Tatbestand:

Zwischen den Beteiligten ist die Bewilligung von Rente wegen voller Erwerbsminderung vom 1. November 2011 bis zum 31. Oktober 2017 streitig.

Der am ... 1965 geborene Kläger besuchte ab der 7. Schulklasse eine Körperbehindertenschule. Nach dem Abschluss der 10. Schulklasse absolvierte er von September 1982 bis Juli 1984 in dem "Rehabilitationszentrum für Berufsbildung Sehgeschädigter H. (S)" eine Ausbildung zum Facharbeiter für Polstertechnik. Er war anschließend in diesem erlernten Beruf als Polsterer tätig. Die Beendigung des Arbeitsverhältnisses zum 31. Juli 1986 erfolgte nach den Angaben des Klägers wegen der Fehlsichtigkeit. Dieser war vom 1. August 1986 bis zum 26. November 1997 als Schlosser (Pumpenbauer), vom 1. Juli 1999 bis zum 10. Januar 2005 als Produktionshelfer und - nach vorübergehender Arbeitslosigkeit - vom 5. April 2005 bis zum 30. April 2011 als Maschinenbediener und Hilfsschlosser bei der Stahlbau R. GmbH versicherungspflichtig beschäftigt. Er bezog vom 1. Mai 2011 bis zum 30. April 2012 Arbeitslosengeld I und im Anschluss Arbeitslosengeld II.

Beim Kläger war seit dem 4. November 1998 ein Grad der Behinderung (GdB) von 60, seit dem 6. Dezember 2000 ist ein GdB von 70 auf Dauer anerkannt. Der Kläger verfügt über keinen Führerschein.

Er beantragte am 5. Oktober 2009 bei der Beklagten die Bewilligung von Rente wegen Erwerbsminderung. Er machte geltend, wegen einer Sehbehinderung, einer Hör- und Knieschädigung, eines Krampfaderleidens, einer Fußdeformität mit Belastungsminderung, einer Wirbelsäulenerkrankung und eines "trockenen Alkoholismus" nur noch leichte Arbeiten zwei Stunden täglich verrichten zu können.

Die Beklagte zog zunächst den Entlassungsbericht der Med Reha D. GmbH, Klinik für ambulante Rehabilitation, vom 13. August 2008 über die ambulante orthopädische Rehabilitationsmaßnahme des Klägers vom 24. Juli bis zum 13. August 2008 nach einer Kniegelenkoperation rechts am 13. Juni 2008 wegen einer habituellen Luxation der Patella rechts bei. Zusätzlich bestehe ein Dorsolumbalsyndrom bei fixierter Brustwirbelsäule (BWS)-Kyphose. Beim Abschluss der Rehabilitationsmaßnahme habe sich ein diskret hinkendes Gangbild rechts bei den Übergängen Sitzen/Laufen gezeigt. Die Extension/Flexion rechts habe 0/0/130 und links 0/0/140 betragen. Die Beweglichkeit und das Gangbild hätten sich deutlich gebessert. Der Kläger könne noch leichte bis mittelschwere Arbeiten ohne Absturzgefahr und langes Knien und Hocken täglich sechs Stunden und mehr verrichten.

Die Beklagte holte darüber hinaus einen Befundbericht von der Fachärztin für Allgemeinmedizin Dr. L. vom 28. November 2009 ein. Diese bescheinigte eine zunehmende Verschlechterung des Sehvermögens bei einer hochgradigen Myopie, eine Schwerhörigkeit bei Hörgeräteversorgung, eine leichte Beweglichkeitseinschränkung des rechten Knies sowie ein vermindertes Verständnis komplexen Geschehens. Der Kläger sei nicht arbeitsunfähig.

Die Beklagte ließ sodann den Facharzt für Orthopädie Dr. A. das Gutachten vom 1. Februar 2010 auf der Grundlage einer ambulanten Untersuchung vom selben Tag erstatten. Bei dem Kläger bestehe aus orthopädischer Sicht eine Retropatellararthrose rechts in Folge von multiplen Patellaluxationen (habituell und posttraumatisch). Seit der Operation im Juni 2008 sei keine Re-Luxation mehr aufgetreten. Ansonsten bestünden ein chronisches Lumbal- und Cervicalsyndrom mit leichter Wirbelsäulenfehlstatik sowie Senk-Spreiz-Füße mit Hallus valgus rechts. Aus nicht orthopädischer Sicht lägen eine ausgeprägte Kurzsichtigkeit, eine Schwerhörigkeit, ein Nikotinabusus und eine leichte Intelligenzminderung vor. Der Kläger sei seit neun Jahren trockener Alkoholiker. Er könne aus orthopädischer Sicht leichte bis mittelschwere körperliche Tätigkeiten ohne Bücken, Hocken oder Knien und ohne Besteigen von Leitern und Gerüsten noch vollschichtig durchführen.

Die Beklagte lehnte den Rentenantrag mit Bescheid vom 15. Februar 2010 in der Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 6. Mai 2010 ab.

Hiergegen hat der Kläger am 7. Juni 2010 Klage beim Sozialgericht Dessau-Roßlau erhoben und vorgetragen, er könne selbst leichte körperliche Arbeiten nicht zu üblichen Arbeitsbedingungen aufgrund des Erfordernisses zusätzlicher Pausen wegen der erheblichen Schmerzzustände verrichten. Seine letzte Tätigkeit habe er zuletzt unter vollschichtig ausgeübt. Zudem sei sein letzter Arbeitsplatz auf seine gesundheitlichen Bedürfnisse zugeschnitten gewesen. Er habe seine Arbeitszeit frei einteilen und bei Bedarf immer wieder Pausen einlegen können. Insoweit sei von einer Verschlossenheit des Arbeitsmarktes auszugehen. Zu berücksichtigen seien ferner seine erhebliche Sehschwäche (rechts: minus 11,5, links minus 10,5) und die damit verbundenen Einschränkungen sowie seine Schwerhörigkeit beidseits, die mit einer Hörgeräteversorgung nur unzureichend ausgeglichen werden könne. Hinzu kämen noch die Wirbelsäulenbeschwerden, das Kniegelenksleiden mit Verrutschen der Kniescheibe und die Fußdeformität beidseits mit Belastungsminderung.

Das Sozialgericht hat Befundberichte von dem Facharzt für Orthopädie Dr. W. vom 27. Januar 2011 nebst eines ergänzenden Schreibens vom 10. Februar 2011 (gleichbleibender Gesundheitszustand), von dem Facharzt für Orthopädie Dr. L. vom 15. Februar 2011 (letzte Behandlung im Juli 2008) und von dem Internisten Grimm vom 23. März 2011 (internistisch stabile Befunde) eingeholt. In dem von dem Facharzt für Chirurgie, Gefäßchirurgie Dr. M. unter dem 10. Februar 2012 erstatteten Befundbericht hat dieser mitgeteilt, aufgrund der Operationen im Februar bzw. August 2011 seien die Krankheiten (Leistenhernie und Varikosis mit venösem Stauungssyndrom) "in ihren Funktionsbeeinträchtigungen geheilt". Es bestehe lediglich eine Venenschwäche fort. Der Kläger könne leichte körperliche Arbeiten sechs Stunden täglich auf dem allgemeinen Arbeitsmarkt verrichten. In dem zudem von der Augenärztin K. eingeholten Befundbericht vom 28. Februar 2012 hat diese auf der Grundlage einer einmaligen Vorstellung des Klägers am 14. Juli 2011 über einen Visus rechts von -10,0sph. -0,5cyl./180° = 0,05 und links von -11,0sph. -1,25cyl./95° = 0,63 berichtet. Dem Kläger sei nach diesen Werten eine neue Brille verordnet worden. Mit eigener Brille habe er einen Wert rechts von 0,05 und links von 0,4 erreicht. Nach den ihr vorliegenden Aufzeichnungen habe der Visus am 12. Februar 2004 rechts -11,5sph. = 0,1 und links -10,5sph. = 0,6 betragen. Der Kläger könne Arbeiten, die die funktionelle Einäugigkeit und die Sehminderung links berücksichtigten, ausführen. Rechts bestehe eine Sehschwäche, links eine funktionelle Einäugigkeit ohne räumliches Sehen.

Auf Veranlassung des Sozialgerichts hat sodann die Fachärztin für Arbeitsmedizin/Umweltmedizin Dr. B. das Gutachten vom 11. August 2014 auf der Grundlage einer ambulanten Untersuchung des Klägers am 29. Juli 2014 erstattet. Dieser habe angegeben, am schlimmsten seien die Beschwerden im rechten Fuß beim Laufen. Er könne bis in die Stadt laufen (30 Minuten eine Strecke). Manchmal nehme er das Fahrrad, was aber kritisch sei, da er so schlecht sehe. Er habe mitunter stechende Knieschmerzen beim Laufen und an der unteren BWS und Lendenwirbelsäule (LWS) beim schweren Heben. Im Haushalt könne er ausreichend gut sehen. Lesen gehe mit der Lupe, aber nicht sehr gut. Er lese auch mal die Zeitung. Beim Schreiben mache er oft Fehler, weil er nicht richtig sehe. Dr. B. hat als Diagnosen angeführt:

Operation eines Zehenschiefstandes 1. Zehe rechts (Hallux valgus),

Operation am rechten Kniegelenk wegen häufiger Luxation der Kniescheibe,

leichtgradiges Schmerzsyndrom der Brust- und Lendenwirbelsäule,

angeborene hochgradige Sehschwäche rechts, Sehverminderung links,

hochgradige Innenohrschwerhörigkeit beidseits, vor allem im Hochtonbereich,

Operation eines Krampfaderleidens an beiden Beinen mit gutem Ergebnis,

Operation der Prostata wegen gutartiger Vergrößerung (benigne Prostatahyperplasie),

Alkoholkrankheit, seit 15 Jahren stabil trocken,

leichte Intelligenzminderung.

Der Sehfehler des rechten Auges könne mit einer Brille nicht korrigiert werden. Auch das linke Auge sehe nicht gut aus. Es bestehe eine funktionelle Einäugigkeit. Im Alltag komme der Kläger mit dem Sehvermögen halbwegs zurecht. Lesen gehe allerdings nur mit Lupe. In ungewohnter Umgebung habe er Probleme. Der Kläger trage Hörgeräte beidseits und komme damit im direkten Gespräch zurecht. Ansonsten bestünden Verständnisprobleme. Im Hörtest habe sich gezeigt, dass die Hörgeräte, die seit sechs Jahren nicht überprüft worden seien, die Hörleistung nicht wesentlich verbesserten. Der Kläger könne noch körperlich leichte bis mittelschwere Tätigkeiten mit geistig einfachsten und überschaubaren Anforderungen überwiegend im Sitzen, zeitweise im Stehen oder Laufen verrichten. Zeitdruck oder Akkordarbeit sei der Kläger nicht mehr gewachsen. Zu vermeiden seien wirbelsäulenbelastende Tätigkeiten wie Arbeiten im Hocken, Knien oder Arbeiten über Kopf. Der Kläger könne Sprache und Geräusche in geräuschvoller Umgebung oder bei Ansprache von der Seite oder von hinten nicht ausreichend gut verstehen, z.B. bei Publikumsverkehr. Der Kläger könne täglich sechs Stunden und mehr leidensgerechte Arbeiten verrichten. Seine Erkrankungen begründeten Einschränkungen in qualitativer, nicht in zeitlicher Hinsicht. Da er schlecht sehe, müsse es sich um relativ grobe Arbeiten handeln. Die Arbeiten dürften nicht wechseln, da der Kläger das schlechte Sehvermögen nur mit Erfahrung kompensieren und sich auch geistig nur schwer auf Neues einstellen könne. Seine Arbeit müsse in jedem Fall beaufsichtigt und ggf. korrigiert werden. Fehler, die er mache, müssten toleriert werden. Seine Arbeitsgeschwindigkeit sei herabgesetzt. Da er Hörgeräte tragen müsse, solle er nicht im Freien (Gefahr der Nässe) oder in sehr staubiger Umgebung arbeiten. Lärm müsse ebenfalls vermieden werden. Er dürfe keine Fahrzeuge führen und nicht an laufenden Maschinen arbeiten. Lesen gehe nur schwer, schreiben könne er nur mit vielen Fehlern. Der Kläger könne Fußwege von 500 m ohne wesentliche Probleme viermal täglich zurücklegen. Über eine Tätigkeit in einer Werkstatt für behinderte Menschen sollte nachgedacht werden. Bei einer Versorgung mit modernen Geräten werde sich wahrscheinlich eine Verbesserung des Hörvermögens erreichen lassen.

Das Sozialgericht hat die Beklagte mit Urteil vom 6. November 2014 unter Abweisung der Klage im Übrigen verurteilt, dem Kläger vom 1. November 2011 bis zum 31. Oktober 2017 Rente wegen voller Erwerbsminderung zu gewähren. Nach Überzeugung der Kammer könne der Kläger nicht mehr regelmäßig sechs Stunden täglich auf dem allgemeinen Arbeitsmarkt tätig sein. Die Kammer folge insoweit den überzeugenden Feststellungen der Sachverständigen Dr. B ... Soweit diese zu dem Ergebnis komme, dass der Kläger lediglich in einer Werkstatt für behinderte Menschen täglich sechs Stunden tätig sein könne, sei dies auf der Grundlage der erhobenen Befunde schlüssig, nachvollziehbar und überzeugend. Im Hinblick auf das bis zum 30. April 2011 bestandene Beschäftigungsverhältnis des Klägers im Rahmen einer 40-Stunden-Woche sei von einer Verschlossenheit des Arbeitsmarktes aufgrund der Summierung ungewöhnlicher Leistungseinschränkungen ab dem 1. Mai 2011 auszugehen. Aufgrund des Ablaufs der Dreijahresfrist während des Klageverfahrens sei die Rente bis zum 31. Oktober 2017 zu befristen gewesen.

Gegen das ihr am 10. Dezember 2014 zugestellte Urteil hat die Beklagte am 8. Januar 2015 Berufung beim Landessozialgericht Sachsen-Anhalt eingelegt. Als medizinischer Leistungsfall sei vom Sozialgericht der 1. Mai 2011 mit der Beschäftigungsaufgabe gewählt worden. Aus den vorliegenden medizinischen Unterlagen lasse sich kein Zeitpunkt feststellen, innerhalb dessen die gesundheitlichen Einschränkungen eine bedeutsame und begründete Verschlechterung erfahren hätten. Die funktionelle Einäugigkeit sei angeboren, weshalb eine Adaption vorliege und der Kläger hiermit auch beruflich tätig gewesen sei. Aus sozialmedizinischer Sicht liege nach Art und Schwere keine erhebliche qualitative Beeinträchtigung vor. Einfache und überschaubare Tätigkeiten erforderten keinesfalls eine ständige Beaufsichtigung oder Kontrolle. Bei einer einfachen angelernten Tätigkeit bestehe auch keine Herausforderung an das Lese- und Rechtschreibvermögen oder das räumliche Seh- bzw. das Hörvermögen. Der Kläger sei weiterhin in der Lage, einfache Hausmeistertätigkeiten, wie zuletzt, zu verrichten. Darüber hinaus leide das Urteil an dem Mangel, dass der Rentenbeginn falsch festgesetzt worden sei. Die Rente hätte frühestens am 1. Dezember 2011 beginnen dürfen.

Die Beklagte beantragt,

das Urteil des Sozialgerichts vom 6. November 2014 aufzuheben und die Klage insgesamt abzuweisen.

Der Kläger beantragt,

die Berufung zurückzuweisen.

Er hält das angefochtene Urteil für zutreffend. Er trägt vor, bereits zu einem wesentlich früheren Zeitpunkt als dem 1. Mai 2011 hätten die medizinischen Leistungsvoraussetzungen für die Gewährung der Erwerbsminderungsrente vorgelegen. Erst mit Wegfall der Beschäftigungsmöglichkeit hätten sich die Leistungseinschränkungen in Form der Summierung ungewöhnlicher Leistungseinschränkungen für ihn nachteilig ausgewirkt. Die Leistungseinschränkungen seien so umfassend, dass er nur einfachste Anforderungen bewältigen könne. Er sei zwar mit diesen Einschränkungen beschäftigt gewesen. Das von ihm ausgeübte Beschäftigungsverhältnis sei jedoch nicht arbeitsmarktüblich gewesen und daher nicht vergleichbar mit den auf dem allgemeinen Arbeitsmarkt üblichen Bedingungen.

Der Senat hat Befundberichte von Frau K. vom 26. Juli 2015 und von Dr. W. vom 4. August 2015 eingeholt. Frau K. hat keine relevante Verschlechterung seit Juli 2011 angegeben. Der Kläger habe allerdings eine Sehverschlechterung beidseits mitgeteilt. Der Visus habe mit eigener Brille am 11. Juni 2015 rechts -10,0sph. -0,5cyl./2° = 1/30 und links -11,0sph. -1,50cyl./95° = 0,5 betragen. Dr. W. hat erneut einen gleichbleibenden orthopädischen Befund aufgezeigt. Er hat eine Epikrise über den stationären Aufenthalt des Klägers vom 18. bis zum 22. November 2013 im Städtischen Klinikum D. wegen einer am 19. November 2013 durchgeführten komplexen Vorfußoperation rechts beigefügt.

Die ehemalige Arbeitgeberin des Klägers, die Stahlbau R. GmbH, hat auf Nachfrage des Senats mit Schreiben vom 11. April 2016 mitgeteilt, der Kläger habe zu Beginn der Dienstzeit seine Aufgaben einigermaßen zur Zufriedenheit erfüllt. Seine erbrachten Leistungen seien jedoch oft nicht ausreichend gewesen. Da sich die Sehschwäche des Klägers zunehmend verschlechtert habe, habe er immer weniger effektive Arbeitsaufgaben übernehmen können. Sein Aufgabenbereich habe zum Ende des Beschäftigungsverhältnisses aus einfachen Handreichungen, Farbgebung und Grundierung, Fegen der Produktionshalle, Reinigen der Pausen- und Umkleideräume sowie der Sanitäranlagen, Rasenmähen, Schneeschieben und Trennung sowie Entsorgung des Mülls bestanden. Bei diesen Arbeiten sei es weder auf Qualität noch auf Quantität angekommen. Wegen seiner liebenswerten, zuvorkommenden und beharrlichen Art sei dem Kläger dieser Arbeitsplatz über längere Zeit ermöglicht worden. Da im Jahr 2011 einige große Aufträge ausgelaufen seien und die Wirtschaft im Allgemeinen stagniert habe, habe sich die Firma keinen Hausmeister mehr leisten können.

Die Beteiligten haben sich mit einer Entscheidung ohne mündliche Verhandlung einverstanden erklärt.

Wegen der weiteren Einzelheiten wird auf den Inhalt der Gerichtsakte und der Verwaltungsakte der Beklagten, welche sämtlich Gegenstand der Entscheidung des Senats gewesen sind, Bezug genommen.

 

Entscheidungsgründe:

Der Senat konnte den Rechtsstreit entscheiden, ohne eine mündliche Verhandlung durchzuführen, da sich die Beteiligten übereinstimmend hiermit einverstanden erklärt haben (§ 124 Abs. 2 SGG).

Die gemäß § 143 SGG statthafte und auch in der Form und Frist des § 151 SGG eingelegte Berufung der Beklagten ist zulässig, aber überwiegend unbegründet.

Das Sozialgericht Dessau-Roßlau hat die Beklagte zu Recht zur Bewilligung von Rente wegen voller Erwerbsminderung vom 1. Dezember 2011 bis zum 31. Oktober 2017 verurteilt. Der angefochtene Bescheid der Beklagten ist insoweit rechtswidrig und verletzt den Kläger in seinen Rechten (§§ 153 Abs. 1, 54 Abs. 2 Satz 1 SGG). Es besteht jedoch kein Anspruch auf Rente wegen voller Erwerbsminderung für den Monat November 2011. Insoweit war die Berufung der Beklagten erfolgreich.

Nach § 43 Abs. 1, Abs. 2 SGB VI in der ab dem 1. Januar 2001 geltenden Fassung haben Versicherte bis zum Erreichen der Regelaltersgrenze Anspruch auf Rente wegen Erwerbsminderung, wenn sie teilweise bzw. voll erwerbsgemindert sind, in den letzten fünf Jahren vor Eintritt der Erwerbsminderung drei Jahre Pflichtbeiträge für eine versicherte Beschäftigung oder Tätigkeit und vor Eintritt der Erwerbsminderung die allgemeine Wartezeit erfüllt haben. Teilweise erwerbsgemindert sind nach § 43 Abs. 1 Satz 2 SGB VI Versicherte, die wegen Krankheit oder Behinderung auf nicht absehbare Zeit außer Stande sind, unter den üblichen Bedingungen des allgemeinen Arbeitsmarktes mindestens sechs Stunden täglich erwerbstätig zu sein, voll erwerbsgemindert sind nach § 43 Abs. 2 Satz 2 SGB VI Versicherte, die außer Stande sind, unter diesen Bedingungen mindestens drei Stunden täglich erwerbstätig zu sein. Erwerbsgemindert ist nach § 43 Abs. 3 SGB VI nicht, wer unter den üblichen Bedingungen des allgemeinen Arbeitsmarktes mindestens sechs Stunden täglich erwerbstätig sein kann; dabei ist die jeweilige Arbeitsmarktlage nicht zu berücksichtigen.

Streitgegenständlich ist die Bewilligung von Rente wegen voller Erwerbsminderung vom 1. November 2011 bis zum 31. Oktober 2017, da lediglich die Beklagte Berufung eingelegt hat.

Nach dem Ergebnis der von der Beklagten, dem Sozialgericht und dem Senat durchgeführten Ermittlungen war der Kläger vom 1. Mai 2011 bis zum 31. Oktober 2017 in der Lage, unter den üblichen Bedingungen des allgemeinen Arbeitsmarktes noch mindestens sechs Stunden täglich erwerbstätig zu sein. Der Senat geht dabei von folgendem Leistungsbild aus: Der Kläger konnte im o.g. Zeitraum körperlich leichte bis mittelschwere Tätigkeiten mit geistig einfachsten und überschaubaren Anforderungen, überwiegend im Sitzen, zeitweise im Stehen oder Laufen täglich sechs Stunden und mehr verrichten. Zeitdruck oder Akkordarbeit war der Kläger nicht gewachsen. Zu vermeiden waren wirbelsäulenbelastende Tätigkeiten wie Arbeiten im Hocken, Knien oder über Kopf. Der Kläger war Arbeiten mit Anforderungen an das Hörvermögen nur sehr eingeschränkt gewachsen. Er konnte Sprache und Geräusche in geräuschvoller Umgebung oder bei Ansprache von hinten nicht ausreichend gut verstehen. Wegen der funktionellen Einäugigkeit und der auf ca. 50 Prozent verminderten Sehfähigkeit des linken Auges konnte er nur relativ grobe Arbeiten verrichten. Das Lese- und Schreibvermögen war eingeschränkt. Arbeiten mit Publikumsverkehr waren ausgeschlossen. Er konnte nur gleichförmige, nicht wechselnde Tätigkeiten unter Beaufsichtigung ausführen. Eine fehlerfreie Arbeit war nicht gewährleistet; deshalb hätte sie ggf. korrigiert werden müssen. Seine Arbeitsgeschwindigkeit war herabgesetzt. Wegen der Erforderlichkeit des Tragens von Hörgeräten sollte der Kläger nicht im Freien (Gefahr der Nässe) oder in sehr staubiger Umgebung arbeiten. Lärm musste ebenfalls vermieden werden. Der Kläger durfte keine Fahrzeuge führen und nicht an laufenden Maschinen arbeiten.

Dieses Leistungsbild ergibt sich für den Senat aus den Ermittlungen im Verwaltungs-, Klage- und Berufungsverfahren. Insbesondere den im Ergebnis übereinstimmenden und überzeugenden Gutachten von Dr. B. vom 11. August 2014 und von Dr. A. vom 1. Februar 2010 sowie dem Entlassungsbericht der Med Reha D. GmbH vom 13. August 2008 ist ein mindestens sechsstündiges Leistungsvermögen des Klägers zu entnehmen.

Die bei diesem vorliegenden orthopädischen Erkrankungen - Zustand nach Operationen eines Zehenschiefstandes 1. Zehe rechts (Hallux valgus) 2010 und 2013, Zustand nach Operation am rechten Kniegelenk wegen häufiger Luxation der Kniescheibe 2009 sowie leichtgradiges Schmerzsyndrom der BWS und LWS - bedingten lediglich qualitative Einschränkungen. Dr. B. hat eine schmerzhafte Schiefstellung der großen Zehe rechts mit Problemen bei längeren Wegstrecken aufgezeigt. Ferner bestanden manchmal stechende Schmerzen im rechten Knie beim Laufen. Beschwerden im Bereich der BWS und LWS traten lediglich beim schweren Heben und Tragen auf.

Die angeborene hochgradige Sehschwäche rechts führte zu einer funktionellen Einäugigkeit bei einer Sehverminderung links mit einer ca. 50-prozentigen Einschränkung der Sehfähigkeit. Das Lesen, das nur mit einer Lupe funktionierte, bereitete dem Kläger erhebliche Schwierigkeiten. Beim Schreiben machte er viele Fehler. In ungewohnter Umgebung fand er sich schlecht zurecht.

Der Kläger war aufgrund der hochgradigen Innenohrschwerhörigkeit beidseits, vor allem im Hochtonbereich, auf das Tragen von Hörgeräten angewiesen. Gleichwohl hatte er Verständnisprobleme, wenn er von der Seite oder von hinten angesprochen wurde, und in geräuschvoller Umgebung.

Die Operation eines Krampfaderleidens an beiden Beinen war mit gutem Ergebnis erfolgt. Auch die Operation der Prostata wegen gutartiger Vergrößerung (benigne Prostatahyperplasie) war erfolgreich. Der Kläger war seit 15 Jahren trockener Alkoholiker.

Schließlich lag beim Kläger eine leichte Intelligenzminderung vor. Dieser konnte deswegen lediglich einfache Sachverhalte, jedoch keine komplexen Vorgänge erfassen. Dr. B. hat ausdrücklich angeführt, dass der Kläger bei der Begutachtung nur sehr einfach formulierte Fragen verstehen konnte.

Aufgrund dieser Einschränkungen bestand jedoch beim Kläger in dem Zeitraum vom 1. Mai 2011 bis zum 31. Oktober 2017 eine Summierung ungewöhnlicher Leistungseinschränkungen, die trotz seines sechsstündigen Leistungsvermögens zur Verschlossenheit des allgemeinen Arbeitsmarktes führte. Eine Summierung ungewöhnlicher Leistungseinschränkungen ist gegeben, wenn eine Mehrzahl von Einschränkungen, die jeweils nur einzelne Verrichtungen und Arbeitsbedingungen betreffen, zusammengenommen - ohne im Einzelnen oder auf den ersten Blick ungewöhnlich zu sein - das noch mögliche Arbeitsfeld in erheblichem Umfang zusätzlich einengen können. Einen konkreten Beurteilungsmaßstab gibt es nicht. Zu berücksichtigen sind insbesondere Anzahl, Art und Schwere der bestehenden qualitativen Leistungseinschränkungen. Je mehr diese geeignet erscheinen, gerade auch typische Arbeitsplätze für körperlich leichte Tätigkeiten zu versperren, umso eingehender und konkreter ist zu ermitteln, welche Verrichtungen oder Arbeitsbedingungen durch die vorliegenden Gesundheitsstörungen im Einzelnen ausgeschlossen sind. Erforderlich ist eine genaue Untersuchung, welche Verrichtungen oder Arbeitsbedingungen durch die beim Versicherten vorliegenden Gesundheitsstörungen im Einzelnen ausgeschlossen sind (vgl. Bundessozialgericht (BSG), Urteil vom 30. Oktober - 13 RJ 49/97; Urteil vom 23. Mai 2006 - B 13 RJ 38/05 R - juris).

Die festgestellten Leistungseinschränkungen gehen deutlich über den Rahmen hinaus, der ohnehin regelmäßig bei körperlich leichten und fachlich einfachen Tätigkeiten vorgegeben wird. Neben den orthopädischen Erkrankungen des Klägers sind insbesondere die eingeschränkte Sehfähigkeit, die eingeschränkte Hörfähigkeit sowie die Intelligenzminderung zu berücksichtigen. Dieser konnte zwar nicht nur leichte, sondern leichte bis mittelschwere körperlich Tätigkeiten verrichten. Er war jedoch insbesondere nur Arbeiten mit geistig einfachsten Anforderungen, einer herabgesetzten Arbeitsgeschwindigkeit, eingeschränkten Anforderungen an die Hörfähigkeit und ganz geringen Anforderungen an die Sehfähigkeit gewachsen. Insoweit konnte er nur einfache, leicht überschaubare und nicht wechselnde Tätigkeiten mit einfachsten Anforderungen an die Seh- und Hörfähigkeit ausführen. Hinzu kommt, dass die Arbeit des Klägers beaufsichtigt und ggf. korrigiert werden musste. Nahe liegende Einsatzmöglichkeiten für den Kläger im Zeitraum vom 1. Mai 2011 bis zum 31. Oktober 2017 waren nicht ersichtlich. Beschäftigungsmöglichkeiten in Tätigkeiten, die diese Kriterien erfüllten, konnten auf dem allgemeinen Arbeitsmarkt im o.g. Zeitraum nicht ohne weiteres unterstellt werden.

Die Beklagte war deshalb verpflichtet, eine Verweisungstätigkeit zu benennen. Auf die von ihr benannten einfachen Hausmeisterarbeiten war der Kläger nicht zumutbar verweisbar. Unter Berücksichtigung des o.g. Leistungsbildes erfüllten diese Tätigkeiten nicht die zugrunde zu legenden Kriterien. Im Übrigen wird durch die Arbeitgeberauskunft der Firma S. R. GmbH vom 11. April 2016 bestätigt, dass der Kläger für einfache Hausmeisterarbeiten nicht mehr wettbewerbsfähig einsetzbar war. Selbst bei den von ihm zuletzt verrichteten Helfertätigkeiten wie einfachen Malerarbeiten, Reinigungsarbeiten, Rasenmähen, Schneeschieben sowie Mülltrennung und -entsorgung ist es dem Arbeitgeber weder auf Qualität noch auf Quantität angekommen.

Weitere Verweisungstätigkeiten hat die Beklagte nicht benannt.

Der Kläger hat Anspruch auf Bewilligung von Rente wegen voller Erwerbsminderung vom 1. Dezember 2011 bis zum 31. Oktober 2017. Das Sozialgericht ist zwar zutreffend von einer Verschlossenheit des Arbeitsmarktes wegen der Summierung ungewöhnlicher Leistungseinschränkungen ab dem 1. Mai 2011 wegen der Beendigung der Beschäftigung des Klägers zum 30. April 2011 ausgegangen. Da befristete Renten wegen verminderter Erwerbsfähigkeit nicht vor Beginn des siebten Kalendermonats nach Eintritt der Erwerbsminderung geleistet werden (§ 101 Abs. 1 SGB VI), beginnt die Rente wegen voller Erwerbsminderung erst am 1. Dezember 2011.

Nach § 102 Abs. 2 Satz 1 SGB VI werden Renten wegen verminderter Erwerbsfähigkeit auf Zeit geleistet. Die Befristung erfolgt für längstens drei Jahre nach Rentenbeginn (a.a.O. Satz 2). Sie kann verlängert werden; dabei verbleibt es bei dem ursprünglichen Beginn (a.a.O. Satz 3). Die Verlängerung erfolgt für längstens drei Jahre nach dem Ablauf der vorherigen Frist (a.a.O. Satz 4). Renten, auf die ein Anspruch unabhängig von der jeweiligen Arbeitsmarktlage besteht, werden unbefristet geleistet, wenn unwahrscheinlich ist, dass die Minderung der Erwerbsfähigkeit behoben werden kann (a.a.O. Satz 5 1. Halbsatz). Da es sich bei der dem Kläger zuerkannten Rente um eine Rente in Abhängigkeit des Arbeitsmarktes handelt, war diese befristet ab 1. Dezember 2011 zu gewähren.

Die Kostenentscheidung beruht auf § 193 SGG. Da die Beklagte im Berufungsverfahren lediglich zu einem ganz geringen Teil (statt für 36 Monate muss sie für 35 Monate Rente wegen voller Erwerbsminderung an den Kläger zahlen) obsiegt hat, trägt sie die außergerichtlichen Kosten des Klägers für diesen Rechtszug in vollem Umfang.

Gründe für eine Zulassung der Revision im Sinne von § 160 Abs. 2 SGG liegen nicht vor. Es handelt sich um eine Einzelfallentscheidung auf gesicherter Rechtsgrundlage, ohne dass der Senat von einer Entscheidung der in § 160 Abs. 2 Nr. 2 SGG genannten Gerichte abweicht.