Landessozialgericht Nordrhein-Westfalen - Beschluss vom 15.07.2005 - Az.: L 1 B 7/05 SO ER - rechtskräftig



Gründe:

I.

Die Beteiligten streiten um die Übernahme rückständiger Stromkosten und um die erneute Belieferung mit Strom.

Der Antragsteller zu 1) ist der Vater der (volljährigen) Antragsteller zu 2) und 3). Sie leben gemeinsam in einer Wohnung, deren Mieter der Antragsteller zu 1) ist und die im Gebiet der Stadt X liegt. Zusammen erhalten die Antragsteller zu 1) bis 3) derzeit von der Beigeladenen zu 1) monatliche Zahlungen nach dem Sozialgesetzbuch Zweites Buch (SGB II) in Höhe von insgesamt 1035 EURO als Regelleistung.
Die Beigeladene zu 2) ist die regionale Stromversorgerin in der Stadt X. Ihr Stammkapital von insgesamt rund 20,7 Mio EURO wird zu rund 11,7 Mio EURO vom Antragsgegner, zu rund 5,3 Mio EURO bzw 2,3 Mio, 0,6 Mio EURO und 0,05 Mio EURO von den Städten Herzogenrath, Würselen, Aisdorf und Baesweiler gehalten. Weitere 0,3 Mio EURO Stammkapital befinden sich im Besitz der Städtischen Wasserwerk F GmbH. Ferner sind je 1090 EURO Gesellschaftskapital durch eine nicht-städtische GmbH und eine Privatperson eingebracht. Der Antragsteller zu 1) hat aus früherer Lieferung von Strom und fälligen Abschlagszahlungen bei der Beigeladenen zu 2) Schulden in Höhe von 2627,76 EURO. Deswegen stellte die Beigeladene zu 2) die weitere Lieferung von Strom unter vorheriger Mahnung und Hinweis auf eine mögliche Versorgungseinstellung nach Abwarten einer Frist von zwei Wochen mit Wirkung ab dem18.05.2005 ein.

Am 30.05.2005 beantragten die Antragsteller die Übernahme der Stromschulden bei der Beigeladenen zu 1). Dort wurden sie an den Antragsgegner verwiesen. Der Antragsgegner lehnte das Begehren der Antragsteller durch Bescheid vom 31.05.2005 mit der Begründung ab, Leistungen des SGB II seien vorrangig.

Am selben Tag haben die Antragsteller bei dem Sozialgericht (SG) Aachen im einstweiligen Rechtsschutz um die Verpflichtung des Antragsgegners zur Übernahme der Stromschulden nachgesucht. Das SG hat dem Antrag durch Beschluss vom 14.06.2005 stattgegeben und zur Begründung ausgeführt: Ein Anordnungsanspruch ergebe sich aus § 34 Zwölftes Buch Sozialgesetzbuch (SGB XII); die Norm sei anwendbar, denn § 22 Abs. 5 SGB II beschränke die Übernahme von Schulden zu Lasten der Träger von Leistungen für Arbeitssuchende ausdrücklich auf Mietschulden und enthalte die zusätzliche Voraussetzung, dass hiervon eine konkret in Aussicht stehende Beschäftigung abhängen müsse. Die Voraussetzungen des § 34 SGB XII seien erfüllt, denn die Versorgung mit Strom gehöre nach den heutigen Lebensverhältnissen in der Bundesrepublik Deutschland zum sozialhilferechtlich anerkannten Mindeststandard. Es bestehe auch ein Anordnungsgrund, da sich die Antragsteller nach vier Wochen ohne Strom in einer existentiellen Notlage befänden. Die vom Antragsgegner angebotenen Alternativen - Waschen von Wäsche und Duschen in einer Gemeinschaftsunterkunft, Kochen auf einem Campingkocher oder Kauf warmer Mahlzeiten - seien teils rechtswidrig (Gebrauch von Campingkochern in Mietwohnungen), teils unzumutbar (teurer Einkauf warmer Mahlzeiten). Ein erzwungenes Pendeln zwischen Gemeinschaftsunterkunft und Wohnung lasse zudem für eine ordnungsgemäße Arbeitssuche nicht genügend Zeit.

Gegen diesen am 21.06.2005 zugestellten Beschluss richtet sich die am 29.06.2005 erhobene Beschwerde des Antragsgegners, der das SG nicht abgeholfen hat (Nicht-Abhilfebeschluss vom 29.06.2005). Der Antragsgegner meint, die Anwendung des § 34 SGB XII unterlaufe die Intention des Gesetzgebers. Während § 23 Abs. 1 SGB II nämlich lediglich die Möglichkeit einer Darlehensgewährung biete, könnten Leistungsempfänger nach § 34 SGB XII durch bloße Untätigkeit gegenüber fälligen Schulden in den Genuss einer nicht rückzahlbaren Beihilfe kommen. Selbst wenn § 34 SGB XII im Übrigen angewendet würde, sei zu berücksichtigen, dass sich der Antragsteller zu 1) durch systematisches Fehlverhalten selbst in die gegenwärtige Lage gebracht habe. So habe er einen im Jahr 2002 gewährten Zuschuss für rückständige Gaskosten i.H.v. 2480 EURO zweckwidrig verbraucht und in der Vergangenheit Mietschulden i.H.v. rund 8300 EURO auflaufen lassen.

Der Antragsgegner beantragt sinngemäß,

1. den Beschluss des SG Aachen vom 14.06.2005 zu ändern und den Antrag auf Übernahme der Stromkosten zurückzuweisen,

2. die Vollziehung des angefochtenen Beschlusses auszusetzen.

Die Antragssteller beantragen,

die Beschwerde zurückzuweisen.

Die Beigeladenen stellen keine Anträge.

Die Beigeladene zu 1) hat durch Schreiben vom 13.07.2005 mitgeteilt, sie werde die Abschläge für Stromkosten i.H.v. 100 EURO monatlich mit Wirkung ab dem 01.08.2005 an die Beigeladene zu 2) oder einen anderen von den Antragsteilem zu benennenden Stromversorger direkt zahlen.

Die Beigeladene zu 2) hat vorgetragen, sie stütze sich zur Ausübung ihres Zurückbehaltungsrechts auf die Allgemeinen Bedingungen zur Versorgung von Tarifkunden (AV-BEItV) vom 21.06.1979 (Bundesgesetzblatt Teil l - BGBI. l - S. 684) in der Fassung des SchuldRMod AppG v. 09.12.04 - BGBI. l 2004, 3214. Der Bundesgerichtshof (BGH) habe ein solches Zurückbehaltungsrecht mit Urteil vom 03.07.1991 (Neue Juristische Wochenschrift - NJW - 1991, 2645) anerkannt. Auch das Bundesverfassungsgericht (BVerfG) habe mit Beschluss vom 30.09.1981 (NJW 1982, 5111) ausgesprochen, dass es nicht zu den Aufgaben der öffentlichen Versorgungswirtschaft gehöre, für den Not(strom)bedarf bedürftiger Kunden zu sorgen. Einem Wechsel der Antragsteller zu einem anderen Unternehmen werde widersprochen, weil das Zurückbehaltungsrecht dann faktisch nicht mehr bestehe.

Die Stromversorger Eon AG, RWE AG und Yello GmbH haben gegenüber dem erkennenden Senat auf Anfrage erklärt, sie führten beim Neuabschluss mit neuen Privatkunden keine Prüfung der Zahlungsfähigkeit (z.B. mittels SCHUFA-Anfrage) durch. Etwaigen Zahlungsschwierigkeiten werde vielmehr durch kurzfristige Vertragsbeendigung begegnet. Die Weigerung eines lokalen Netzbetreibers, Altkunden wegen bestehender Außenstände freizuschalten, sei ihrer Auffassung nach Wettbewerbs- und kartellrechtswidrig, da das Zurückbehaltungsrecht nur dazu berechtige, eigene künftige Stromlieferungen zu versagen. Bei einer Freischaltung des Altkunden sei im Übrigen kein technischer Eingriff erforderlich. Der Zähler bleibe unverändert vor Ort und werde vom neuen Stromversorger gemietet. Allerdings dauere der elektronische Umstellungsvorgang mehrere Wochen. Die Yello GmbH hat angeboten, die Antragsteller mit Wirkung ab dem 01.09.2005 bzw. spätestens ab dem 01.10.2005 bei direkter Zahlung der monatlichen Abschläge durch einen Sozialleistungsträger mit Strom zu beliefern.

II.

Die zulässige Beschwerde des Antragsgegners ist teilweise begründet. Das SG hat den Antragsgegner zu Unrecht zur Übernahme der Stromschulden verpflichtet. Denn hierauf haben die Antragsteller keinen Anspruch (hierzu unter A.). Im Übrigen hat das SG im Ergebnis zu Recht eine Regelung getroffen, die dafür sorgt, dass die Antragsteller mit sofortiger Wirkung wieder mit Strom versorgt werden. Insoweit bestehen bei summarischer Prüfung iSd § 86 b Abs. 2 Satz 2 Sozialgerichtsgesetz (SGG) sowohl Anordnungsgrund- wie auch -anspruch. Kraft sozialhilferechtlicher Gesetzbindung ist der Antragsgegner in seiner Funktion als Mehrheitsgesellschafter der Beigeladenen zu 2) verpflichtet, diesen Anspruch auf schnellstem Wege zu verwirklichen und in der Zwischenzeit eine zumutbare Versorgung der Antragsteller sicherzustellen (Hierzu unter B.).

A.

Für einen Anspruch auf Übernahme der Altschulden aus früherem Strombezug fehlt es an einer gesetzlichen Grundlage. Weder § 34 SGB XII noch § 23 SGB II greifen direkt oder in entsprechender Anwendung ein. Sonstige Anspruchsgrundlagen auf Begleichung privater Altschulden durch die öffentliche Hand kommen nicht in Betracht.

§ 23 SGB II scheidet in direkter Anwendung aus, weil die Norm sich ausdrücklich ausschließlich auf "Mietschulden" bezieht. Um solche handelt es sich vorliegend nicht, weil die Zahlungsrückstände des Antragstellers zu 1) nicht aus (Neben-)Abreden früherer Mietverträge (etwa über die pauschale Begleichung von Heizung, Strom und Wasser im Rahmen einer Wohnraummiete), sondern aus hiervon getrennten Verträgen mit der Beigeladenen zu 2) über Stromlieferungen stammen. Wie das SG zutreffend hervorgehoben hat, ist auch ein erweitertes oder entsprechendes Heranziehen des § 23 SGB II für Schulden, die nicht Mietschulden sind, ausgeschlossen, weil § 21 Abs. 5 und § 5 Abs. 2 Satz 2 SGB XII einen entgegenstehenden Willen des Gesetzgebers verdeutlichen. Danach nämlich ist ausdrücklich vorgesehen, dass Leistungen nach § 34 SGB XII neben solchen des SGB II an erwerbsfähige Hilfebedürftige gewährt werden können. Sowohl die übereinstimmende und ausführliche Regelung in § 21 Abs. 5 und § 5 Abs. 2 Satz 2 SGB II wie auch die im Verhältnis zu § 34 SGB XII unterschiedlichen Voraussetzungen (Abhängigkeit von einer konkret in Aussicht stehenden Beschäftigung) wie auch die weniger weit reichende Rechtsfolge (Beschränkung auf Darlehen) zeigen, dass es sich insoweit nicht um ein Redaktionsversehen im Gesetzgebungsverfahren handelt. Eine Übernahme als Unterkunftskosten iSd 22 SGB II scheitert daran, dass hierunter nur die aktuellen Stromkosten gezählt werden können, nicht aber Forderungen, die bereits vor Antragstellung entstanden und fällig sind. Die Tilgung alter Schulden aus dem Regelsatz zur Sicherung des Unterhalts gemäß § 20 SGB II ist tatsächlich und rechtlich ebenfalls unmöglich, weil dieser Betrag gemäß § 27 SGB II so bemessen ist, dass er den für das Existenzminimum notwendigen Bedarf gerade deckt und daher weder pfänd- noch abtretbar ist (§ 53 Abs. 3 Sozialgesetzbuch Erstes Buch in Verbindung mit - iVm - §§ 850 folgende Zivilprozessordnung).

§ 34 SGB XII, dessen Anwendungsbereich für die Übernahme alter Stromschulden daher sozialhilferechtlich allein in Betracht kommt, scheidet im Ergebnis freilich vorliegend deswegen aus, weil die Übernahme von Stromschulden hier nicht zur Sicherung der Unterkunft oder zur Behebung einer vergleichbaren Notlage erforderlich ist. "Zur Sicherung der Unterkunft" ist die Schuldübernahme deswegen nicht erforderlich, weil die Stromkosten ihren Rechtsgrund, wie gezeigt, nicht in einem Mietvertrag haben und deswegen nicht zur Kündigung des Wohnraummietvertrages führen können. Eine der Obdachlosigkeit "vergleichbare Notlage" kann zwar - wie das SG zutreffend dargelegt hat - darin liegen, dass einem Mieter durch den Entzug des Stroms ein "Wohnen" im vollen Sinn der heute sozialüblichen Lebensverhältnisse- und Anschauungen nicht mehr möglich ist (kein Kochen, kein Waschen, keine Körperpflege mit warmem Wasser, näher zum sozialhilferechtlichen Mindeststandard der Wohnung v. Renesse in: Jahn SGB XII - Hrsg. Jung -Stand Januar 2005, § 70 Randnummer- Rn - 7). Indes ist diese Gefahr vom Antragsgegner durch - gegenüber dem SGB XII vorrangige - Maßnahmen mit sofortiger Wirkung zu beheben (siehe hierzu unter B.), so dass gemäß § 2 SGB XII für den nachrangigen § 34 SGB XII kein Raum bleibt. Das sonst für die Sozialhilfe eingreifende sogenannte Faktizitätsprinzip, nach dem nur tatsächlich erbrachte Leistungen Dritter, nicht aber hypothetisch bzw. rechtlich geschuldete Zuwendungen zu berücksichtigen sind (näher hierzu Rothkegel, Sozialhilferecht 2005, S.14 ff), steht dem nicht entgegen, weil es der erkennende Senat durch die Verpflichtung des Antragsgegners, der gleichzeitig Mehrheitsgesellschafter der Beigeladenen zu 2) ist, in der Hand hat, für eine umgehende und vollstreckbare Wiederbelieferung der Antragsteller mit Strom zu sorgen.

B.

Anspruchsgrundlage und damit Anordnungsanspruch für die vom Senat ausgesprochene Verpflichtung des Antragsgegners, für eine erneute Belieferung der Antragsteller durch die Beigeladene zu 2) mit Strom Sorge zu tragen, sind die §§1.3 SGB XII iVm Artikel 13 Grundgesetz (GG) und § 33 Abs. 2 Satz 2 AVBEItV. Danach muss der Antragsgegner als Träger der Sozialhilfe auch bei seinem Handeln als Mehrheitsgesellschafter eines privatrechtlich verfassten Energieversorgungsunternehmens die für ihn geltenden öffentlichrechtlichen Verpflichtungen durchsetzen (Art 20 Abs. 3 GG). Er muss bewirken, dass die von ihm rechtlich beherrschte Beigeladene zu 2) ihre vorhandene faktische Marktmacht im Versorgungsgebiet nicht missbräuchlich zu Lasten der Empfänger und Träger von Sozialhilfeleistungen ausgeübt, und er muss sicherstellen, dass bei einem Geltendmachen des Zurückbehaltungsrechts iSd § 33 Abs. 2 Satz 2 AVBEItV das dort speziell verankerte Verhältnismäßigkeitsprinzip gewahrt wird. Gegen beide Verpflichtungen hat der Antragsgegner durch sein fehlendes innerorganschaftliches Einschreiten in Bezug auf die zu Lasten der Antragsteller verhängte Stromsperre verstoßen (hierzu unter 1).
Es besteht auch ein Anordnungsgrund, denn die Antragsteller haben erkennbar keine Möglichkeit, unmittelbar zu einem anderen Energieversorger zu wechseln. Die dem Antragsgegner obliegende allgemeine Pflicht zur Rechtstreue hat sich daher zu einem Anspruch auf gesellschaftsrechtliches Einwirken zu Gunsten der Antragsteller verdichtet (hierzu unter 2.).

Schließlich ist der Antragsgegner auch verpflichtet, bis zu einer erneuten Stromlieferung an die Antragsteller für eine zumutbare Zwischenlösung zu sorgen (hierzu unter 3.).

1. Die Beigeladene zu 2) war und ist nicht berechtigt, gegenüber dem Antragsteller zu 1), gemäß § 33 Abs. 2 AVBEItV ein Zurückbehaltungsrecht auszuüben und eine Stromsperre zu verhängen, weil diese Maßname vorliegend unverhältnismäßig ist. Die Einstellung der Versorgung ist das letzte Mittel, zu dem nach dem inneren Aufbau der AVBEItV erst gegriffen werden darf, wenn die dort vorgesehenen milderen Maßnahmen sich als erfolglos erwiesen haben oder bei pflichtgemäßer Prüfung von vome herein keinen Erfolg versprechen. Als mildere Mittel zur Vermeidung künftig auflaufender Außenstände kamen bzw. kommen folgende Schritte in Betracht: die Verkürzung der Ablesezeiträume gemäß § 20 AVBEItV (wobei gemäß § 20 Abs. 1 Satz 1 AVBEItV sogar ein Ablesen durch den Kunden gefordert werden darf), das Verfangen einer Sicherheitsleistung § 29 AVBEItV, die Festsetzung einer höheren Vorauszahlung gemäß 28 AVBEItV sowie schließlich der Einbau eines Münzzählers gemäß § 28 Abs. 3 AVBEItV (hierzu vgl. Amtsgericht Regensburg Recht der Energie - RdE -1989,171; Landgericht - LG - Hannover RdE 1999, 80). Keine dieser Maßnahmen wurde von der Beigeladenen zu 2) durchgeführt, obgleich insbesondere der Einbau eines Münzzählers das Entstehen der Stromschulden mit an Sicherheit grenzender Wahrscheinlichkeit verhindert hätte und auch künftig Erfolg verspricht. Die weitere Belieferung des Antragstellers zu 1) durch die Beigeladene zu 2) ist auch nicht wirtschaftlich unzumutbar, da die Beigeladene zu 1) - bei der es sich um eine Körperschaft des öffentlichen Rechts und somit einen zuverlässigen Schuldner handelt - gemäß § 23 Abs. 4 i.V.m § 22 Abs. 4 SGB II in entsprechender Anwendung zugesagt hat, die geforderten monatlichen Abschläge direkt an den Stromversorger zu zahlen. Dass ein kommerzieller dritter Anbieter, die Yello GmbH, hier bereit ist, den Antragsteller unter dieser Modalität ohne weitere Voraussetzungen als Kunden zu übernehmen, zeigt vielmehr mit der für das summarische Verfahren des einstweiligen Rechtsschutzes hinreichenden Deutlichkeit, dass die künftige Belieferung des Antragstellers zu 1) ungeachtet seiner bisherigen finanziellen Verhältnisse wirtschaftlich Gewinn erwarten lässt und damit für ein Stromversorgungsunternehmen nicht als unzumutbar angesehen werden kann. Die gegenteilige Annahme von Hempel (Energiewirtschaftsgesetz Kommentar, Stand September 2002, § 33 AVBEItV Rn 182) und des LG Augsburg (RdE 1998,161), Sozialhilfeempfänger mit Außenständen seien den Energieversorgungsunternehmen als Kunden unzumutbar, ist durch die vom Senat bei der Yello GmbH, der Eon AG und der RWE AG gewonnenen tatsächlichen Erkenntnisse über die Verhältnisse auf dem aktuellen Strommarkt in Deutschland widerlegt.

Soweit die Beigeladene zu 2) die weitere Stromversorgung darüber hinaus nicht nur an eine positive Gewinn- und Zahlungsprognose für künftige Stromforderungen knüpft, sondern auch von der Begleichung aller offenen Stromschulden abhängig macht und sich hierzu auf die Rechtsprechung des BGH beruft, handelt sie rechtsmissbräuchlich. Zum einen betraf diese Rechtsprechung nicht den Fall, in dem ein dritter - solventer -Schuldner wie hier die Beigeladene zu 1) für die künftige Begleichung offener Forderungen bereit steht (Vielmehr ging es allein um die - vom BGH i.Ü. verneinte - Frage, ob auch gewerbliche Stromschulden zur Zurückbehaltung gegenüber privatem Verbrauch berechtigen). Zum anderen gelten auch nach dieser Rechtsprechung die o.g. Einschränkungen aufgrund des Verhältnismäßigkeitsprinzips, die die § 273, 320, 321 des Bürgerlichen Gesetzbuchs (BGB) als Spezialnormen für den Strommarkt ergänzen. Damit stehen die von Hempel (am angegebenen Ort - a.a.O. -. Rn 182) und die von ihm zitierten tatrichterlichen Entscheidungen einzelner Zivilgerichte nicht im Einklang. Jedenfalls den im Besitz der öffentlichen Hand befindlichen Unternehmen mit marktbeherrschender Stellung - wie sie die Beigeladene zu 2) in ihrem Vertriebsgebiet besitzt - ist ein Verhalten ohne Rücksicht auf die Bedürfnisse der wirtschaftlich schlechter gestellten Privatkunden versagt. Denn auch die Stromversorgung ist nach heutigem Verständnis eine grundlegende Voraussetzung der Teilhabe am Leben der Gesellschaft und notwendig für ein menschenwürdiges Wohnen im Sinne von Art 13 GG iVm §§ 1, 70 SGB XII (vgl. v. Renesse a.a.O. Rn 7). Zumindest der Antragsgegner in seiner Doppelfunktion als Sozialhilfeträger und Mehrheitsgesellschafter eines praktisch zu 100 % in öffentlichrechtlichem Besitz befindlichen Energieversorgungsunternehmens kann nicht daran mitwirken, wenn Sozialhilfeempfängern für die Stromversorgung ein neuer Lieferbeginn auf Guthabenbasis verweigert wird. Dabei ist unerheblich, dass die Beigeladene zu 2) in der zivilrechtlichen Rechtsform einer GmbH organisiert ist, denn Träger öffentlicher Gewalt können sich ihren öffentlich-rechtlichen Verpflichtungen nicht durch eine sogenannte "Flucht in das Privatrecht" entziehen (BVerfG NJW. 1990, 1783; BGH NJW 2003,1658; Müller, Nordrhein-Westfälische Verwaltungsblätter 1997,172; Schwintowski, NJW 1995, 1316; anderer Auffassung Hempel a.a.O. Rn. 176).

Dass das BVerfG 1981 in dem von der Beigeladenen zu 2) zitiertem Beschluss (NJW 1982,1511) entschieden hat, dass es nicht Aufgabe der Energieversorger ist, für den Notbedarf bedürftiger Kunden zu sorgen, steht dem Vorgesagten nicht entgegen, denn durch die vom erkennenden Senat tenorierten Verpflichtungen wird von der Beigeladenen zu 2) im Ergebnis gerade keine kostenlose Belieferung der Antragsteller mit Strom verlangt. Vielmehr steht fest, dass die Beigeladene zu 1) die von der Beigeladenen zu 2) selbst festgesetzten (und damit im Zweifel nicht zu deren Ungunsten berechneten) monatlichen Abschläge künftig direkt zahlt. Risiken einer Unterdeckung kann die Beigeladene zu 2) dabei zudem, wie oben gezeigt, durch Verkürzung der Ablesezeiträume und weitere in den AVBEItV genannte Maßnahmen vermeiden, bis hin zum Einbau eines Münz- oder auch elektronischen Kartenzählers, wie sie mittlerweile angeboten werden (vgl. www.sipa-cham.ch). Auch bleiben die bisherigen Stromforderungen als Schulden des Antragstellers zu 1) nach dieser Lösung bestehen und können - etwa wenn sich seine wirtschaftliche Lage künftig bessert - wie jede andere Forderung eingeklagt und ggf. vollstreckt werden. Insoweit ist kein sachlicher Grund im Sinne des Artikel 3 GG ersichtlich, die Beigeladene zu 2) als Stromkonzern gegenüber anderen Gläubigem von Sozialhilfeempfängern zu Lasten der Steuerzahler zu privilegieren.

Schließlich betont der Antragsgegner unter Hinweis auf § 34 SGB XII selbst zu Recht, dass es nicht Sinn und Zweck der steuerfinanzierten Sozialhilfe ist, vorhandene Schulden zu decken (näher Rothkegel a.a.O. S. 97 ff). Genau dies aber ist die Folge der vom Antragsgegner bislang (nach Mitteilung des SG Aachen in einer Vielzahl von Fällen) gedeckten Verhaltensweise der Beigeladenen zu 2). Im wirtschaftlichen Ergebnis hat danach nämlich weder der Sozialhilfeempfänger noch der Energieversorger ein wirkliches Interesse an sparsamem Stromverbrauch und sorgfältigem Wirtschaften. Der Stromversorger kann sich auf Grund seiner faktischen Machtposition sicher sein, dass eventuelle aufgelaufene Schulden spätestens bei Verhängung des Druckmittels einer Stromsperre vom Sozialhilfeträger übernommen werden, und der Sozialhilfeempfänger kann davon ausgehen, dass eine solche Übernahme im Regelfall (wenn nämlich keine wirtschaftliche Besserung unmittelbar absehbar ist) als Beihilfe und nicht als Darlehen erfolgt. Belastet ist dann letztlich immer die Solidargemeinschaft der Steuerzahler, obgleich sie den Stromverbrauch weder - wie die Stromversorger - kontrollieren noch - wie die Sozialhilfeempfänger - steuern kann. Auch vor dem Hintergrund einer Analyse der einzel- und gesamtwirtschaftlichen Wirkungen einer solchen Gesetzesauslegung (zur ökonomischen Analyse des Rechts allgemein vgl Eidenhofer, Effizienz als Rechtsprinzip, 1995, 397 ff; Schwintowski, Recht und Gerechtigkeit 1996, 170 ff) hält der erkennende Senat nicht an der früheren verwaltungsgerichtlichen Rechtsprechung fest, die solche Ergebnisse trotz der dadurch bewirkten faktischen Umgehung des früheren § 15 a Bundessozialhilfegesetz, der dem § 34 SGB XII glich, gebilligt hat (vgl Oberverwaltungsgericht NRW, Sammlung fürsorgerechtlicher Entscheidungen 35, 24).

2. Die Antragsteller haben auch einen Anordnungsgrund. Da ein Wechsel vom einen zum anderen Stromanbieter nach den vom Senat ermittelten Erkenntnissen derzeit nämlich aus technischen Gründen ggf. bis zum 01.10.2005 dauern würde, wäre den Antragstellern mit einer solchen Lösung kurzfristig nicht zu helfen. Daher hat auch die Frage, unter welchen Voraussetzungen die Beigeladene zu 2) den Antragsteller zu 1) als Altkunden "freigeben" muss, und ob ihre entsprechende Weigerung Wettbewerbs- und kartellrechtswidrig ist, jedenfalls im vorliegenden Verfahren des einstweiligen Rechtsschutzes offen zu bleiben (zur sog. Essential Facilities Doctrine des Europäischen Gerichtshofs - EuGH -, die hierbei zu prüfen wäre, siehe EuGH, Sammlung 1997 11-1689 mit weiteren Nachweisen).

3. Für die Übergangzeit, d.h. bis zur Durchsetzung des von der Antragsgegnerin als Mehrheitsgesellschafterin zu bewirkenden Gesellschafterbeschlusses der Beigeladenen zu 2), ist eine vorübergehende Unterbringung der Antragsteller in einer möblierten Wohnung oder in einem Hotel geboten, weil ihnen ein weiteres Zuwarten auf die Wiederaufnahme der Stromversorgung, die seit dem 18.05.2005 unterbrochen ist, nicht mehr zugemutet werden kann. Verpflichteter dieses Anspruchs ist der Antragsgegner, denn er hat durch Duldung des rechtswidrigen Verhaltens der Beigeladenen zu 2) eine ihm gegenüber den Antragsteilem obliegende sozialhilferechtliche Pflicht verletzt und so schuldhaft einen vom SGB II nicht vorhergesehenen Notbedarf der Antragsteller verursacht. Dieser Bedarf ist vollstreckungsrechtlichen Natur und fußt auf § 86 b Abs. 2 SGG iVm Art 19 Abs. 4 GG (vgl. Keller in Meyer-Ladewig SGG 8. Auflage § 86 b Rn 33). Er wird daher nicht vom materiell-rechtlichen System-Vorrang des § 5 Abs. 2 Satz 1 SGB II erfasst, mit der Folge, dass er vom Antragsgegner und nicht von der Beigeladenen zu 1) zu tragen ist. Dabei hat es der Antragsgegner selbst in der Hand, die Zeit und die für diese vollstreckungsrechtliche Zwischenlösung anfallenden Kosten durch Nutzung der ihm gemäß § 14 des Gesellschaftsvertrages der Beigeladenen zu 2) zu Gebote stehenden Beschleunigungsmöglichkeiten (Eilbeschluss im Umlaufverfahren) zu verkürzen (vgl zum hierbei zu wahrenden gesellschaftsrechtlichen Vorgehen Müller und Schwintowski jeweils a.a.O.).

C.

Der Antrag auf Aussetzung der Vollstreckung hat sich durch die Neufassung des erstinstanzlichen Beschlusses erledigt.

D.

Die Kostenentscheidung beruht auf § 193 SGG. Eine Kostenerstattung an die Antragsteller kommt trotz deren Obsiegens nicht in Betracht, da sie nicht anwaltlich vertreten sind, ihre Reisekosten vom Gericht getragen wurden und ihnen sonstige Auslagen nicht entstanden. Die übrigen Beteiligten haben entweder selbst keine Anträge gestellt (Beigeladene zu 2)) bzw. können als Gebührenpflichtige iSd § 184 Abs. 1 SGG gemäß § 193 Abs. 3 SGG keine außergerichtlichen Kosten geltend machen.