Bayerisches Landessozialgericht - L 15 SF 33/15 - Kostenbeschluss vom 22.04.2015
Eine (vermeintlich) der Höhe nach unzutreffende vorläufige Streitwertfestsetzung kann/muss daher erst mit der Entscheidung über den gesamten Streitgegenstand oder dann, wenn sich das Verfahren anderweitig erledigt, korrigiert werden. Ein derartiges Abwarten ist dem Kostenpflichtigen - auch unter dem Gesichtspunkt des Gebots des umfassenden Rechtsschutzes im Sinn des Art. 19 Abs. 4 Grundgesetz - zumutbar, da er damit keinen unzumutbaren Rechtsverlust erleidet. Denn in der Durchführung des gerichtskostenpflichtigen Verfahrens wird er rechtlich nicht behindert, da dieses Verfahren unabhängig davon durchgeführt wird, ob die dafür angeforderten Gerichtskosten eingezahlt worden sind oder nicht. Zudem hat er am - absehbaren - Ende des Verfahrens die Möglichkeit von Rechtsschutz gegen den dann endgültig festzusetzenden Streitwert.
Gründe:
I.
Streitig ist eine Gerichtskostenfeststellung der Kostenbeamtin in einem Verfahren nach § 197 a Sozialgerichtsgesetz (SGG).
Im Klageverfahren S 29 KR 1285/14 vor dem Sozialgericht (SG) München, in dem die Zulassung der Beschwerdeführerin zur Abgabe stimm-, sprech- und sprachtherapeutischer Leistungen streitig ist, verfügte der Richter der Hauptsache in der Eingangsverfügung vom 31.10.2014, dass das Klageverfahren als Verfahren gemäß § 197 a SGG zu führen sei und der vorläufige Streitwert 5.000,- EUR betrage.
Mit Gerichtskostenfeststellung vom 05.11.2014 erhob die Kostenbeamtin, ausgehend vom vorgenannten Streitwert, bei der Beschwerdeführerin Gerichtskosten in Höhe von 438,- EUR.
Die dagegen von der Beschwerdeführerin eingelegte und u.a. damit begründete Erinnerung, dass es überhaupt keinen Streitwert gebe, hat das SG mit Beschluss vom 01.12.2014 zurückgewiesen.
Mit Schreiben vom 17.12.2014 hat die Beschwerdeführerin Beschwerde erhoben. Zur Begründung hat sie, auch mit Schreiben vom 02.02.2015, u.a. vorgetragen, dass sie von der im Hauptsacheverfahren beklagten Krankenkasse keine Rezepte habe und daher kein Streitwert von 5.000,- EUR gegeben sei. Im Übrigen zahle sie bereits Gerichtskosten in einer weiteren Klage gegen eine andere Krankenkasse.
II.
Die Beschwerde gegen die Erinnerung ist gemäß § 66 Abs. 2 Satz 1 Gerichtskostengesetz (GKG) zulässig. Sie ist aber nicht begründet.
Das SG ist im Rahmen der Entscheidung über die Erinnerung gegen die Gerichtskostenfeststellung vom 05.11.2014 zu dem zutreffenden Ergebnis gekommen, dass die Gerichtskostenfeststellung nicht zu beanstanden ist.
Die Erinnerung gemäß § 66 Abs. 1 GKG kann nur auf eine Verletzung des Kostenrechts gestützt werden (vgl. Bundesgerichtshof, Beschlüsse vom 13.02.1992, Az.: V ZR 112/90, und vom 20.09.2007, Az.: IX ZB 35/07; Bundesfinanzhof, Beschluss vom 29.06.2006, Az.: VI E 2/06; ständige Rechtsprechung des Senats, vgl. z.B. Beschluss vom 01.08.2014, Az.: L 15 SF 90/14 E; Hartmann, Kostengesetze, 45. Aufl. 2015, § 66 GKG, Rdnr. 18; Meyer, GKG/FamGKG, 13. Aufl. 2012, § 66, Rdnr. 13), nicht aber auf die (vermeintliche oder tatsächliche) Unrichtigkeit einer im Hauptsacheverfahren getroffenen Entscheidung. Die im Hauptsacheverfahren getroffenen Entscheidungen sind daher einer Überprüfung im Kostenansatzverfahren entzogen (ständige Rpsr., vgl. z.B. Beschluss des Senats vom 18.12.2014, Az.: L 15 SF 322/14 E - m.w.N.). Gleiches gilt grundsätzlich für die dort getroffenen Verfügungen (vgl. Beschlüsse des Senats vom 07.10.2014, Az.: L 15 SF 61/14 E, und vom 05.12.2014, Az.: L 15 SF 202/14 E). Im Erinnerungsverfahren zum Kostenansatz kann daher lediglich geprüft werden, ob die im Hauptsacheverfahren erfolgten Festlegungen kostenrechtlich richtig umgesetzt worden sind.
Eine derartige Verletzung des Kostenrechts ist im vorliegenden Fall weder von der Beschwerdeführerin vorgetragen worden noch ersichtlich; das SG hat die Erinnerung zutreffend zurückgewiesen.
Der Kostenansatz vom 05.11.2014 ist nicht zu beanstanden.
1. Zu den Einwänden der Beschwerdeführerin
Die Beschwerdeführer kann mit ihren Einwänden nicht durchdringen.
1.1. Einwand: vorläufiger Streitwert zu hoch
Wenn die Beschwerdeführerin davon ausgeht, dass der dem Kostenansatz zugrunde gelegte vorläufige Streitwert zu hoch angesetzt und daher die Gerichtskostenfeststellung aufzuheben sei, ist dieser Einwand unbeachtlich. Denn die Höhe des vorläufigen Streitwerts ist einer Prüfung im Rahmen der Erinnerung gegen den Kostenansatz gemäß § 66 Abs. 1 GKG entzogen.
Nach ständiger Rechtsprechung ist die Höhe des der Kostenrechnung zugrunde gelegten vorläufigen Streitwerts nicht Gegenstand der gerichtlichen Prüfung im Rahmen der Erinnerung gegen den Kostenansatz gemäß § 66 Abs. 1 GKG (vgl. z.B. Beschluss des Senats vom 13.08.2014, Az.: L 15 SF 67/14 E; Bayer. LSG, Beschluss vom 28.06.2006, Az.: L 11 B 399/06 SO; LSG Baden-Württemberg, Beschluss vom 29.03.2009, Az.: L 11 R 882/11 B; LSG Sachsen-Anhalt, Beschluss vom 26.01.2010, Az.: L 10 U 64/08; Bayer. Verwaltungsgerichtshof, Beschluss vom 27.12.2011, Az.: 7 C 11.2933; LSG Schleswig-Holstein, Beschluss vom 09.07.2012, Az.: L 4 SF 80/11 B SG; LSG Berlin-Brandenburg, Beschluss vom 15.02.2013, Az.: L 18 SF 207/12 E). Dies wird auch aus der Regelung des § 63 Abs. 1 Satz 2 GKG deutlich, die in den Fällen, in denen Gegenstand des Verfahrens nicht eine bestimmte Geldsumme ist oder gesetzlich kein fester Wert bestimmt ist, - aber auch nur in diesen Fällen - eine Festsetzung des vorläufigen Streitwerts durch gerichtlichen Beschluss verlangt. Auch in derartigen Fällen ist die Festsetzung des vorläufigen Streitwerts ausschließlich dann, wenn die Tätigkeit des Gerichts aufgrund des GKG von der vorherigen Zahlung von Kosten abhängig gemacht wird, einer gerichtlichen Überprüfung zugänglich - dann im Rahmen einer Beschwerde nach § 67 GKG, nicht einer Erinnerung gegen den Kostenansatz gemäß § 66 Abs. 1 GKG. Das Verfahren vor den Sozialgerichten unterliegt aber gemäß § 103 SGG dem Amtsermittlungsgrundsatz und kann deshalb nicht von der vorherigen Zahlung von Kosten abhängig gemacht werden. Selbst dann, wenn der vorläufige Streitwert durch Beschluss festzusetzen ist, ist also im sozialgerichtlichen Verfahren gemäß § 197 a SGG der vorläufige Streitwert einer gerichtlichen Kontrolle nicht zugänglich.
Eine (vermeintlich) der Höhe nach unzutreffende vorläufige Streitwertfestsetzung kann/muss daher erst mit der Entscheidung über den gesamten Streitgegenstand oder dann, wenn sich das Verfahren anderweitig erledigt, korrigiert werden (vgl. § 63 Abs. 2 GKG). Ein derartiges Abwarten ist dem Kostenpflichtigen - auch unter dem Gesichtspunkt des Gebots des umfassenden Rechtsschutzes im Sinn des Art. 19 Abs. 4 Grundgesetz - zumutbar, da er damit keinen unzumutbaren Rechtsverlust erleidet. Denn in der Durchführung des gerichtskostenpflichtigen Verfahrens wird er rechtlich nicht behindert, da dieses Verfahren unabhängig davon durchgeführt wird, ob die dafür angeforderten Gerichtskosten eingezahlt worden sind oder nicht. Zudem hat er am - absehbaren - Ende des Verfahrens die Möglichkeit von Rechtsschutz gegen den dann endgültig festzusetzenden Streitwert.
Alternativ dazu kann - außerhalb des vom Gesetz eröffneten förmlichen Wegs - ein Beteiligter versuchen, das für die Festsetzung des Streitwerts zuständige Gericht der Hauptsache davon zu überzeugen, dass der bisher angenommene vorläufige Streitwert unzutreffend ist, mit dem Ziel, dass dieses einen korrigierten vorläufigen Streitwert verfügt. Einen Rechtsanspruch auf ein derartiges Tätigwerden des Hauptsachegerichts gibt es aber nicht.
1.2. Einwand: Zahlung von Gerichtskosten bereits in einem anderen Klageverfahren
Die Zahlung von Gerichtskosten in einem anderen Klageverfahren der Beschwerdeführerin hat keinerlei Auswirkung auf die Gerichtskostenpflichtigkeit des hier zugrunde liegenden Verfahrens. Eine Begleichung einer Gerichtskostenforderung in einem Verfahren bewirkt weder eine Gerichtskostenfreiheit noch ein Erlöschen einer Gerichtskostenforderung in einem anderen Verfahren.
1.3. Einwand: Erfolgsaussichten im Hauptsacheverfahren
Es handelt sich hierbei nicht um einen kostenrechtlich relevanten Gesichtspunkt; materiell-rechtliche Aspekte des Hauptsacheverfahrens haben für das Kostenansatzverfahren keine rechtliche Bedeutung.
2. Zur Überprüfung des Kostenansatzes über die von der Beschwerdeführerin erhobenen Einwände hinaus
Der Kostenansatz vom 05.11.2014 ist auch im Übrigen nicht zu beanstanden.
Nach § 3 Abs. 1 GKG richten sich die Gebühren nach dem Streitwert. Der vorläufige Streitwert ist mit Verfügung des Hauptsacherichters vom 31.10.2014 für das Kostenansatzverfahren bindend mit 5.000,- EUR festgesetzt worden. Die Kosten werden gemäß § 3 Abs. 2 GKG nach dem Kostenverzeichnis (KV) der Anlage 1 zum GKG erhoben, wobei der maßgebliche Zeitpunkt für die Wertberechnung gemäß § 40 GKG durch die den Streitgegenstand betreffende Antragstellung, die den Rechtszug einleitet, bestimmt wird. Im Verfahren vor dem Sozialgericht beträgt die Gebühr für das Verfahren im Allgemeinen gemäß Nr. 7110 KV das 3,0-fache der Gebühr nach § 34 GKG
Bei einem Streitwert in Höhe von 5.000,- EUR beträgt zu dem gemäß § 40 GKG maßgeblichen Zeitpunkt des Eingangs des Klageschriftsatzes am 29.10.2014 die einfache Gebühr 146,- EUR (§ 34 Abs. 1 GKG i.V.m. Anlage 2 zum GKG). Das gemäß Nr. 7110 KV anzusetzende 3,0-fache der Gebühr nach § 34 GKG beträgt daher 438,- EUR, wie dies zutreffend im Kostenansatz vom 05.11.2014 festgestellt worden ist.
Die Verfahrensgebühr ist gemäß § 6 Abs. 1 Nr. 5 GKG mit der Einreichung der Klageschrift fällig geworden.
Die Beschwerde ist daher als unbegründet zurückzuweisen.
Das Bayer. LSG hat über die Beschwerde gemäß § 66 Abs. 3 Satz 2, Abs. 6 Satz 1 GKG als Einzelrichter zu entscheiden gehabt.
Der Beschluss ist unanfechtbar (§ 66 Abs. 3 Satz 3 GKG). Er ergeht kosten- und gebührenfrei (§ 66 Abs. 8 GKG).