Bayerisches Landessozialgericht - L 20 VG 26/15 - Urteil vom 09.11.2017
Nach § 2 Abs. 1 Satz 1 Opferentschädigungsgesetz (OEG) sind Leistungen zu versagen, wenn der Geschädigte die Schädigung verursacht hat oder wenn es aus sonstigen, insbesondere in dem eigenen Verhalten des Anspruchstellers liegenden Gründen unbillig wäre, Entschädigung zu gewähren. Eine solche Unbilligkeit besteht nicht wegen der Gefahr einer Doppelversorgung, die darauf beruht, dass der Geschädigte im Strafverfahren einen Adhäsionsvergleich mit dem Täter und Opfer zur Schadenswiedergutmachung geschlossen hat.
Tatbestand:
Streitig ist Versorgung nach dem Opferentschädigungsgesetz (OEG) in Verbindung mit dem Bundesversorgungsgesetz (BVG), die der Beklagte unter Berufung auf die Ausschlusstatbestände nach § 2 Abs. 1 OEG versagt hat.
Der 1958 geborene Kläger stellte bei dem Beklagten im September 2013 einen Antrag auf Gewährung von Beschädigtenversorgung nach dem OEG. Dabei machte er geltend, dass er sich am 23.04.2013 gegen 15:15 Uhr vor dem Eingang des Geschäfts M. in D-Stadt in Ausübung seiner beruflichen Tätigkeit als Ladendetektiv eine traumatische Sehnenruptur zugezogen habe, als er den von ihm gestellten Ladendieb D. S. (im Folgenden: Ladendieb), der habe flüchten wollen, am von diesem mitgeführten Rucksack festgehalten habe. Als Nachweis der erlittenen Schädigungsfolge fügte er ärztliche Berichte des MedCenter A-Stadt bei, in denen die Diagnose einer "Traumatischen Sehnenruptur tiefe Beugesehne D IV" (am Ringfinger der linken Hand) gestellt worden ist. Ferner fügte er einen Bericht an die Verwaltungs-Berufsgenossenschaft (C.) bei, wonach er den Unfall auch der zuständigen Berufsgenossenschaft gemeldet hat.
Der Beklagte bestätigte mit Schreiben vom 09.10.2013 den Eingang des Antrags und machte den Kläger darauf aufmerksam, dass gesetzliche Schadensersatzansprüche gegen den Schädiger auf den Freistaat Bayern übergingen, soweit der Kläger von der Versorgungsverwaltung wegen des Schadens Leistungen erhalte, die den Schaden ausgleichen sollten. Der Kläger dürfe daher über seine Schadensersatzansprüche gegen den Schädiger insoweit nicht mehr verfügen, insbesondere keinen Vergleich schließen oder Zahlungen vom Schädiger entgegennehmen, ohne sich vorher mit dem Zentrum Bayern Familie und Soziales - Versorgungsamt (ZBFS) abzustimmen. Falls er dies nicht beachte, müsse er dem ZBFS Ersatz leisten, vor allem aber könnten dann Leistungen versagt werden. Lediglich Ansprüche auf Schmerzensgeld sowie Ansprüche auf Ersatz von Sach- und Vermögensschäden, die nach dem OEG nicht entschädigt würden, dürfe der Kläger selbst gegenüber dem Schädiger geltend machen.
Mit Schreiben vom 12.11.2013 teilte die C. dem Beklagten mit, dass sie den Vorfall vom 23.04.2013 als Arbeitsunfall anerkannt habe. Arbeitsunfähigkeit habe vom 03.06.2013 bis 03.08.2013 vorgelegen. Die Behandlungsbedürftigkeit habe am 22.08.2013 geendet.
Mit rechtskräftigem Urteil des Amtsgerichts D-Stadt (AG) vom 03.04.2014 (Az.: ) wurde der Ladendieb wegen Diebstahls in Tatmehrheit mit vorsätzlicher Körperverletzung verurteilt und zu einer Gesamtfreiheitsstrafe von 6 Monaten verurteilt. Gleichzeitig wurde die Unterbringung des Ladendiebs in einer Entziehungsanstalt angeordnet. Im Urteil wurde zu den gesundheitlichen Folgen der Tat vom 23.04.2013 für den Kläger ausgeführt, dass dieser eine Distorsion des linken Ringfingers mit einem Abriss einer Sehne erlitten habe, weswegen er sich einer Operation habe unterziehen müssen und in der Folge 9 Wochen arbeitsunfähig erkrankt gewesen sei. Als Dauerfolgen seien bei dem Kläger eine Bewegungseinschränkung des Endgliedes des linken Ringfingers sowie ein dortiges Taubheitsgefühl verblieben.
Der Kläger, der im Strafverfahren als Nebenkläger beteiligt war, schloss am gleichen Tag - 03.04.2014 - im Rahmen der mündlichen Verhandlung vor dem AG mit dem angeklagten Ladendieb einen das (dort anhängige) Adhäsionsverfahren beendenden Vergleich mit folgendem Inhalt: 1. Der Angeklagte bezahlt an den Nebenkläger einen Geldbetrag von 2.000 EUR. 2. Die Parteien sind sich darüber einig, dass damit sämtliche gegenseitigen Ansprüche, gleich ob bekannt oder unbekannt, für Gegenwart, Vergangenheit und Zukunft abgegolten und erledigt sind. 3. Der Angeklagte trägt die Kosten des Adhäsionsverfahrens. Der Streitwert für das Adhäsionsverfahren wurde vom AG anschließend auf 2.902,67 EUR festgesetzt.
Zuvor hatte der Ladendieb in der mündlichen Verhandlung vor dem AG zu Protokoll erklärt, dass er finanziell derzeit nicht in der Lage sei, einen Geldbetrag an den Kläger zu zahlen.
Mit Bescheid vom 13.11.2014 lehnte der Beklagte den Antrag auf Beschädigtenversorgung mit der Begründung ab, dass zwar ein tätlicher Angriff im Sinne von § 1 Abs. 1 OEG nachgewiesen sei, die Gewährung von Leistungen aber nach § 2 Abs. 1 Satz 1 Alt. 2 OEG wegen Unbilligkeit zu versagen sei. Eine Entschädigung sei deshalb unbillig, weil die Klägerbevollmächtigte am 03.04.2014 einen Globalabfindungsvergleich mit dem Täter abgeschlossen habe, wodurch sämtliche gegenseitigen Ansprüche für Gegenwart, Vergangenheit und Zukunft abgegolten und erledigt seien. Eine Beschränkung auf Schmerzensgeld sei im Vergleich nicht ersichtlich. Bereits mit Schreiben des Beklagten vom 09.10.2013 sei die Klägerbevollmächtigte darauf hingewiesen worden, dass über Schadensersatzansprüche nicht mehr verfügt werden könne, insbesondere kein Vergleich ohne Rücksprache mit der Versorgungsverwaltung abgeschlossen werden dürfe. Dass die vereinbarte Zahlung laut dem Schreiben der Klägerbevollmächtigten vom 21.10.2014 nicht zu realisieren sei, habe keinen Einfluss auf die Rechtslage. Es widerspreche dem Sinn und Zweck des Gesetzes, dem Kläger nach dem Abschluss des Vergleichs Beschädigtenversorgung nach dem OEG zu gewähren, weswegen Leistungen gemäß § 2 Abs. 1 OEG zu versagen seien. Im Übrigen werde darauf hingewiesen, dass es sich bei dem Angriff vom 23.04.2013 um einen Arbeitsunfall handle und deshalb gemäß § 65 BVG die Berufsgenossenschaft vorrangig zur Leistung verpflichtet sei.
Dagegen erhob der Kläger Widerspruch, der damit begründet wurde, dass keine Unbilligkeit vorliege, weil die Schadensersatzansprüche nur im Rahmen mit dem Täter erledigt worden seien, wobei in der Vereinbarung auch ausdrücklich darauf hingewiesen worden sei, dass eine Realisierung beim Täter mangels Leistungsfähigkeit nicht möglich sein werde. Keinesfalls sei ein umfassender Ausschluss erfolgt.
Mit Widerspruchsbescheid vom 26.01.2015 wurde der Widerspruch mit der Begründung zurückgewiesen, dass eine Leistungsgewährung deswegen unbillig sei, weil Sinn und Zweck des OEG sei, das Opfer einer Gewalttat zu entschädigen, ohne dass es auf eine zivilrechtliche Geltendmachung von Ansprüchen gegen den Täter angewiesen sei. Die Kehrseite dieser Medaille sei aber, dass dann eben diese zivilrechtlichen Ansprüche von Gesetzes wegen auf den Staat übergingen, damit dieser den Täter in Regress nehmen könne. Wer trotzdem über seine zivilrechtlichen Schadensersatzansprüche in vollem Umfang gegenüber dem Täter verfüge, wie dies hier durch den vorliegenden Vergleich geschehen sei, verzichte damit auch auf die Wohltat einer staatlichen Entschädigung für die erlittenen Verletzungen. Dies sei dem Kläger mit Schreiben vom 09.10.2013 (also vor dem Abschluss des Vergleichs mit dem Täter) auch mitgeteilt worden. Den Vergleich habe der Kläger in Kenntnis des Verbots der Verfügung über seine Schadensersatzansprüche geschlossen, wobei er dabei auch anwaltlich vertreten gewesen sei. Es spiele dabei keine Rolle, dass der Kläger seine Ansprüche gegenüber dem Schädiger derzeit möglicherweise nicht realisieren könne. Hinzu komme, dass nach den vorliegenden Ermittlungen in medizinischer Hinsicht eine dauerhafte Schädigung mit einem rentenberechtigenden Grad der Schädigungsfolgen (GdS) wohl nicht im Raum stehe (lediglich Bewegungseinschränkung des Endglieds des linken Ringfingers und ein dortiges Taubheitsgefühl). Die angefallenen Heilbehandlungs- und ggf. Rehakosten trage die C. als zuständige gesetzliche Unfallversicherung, deren Leistungen auch vorrangig gegenüber dem OEG seien.
Dagegen hat der Kläger am 29.01.2015 Klage zum Sozialgericht Bayreuth (SG) erhoben. Zur Begründung hat er vorgetragen, dass der Kläger keine Doppelversorgung genieße. Die Unbilligkeit der Versorgungsleistungen sei in keinster Weise gegeben, weil der Vergleich im Täter-Opfer-Ausgleich zustande gekommen sei, gegen welchen sich der Kläger gar nicht habe wehren können, da dieser dem Täter nicht verwehrt werden könne, weil er ihm strafmildernd zugutekomme. Auch habe der Verurteilte bereits im Strafverfahren zu Protokoll erklärt, dass mangels Leistungsfähigkeit bei ihm nichts zu holen sei. Auch sei kein umfassender Ausschluss erfolgt. Die Ausführungen des Beklagten im Widerspruchsbescheid, der Kläger habe auf die "Wohltaten" einer staatlichen Entschädigung verzichtet, seien vollkommen unsachgerecht und würden zynisch anmuten. Es liege auch eine dauerhafte Schädigung vor.
Mit Urteil vom 16.06.2015 hat das SG die Klage mit der Begründung abgewiesen, dass der Beklagte zu Recht einen Leistungsausschluss nach § 2 Abs. 1 Satz 1 Alt. 2. OEG angenommen habe, weil auch zur Überzeugung des SG hier eine Unbilligkeit gegeben sei. In der Kasuistik der Rechtsprechung des Bundessozialgerichts - BSG - sei der Ausschluss von Versorgungsleistungen wegen regresswidrigen Verzichts bislang nicht gewürdigt worden. Das Hessische Landessozialgericht (HessLSG) habe im Urteil vom 23.06.1994 (L 5 V 664/93, Rn. 23f) die Struktur des Anspruchsübergangs dargestellt und einen Anspruch auf Kostenersatz für Heilbehandlungskosten bei Abschluss eines Abfindungsvertrages als an § 81a BVG gescheitert angesehen: "Die Vorschriften §§ 81 ff. BVG sollen verhindern, dass dem Versorgungsberechtigten mehrere Ansprüche aufgrund eines schädigenden Ereignisses zustehen. § 81 a BVG bewirkt deshalb einen gesetzlichen Forderungsübergang auf den Bund in den Fällen, in denen der Versorgungsberechtigte einen gesetzlichen Schadensersatzanspruch gegenüber einem Dritten hat. ( ...) Bei dem Rückgriffanspruch der Versorgungsverwaltung gegen den Schädiger handelt es sich nicht um die Geltendmachung eines vom Bund durch das schadenstiftende Ereignis erwachsenen Schadens, sondern eines Ersatzanspruches, der in der Person des Versorgungsberechtigten entstanden und im Wege des gesetzlichen Forderungsüberganges auf den Bund übergegangen ist. Als gesetzlicher Schadensanspruch gegenüber Dritten kommen im Wesentlichen in Betracht Ansprüche aus unerlaubter Handlung nach §§ 823 ff. BGB, ( ...). Der Übergang der Ansprüche vollzieht sich dem Grunde nach bereits im Augenblick des Unfalles. Der Übergang findet jedoch nur in dem Umfange statt, als er die Leistungen aufgrund des BVG betrifft. Der weitergehende Ersatzschaden steht dem Versorgungsberechtigten zu. Die Versorgungsverwaltung muss ein zwischen dem verletzten Versorgungsberechtigten und dem Schädiger geschlossenen Abfindungsvergleich (wegen aller auf einen Unfall beruhenden Ansprüche nach §§ 412, 407 Abs. 1 BGB) gegen sich gelten lassen, es sei denn, dass der Schädiger oder sein Bevollmächtigter bei Abschluss des Vergleichs den den gesetzlichen Forderungsübergang begründenden tatsächlichen Umstand kannte." Das SG schließe sich dieser Rechtsprechung an und mache sich diese zu eigen. Anhaltspunkte für die Kenntnis des Schädigers vom Forderungsübergang bei Abschluss des Vergleichs bestünden im vorliegenden Fall nicht. Insbesondere fänden sich im Sitzungsprotokoll des AG keine Hinweise des Klägers im Anschluss an das Aufklärungsschreiben des Beklagten vom 09.10.2013, das dem "Kläger" (Anmerkung des LSG: Gemeint ist wohl "Schädiger") den Anspruchsübergang und das Verfügungsverbot besonders eindringlich näher gebracht habe. Den vom HessLSG angenommenen Forderungsübergang habe der Bundesgerichtshof (BGH) nach Zeitpunkt und Art bestätigt - worauf der Beklagte in der mündlichen Verhandlung hingewiesen habe. Der Forderungsübergang finde statt, "soweit auch nur die entfernte Möglichkeit dafür besteht, dass dem Geschädigten Versorgungsleistungen zu gewähren sein werden" (BGH Urteil vom 16.10.2007, VI ZR 227/06, Rn. 8). Das HessLSG habe als Ergebnis abgeleitet, dass gegenüber dem Versorgungsberechtigten ein Anspruch gemäß §§ 185 Abs. 2, 816 Abs. 2 Bürgerliches Gesetzbuch (BGB) bestehe. Damit würde die vom Kläger angestrebte Beschädigtenversorgung herauszugeben sein. Dies führe nach dem Grundsatz "dolo agit, qui petit, quod statim redditurus est" (mit Arglist handelt, wer etwas fordert, was er sogleich wieder zurückerstatten muss) dazu, dass der Versorgungsanspruch einredebehaftet und unwirksam sei. Das HessLSG führe weiter aus, dass damit ein weiterer Anspruch gegenüber dem Beklagten nicht möglich sei, dies würde dem Sinn und Zweck der §§ 81 ff. BVG analog widersprechen. Zum Sinn und Zweck führe auch das Bayerische Landessozialgericht (BayLSG) aus: "Grundlage für die staatliche Gewaltopferentschädigung ist der Gedanke des staatlichen Versagens der Verbrechensbekämpfung bzw. des solidarischen Einstehens Aller für Geschädigte, die vom Täter zumeist keinen ausreichenden Schadensersatz erhalten; die Entschädigung erfolgt aus sozialstaatlichen Gründen" (Beschluss vom 30.10.2013, L 15 VG 35/13 ER, m.w.N.) Da der Kläger seine Ansprüche selbst geregelt habe, bedürfe er dieses solidarischen Einstehens der Gesellschaft nicht. Am Rande sei noch ausgeführt, dass der Kläger ohnehin durch die Solidargemeinschaft der Unfallversicherten abgesichert sei, da ein Arbeitsunfall bereits anerkannt worden sei.
Gegen das ihm am 22.07.2015 zugestellte Urteil hat der Kläger am 21.08.2015 Berufung zum BayLSG erhoben. Zur Begründung ist im Wesentlichen der Vortrag aus der Klagebegründung wiederholt und ergänzend vorgetragen worden, dass der Täter-Opfer-Ausgleich überhaupt die einzige Möglichkeit gewesen sei, vom Schädiger irgendeine Leistung zu erlangen. Der Täter-Opfer-Ausgleich könne auch gegen den Willen des Opfers durchgeführt werden und werde dem Täter trotz alledem wegen seines "Bemühens" strafmildernd angerechnet. Entscheidend sei doch, dass Ansprüche auf den Beklagten allenfalls im Rahmen dieses verfügten Betrages übergegangen seien, hierdurch aber die Leistungen nach dem OEG nicht ausgeschlossen seien. Es dürfte auch naheliegend sein, dass Vereinbarungen in einer Strafverhandlung nicht mit dem ZBFS besprochen werden könnten, da diesbezüglich eine reale Verständigungsmöglichkeit nicht bestehe. Ein widerruflicher Vergleich könne im Rahmen eines Strafverfahrens auch nicht geschlossen werden. Im Übrigen handle es sich erkennbar nicht um eine Globalabfindung. Es dürfte doch klar auf der Hand liegen, dass der Berufungskläger auf Ansprüche Dritter gar nicht wirksam verzichten könne. Eine solche Formulierung müsse auch nicht in den Vergleich aufgenommen werden, sondern ergebe sich aus dem Gesetz. Im Folgenden ist von Klägerseite noch ein Schreiben der C. vom 15.02.2007 überreicht worden, wonach im Zusammenhang mit dem Arbeitsunfall vom 23.04.2013 dort kein Bescheid erlassen worden sei. Der Beklagte hat sich daraufhin an die C. (Schreiben vom 10.03.2017) gewandt und diese um Einleitung eines Verfahrens im Rahmen der gesetzlichen Unfallversicherung gebeten. Mit Schreiben vom 28.04.2017 hat der Beklagte ein Schreiben der C. vom 11.04.2017 übersandt, aus dem hervorgeht, dass das Ereignis vom 23.04.2013 von dort als Arbeitsunfall anerkannt worden und diesbezüglich eine Heilbehandlung bis zum 22.08.2013 mit einer Arbeitsunfähigkeit bis 04.08.2013 erfolgt sei; diesbezügliche Kosten seien von der C. getragen worden. Die C. habe den Kläger gebeten, sich bei weiteren Beschwerden bei einem Durchgangsarzt vorzustellen, wobei auch diese Nachuntersuchung zu Lasten der C. abgerechnet würde. Daher habe die C. bisher keine Veranlassung gehabt, einen Bescheid zu erstellen. Der Beklagte hat aus diesem Schreiben der C. gefolgert, dass sich aus diesem ergebe, dass beim Kläger offenbar keine dauerhaften Schädigungsfolgen aus dem Ereignis vom 23.04.2013 vorlägen; denn gäbe es solche, wären sie von der C. als vorrangigem Leistungsträger festgestellt und anerkannt worden (Schreiben des Beklagten vom 28.04.2017).
Am 09.05.2017 hat vor der zuständigen Berichterstatterin ein Erörterungstermin stattgefunden, in dem diese den Beteiligten einen Vergleichsvorschlag unterbreitet hat.
Der Kläger hat dazu mit Schreiben vom 23.05.2017 mitgeteilt, dass er den Vergleichsvorschlag annehme.
Der Beklagte hat vorgetragen, dass er sich dem gerichtlichen Vergleichsvorschlag nicht anschließen könne, was darin begründet liege, dass hier Leistungen der zuständigen C. in jedem Fall vorrangig seien. Dies würde bedeuten, dass, wenn eine dauerhafte Schädigungsfolge anzuerkennen wäre, diese in gleicher Weise von der C. anerkannt werden müsste. Wie bereits im Widerspruchsbescheid vom 26.01.2015 ausgeführt, liege - wenn überhaupt - eine dauerhafte Schädigungsfolge mit einem nicht rentenberechtigenden GdS vor. Insoweit werde auch auf die versorgungsmedizinischen Grundsätze, dort Nr. 18.13 "Schäden an oberen Gliedmaßen", verwiesen. Selbst die Versteifung des Fingers in Streck- oder starker Beugestellung bzw. der Komplettverlust des linken Ringfingers würde einen GdS von maximal 10 bedingen. Dies würde bedeuten, dass dem Kläger gegenüber dem Beklagten allenfalls ein Anspruch auf Heil- und Krankenbehandlung zustehe. Dieser sei aber vorrangig gemäß § 65 BVG durch die C. zu erfüllen. Dazu allerdings müsste der Kläger ein entsprechendes Verfahren gegen die C. einleiten und dann auch konsequent betreiben. Insofern käme aus hiesiger Sicht ein Ruhen des Verfahrens bis zum Abschluss des Verfahrens gegen die C. in Betracht. Denn würde der Beklagte jetzt seine Bescheide aufheben und neu entscheiden, dann wäre auch diese neue Entscheidung unter den Vorbehalt von Leistungen der C. gestellt. Der Beklagte selbst könne aber keine Verfahren bei der C. betreiben, das müsse der Kläger selbst tun.
Von Klägerseite ist dazu mitgeteilt worden, dass er mit einem Ruhen des Verfahrens nicht einverstanden sei.
Auf gerichtliche Nachfrage, bei welchen Ärzten sich der Kläger wegen der Folgen der Gewalttat aktuell in Behandlung befinde, hat dieser mitgeteilt, dass er diesbezüglich zurzeit bei keinem Arzt in Behandlung sei.
Der Kläger beantragt,
das Urteil des Sozialgerichts Bayreuth vom 16.06.2015 sowie den Bescheid des Beklagten vom 13.11.2014 in der Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 26.01.2015 aufzuheben und festzustellen, dass
1. der Kläger am 23.04.2013 Opfer eines vorsätzlichen, rechtwidrigen tätlichen Angriffs im Sinne des § 1 Abs. 1 Satz 1 OEG geworden ist,
2. der Kläger als Folge dieses vorsätzlichen, rechtswidrigen tätlichen Angriffs vom 23.04.2013 eine traumatische Sehnenruptur der tiefen Beugesehne D IV am Ringfinger der linken Hand erlitten hat und
3. Leistungen nach dem OEG wegen der Gewalttat vom 23.04.2013 nicht nach § 2 Abs. 1 OEG zu versagen sind.
Der Beklagte beantragt,
die Berufung zurückzuweisen.
Der Beklagte trägt dazu vor, dass der Kläger über seine Schadensersatzansprüche gegenüber dem Täter verfügt und eine Generalabgeltungsklausel vereinbart habe. Dass dies gegen seinen Willen geschehen sei, sei nicht ersichtlich. Auch werde nochmals darauf hingewiesen, dass dem Kläger und seiner Bevollmächtigten aus dem Schreiben des Beklagten vom 09.10.2013 bekannt gewesen sei, dass über die Schadensersatzansprüche nicht verfügt und insbesondere kein Vergleich abgeschlossen werden dürfe. Wenn er dennoch ein halbes Jahr später am 03.04.2014 "sehenden Auges" dann auf seine gesamten Schadensersatzansprüche gegen eine pauschale Abfindung verzichte (und sich nicht nur den Schmerzensgeldanspruch abfinden lasse), dann müsse er auch mit den Konsequenzen leben und für sein Tun und Handeln einstehen. Dies sei dann auch nicht zynisch, sondern konsequent.
Wegen weiterer Einzelheiten wird zur Ergänzung des Sachverhalts auf den Inhalt der Gerichtsakten beider Instanzen, der beigezogenen Beklagtenakte, der beigezogenen Akte der Staatsanwaltschaft A-Stadt und der beigezogenen Akte der C. Bezug genommen.
Entscheidungsgründe:
Die zulässige (vgl. §§ 143, 144, 151 Sozialgerichtsgesetz - SGG) Berufung des Klägers ist begründet.
Gegenstand des Verfahrens ist der Bescheid vom 12.11.2014 in der Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 26.01.2015, mit dem der Antrag auf Beschädigtenversorgung wegen Unbilligkeit nach § 2 Abs. 1 Satz 1 Alt. 2 OEG abgelehnt worden ist.
Zu Unrecht hat das SG die Klage gegen diesen Bescheid abgewiesen. Der Bescheid vom 12.11.2014 in der Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 26.01.2015 ist materiell rechtswidrig und verletzt den Kläger in seinen Rechten, weil der Beklagte die Gewährung von Leistungen zu Unrecht wegen Unbilligkeit nach § 2 Abs. 1 Satz 1 Alt. 2 OEG versagt hat.
Der angefochtene Bescheid war daher - wie geschehen - aufzuheben und festzustellen, dass der Kläger am 23.04.2013 Opfer eines vorsätzlichen, rechtswidrigen tätlichen Angriffs im Sinne des § 1 Abs. 1 OEG geworden ist, der Kläger als Folge dessen eine traumatische Sehnenruptur der tiefen Beugesehne D IV am Ringfinger der linken Hand erlitten hat (Primärschaden) und Leistungen nach dem OEG wegen der Gewalttat vom 23.04.2013 nicht nach § 2 Abs. 1 OEG zu versagen sind (dazu unter 2.). Die insoweit erhobene kombinierte Anfechtungs- und Feststellungsklage ist - nach im Berufungsfahren geänderter Antragstellung - auch zulässig (dazu unter 1.).
1. Die vom Kläger vor dem SG ursprünglich gestellte kombinierte Anfechtungs- und Leistungsklage (§ 54 Abs. 1 Satz 1, Abs. 4 SGG) auf "Versorgung" war so nicht zulässig, weil ein Leistungsantrag, der die begehrte Leistung nicht genau bezeichnet, unzulässig ist (siehe dazu auch BSG Urteil vom 17.04.2013, B 9 V 3/12 R, juris Rn. 24; BSG Urteil vom 02.10.2008, B 9 VG 2/07 R, juris Rn. 12). Auf Anregung des Senats hat die Klägerbevollmächtigte daher in der mündlichen Verhandlung vor dem Berufungsgericht am 09.11.2017 die Anträge zulässig nach § 99 Abs. 3 Nr. 2 i.V.m. § 153 Abs. 1 SGG beschränkt. Dies war auch zulässig.
Die vom Kläger insoweit nach § 54 Abs. 1 Satz 1 Alt. 1, § 55 Abs. 1 Nr. 1 und Nr. 3 SGG erhobene kombinierte Anfechtungs- und Feststellungsklage ist zulässig. Insbesondere liegt eine Feststellungsinteresse vor. Anderes folgt auch nicht aus dem Urteil des BSG vom 16.12.2014, B 9 V 1/13 R. Im vorgenannten Urteil hat sich das BSG in einem ähnlich, aber doch nicht gleich gelagerten Fall dahingehend geäußert, dass die isolierte Feststellung, ob eine Person Opfer eines vorsätzlichen, rechtswidrigen tätlichen Angriffs geworden sei, unzulässig sei, weil es sich dabei um eine unzulässige Elementenfeststellung handle. In dieser Entscheidung hat das BSG weiter ausgeführt, dass die Rechtsprechung des BSG, die eine "isolierte" Feststellungsklage nach § 55 Abs. 1 Nr. 1 SGG für zulässig erachte, wenn es um die Feststellung des Eintritts des Versicherungsfalls in Fällen gehe, in denen vom Versicherungsträger bereits das Vorliegen eines Arbeitsunfalls (§ 8 Sozialgesetzbuch Siebtes Buch - SGB VII) oder einer Berufskrankheit (§ 9 SGB VII) bestritten werde, nicht auf das soziale Entschädigungsrecht übertragen werden könne. Begründet hat dies das BSG damit, dass die bloße Feststellung des schädigenden Vorgangs im Sinne des § 1 Abs. 1 Satz 1 OEG noch kein Leistungs- oder sonstiges Rechtsverhältnis nach dem BVG bzw. sozialem Entschädigungsrecht begründe. Diese Entscheidung des BSG steht der Zulässigkeit der Feststellungsanträge zu Ziff. 1. bis 3. im Klageantrag nicht entgegen. Die im Tenor unter I. 3. ausgesprochene Feststellung fällt unter § 55 Abs. 1 Nr. 1 SGG. Bei der Feststellung, dass Leistungen nach dem OEG wegen der Gewalttat vom 23.04.2013 nicht nach § 2 Abs. 1 OEG zu versagen sind, geht es nicht um die Feststellung eines einzelnen Elements des Anspruchs nach § 1 Abs. 1 Satz 1 OEG, sondern um die Versagung von "Leistungen" (nach § 2 OEG), die sich aus einem nach § 1 OEG bestehenden Anspruch und damit aus einem Rechtsverhältnis ergeben. Damit wird nach § 55 Abs. 1 Nr. 1 SGG festgestellt, dass grundsätzlich ein Rechtsverhältnis zwischen dem Kläger und dem Beklagten besteht. Inzident - und nur so dogmatisch richtig, denn der Leistungsausschluss nach § 2 OEG bedarf einer vorherigen Entscheidung über den Leistungs- bzw. Versorgungsanspruch nach § 1 OEG an sich - hat der Beklagte in diesem Fall, in dem er sich auf die Versagungstatbestände des § 2 OEG beruft, mitgeprüft (und inzident positiv festgestellt), dass nicht nur ein vorsätzlicher, rechtswidriger tätlicher Angriff, sondern auch (zumindest) eine Primärschädigung und ggf. dauerhafte Schädigungsfolgen mit dem insoweit nötigen Kausalzusammenhang zwischen diesen (zumindest zwei, ggf. drei) Gliedern (siehe dazu unten) vorliegen. Eine unzulässige Elementenfeststellungsklage liegt also insofern nicht vor.
Die im Tenor unter I. 2. ausgesprochene Feststellung unterliegt § 55 Abs. 1 Nr. 1 und 3 SGG. Nach § 55 Abs. 1 Nr. 3 SGG ist zulässiger Gegenstand einer Feststellungsklage die "Feststellung, ob eine Gesundheitsstörung ... die Folge ... einer Schädigung im Sinne des Bundesversorgungsgesetzes ist." Wie das BSG in seinem Urteil vom 16.12.2014, B 9 V 1/13 R, ausgeführt hat, unterfallen dem Begriff der "Gesundheitsstörung ... die Folge ... einer Schädigung im Sinne des Bundesversorgungsgesetzes ist", nicht nur die anzuerkennenden Schädigungsfolgen im Sinne des verbleibenden Gesundheitsschadens, sondern auch der "Primär- oder Erstschaden" (BSG Urteil vom 16.12.2014, B 9 V 1/13 R, Juris Rn. 13). Dass - wie dies das BSG zutreffend zugrunde gelegt hat - nicht nur die Feststellung von Schädigungsfolgen, sondern auch des Primärschadens von § 55 Abs. 1 Nr. 3 SGG erfasst wird, ist auch systemgerecht und liegt im Sinne der Einheit der Rechtsordnung unter dem Gesichtspunkt eines Gleichlaufs des Versorgungsrechts und des Rechts der gesetzlichen Unfallversicherung, sofern nicht systembedingte Unterschiede eine unterschiedliche Handhabung erfordern, weil letzteres die Feststellung eines Arbeitsunfalls ohne verbliebenen Dauerschaden als völlig unproblematisch erachtet. Wie auch das BSG im Urteil vom 16.12.2014, B 9 V 1/13 R, ausgeführt hat, ist eine Feststellungsklage auf Feststellung eines Arbeitsunfalls gemäß § 7 SGB VII - dann gemäß § 55 Abs. 1 Nr. 1 SGG - zulässig, weil mit dem Arbeitsunfall, der ein versichertes schädigendes Ereignis sowie einen Primär- oder Erstschaden voraussetzt, ein "öffentlich-&8203;rechtliches Rechtsverhältnis" begründet wird, das "Grundlage für weitere Ansprüche oder Rechtsfolgen (zB Heilbehandlung) sein" (BSG a.a.O, Rn 13) kann. Dementsprechend erachtet auch die versorgungsrechtliche Rechtsprechung seit jeher die Feststellung einer versorgungsrechtlichen Beschädigung als zulässig, auch wenn die Gesundheitsstörung folgenlos ausgeheilt ist, zumindest dann, wenn Spätfolgen nicht völlig ausgeschlossen werden können (vgl. BSG Urteile vom 30.01.1991, 9/9a RV 22/89, juris Rn. 14ff., und vom 16.03.1994, 9 RV 2/93, juris Rn. 10ff.). Deshalb unterliegt die im Tenor unter I. 2. ausgesprochene Feststellung auch § 55 Abs. 1 Nr. 1 SGG, weil mit der Feststellung eines aus einem vorsätzlichen, rechtswidrigen tätlichen Angriff resultierenden Primärschadens das Bestehen eines Rechtsverhältnisses zwischen den Beteiligten festgestellt wird.
Der Senat sieht im Urteil des BSG vom 16.12.2014, B 9 V 1/13 R kein Hindernis, zur Klarstellung und um eine Grundanerkennung im Interesse des Klägers für die dann mögliche Geltendmachung weiterer gesundheitlicher und wirtschaftlicher Folgen aus der Tat vom 23.04.2013 zu erreichen, auch die Feststellung im Tenor unter I. 1. nach § 55 Abs. 1 Nr. 1 SGG auszusprechen. Der Senat hält insofern eine über das Urteil des BSG vom 16.12.2014 hinausgehende differenzierende Betrachtung für geboten. Das BSG hat im vorgenannten Urteil die Unzulässigkeit einer isolierten Feststellung des schädigenden Ereignisses im Sinn des § 1 Abs. 1 Satz 1 OEG damit begründet, dass dadurch allein die Vorfrage eines Rechtsverhältnisses geklärt werde, die "als bloßes Teilelement der Voraussetzungen des § 1 Abs 1 S 1 OEG ohne Schädigungsfolgen keinerlei Ansprüche auslösen" (BSG a.a.O., juris Rn. 14) könne. Nach Ansicht des BSG komme die "Feststellung, ob ein bestimmtes Ereignis ... ein vorsätzlicher, rechtswidriger tätlicher Angriff iS von § 1 Abs 1 S 1 OEG ist, ... nur im Zusammenhang mit der Feststellung bestimmter Schädigungsfolgen in Betracht. Liegen solche erkennbar nicht vor oder werden sie - wie vorliegend nicht (mehr) geltend gemacht - könnte die isolierte Feststellungsklage nur der Beantwortung einer abstrakten Rechtsfrage dienen" (BSG a.a.O., juris Rn. 14).
Diese Argumentation des BSG steht in Widerspruch zu den weiteren Ausführungen des BSG im Urteil vom 16.12.2014 und zudem im Widerspruch zu den gesetzlichen Vorgaben des § 55 Abs. 1 Nr. 3 SGG. Denn danach ist eine Feststellungsklage nicht erst dann zulässig, wenn die Feststellung von "Schädigungsfolgen" begehrt wird (vgl. BSG a.a.O., juris Rn. 14), sondern nach der Rspr. des BSG schon zur Feststellung des "Primär- oder Erstschadens" (BSG a.a.O., juris Rn. 13). Vom Begriff der "Schädigungsfolgen", wie ihn das BSG in der oben zitierten Passage verwendet hat, ist zweifelsfrei nur der gesundheitliche Sekundärschaden umfasst, nicht der davon zu differenzierende Primär- oder Erstschaden, wie er in § 1 Abs. 1 Satz 1 OEG auch als "gesundheitliche Schädigung" bezeichnet wird. Demgegenüber versteht der Gesetzgeber unter "Schädigungsfolgen" den sich aus dem Erstschaden ergebenden Sekundärschaden, der dann zum einen für die Bemessung des Grads der Schädigungsfolgen maßgeblich ist und zum anderen weitere Leistungsansprüche auslösen kann (vgl. z.B. § 1 Abs. 8 Satz 4 OEG). Von der Feststellung von Schädigungsfolgen, also dem verbleibenden Gesundheitsschaden, kann aber die Zulässigkeit einer Feststellungsklage aus den aufgezeigten Gründen nicht abhängig gemacht werden.
Sofern das BSG im Urteil vom 16.12.2014 die Zulässigkeit einer Feststellungsklage für die Fälle verneint hat, in denen " erkennbar" "Schädigungsfolgen" nicht vorliegen und daher "die isolierte Feststellungsklage nur der Beantwortung einer abstrakten Rechtsfrage dienen" (BSG a.a.O., juris Rn. 14) könne, setzt es sich damit in Widerspruch zu seinen eigenen Ausführungen und den gesetzlichen Regelungen.
Der Senat ist mit dem BSG jedoch einer Meinung, dass einer Feststellungsklage das Feststellungsinteresse dann abgesprochen werden muss, wenn mit der Feststellung lediglich eine Vorfrage zu einem Anspruch geklärt würde, dessen Entstehen aus anderen Gründen offensichtlich ausgeschlossen ist - so ist der Sachverhalt zu interpretieren, der dem Urteil des BSG vom 16.12.2014 zugrunde gelegen hat. Denn dann würde es sich bei der Feststellung der Tat um eine lediglich akademische Frage von keinerlei praktischer Auswirkung handeln. Davon zu differenzieren sind jedoch die Fälle, in denen zwar möglicherweise zum Zeitpunkt des Gerichtsverfahrens ein Anspruch mangels Erfüllung aller Anspruchsvoraussetzungen nicht gegeben ist, ein Entstehen zu einem späteren Zeitpunkt aber nicht ausgeschlossen ist (so auch BSG Urteile vom 30.01.1991, 9/9a RV 22/89, und vom 16.03.1994, 9 RV 2/93). Denn in einer solchen Konstellation die Klärung der Frage, ob eine potentiell anspruchsbegründende Tat im Sinne des OEG vorliegt, auf einen späteren Zeitpunkt zu verschieben, nämlich wenn sich dann im Laufe der Zeit aus der bei der Tat erlittenen Verletzung dauernde Gesundheitsstörungen entwickeln, würde es dem Betroffenen erheblich erschweren, seinen Anspruch dann, zu dem späteren Zeitpunkt, geltend zu machen. Nicht ohne Grund wird es daher auch in der unfallversicherungsrechtlichen Rechtsprechung als völlig unproblematisch erachtet, auch bei einem völlig folgenlos verheilten Primärschaden einen Arbeitsunfall festzustellen, auch wenn noch nicht ansatzweise ersichtlich ist, dass sich daraus in der (nahen oder fernen) Zukunft Ansprüche ergeben könnten. Insofern hält es der Senat auch in einem Fall wie dem vorliegenden nicht für geboten, den Kläger hinsichtlich der Klärung der Frage, ob überhaupt eine versorgungsbegründende Tat im Sinne des OEG vorliegt, auf einen Zeitpunkt in der Zukunft zu verweisen, in dem sich möglicherweise Spätschäden manifestieren könnten. Denn in einer solchen Konstellation kann nicht unterstellt werden, dass die Feststellungsklage "nur der Beantwortung einer abstrakten Rechtsfrage dienen" (BSG Urteil vom 16.12.2014, B 9 V 1/13 R, juris Rn. 14) würde. Lediglich für die Fälle, bei denen das Entstehen von Spätschäden ausgeschlossen ist, sieht der Senat - wie auch das BSG - für eine Feststellungsklage nach § 55 Abs. 1 Nr. 1 SGG kein Feststellungsinteresse. Denn dann würde tatsächlich mit der Frage, ob eine Handlung einen vorsätzlichen, rechtswidrigen tätlichen Angriff im Sinne des § 1 Abs. 1 Satz 1 OEG darstellt, lediglich eine völlig bedeutungslose und damit rein akademische Frage geklärt.
Auch praktische Überlegungen belegen das Bedürfnis, zur Klärung der Frage, ob eine Handlung einen vorsätzlichen, rechtswidrigen tätlichen Angriff im Sinne des § 1 Abs. 1 Satz 1 OEG darstellt, wenn daraus resultierende Spätschäden nicht völlig auszuschließen sind, die Feststellungsklage zuzulassen. So gibt es durchaus Fälle, in denen durch gewaltsame Handlungen ein zunächst geringfügiger und alsbald auch folgenlos verheilter Primärschaden entstanden ist, bei denen dann der ablehnende Bescheid der Versorgungsverwaltung aber darauf gestützt wird, dass schon kein vorsätzlicher, rechtswidriger tätlicher Angriff im Sinne des § 1 Abs. 1 Satz 1 OEG vorgelegen habe. Würde in solchen Fällen dem Betroffenen nicht die Möglichkeit eröffnet, mittels Feststellungsklage den von der Versorgungsverwaltung geltend gemachten Ablehnungsgrund zu überprüfen, könnte dies zu einem nicht oder kaum korrigierbaren Rechtsverlust für die Zukunft führen. Denn wenn der Betroffene nach der Manifestation von Spätschäden möglicherweise viele Jahre später seinen Versorgungsanspruch geltend machen möchte, könnte ihm die rechtskräftig gewordene Ablehnung entgegen gehalten werden, die zwar möglicherweise rechtsfehlerhaft war, deren Fehlerhaftigkeit aber im Rahmen der aktuellen Entscheidung allenfalls noch über § 44 Sozialgesetzbuch Zehntes Buch mit den dort bestehenden erheblichen rechtlich-praktischen Schwierigkeiten geklärt werden könnte.
Das "praktische Bedürfnis" für eine - über die im Tenor I. 2. ausgesprochene Feststellung hinausgehende - Feststellung, wie sie im Tenor unter I. 1. nach § 55 Abs. 1 Nr. 1 SGG ausgesprochen worden ist, nämlich dass festgestellt wird, dass der Kläger Opfer eines vorsätzlichen, rechtswidrigen tätlichen Angriffs geworden ist, folgt auch aus weiteren Überlegungen. In der Praxis ergibt sich im OEG in nicht wenigen Rechtsstreitigkeiten die Konstellation, dass ein Gericht (erster oder zweiter Instanz) - entgegen der Verwaltung - zu der Einschätzung kommt, dass ein vorsätzlicher, rechtswidriger tätlicher Angriff vorliegt.
Die Verwaltung, die diesen in ihrem (angefochtenen) Bescheid schon verneint hat, hat sich aber - zwar falsch, aber konsequent mit ihrer rechtsirrigen Einschätzung zur Frage des vorsätzlichen, rechtswidrigen tätlichen Angriffs - mit den weiteren Fragen nach dem Primärschaden (2. Glied) und den weiteren Schädigungsfolgen (3. Glied) nicht mehr befasst und daher auch keine medizinischen Ermittlungen durchgeführt. In einem solchen Fall sind es dann die Gerichte - vorliegend wäre das sogar erst das Berufungsgericht -, die (erstmals) in die medizinische Sachverhaltsermittlung eintreten, Befundberichte einholen, Akten beiziehen und Gutachten in Auftrag geben müssten. Dem Kläger würde, wenn nicht eine Feststellungsklage für zulässig erachtet würde, in diesem Fall die vorangehende Entscheidung der Verwaltung, soweit es die medizinischen Fragestellungen betrifft, "genommen", ebenso die Überprüfungsmöglichkeit im Widerspruchsverfahren. Dies ist vor dem Hintergrund des Art. 20 Abs. 2 Satz 2 Grundgesetz (GG) und der dort geregelten Gewaltenteilung nicht unproblematisch, wenn die Gerichte, deren Aufgabe es ist, die Verwaltung zu kontrollieren, auf einmal auch (erstmalig) "Verwaltungsaufgaben" wahrnehmen müssten. In der richterlichen Praxis aus der ersten und zweiten Instanz sind es zahlreiche Fälle, in denen sich diese Problematik stellt. Dies sind vor allem Fälle, in denen es um sexuellen Missbrauch von Kindern geht und von der Versorgungsverwaltung mangels Nachweis eines tätlichen Angriffs im Vollbeweis bzw. auch nach § 15 des Gesetzes über das Verwaltungsverfahren der Kriegsopferversorgung (i.V.m. § 6 Abs. 3 OEG) schon der vorsätzliche, rechtswidrige tätliche Angriff abgelehnt wird, ohne dass überhaupt auch nur der Primärschaden, geschweige denn weitere Schädigungsfolgen geprüft würden. Zu bedenken ist in diesem Zusammenhang auch, dass, würde eine Feststellungsklage wegen der Feststellung des vorsätzlichen, rechtswidrigen tätlichen Angriff im Sinne des § 1 Abs. 1 Satz 1 OEG nicht als zulässig erachtet, dies auch zu einem erheblichen Verlust an Rechtsschutz für den Betroffenen führen würde. So würden die vom Gesetzgeber vorgesehenen Rechtsschutzmöglichkeiten - Widerspruch, Klage, Berufung - im schlechtesten Fall auf das Berufungsverfahren reduziert, nämlich dann, wenn erstmals das Berufungsgericht in die Prüfung der Schädigungsfolgen einsteigen würde. Einen derartigen Verlust an Rechtsschutzmöglichkeiten hält der Senat mit Blick auf das Grundrecht des Art. 19 Abs. 4 GG nicht für vertretbar. Einem Feststellungsinteresse steht auch nicht entgegen, dass die C. die Gewalttat vorliegend als Arbeitsunfall anerkannt hat und Leistungen nach § 1 Abs. 1 OEG insoweit nach § 65 BVG ruhen. Denn der Entscheidung der C. kommt insoweit kein Bindungswirkung gegenüber der Versorgungsverwaltung im Rahmen deren Entscheidung nach dem OEG zu.
Aus prozessökonomischen Gründen ist im vorliegenden Fall, in dem es um eine Feststellungsklage gegen ein Bundesland geht, die Erhebung einer Verpflichtungsklage auch nicht vorrangig (vgl. dazu auch Keller in Meyer-Ladewig/ders./Leitherer/Schmidt, SGG, 12. Aufl. 2017, § 19c; siehe dazu auch BSG Urteil vom 30.01.1991, 9a/9 RV 22/89, juris Rn. 14).
2. Die so erhobene kombinierte Anfechtungs- und Feststellungsklage ist auch begründet. Der Bescheid vom 12.11.2014 in der Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 26.01.2015 ist materiell rechtswidrig und verletzt den Kläger in seinen Rechten, weil der Beklagte die Gewährung von Leistungen zu Unrecht wegen Unbilligkeit nach § 2 Abs. 1 Satz 1 Alt. 2 OEG versagt hat.
Der Kläger ist am 23.04.2013 Opfer eines vorsätzlichen, rechtswidrigen tätlichen Angriffs im Sinne des § 1 Abs. 1 Satz 1 OEG geworden ist, wobei er als Primärschaden dieses Angriffs eine traumatische Sehnenruptur der tiefen Beugesehne D IV am Ringfinger der linken Hand erlitten hat und Leistungen auch nicht nach § 2 Abs. 1 OEG zu versagen sind.
Dem steht auch nicht entgegen, dass die Tat vom 23.04.2013 von der C. als Arbeitsunfall anerkannt worden ist und daher Leistungen nach § 65 BVG ruhen, weil dies - anders als der Beklagte meint - nicht verhindert, dass der Versorgungsanspruch nach § 1 OEG an sich entstanden ist. § 65 Abs. 1 BVG ordnet nur an, dass "der Anspruch auf Versorgungsbezüge ruht", was schon nach dem eindeutigen Wortlaut einen entstandenen Anspruch voraussetzt. Dies wird auch in den folgenden Absätzen des § 65 BVG weiter deutlich. Danach ruht "der Anspruch auf die Grundrente" (§ 65 Abs. 2 BVG) und "der Anspruch auf Heilbehandlung ( ...) und auf den Pauschbetrag als Ersatz für Kleider- und Wäscheverschleiß" (§ 65 Abs. 3 BVG).
Nach § 1 Abs. 1 Satz 1 OEG erhält Versorgung in entsprechender Anwendung der Vorschriften des BVG, wer im Geltungsbereich des OEG infolge eines vorsätzlichen, rechtswidrigen tätlichen Angriffs gegen seine Person oder durch dessen rechtmäßige Abwehr eine gesundheitliche Schädigung erlitten hat.
Während die drei Glieder der Kausalkette des § 1 Abs. 1 Satz 1 OEG (schädigender Vorgang, Schädigung und Schädigungsfolgen) grundsätzlich des Vollbeweises bedürfen, gilt für die Kausalität ein im Verhältnis zum Vollbeweis abgeschwächter Beweismaßstab. Sowohl für die haftungsbegründende (zwischen schädigendem Vorgang und Schädigung) als auch für die haftungsausfüllende Kausalität (zwischen Schädigung und Schädigungsfolgen) reicht es aus, dass die sogenannte hinreichende Wahrscheinlichkeit gegeben ist. Dies entspricht den Beweisanforderungen auch in anderen Bereichen der sozialen Entschädigung oder Sozialversicherung, insbesondere der wesensverwandten gesetzlichen Unfallversicherung. Hinreichende Wahrscheinlichkeit bedeutet, dass mehr für als gegen einen Kausalzusammenhang spricht (vgl. BSG Urteil vom 19.03.1986, 9a RVi 2/84, juris; BSG Urteil vom 26.06.1985, 9a RVi 3/83, juris; BSG Urteil vom 19.03.1986, 9a RVi 4/84, juris; BSG Urteil vom 19.08.1981, 9 RVi 5/80, juris; BSG Urteil vom 27.08.1998, B 9 VJ 2/97 R, juris; BSG Urteil vom 07.04.2011, B 9 VJ 1/10 R, juris Rn. 38). Die bloße Möglichkeit reicht nicht aus (BSG Urteil vom 07.04.2011, B 9 VJ 1/10 R, juris Rn. 38).
Wie auch sonst im Versorgungsrecht gilt für beide Kausalverläufe zudem die Theorie der wesentlichen Bedingung (vgl. dazu BSG Urteil vom 07.04.2011, B 9 VJ 1/10 R, juris Rn. 37; siehe zum Ganzen auch BayLSG Urteil vom 31.07.2012, L 15 VJ 9/09, juris Rn. 34 ff.). Im Rahmen der Kausalität ist eine Ursache dann rechtlich wesentlich, wenn sie wegen ihrer besonderen Beziehung zum Erfolg bei dessen Eintritt wesentlich mitgewirkt hat.
In einer neueren Entscheidung (BSG Urteil vom 16.12.2014, B 9 V 6/13 R, juris) hat das BSG dies für den Fall, dass mehrere Umstände zu einem Erfolg beigetragen haben, da-hingehend präzisiert, dass diese rechtlich nur dann nebeneinander stehende Mitursachen sind, wenn sie in ihrer Bedeutung und Tragweite für den Eintritt des Erfolgs "annähernd gleichwertig" sind. Danach ist, wenn neben einem vorsätzlichen, rechtswidrigen tätlichen Angriff mehrere weitere Umstände zum Eintritt einer Schädigungsfolge beigetragen haben, der vorsätzliche, rechtswidrige tätliche Angriff versorgungsrechtlich nur dann im Rechtssinne wesentlich und die Schädigungsfolge diesem Angriff zuzurechnen, wenn er in seiner Bedeutung und Tragweite für den Eintritt des Erfolges - verglichen mit den mehreren übrigen Umständen - annähernd gleichwertig ist. Das ist dann der Fall, wenn der Angriff in seiner Bedeutung und Tragweite für den Eintritt des Erfolges allein mindestens so viel Gewicht hat wie die übrigen Umstände zusammen.
Gesichtspunkte für die Beurteilung der besonderen Beziehung einer Ursache zum Erfolg sind neben der Ursache bzw. dem Ereignis als solchem, einschließlich der Art und des Ausmaßes der Einwirkung, die konkurrierende(n) Ursache(n) unter Berücksichtigung ihrer Art und ihres Ausmaßes, der zeitliche Ablauf des Geschehens (wobei eine Ursache nicht deswegen wesentlich ist, weil sie die letzte war), weiterhin Rückschlüsse aus dem Verhalten des Verletzten nach der Tat, aus den Befunden und Diagnosen des erstbehandelnden Arztes sowie aus der gesamten Krankengeschichte; ergänzend kann der Schutzzweck der Norm heranzuziehen sein.
Dabei sind auch generelle und allgemeine Erkenntnisse über den Ursachenzusammenhang zu berücksichtigen; die Kausalitätsbeurteilung hat auf der Basis des aktuellen wissenschaftlichen Erkenntnisstandes über die Möglichkeit von Ursachenzusammenhängen zwischen bestimmten Ereignissen und der Entstehung bestimmter Krankheiten zu erfolgen (vgl. BSG Urteil vom 09.05.2006, B 2 U 1/05 R, juris Rn. 17).
Wie zwischen den Beteiligten unstreitig, ist der Kläger am 23.04.2013 Opfer eines vorsätzlichen, rechtswidrigen tätlichen Angriffs im Sinne des § 1 Abs. 1 Satz 1 OEG geworden ist und hat sich dabei als Primärschaden dieses Angriffs eine traumatische Sehnenruptur der tiefen Beugesehne D IV am Ringfinger der linken Hand zugezogen.
Entgegen der Ansicht des Beklagten und des SG sind Leistungen wegen dieser Gewalttat vom 23.04.2013 auch nicht nach § 2 Abs. 1 OEG zu versagen.
Nach § 2 Abs. 1 Satz 1 OEG sind Leistungen zu versagen, wenn der Geschädigte die Schädigung verursacht hat oder wenn es aus sonstigen, insbesondere in dem eigenen Verhalten des Anspruchstellers liegenden Gründen unbillig wäre, Entschädigung zu gewähren.
Wie der Beklagte insoweit zu Recht ausführt, ist nach § 2 Abs. 1 Satz 1 OEG keine teilweise Leistungsversagung möglich ("wenn"), sondern es kommt nach dieser Norm nur eine volle Leistungsversagung in Betracht.
Es kommt daher darauf an, ob wegen einer unzulässigen Doppelversorgung des Opfers Leistungen nach § 2 Abs. 1 Satz 1 Alt. 2 OEG wegen Unbilligkeit zu versagen sind. Dabei sind an die Annahme der Unbilligkeit im Sinne dieser Norm hohe Anforderungen zu stellen, d.h. die Unbilligkeit muss der 1. Variante des § 2 Abs. 1 Satz 1 OEG (Mitverursachung der Schädigung durch das Opfer) an Gewicht gleichkommen (siehe dazu auch die Gesetzgebungsmaterialien BT-Drs. 7/2506, S. 11, 15; Äußerung des Abgeordneten Dürr in der 123. Sitzung des Deutschen Bundestages vom 11.10.1974, Plenarprotokoll S. 8243 (A)).
Davon ausgehend hat das BSG zur Auslegung des unbestimmten Rechtsbegriffs der Unbilligkeit im Sinne der 2. Alternative des § 2 Abs. 1 Satz 1 OEG in ständiger Rechtsprechung vier Fallgruppen gebildet (vgl. nur BSG Urteil vom 29.03.2007, B 9a VG 2/05 R, juris Rn. 16 m.w.N.; siehe auch die Anmerkung von Hoffmann zum Urteil des BSG vom 06.07.2006, B 9a VG 1/05 R): (1) eine im Vorfeld der Tat liegende rechtsfeindliche Betätigung, mit der sich das spätere Opfer außerhalb der staatlichen Gemeinschaft stellt, (2) die sozialwidrige, mit speziellen Gefahren verbundene Zugehörigkeit zum Kreis der Alkohol- oder Drogenkonsumenten, wenn die Tat aus diesem Milieu entstanden ist, (3) das bewusste oder leichtfertige Eingehen einer Gefahr, der sich das Opfer ohne Weiteres hätte entziehen können, es sei denn, für dieses Verhalten läge ein rechtfertigender Grund vor, und (4) eine durch die Versorgung entstehende Begünstigung des Täters.
Keine dieser Fallgruppen ist hier einschlägig, so dass sich die Frage stellt, ob eine neue Fallgruppe der unzulässigen Doppelversorgung zu bilden ist. Dies ist zu verneinen. Nach dem Wortlaut des § 2 Abs. 1 Satz 1 Alt. 1 OEG wäre dies zwar grundsätzlich möglich, weil es "unbillig" im Sinne dieser Norm sein könnte, wenn - wie der Beklagte hier auch meint -, eine Doppelversorgung stattfindet. Bei der Begrifflichkeit der Unbilligkeit handelt es sich insoweit um einen unbestimmten Rechtsbegriff, der auszulegen ist, wobei an die Annahme der Unbilligkeit - wie oben schon ausgeführt - hohe Anforderungen zu stellen sind. Gegen die Annahme einer weiteren Fallgruppe der Leistungsversagung nach § 2 Abs. 1 Satz 1 Alt. 2 OEG wegen einer unzulässigen Doppelversorgung des Opfers sprechen die Historie, Systematik und Sinn und Zweck des § 2 OEG. Aufgrund der Historie und des Sinns und Zwecks hatte der Gesetzgeber bei Einführung des § 2 OEG eine Unbilligkeit wegen Doppelversorgung nicht im Sinn (s.a. BT-Drs. 7/2506, S. 11, 15; Dinnebier, Opferentschädigung als Sozialleistungstatbestand, Diss. 2013, S. 121 ff.).
Dabei ist auch in die Überlegung einzubeziehen, warum im Strafverfahren ein Adhäsionsvergleich bzw. sonst zwischen Täter und Opfer im Rahmen der Schadenswiedergutmachung ein Vergleich (Täter-Opfer-Ausgleich) geschlossen wird. Ziel eines Adhäsionsvergleiches ist es, dem Opfer einen Zivilprozess zu ersparen (s.a. Jahnke, jurisPR-VerkR 7/2013 Anm. 1; Kuhn, JR 2004, 397; Dinnebier, a.a.O., S. 22 ff; Gutt/Krenberger, ZfSch 2015, S. 489). Ein Vergleich zwischen Täter und Opfer über eine Schadenswiedergutmachung kommt auch dem Täter im Rahmen der Strafzumessung zugute, so dass in Strafverfahren oftmals derartige Vergleiche geschlossen werden. Zudem ist die psychologische Wirkung eines solchen Vergleichs für die Opfer nicht zu vernachlässigen, wenn der Täter durch einen solchen Vergleich zu verstehen gibt, dass er das Unrecht seiner Tat einsieht. Für derartige Täter-Opfer-Ausgleiche gibt es also durchaus eine Rechtfertigung. Dies ist - wie sich den Gesetzgebungsmaterialien zum OEG entnehmen lässt - auch vom Gesetzgeber bei Erlass des OEG gesehen worden. Nach den Gesetzgebungsmaterialen sollen Leistungen nach dem OEG auch helfen, wenn der Täter mittellos ist oder wenn er in Haft sitzt und daher nicht leisten kann; den Leistungen nach dem OEG kommt damit auch eine Sicherstellungsfunktion gegen die wirtschaftlichen Folgen einer Straftat zu (vgl. BT-Drs. 7/2506, S. 1, 7; Äußerung des Bundesinnenminister Dr. Vogel und des Abgeordneten Dr. Starck in der 123. Sitzung des Deutschen Bundestages vom 11.10.1974, Plenarprotokoll S. 8240 (B), S. 8241 (C); BT-Drs. 7/4614, S. 1; Äußerung der Abgeordneten Dr. Starck und Gnädinger in der 219. Sitzung des Deutschen Bundestages vom 30.01.1976, Plenarprotokoll S. 15241 (B), S. 15242 (C); siehe dazu auch BSG Urteil vom 17.11.1981, 9 RVg 2/81 juris; BayLSG Beschluss vom 30.10.2013, L 15 VG 34/13 ER, juris Rn. 12; Heinz, Behindertenrecht (br) 2009, S. 16; Dinnebier, a.a.O., S. 15, 34 ff.).
Weiter ist in dem Zusammenhang zu beachten, dass nach § 2 Abs. 1 Satz 1 OEG Leistungen zu versagen sind, d.h. der Versorgungsverwaltung insoweit kein Ermessen zusteht. Zudem wären damit alle Leistungen (d.h. auch Heil- und Krankenbehandlung, medizinische und berufliche Rehamaßnahmen, Berufsschadensausgleich, Ausgleichsrente, Pflegezulage, Pauschbeträge für Kleider-/Wäscheverschleiß) zu versagen, und nicht nur die Grundrente. Dies deckt sich auch mit der Systematik, weil der Beklagte über § 81a BVG beim Täter Regress nehmen kann.
Der (gesetzliche) Forderungsübergang nach § 81a BVG i.V.m. § 5 OEG findet bereits im Zeitpunkt des schädigenden Ereignisses (d.h. mit der Verwirklichung des vorsätzlichen, rechtswidrigen tätlichen Angriffs nach § 1 Abs. 1 Satz 1 OEG) statt (so auch BGH Urteil vom 16.10.2007, VI ZR 227/06, juris Rn. 7 ff.). Etwaige Überlegungen im Gesetzgebungsverfahren, einen Forderungsübergang erst bei der (tatsächlichen) Erbringung von Leistungen stattfinden zu lassen, sind nicht Gesetz geworden (vgl. dazu BT-Drs. 7/2506, S. 21 und 24). Der Forderungsübergang tritt auch nicht erst mit der Antragstellung auf Leistungen nach dem OEG ein (so auch BGH, a.a.O., Rn. 9; s.a. BSG Urteil vom 29.05.1991, 9a/9 RVg 6/89, juris Rn. 16).
Das bedeutet, dass das Opfer des vorsätzlichen, rechtswidrigen tätlichen Angriffs ab dem Zeitpunkt der Tat schon nicht mehr über seine Ansprüche, soweit sie vom Forderungsübergang nach § 81a BVG erfasst sind, verfügen darf, d.h. auch keine Vergleiche etc. schließen darf (s.a. BGH a.a.O.). Wenn das Opfer nun doch über seine Ansprüche verfügt, gilt §§ 407 Abs. 1, 412 BGB, d.h. es kommt auf die (positive) Kenntnis des Täters vom Forderungsübergang an, ob der Täter durch den Vergleich mit dem Opfer bzw. der Erfüllung diesem gegenüber von seiner Verpflichtung zur Leistung gegenüber dem "neuen" Gläubiger (der Versorgungsverwaltung bzw. dem Freistaat Bayern) frei wird. Nach der Rechtsprechung des BGH (Urteil vom 16.10.2007, VI ZR 227/06, juris Rn. 15 und Leitsatz) genügt für die Kenntnis von dem Rechtsübergang grundsätzlich die Kenntnis von Tatsachen, nach denen mit Leistungen nach dem OEG zu rechnen ist. Auf die Kenntnis von der Antragstellung nach dem OEG kommt es nicht an, da diese nicht Voraussetzung für den Forderungsübergang ist (BGH a.a.O.). Der BGH hat dazu weiter ausgeführt, dass an die Kenntnis vom Forderungsübergang, um den Schutz der Sozialleistungsträger nicht durch die Behauptung fehlenden Wissens vom Gläubigerwechsel unterlaufen zu können, nur maßvolle Anforderungen zu stellen seien; so genüge es etwa in Fällen, in denen die Leistungspflicht vom Bestehen eines Sozialversicherungsverhältnisses abhänge, dass der Schädiger Umstände kenne, von denen allgemein bekannt sei, dass sie den Verletzten versicherungspflichtig machen würden (vgl. BGH, a.a.O., Rn. 14). Damit ist mit der Verwirklichung des vorsätzlichen, rechtswidrigen tätlichen Angriffs gegenüber dem Opfer davon auszugehen, dass der Täter ab diesem Zeitpunkt Kenntnis vom Forderungsübergang hat, weil er ab dem Zeitpunkt mit der Möglichkeit, dass dem Opfer aufgrund dieser Tat Leistungen nach dem OEG zu gewähren sein können, rechnen musste. Damit ist der Täter, soweit der Forderungsübergang nach § 81a BVG (i.V.m. § 5 OEG) greift, nicht nach §§ 407, 412 BGB von seiner Leistungspflicht frei geworden, so dass er von der Versorgungsverwaltung bzw. dem Freistaat Bayern weiter in Regress genommen werden kann. Der Beklagte muss sich daher an den Täter halten und von diesem gegebenenfalls die Leistung nochmal verlangen (dazu, dass Ersatzansprüche des Beklagten durch solche Täter-Opfer-Ausgleiche nicht ausgeschlossen sind, vgl. auch BGH Urteil vom 16.10.2007, VI ZR 227/06; BGH Urteil vom 18.12.2012, VI ZR 55/12; OLG Frankfurt Urteil vom 26.11.1985, 14 U 164/84; Saarländisches OLG Urteil vom 23.12.2008, 4 U 2/06; Gutt/Krenberger, ZfSch 2015, S. 489).
Doch selbst wenn man - entgegen den vorherigen Ausführungen - dazu kommen sollte, dass der Täter nach § 407 BGB von der Leistung frei wird, weil eine Kenntnis verneint wird, könnte sich der Beklagte nach § 816 Abs. 2 BGB an den Kläger halten, der danach soweit zur Herausgabe des Geleisteten verpflichtet ist, als er nach § 81a BVG nicht mehr verfügungsberechtigt war. Auf Entreicherung nach § 818 Abs. 3 BGB kann sich der Kläger dabei nicht berufen, weil er aufgrund der Hinweise in den OEG-Antragsvordrucken nach § 819 Abs. 1 BGB Kenntnis vom Forderungsübergang hat.
Eine Versagung nach § 2 Abs. 1 Satz 1 Alt. 2 OEG wegen einer unzulässigen Doppelversorgung kommt daher nicht in Betracht. Folglich hat der Beklagte im Fall des Klägers mit Bescheid vom 12.11.2014 in der Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 26.01.2015 den Antrag zu Unrecht mit der Begründung abgelehnt, dass Leistungen wegen Unbilligkeit nach § 2 Abs. 1 Satz 1 Alt. 2 OEG zu versagen seien.
Vor diesem Hintergrund vermag das vom SG zitierte Urteil des HessLSG vom 23.06.1994, L 5 V 664/93, und die dortigen Ausführungen nicht zu überzeugen. 3. Die Berufung des Klägers hat daher Erfolg. 4. Die Kostenentscheidung beruht auf § 193 SGG. 5. Die Revision ist nach § 160 Abs. 2 Nr. 1 und Nr. 2 SGG zum einen zuzulassen, weil der Senat mit seiner unter 1. geäußerten Rechtsauffassung von Rechtsprechung des BSG (Urteil vom 16.12.2014, B 9 V 1/13 R) abweicht, zum anderen, weil bzgl. der Frage, ob wegen des hier im Rahmen eines Strafverfahrens geschlossenen Adhäsionsvergleichs (oder vergleichbar: Täter-Opfer-Ausgleichs oder sonstige Vereinbarungen zwischen Täter und Opfer) Leistungen nach § 2 Abs. 1 Satz 1 Alt. 2 OEG wegen Unbilligkeit zu versagen sind, die Rechtssache grundsätzliche Bedeutung hat. Das BSG hat sich mit dieser Thematik noch nicht befasst.
Im Übrigen weist der Senat darauf hin, dass beim 20. Senat des BayLSG derzeit zwei weitere Verfahren, die einen vom Beklagten angenommenen Versagungsgrund nach § 2 Abs. 1 Satz 1 Alt. 2 OEG wegen eines zwischen Opfer und Täter abgeschlossenen Vergleichs betreffen, anhängig sind (Az.: L 20 VG 12/15 und L 20 VG 17/16).