Tatbestand:

Die Klägerin wendet sich gegen die Aufhebung der Feststellung einer Schädigungsfolge und Entziehung einer Rente nach dem Anti-DHG i.V.m. dem Bundesversorgungsgesetz (BVG). Sie war 1978 durch eine Anti-D-Immunprophylaxe infiziert worden und erkrankte in der Folge an Hepatitis-C.

Mit Bescheid vom 16. Juni 2005 war die der Klägerin gewährte Versorgung dahingehend geändert (heraufgesetzt) worden, dass der Klägerin eine Rente wegen einer Minderung der Erwerbsfähigkeit in Höhe von 40 v.H. wegen der Schädigungsfolge chronische Hepatitis-C mit mäßiger entzündlicher Aktivität ab dem 1. Oktober 2004 zuerkannt worden war.

Im Rahmen eines von Amts wegen durchgeführten Überprüfungsverfahrens holte der Beklagte medizinische Befunde ein, zog ein für die Rentenversicherung erstelltes Gutachten bei und veranlasste eine Begutachtung durch den Internisten/Nephrologen Prof. Dr. B, der in seinem Gutachten vom 16. November 2008 weitere Untersuchungen für notwendig hielt, den Grad der Schädigungsfolgen (GdS) isoliert für die Hepatitis aber mit 20 benannte und vorschlug, bis zu einer eindeutigen Abklärung von einem GdS 60 auszugehen. Unsicherheiten ergaben sich für ihn aus der Kausalität der Hepatitis für eine Nierenfunktionsstörung und weitere extrahepatische Manifestationen. Dem vermochte sich der versorgungsärztliche Dienst nicht anzuschließen und empfahl eine Absenkung des GdS auf 20. Nach Anhörung der Klägerin veranlasste der Beklagte eine Begutachtung der Klägerin durch den Internisten Dr. G, der in seinem Gutachten vom September 2009 zu der Einschätzung gelangte, eine relevante Nierenerkrankung liege nicht vor. Die Leistungsinsuffizienz, Müdigkeit, Arthralgie, Paraestesie, Myalgie sowie das Proritus und Sicca-Syndrom seien mit hoher Wahrscheinlichkeit der chronischen Hepatitis-C-Infektion zuzuordnen. Daher sei die Einstufung als chronische Hepatitis-C ohne klinische Aktivität nicht angemessen. Er empfehle eine Beibehaltung des GdS von 40. Dem ist der versorgungsärztliche Dienst erneut entgegengetreten und hat ausgeführt, die Anhebung auf 40 sei erfolgt, weil die Transaminasen bis an das dreifache der Normwerte angestiegen seien. Dies sei unterdessen aber nicht mehr der Fall. Bei der Klägerin bestünden ausweislich auch der Schwerbehindertenakte zahlreiche Einschränkungen auch des Halte- und Bewegungsapparates, die nicht der Hepatitis zuzuordnen seien. Der vom Sachverständigen herausgestellte außergewöhnliche Verlauf der Erkrankung bei der Klägerin könne von ihm aufgrund seiner besonderen Erfahrung auf diesem Gebiet zwar verlässlich beurteilt werden, ziehe aber keine Erhöhung des GdS von 20 nach sich. Eine Einstufung anhand einer Histologie sei nicht möglich, da keine Leberpunktion erfolgt sei.

Mit Bescheid vom 3. Dezember 2009 hob der Beklagte mit Wirkung ab dem 1. Januar 2010 den Bescheid vom 16. Juni 2005 hinsichtlich der festgestellten Schädigungsfolge und der Rentengewährung auf. Nunmehr erkannte er als Schädigungsfolge eine chronische Hepatitis-C ohne entzündliche Aktivität an, stellte fest, dass der GdS nicht mindestens 25 betrage und stellte die Rentenzahlung ein. Den Widerspruch der Klägerin wies der Beklagte mit Widerspruchsbescheid vom 12. Februar 2010 zurück.

Mit der am 9. März 2010 erhobenen Klage hat die Klägerin die Aufhebung des Bescheides vom 3. Dezember 2009 begehrt. Das Sozialgericht hat medizinische Unterlagen beigezogen und den Internisten Dr. G mit der Erstellung eines Gutachtens nach Aktenlage beauftragt, wofür ihm auch die Ergebnisse einer im März 2011 durchgeführten Leberpunktion zur Verfügung gestanden haben. In seinem Gutachten vom 5. Mai 2014 ist der Sachverständige zu der Einschätzung gelangt, der Bescheid vom 3. Dezember 2009 bezeichne die Schädigungsfolgen nicht zutreffend. Richtig sei: chronische Hepatitis-C mit geringgradiger lobulärer und gering- bis mäßiggradiger portaler Hepatitis Entzündungsgrad 1 bis 2 und Fibrosestadium 1 und mit Fatigue-Syndrom. Hierfür sei ein GdS von 30 der Tabelle der Versorgungsmedizinischen Grundsätze (VMG) zu entnehmen, die allerdings das Fatigue-Syndrom nicht berücksichtige, welches mit einem GdS von 10 zu bewerten sei und zu einem Gesamt-GdS von 40 führe. Die vom Gutachter Dr. G vermutete fortbestehende Leberentzündung habe sich nunmehr mittels Leberpunktion erweisen lassen. Dem ist der Beklagte unter Hinweis darauf entgegengetreten, dass die VMG für die beschriebene Konstellation einen GdS von 20 vorsähen und der GdS von 10 für das Fatigue-Syndrom nicht erhöhend wirken könne. Der Gutachter hat indes an seiner Einschätzung festgehalten und dabei die Ansicht vertreten, die Tabelle der VMG gebiete die Einstufung mit 30. Die Symptome der Leberentzündung wiesen auch keine Überschneidungen mit dem Fatigue-Syndrom auf. Daher sei eine Addition auch des 10er-Wertes geboten.

Mit Urteil vom 16. September 2014 hat das Sozialgericht die Klage abgewiesen und sich zur Begründung im Wesentlichen den versorgungsärztlichen Ausführungen zur Einordnung der Erkrankung angeschlossen.

Mit der am 19. November 2014 erhobenen Berufung gegen das am 20. Oktober 2014 zugestellte Urteil hat die Klägerin ihr Begehren weiter verfolgt. Sie beantragt sinngemäß,

das Urteil des Sozialgerichts Cottbus vom 16. September 2014 sowie den Bescheid vom 3. Dezember 2009 in der Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 12. Februar 2010 aufzuheben.

Der Beklagte beantragt,

die Berufung zurückzuweisen.

Der Senat hat Beweis erhoben durch Einholung eines Gutachtens des Internisten und Gastroenterologen Oberstarzt Dr. B. In seinem Gutachten vom 19. Juli 2015 ist dieser zu der Einschätzung gelangt, die Leberpunktion 2011 führe zur Einordnung mit einem GdS von 20, wobei bei dem langjährigen Verlauf davon auszugehen sei, dass dies auch im Februar 2010 nicht anders gewesen sei. Extrahepatisch seien ein ausgeprägtes Fatigue-Syndrom und ein Sicca-Syndrom festzustellen, wofür die Hepatitis-C wesentliche Ursache sei. Ein Zusammenhang mit Gelenkbeschwerden, Gefühlsstörungen in Armen und Beinen und Gangunsicherheit sei möglich, könne aber nicht als wahrscheinlich bezeichnet werden. Der GdS für die Hepatits betrage 20, für das Fatigue-Syndrom 10, der Gesamt-GdS mithin 20. Eine neurologische Untersuchung zur Frage des Zusammenhanges der Hepatitis mit den neurologischen Beschwerden und der Gangstörung sei erwägenswert.

 

Entscheidungsgründe:

Der Senat konnte trotz Ausbleibens der Klägerin und ihrer Prozessbevollmächtigten im Termin zur mündlichen Verhandlung über die Berufung entscheiden, weil die Beteiligten darauf in der fristgerecht zugestellten Terminladung hingewiesen worden sind, § 10 Abs. 1 Satz 2 SGG.

Die zulässige Berufung ist auch begründet. Der Bescheid des Beklagten vom 3. Dezember 2009 in der Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 12. Februar 2010 ist rechtswidrig und verletzt die Klägerin in ihren Rechten, weshalb er aufzuheben und das erstinstanzliche Urteil insoweit zu ändern war.

Entgegen der Ansicht des Beklagten kann der streitgegenständliche Bescheid sich nicht auf § 48 Abs. 1 Satz 1 Sozialgesetzbuch / Zehntes Buch (SGB X) stützen. Nach dieser Vorschrift ist ein Verwaltungsakt mit Dauerwirkung mit Wirkung für die Zukunft aufzuheben, soweit in den tatsächlichen Verhältnissen, die bei seinem Erlass vorgelegen haben, eine wesentliche Änderung eingetreten ist. Maßgeblich ist mithin ein Vergleich der tatsächlichen Situation bei Erlass des ursprünglichen Verwaltungsakts mit der tatsächlichen Situation im Zeitpunkt der letzten Behördenentscheidung über die Aufhebung. Nicht unter die von § 48 Abs. 1 Satz 1 SGB X vorgesehene Absenkung fällt hingegen die bereits ursprünglich unzutreffende Festsetzung ohne eine wesentliche Änderung der tatsächlichen Verhältnisse. Zwar hat der Senat angesichts der auch in kurzen Zeiträumen starke Schwankungen aufweisenden Leberwerte der Klägerin bereits Zweifel daran, ob die mit Bescheid vom 16. Juni 2005 erfolgte Neufeststellung der Schädigungsfolge und die Heraufsetzung der Versorgung zutreffend waren, doch bedarf dies hier keiner abschließenden Klärung, weil auch bei Annahme einer zutreffenden Feststellung jedenfalls die wesentliche Veränderung im Zeitpunkt der Widerspruchsentscheidung sich nach Überzeugung des Senates sich nicht hat erweisen lassen und der Beklagte insoweit materiell beweisbelastet ist. Die VMG regeln zu B 10.3.1, dass die Einstufung der chronischen Hepatitis anhand der dort vorgegebenen Tabellen zu erfolgen habe. Weiter soll vorrangig auf histologische Befunde abgestellt werden. Ein solcher liegt indes erst für März 2011 vor, mithin 13 Monate nach Erlass des Widerspruchsbescheides. Aus ihm ergibt sich wie durch den Sachverständigen Oberstarzt Dr. B zutreffend dargestellt ein GdS von 20 auf der Grundlage einer geringen nekro-inflammatorischen Aktivität und einer geringen Fibrose. Allerdings trifft ebenso die Ausführung des in erster Instanz tätig gewesenen Sachverständigen Dr. G zu, dass es sich um eine gering bis mäßige nekro-inflammatorische Aktivität gehandelt habe. Zwar ist diese Stufe in der Tabelle nicht vorgesehen, doch verweisen die VMG auf den modifizierten histologischen Aktivitätsindex, der eine Einstufung anhand einer Punktezuordnung vornimmt und von 0 bis 18 Punkten reicht. Der bei der Klägerin im März 2011 festgestellte Punktwert 5 bildet hierbei die obere Grenze der Einstufung als gering, ab einem Wert von 6 ist bereits eine mäßige Aktivität anzunehmen, die ihrerseits zu einer Einstufung des GdS mit 30 statt 20 führt. Vor diesem Hintergrund gewinnt für den Senat der Umstand an Bedeutung, dass zwischen dem hier maßgeblichen Zeitpunkt und dem histologischen Befund eine Zeitspanne von 13. Monaten liegt. Zwar hat der Sachverständige Oberstarzt Dr. B die Einschätzung vertreten, es könne davon ausgegangen werden, dass die von ihm festgestellte Situation auch im Februar 2010 bestand, doch steht dies in einem Widerspruch zu der von ihm in Übereinstimmung mit dem Sachverständigen Dr. G getroffenen Aussage, bei der Klägerin habe im Februar 2010 eine chronische Hepatitis-C mit geringer entzündlicher Aktivität vorgelegen. Eine solche ist nach den VMG nämlich mit einem GdS von 30 zu bewerten und nicht mit dem durch den Sachverständigen Oberstarzt Dr. B zugeordneten GdS von 20. Darüber hinaus belegt die in dem Gutachten enthaltene Aufstellung der Transaminasewerte zum Teil erhebliche Schwankungen innerhalb kurzer Zeiträume (so etwa Verdoppelung zwischen April 2004 und Oktober 2004 und Rückgang von erheblicher Erhöhung auf Normalwerte zwischen März 2005 und November 2006). Der Senat hält es daher nicht für erwiesen, dass die chronische Hepatitis-C im Februar 2010 für sich genommen nach den Tabellenwerten mit einem GdS unter 30 zu bewerten gewesen ist. Ferner ist in den VMG 10.3.1 ausgeführt, dass die Tabellenwerte übliche Befindlichkeitsstörungen berücksichtigen, nicht aber sog. extrahepatische Manifestationen. Nach der übereinstimmenden Einschätzung aller Sachverständigen im vorliegenden Verfahren sind bei der Klägerin derartige Manifestationen jedenfalls in Gestalt eines sog. Fatigue-Syndroms zu diagnostizieren, das der Sachverständige Oberstarzt Dr. B als "ausgeprägt" charakterisiert hat. Es handelt sich dabei nicht um eine eigenständige Funktionsstörung, sondern eine Manifestation der Hepatitis-C außerhalb der Leber. Sie ist daher auch nicht eigenständig mit einem GdS zu bewerten, sondern führt zu einer Anhebung des nach der Tabelle für die Hepatitis anzusetzenden Wertes. Somit hat nicht zur Überzeugung des Senates festgestellt werden können, dass bei der Klägerin im Zeitpunkt der Bescheidung ihres Widerspruches eine wesentliche Veränderung gegenüber der tatsächlichen Situation bei Feststellung der Schädigungsfolge und Zuerkennung der Versorgungsrente nach einem GdS von 40 vorgelegen hat.

Die Kostenentscheidung beruht auf § 193 SGG. Gründe für eine Zulassung der Revision gem. § 160 Abs. 2 SGG sind nicht ersichtlich.