Euro vorgelegt.

 

Das beklagte Land hat sich im Beschwerdeverfahren nicht geäußert.

 

 

II.

 

Die Beschwerde ist begründet.

 

Nach § 73a Abs. 1 SGG in Verbindung mit § 114 ff. ZPO erhält eine Partei,  die nach ihren persönlichen und wirtschaftlichen Verhältnissen die Kosten der Prozessführung nicht, nur zum Teil oder nur in Raten aufbringen kann,  auf Antrag Prozesskostenhilfe, wenn die beabsichtigte Rechtsverfolgung hinreichend Aussicht auf Erfolg bietet und nicht mutwillig erscheint.

 

Das Sozialgericht hat den Antrag auf Bewilligung von Prozesskostenhilfe abgelehnt mit der Begründung, dass bei dem Kläger wegen der bestehenden Rechtsschutzversicherung keine Bedürftigkeit hinsichtlich § 115 ZPO in Verbindung mit § 202 SGG vorliege. Damit hat das Sozialgericht erkennbar abgestellt auf die Vorschrift des § 115 Abs. 2 Satz 1 ZPO, nach der die Partei ihr Vermögen einzusetzen hat,  soweit dies zumutbar ist.  Es ist allgemeine Rechtsauffassung, dass bei der Prüfung eines  Prozesskostenhilfeantrages bei der Ermittlung des dem Antragsteller zur Verfügung stehenden Vermögens gemäß § 115 Abs. 2 ZPO auch das Bestehen  einer Rechtsschutzversicherung zu berücksichtigen ist. Zum Vermögen im Sinne des § 115 Abs. 2 ZPO zählt auch der Versicherungsschutz aus einer  Rechtsschutzversicherung, der vorrangig in Anspruch zu nehmen ist (siehe beispielsweise BSG, Beschluss vom 17. August 1998 - B 14 KG 13/98 B;  Kalthoener/Büttner, Wrobel-Sachs, Prozesskostenhilfe und Beratungshilfe, Rdn. 331; Philippi in: Zöller, Zivilprozessordnung, 23. Aufl. 2002, § 115  Rdn. 61; Meyer-Ladewig, Sozialgerichtsgesetz, 7. Aufl. 2002, § 73a Rdn.  6e).  Eine Rechtsschutzversicherung kann jedoch nur soweit Teil des Vermögens im Sinne des § 115 Abs. 2 Satz 1 ZPO sein, soweit sie tatsächlich die Kosten  der Rechtsverfolgung deckt. Dementsprechend wird in der Kommentarliteratur übereinstimmend darauf hingewiesen, dass bei Bestehen einer  Rechtsschutzversicherung Prozesskostenhilfe nicht gewährt werden kann, soweit der Antragsteller einen Anspruch auf Deckung der Prozesskosten durch eine Rechtsschutzversicherung hat. Reicht dagegen die Deckungssumme der Rechtsschutzversicherung für die von der Partei aufzubringenden Kosten  nicht aus, so kann Prozesskostenhilfe hinsichtlich des überschießenden  Betrages gewährt werden (siehe Wax in: Münchener Kommentar, Zivilprozessordnung, 1992, § 115 Rdn. 38; Philippi, aaO, § 115 Rdn. 61;  Kalthoener/Büttner, Wrobel-Sachs, aaO, Rdn. 331).  Daraus wird deutlich, dass eine Rechtsschutzversicherung nur in dem Umfang, in dem sie bei der Kostentragung eintritt, zum Vermögen im Sinne des § 115  Abs. 2 Satz 1 ZPO gerechnet werden kann. Dies bedeutet dann bei der Bewertung einer Selbstbeteiligung bei einer Rechtsschutzversicherung, dass  für den Kostenanteil, für den die Rechtsschutzversicherung nicht eintritt, dann auch kein Vermögen im Sinne des § 115 Abs. 2 Satz 1 ZPO vorhanden ist  und dann ebenso wie im Fall einer nicht ausreichenden Deckungssumme oder eines nicht ausreichenden Deckungsschutzes Prozesskostenhilfe auch  bewilligt werden kann hinsichtlich des Betrages der Selbstbeteiligung.

 

Die Vereinbarung einer Selbstbeteiligung bei dem Abschluss eines Rechtsschutzversicherungsvertrages kann nicht zu Lasten des Klägers nachteilig beurteilt werden, da er nicht zum Abschluss eines Rechtsschutzversicherungsvertrages verpflichtet ist und ebenso für den Fall des Abschlusses eines Rechtsschutzversicherungsvertrages nicht verpflichtet ist, diesen ohne Selbstbeteiligung zu vereinbaren.

Der von der Rechtsschutzversicherung nicht gedeckte Kostenanteil in Höhe  der Selbstbeteiligung kann damit auch Gegenstand eines Antrages auf  Bewilligung von Prozesskostenhilfe sein.  Der Kläger hat im Beschwerdeverfahren ergänzend zu seinen Antragsunterlagen glaubhaft gemacht, dass eine Selbstbeteiligung in Höhe von 153,00 Euro  durch seine Rechtsschutzversicherung nicht gedeckt ist.

Danach konnte das Sozialgericht den Antrag auf Bewilligung von Prozesskostenhilfe nicht ablehnen mit der Begründung, dass der Kläger wegen des Bestehens einer Rechtsschutzversicherung nicht bedürftig sei.

 

Aus der Sicht des Senats besteht Veranlassung, die Sache an das  Sozialgericht zurückzuverweisen zur weiteren Entscheidung über den Prozesskostenhilfeantrag.

 

Der Senat macht hier Gebrauch von der ihm über § 202 SGG in Verbindung mit  § 572 Abs. 3 ZPO eingeräumten Möglichkeit der Zurückverweisung (siehe dazu allgemein Meyer-Ladewig, aaO, § 176 Rdn. 4; Peters-Sautter-Wolff, Kommentar zur Sozialgerichtsbarkeit, Loseblattausgabe, § 172 Rdn. 37, 38; Kalt-hoener/Büttner, Wrobel-Sachs, aaO, Rdn. 900; Zöller, aaO, § 127 Rdn.  38; siehe auch LSG Rheinland-Pfalz, Beschluss vom 9. April 1991 - L 4 Sb 25/91 - Breith. 1991, 879).

 

Das Sozialgericht hat seine Ablehnung letztlich allein darauf gestützt,  dass die Bedürftigkeit zu verneinen sei wegen des Vorhandenseins einer Rechtsschutzversicherung als Teil des Vermögens im Sinne des § 115 Abs. 2 Satz 1 ZPO.

 

Da dieser die Entscheidung tragende Grund rechtsfehlerhaft ist, sieht der Senat es als sachgerecht an, die Sache an das Sozialgericht zurückzuverweisen, damit dieses über die weiteren Voraussetzungen des Antrages auf Bewilligung von Prozesskostenhilfe entscheidet. Damit ist für den Kläger dann auch die Möglichkeit weiteren Rechtsschutzes in einem Beschwerdeverfahren gewahrt.

 

Dieser Beschluss ist nicht anfechtbar.