Tatbestand:

Der Kläger begehrt für den Zeitraum vom 1. Juni 1976 bis zum 31. März 1995 die Feststellung einer "traumatisch bedingten Angsterkrankung" und die Gewährung einer Beschädigtenversorgung nach einem Grad der Minderung der Erwerbsfähigkeit/einem Grad der Schädigungsfolgen (MdE/GdS) von 40 v. H. einschließlich einer Erhöhung wegen besonderen beruflichen Betroffenseins um 10 v. H. .

Der 1950 geborene Kläger wurde mit Urteil des Bezirksgerichts Potsdam vom 3. April 1968 - I Bs 43/67 - wegen staatsgefährdender Hetze zu sieben Monaten Gefängnis und wegen Vorbereitung zum illegalen Verlassen der DDR in Tateinheit mit Beihilfe zur Vorbereitung des illegalen Verlassens der DDR zu zehn Monaten Freiheitsentzug verurteilt. Die Berufung des Klägers wurde durch Entscheidung des Obersten Gerichts der DDR vom 23. Mai 1968 - 1a Ust 13/68 - zurückgewiesen. Aufgrund dieses Strafverfahrens erlitt der Kläger Freiheitsentzug in der Zeit vom 5. August 1967 bis 26. April 1968. Eine entsprechende Bescheinigung nach § 10 Abs. 4 des Häftlingshilfegesetzes (HHG) erteilte der Senator für Arbeit und Soziales am 5. Februar 1976. Mit Beschluss vom 26. Mai 1992 - 1 BRH 1573/90 (10 AR 1730/92 R) - hob das Bezirksgericht Potsdam die vorgenannten gerichtlichen Entscheidungen auf, rehabilitierte den Kläger und stellte fest, dass dieser für den erlittenen Freiheitsentzug einen Anspruch auf soziale Ausgleichsleistungen habe.

Am 27. November 1975 siedelte der Kläger in das Land Berlin über. Mit Schreiben vom 18. Juni 1976 beantragte er die Gewährung von Beschädigtenversorgung nach § 4 HHG in Verbindung mit (i.V.m.) dem Bundesversorgungsgesetz (BVG). Der Beklagte veranlasste u. a. die Begutachtung des Klägers durch die Ärztin für Neurologie und Psychiatrie Dr. B. Diese führte in ihrem versorgungsärztlichen Gutachten vom 28. Oktober 1976 nach eigener Untersuchung des Klägers zusammenfassend aus, der Kläger neige persönlichkeitsbedingt zu psychovegetativen Störungen, wobei es durch Konfliktsituationen zu Verstärkungen komme. Durch die Inhaftierung sei es vorübergehend zu verstärkten psychovegetativen Störungen gekommen, die dann aber wieder abgeklungen seien. Soweit es in der Zeit des Wehrersatzdienstes erneut zu psychovegetativen Störungen gekommen sei, seien diese nach dem HHG nicht zu berücksichtigen. Soweit der Kläger aktuell noch über Symptome einer vegetativen Labilität, einer gesteigerten Unruhe und Angstzuständen klage, spielten aktuelle Konfliktsituationen ebenfalls eine erhebliche Rolle. Ein ursächlicher Zusammenhang mit der Inhaftierung im Sinne der Entstehung oder der Verschlimmerung dieser (subjektiven) Beschwerden sei nicht gegeben. Hierauf lehnte der Beklagte die Anerkennung von Schädigungsfolgen und die Gewährung einer Beschädigtenversorgung mit Bescheid vom 25. Februar 1977 ab. Hiergegen legte der Kläger keinen Widerspruch ein.

Am 12. April 1995 beantragte der Kläger Versorgung nach dem Gesetz über die Rehabilitierung und Entschädigung von Opfern rechtsstaatswidriger Strafverfolgungsmaßnahmen im Beitrittsgebiet - Strafrechtliches Rehabilitierungsgesetz - (StrRehaG) i.V m. dem BVG. Der Beklagte veranlasste die Begutachtung des Klägers durch die Ärztin für Neurologie und Psychiatrie Dr. H. Diese führte in ihrem Gutachten vom 20. März 1996 zusammenfassend aus, bei dem Kläger sei als Schädigungsfolge eine Angststörung im Sinne der Verschlimmerung eines bereits zuvor bestehenden Leidens mit einem Grad der MdE von 20 v. H. anzuerkennen. Die Bedingungen der Haft hätten sich negativ auf die Befindlichkeit des Klägers ausgewirkt. Der schon in der Kindheit etwas ängstliche und zu psychovegetativen Störungen neigende Kläger habe auf die Haft mit verstärktem Herzklopfen und Kreislaufproblemen reagiert; zudem habe sich eine Angststörung mit klaustrophobischen Anteilen entwickelt. Im Rahmen der Angststörung sei es zu Panikattacken in besonderen Konfliktsituationen gekommen. Die Angstsymptome beständen seit 1976. Dass es im Jahr 1976 nicht zu einer Anerkennung gekommen sei, sei damit zu erklären, dass der Kläger erst im Frühjahr 1976 einen Neurologen aufgesucht habe, sodass ein Therapieerfolg noch nicht abzusehen gewesen sei.

Hierauf stellte der Beklagte mit Bescheid vom 5. Juni 1996 mit Wirkung zum 1. April 1995 eine Angststörung als Schädigungsfolge und einen Anspruch des Klägers auf Heilbehandlung fest. Die Gewährung einer Beschädigtenversorgung lehnte der Beklagte ab, weil der Grad der durch die Schädigung bedingten MdE weniger als 25 v. H. betrage. Auf den Widerspruch des Klägers veranlasste der Beklagte die Begutachtung durch den Arzt für Neurologie und Psychiatrie Dr. G. Dieser führte in seinem Gutachten vom 27. März 1997 aus, bei dem Kläger bestehe als Schädigungsfolge eine traumatisch bedingte Angsterkrankung im Sinne der Entstehung. Dabei handele es sich um eine stärker behindernde Störung mindestens mittlerer Ausprägung, die mit einem Grad der MdE von 30 v. H. zu bewerten sei; diese Einschätzung gelte auch für den Zeitraum der letzten 5 Lebensjahre. Bei dem Kläger bestehe eine erhöhte Kränkbarkeit, die aber nicht die primäre Störung darstelle. Entscheidend für die spätere Beschwerde-Entwicklung seien vielmehr die erniedrigenden besonderen Haftbedingungen gewesen. Diese seien von dem Kläger als existenziell bedrohlich erlebt worden. Es handele sich demnach nicht um eine Verschlimmerung eines vorbestehenden Leidens, sondern um eine eigene eigenständige Erkrankung. Dass diese 1976 so nicht diagnostiziert worden sei, liege u. a. darin begründet, dass der maßgebliche Zusammenhang erst in der neueren Literatur über traumatisch-bedingte Erkrankungen aufgezeigt worden sei.

Hierauf stellte der Beklagte mit Teilabhilfebescheid vom 30. Mai 1997 mit Wirkung ab dem 1. April 1995 eine traumatisch bedingte Angsterkrankung als Schädigungsfolge fest und gewährte dem Kläger Beschädigtenversorgung nach einem Grad der MdE von 30 v. H. . Die Erhöhung des Grades der MdE wegen besonderen beruflichen Betroffenseins nach § 30 Abs. 2 BVG sowie die Gewährung eines Berufsschadensausgleichs nach § 30 Abs. 3 BVG lehnte der Beklagte ab. Mit Widerspruchsbescheid vom 22. September 1997 wies der Beklagte den Widerspruch des Klägers im Übrigen zurück. Die hiergegen gerichtete Klage - S 41 V(s) 135/97 - vor dem Sozialgericht Berlin nahm der Kläger zurück, nachdem der Beklagte mit Bescheid vom 6. November 1998 den Grad der MdE nach § 30 Abs. 2 BVG für den Zeitraum ab 1. April 1995 um 10 Punkte höher bewertet, einen Berufsschadensausgleichs nach § 30 Abs. 3 BVG und eine Beschädigtenversorgung nach einem Grad der MdE von 40 v. H. gewährt hatte. Mit den Be-scheiden vom 2. Juli 1999 und vom 6. Juni 2000 wurden die Versorgungsbezüge des Klägers neu berechnet.

Nach Veranlassung einer Nachuntersuchung von Amts wegen durch den Arzt für Neurologie und Psychiatrie Dr. D der in seinem Gutachten vom 2. August 2000 den Grad der MdE wegen der traumatisch bedingten Angsterkrankung des Klägers mit 40 v. H. beurteilt hatte, hob der Beklagte mit dem Bescheid vom 6. November 2000 die Bescheide vom 6. November 1998, 2. Juli 1999 und 6. Juni 2000 mit Wirkung zum 1. August 2000 teilweise auf und gewährte dem Kläger Beschädigtenversorgung nach einem Grad der MdE von 50 v. H. einschließlich eines besonderen beruflichen Betroffenseins von 10 v. H. . Den hiergegen gerichteten Widerspruch nahm der Kläger mit Schreiben vom 6. Dezember 2000 zurück. Eine im Mai 2004 von Amts wegen eingeleitete Nachprüfung führte zur Einholung eines weiteren Gutachtens der Ärztin für Psychiatrie und Psychotherapie Dr. H vom 16. Januar 2007, die zu dem Ergebnis kam, dass sich das Versorgungsleiden nicht verschlimmert habe und auch keine neuen Versorgungsleiden hinzugetreten seien. Hierauf teilte der Beklagte dem Kläger mit Schreiben vom 23. Februar 2007 mit, dass der Bescheid vom 6. November 2000 weiterhin gültig bleibe.

Mit am 2. Januar 2008 beim Beklagten eingegangenen Schreiben vom 27. Dezember 2007 beantragte der Kläger die Gewährung einer Beschädigtenversorgung auch für die Zeit vom 1. Juni 1976 bis zum 31. März 1995. Zur Begründung machte er im Wesentlichen geltend: Der Anspruch auf Beschädigtenversorgung für den genannten Zeitraum stehe ihm aufgrund eines sozialrechtlichen Herstellungsanspruchs zu. Der Ablehnungsbescheid vom 25. Februar 1977 sei offenkundig rechtswidrig. Die Einschätzung der Ärztin Dr. B in ihrem Gutachten vom 28. Oktober 1976, die haftbedingten Symptome seien abgeklungen und die aktuelle Symptomatik stehe in keinem ursächlichen Zusammenhang mit der Inhaftierung, entbehre jeglicher Grundlage. Die Ärztin habe die ihr vorliegenden ärztlichen Befunde nicht hinreichend gewürdigt und die von ihm erlebten Haftbedingungen bzw. Hafterlebnisse verharmlost. Der Beklagte habe zudem seine Pflicht verletzt, den Sachverhalt aufzuklären und ein weiteres umfassendes Gutachten einzuholen. Zumindest stehe ihm, dem Kläger, ein Anspruch auf Beschädigtenversorgung für den Zeitraum vom 1. Januar 1991 bis zum 31. März 1995 zu, weil der Beklagte verkannt habe, dass sein Antrag auf Beschädigtenversorgung vom 12. April 1995 auch auf die Überprüfung des rechtswidrigen Bescheides vom 25. Februar 1977 gerichtet gewesen sei.

Mit Bescheid vom 9. Mai 2008 lehnte der Beklagte die Rücknahme des Bescheides vom 25. Februar 1977 ab und führte zur Begründung aus, die Voraussetzungen nach § 44 des Zehnten Buches Sozialgesetzbuch (SGB X) für die Rücknahme des bindend gewordenen Bescheides vom 25. Februar 1977 lägen nicht vor. Eine Rechtswidrigkeit des Bescheides könne nicht festgestellt werden. Unabhängig davon seien bei einer Rücknahme Sozialleistungen nach § 44 Abs. 4 SGB X längstens bis zu vier Jahren vor der Rücknahme bzw. der Antragstellung zu erbringen. Der Kläger erhalte jedoch eine Beschädigtenversorgung bereits für den Zeitraum ab 1. April 1995, sodass eine Zugunstenregelung nicht zum Tragen komme. Den hiergegen gerichteten Widerspruch des Klägers wies der Beklagte mit Widerspruchsbescheid vom 17. November 2008 zurück und führte zur Begründung ergänzend aus, die Prüfung eines sozialrechtlichen Herstellungsanspruchs komme nicht in Betracht, weil es insoweit an einer Regelungslücke fehle.

Mit der hiergegen erhobenen Klage hat der Kläger ergänzend vorgetragen, sein Antrag vom 27. Dezember 2007 sei auch als Antrag auf Wiederaufnahme des Verwaltungsverfahrens nach § 51 des Verwaltungsverfahrensgesetzes (VwVfG) auszulegen. Restitutionsgründe nach § 51 Abs. 1 Nr. 3 VwVfG seien gegeben, da neue Beweismittel in Form von Gutachten vorlägen. Der Bescheid vom 25. Februar 2007 sei auch deshalb rechtswidrig, weil es der Beklagte versäumt habe, insbesondere einen Befundbericht der behandelnden Hausärztin Dr. K-H einzuholen. Aufgrund eines solchen Befundberichtes hätte das Bestehen erheblicher Vorerkrankungen ausgeschlossen werden können. Zudem ergebe sich aus dem Bericht des behandelnden Arztes für Nerven- und Gemütsleiden Dr. H vom 2. Februar 1976 an den vertrauensärztlichen Dienst der Krankenkassen, dass die Symptomatik einer psychovegetativen Haftreaktion zum damaligen Zeitpunkt noch ausgeprägt vorhanden gewesen sei.

Mit Urteil vom 3. November 2009 hat das Sozialgericht die Klage abgewiesen. Zur Begründung hat das Gericht ausgeführt: Nach § 44 Abs. 4 Satz 1 und 3 SGB X sei ein etwaiger Nachzahlungsanspruch des Klägers auf den Zeitraum von 4 Jahren rückwirkend ab Antragstellung am 2. Januar 2008 beschränkt. Für diesen Zeitraum habe der Kläger jedoch bereits entsprechende Zahlungen erhalten. Ein Anspruch auf rückwirkende Zahlung der Versorgung ergebe sich nicht aus dem sozialrechtlichen Herstellungsanspruch. Denn ein solcher Anspruch sei ebenfalls auf einen Zeitraum von 4 Jahren rückwirkend ab Antragstellung beschränkt. Eine analoge Anwendung von § 51 Abs. 1 Nr. 3 VwVfG scheide aus. Insoweit fehle es an einer planwidrigen Lücke. Die Regelungen nach dem BVG, dem Gesetz über das Verwaltungsverfahren der Kriegsopferversorgung (KOVVfG) und des SGB X seien insoweit abschließend. Unabhängig davon begründe § 51 VwVfG allenfalls einen Anspruch auf ein Wiederaufgreifen des Verfahrens und nicht einen Anspruch auf eine bestimmte Sachentscheidung. Im Übrigen ergebe sich aus § 44 Abs. 4 SGB X eine materielle Anspruchsbeschränkung, über die auch eine analoge Anwendung des § 51 VwVfG nicht hinweghelfe.

Gegen das dem Kläger am 26. November 2009 zugestellte Urteil hat dieser am Montag, dem 28. Dezember 2009, Berufung eingelegt und sein Vorbringen zu den Pflichtverletzungen des Beklagten im Rahmen der Bescheidung des Antrages vom Juni 1976 weiter vertieft.

Der Kläger beantragt,

das Urteil des Sozialgerichts Berlin vom 3. November 2009 aufzuheben und den Beklagten unter Aufhebung des Bescheides vom 9. Mai 2008 in der Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 17. November 2008 zu verurteilen, den Bescheid vom 25. Februar 1977 zurückzunehmen und für den Zeitraum vom 1. Juni 1976 bis zum 31. März 1995 eine traumatisch bedingte Angsterkrankung als Schädigungsfolge festzustellen sowie eine Beschädigtenversorgung nach einem Grad der Minderung der Erwerbsfähigkeit/einem Grad der Schädigungsfolgen von 40 v. H. einschließlich eines besonderen beruflichen Betroffenseins von 10 zu gewähren.

Der Beklagte beantragt,

die Berufung zurückzuweisen.

Zur Begründung stützt sich der Beklagte im Wesentlichen auf die Ausführungen des Sozialgerichts in dem angegriffenen Urteil, die er für zutreffend hält. Wegen der weiteren Einzelheiten des Sachverhalts wird auf den Inhalt der Gerichtsakte, insbesondere die Schriftsätze der Beteiligten sowie den Verwaltungsvorgang und die Schwerbehindertenakten Bezug genommen.

 

Entscheidungsgründe:

Die zulässige, insbesondere fristgerecht eingelegte Berufung ist unbegründet.

Gegenstand der Berufung ist das Klagebegehren, soweit dieses (noch) darauf gerichtet ist, den Bescheid vom 25. Februar 1977 zurückzunehmen und für den Zeitraum vom 1. Juni 1976 bis zum 31. März 1995 eine traumatisch bedingte Angsterkrankung als Schädigungsfolge festzustellen sowie eine Beschädigtenversorgung nach einem Grad der MdE/ einem GdS von 40 v. H. einschließlich eines besonderen beruflichen Betroffenseins von 10 v. H. zu gewähren. Nicht Gegenstand der mit der Berufung fortgeführten Klage ist danach der Bescheid des Beklagten vom 5. Juni 1996 in der Fassung des Bescheides vom 30. Mai 1997 in der Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 22. September 1997 in der Fassung des Bescheides vom 6. November 1998, mit dem der Beklagte dem Kläger, entsprechend seinem Antrag vom 12. April 1995, eine Beschädigtenversorgung nach dem StrRehaG in Verbindung mit dem BVG für den Zeitraum ab dem 1. April 1995 gewährte. Denn mit diesem Bescheid hat der Beklagte nicht über einen Anspruch des Klägers auf Beschädigtenversorgung für den Zeitraum vor dem 1. April 1995 entschieden.

Soweit die Klage ursprünglich auf die Gewährung einer Beschädigtenversorgung nach einem Grad der MdE/ einem GdS von insgesamt mindestens 40 v. H. gerichtet war, hat der Kläger die Berufung mit seinem in der mündlichen Verhandlung gestellten Antrag beschränkt und damit (teilweise) zurückgenommen. Damit ist das angegriffene Urteil des Sozialgerichts in diesem Umfang rechtskräftig geworden.

Die Klage ist nach §§ 54 Abs. 1, Abs. 4, 56 des Sozialgerichtsgesetzes (SGG) als kombinierte Anfechtungs-, Verpflichtungs- und Leistungsklage zulässig, aber unbegründet. Das Sozialgericht hat die Klage - soweit noch streitgegenständlich - zu Recht abgewiesen. Der angefochtene Bescheid vom 9. Mai 2008 in der Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 17. November 2008 ist insoweit rechtmäßig und verletzt den Kläger nicht in seinen Rechten. Der Kläger hat für den Zeitraum vom 1. Juni 1976 bis 31. März 1995 weder einen Anspruch auf Gewährung einer Beschädigtenversorgung noch einen Anspruch auf Feststellung einer traumatisch bedingten Angsterkrankung als Schädigungsfolge.

Zu Recht ist das Sozialgericht davon ausgegangen, dass dem Kläger nach § 44 Abs. 1 i. V. m. Abs. 4 SGB X kein Anspruch auf Gewährung einer Beschädigtenversorgung für den Zeitraum vom 1. Juni 1976 bis zum 31. März 1995 zusteht. Es fehlt ihm insoweit auch an einem recht-lich geschützten Interesse an der Rücknahme des Bescheides und dessen Ersetzung durch eine zusprechende Entscheidung.

Gemäß § 44 Abs. 1 Satz 1 SGB X ist ein Verwaltungsakt, auch nachdem er unanfechtbar geworden ist, mit Wirkung für die Vergangenheit zurückzunehmen, soweit sich im Einzelfall ergibt, dass bei Erlass des Verwaltungsaktes das Recht unrichtig angewandt worden und soweit deshalb Sozialleistungen zu Unrecht nicht erbracht oder Beiträge zu Unrecht erhoben worden sind. Nach § 44 Abs. 4 Satz 1 SGB X werden Sozialleistungen nach den Vorschriften der besonderen Teile des SGB längstens für einen Zeitraum bis zu vier Jahren vor der Rücknahme erbracht, soweit ein Verwaltungsakt mit Wirkung für die Vergangenheit zurückgenommen ist. Dabei wird der Zeitpunkt der Rücknahme nach § 44 Abs. 4 Satz 2 SGB X vom Beginn des Jahres an gerechnet, in dem der Verwaltungsakt zurückgenommen wird. Erfolgt die Rücknahme auf Antrag, tritt nach § 44 Abs. 4 Satz 3 SGB X bei der Berechnung des Zeitraumes, für den rückwirkend Leistungen zu erbringen sind, anstelle der Rücknahme der Antrag. Vorstehende Reglungen finden auch dann Anwendung, wenn der Verwaltungsakt, der durch den angefochtenen Verwaltungsakt zurückgenommen werden soll, vor In-Kraft-Treten des § 44 SGB X zum 1. Januar 1981 erlassen worden ist (BSG Großer Senat, Beschluss vom 15. Dezember 1982 - GS 2/80 -, zitiert nach juris).

§ 44 Abs. 4 Satz 1 SGB X begründet für den Fall dass ein Verwaltungsakt nach § 44 Abs.1 Satz 1 SGB X zurückzunehmen ist, einen Anspruch auf (nachträgliche) Erbringung von Sozialleistungen nur für den Zeitraum von bis zu vier Jahren vor der Rücknahme bzw. der Antragstellung. Damit enthält die Vorschrift eine materiell-rechtliche Einschränkung des nachträglich zuzuerkennenden Anspruchs auf Sozialleistungen für die Vergangenheit, deren Wirkung einer materiell-rechtlichen Ausschlussfrist entspricht. Diese zwingende Regelung steht einem Rücknahme- und Ersetzungsakt für die länger als vier Jahre vor der Antragstellung zurückliegende Zeit entgegen. Denn ein auf die nachträgliche Erbringung von Leistungen gerichteter Verwaltungsakt wäre wirkungslos, wenn er nach § 44 Abs. 4 SGB X nicht vollzogen werden dürfte; deshalb besteht kein rechtlich schützenswertes Interesse an dem Erlass eines solchen Verwaltungsaktes (vgl. BSG, Urteil vom 6. März 1991 - 9b Rar 7/90 -, zitiert nach juris).

Danach besteht kein Anspruch des Klägers auf die Gewährung von Beschädigtenversorgung für den Zeitraum 1. Juni 1976 bis zum 31. März 1995 unter Rücknahme des bestandskräftigen Bescheides vom 25. Februar 1977. Denn der Kläger hat die Überprüfung des Bescheides nach § 44 SGB X erst mit seinem am 2. Januar 2008 bei dem Beklagten eingegangen Schreiben vom 27. Dezember 2007 beantragt. Damit hätte ihm ein Anspruch auf die rückwirkende Gewährung einer Beschädigtenversorgung nur für den Zeitraum ab 1. Januar 2004 zustehen können. Für diesen Zeitraum bedarf es aber keiner rückwirkenden Leistungsgewährung, weil der Kläger gemäß dem Bescheid des Beklagten vom 6. November 2000 wegen der zu Unrecht erlittenen Freiheitsentziehung in der Zeit vom 5. August 1967 bis 26. April 1968 bereits rückwirkend ab dem 1. August 2000 fortlaufende Beschädigtenversorgung nach dem StrRehaG i. V. m. dem BVG nach einem Grad der MdE/einem GdS von 50 einschließlich eines besonderen beruflichen Betroffenseins von 10 v. H., erhalten hat. Daneben ist für die Gewährung einer weiteren Beschädigtenversorgung nach den Vorschriften des HHG i. V. m. dem BVG kein Raum (vgl. insoweit auch § 21 Abs. 1 Satz 2 StrRehaG).

Soweit der Kläger sinngemäß vorträgt, er habe bereits am 12. April 1995 einen Überprüfungsantrag gestellt, den der Beklagte erst mit dem streitgegenständlichen Bescheid vom 9. Mai 2008 in der Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 17. November 2008 beschieden habe, kann dem nicht gefolgt werden. Entgegen der Auffassung des Klägers ist sein auf die Gewährung von Beschädigtenversorgung gerichteter Antrag vom 12. April 1995 nicht dahingehend auszulegen, dass dieser zugleich auf die Überprüfung des Bescheides vom 25. Februar 1977 und die Gewährung einer Beschädigtenversorgung auch für den Zeitraum vom 1. Juni 1976 bis zum 31. März 1995 gerichtet war. Denn der Kläger beantragte unter Verwendung eines Formulars des Beklagten ausdrücklich nur die Gewährung von Beschädigtenversorgung nach dem Strafrechtlichen Rehabilitierungsgesetz. Dieses Gesetz galt jedoch, wie auch dem Kläger klar sein musste, noch nicht zum Zeitpunkt des Erlasses des Ablehnungsbescheides vom 25. Februar 1977. Jedenfalls hätte der Kläger mit seinem Antrag vom 12. April 1995 zu erkennen geben müssen, dass er schon zu diesem Zeitpunkt den Ablehnungsbescheid vom 25. Februar 1977 für (von Anfang an) rechtswidrig hielt, um auf ein entsprechendes Überprüfungsbegehren schließen zu können. Das war jedoch nicht der Fall. Auch dem sonstigen Vorbringen des Klägers in dem damaligen Verwaltungsverfahren lässt sich ein solches Begehren nicht entnehmen.

Gegen die Anwendung des § 44 Abs. 4 SGB X kann der Kläger nicht mit Erfolg einwenden, der Bescheid vom 25. Februar 1977 sei von Anfang an offensichtlich rechtswidrig gewesen. Denn bei der Anwendung des § 44 Abs. 4 SGB X ist es nicht von rechtlicher Bedeutung, ob den Leistungsträger ein Verschulden an der Nichtleistung der Sozialleistung trifft (vgl. BSG, Urteil vom 11. April 1985 - 4b/9a RV 5/84 -, Urteil vom 9. September 1986 - 11a RA 28/85 -, Urteil vom 28. April 1999 - B 9 V 16/98 R -, jeweils zitiert nach juris). Die vom Bundessozialgericht zu der Vorgängerregelung des § 40 KOVVfG entwickelten Grundsätze (vgl. BSG, Urteil vom 4. Februar 1976 - 9 RV 564/74 -, Urteil vom 22. September 1977 - 10 RV 85/76 -, Urteil vom 8. Juli 1980 - 9 RV 24/79 - jeweils zitiert nach juris), wonach in den Fällen einer offensichtlichen Rechtswidrigkeit der Nichtleistung unter bestimmten Umständen unter dem Gesichtspunkt der Ermessensreduzierung ein Anspruch auf rückwirkende Leistungsgewährung über einen Zeitraum von mehr als vier Jahren vor Antragstellung in Betracht kommen konnte, finden daher im Rahmen des § 44 Abs. 4 SGB X keine Berücksichtigung. Auch eine entsprechende Anwendung des § 51 VwVfG, für die angesichts der Regelung des § 44 Abs. 1 SGB X ohnehin kein Anlass besteht (vgl. dazu BSG, Urteil vom 3. Februar 1988 - 9/9a RV 18/86 -, Urteil vom 11. November 2003 - B 2 U 32/02 R -, zitiert nach juris), könnte insoweit zu keinem anderen Ergebnis führen.

Ein Anspruch des Klägers auf Beschädigtenversorgung für den Zeitraum vom 1. Juni 1976 bis zum 31. März 1995 ergibt sich auch nicht auf der Grundlage eines sozialrechtlichen Herstellungsanspruchs. Ein Herstellungsanspruch besteht, wenn ein Leistungsträger Nebenpflichten aus einem Sozialleistungsverhältnis - insbesondere Informations- und Beratungspflichten - verletzt und dadurch einen Schaden bewirkt, den er durch eine gesetzlich zulässige -Amtshandlung - insbesondere durch eine fiktive Vorverlegung des für den Leistungsbeginn materiell-rechtlich maßgeblichen Antragsdatums - ausgleichen kann, um so den Zustand herzustellen, der ohne die Pflichtverletzung eingetreten wäre (vgl. z. B. BSG, Urteil vom 10. Dezember 2003 - B 9 VJ 2/02 R - m. w. N., zitiert nach juris). Jedoch können Leistungen für die Vergangenheit, die aufgrund eines Herstellungsanspruches zu gewähren sind, in entsprechender Anwendung des § 44 Abs. 4 SGB X ebenfalls nur für einen Zeitraum von vier Jahren vor Antragstellung beansprucht werden. Denn hinsichtlich der nachträglichen Korrektur eines bindenden belastenden Verwaltungsaktes nach § 44 SGB X und des Ausgleichs eines durch eine Nebenpflichtverletzung entstandenen Schadens im Wege des sozialrechtlichen Herstellungsanspruch besteht eine vergleichbare Interessenlage. In beiden Fällen wird das Recht unrichtig angewandt, und in beiden Fällen hat dies zur Folge, dass der Leistungsberechtigte die ihm zustehende Leistung nicht erhält. Ein sich aus der Verletzung einer Nebenpflicht ergebender Herstellungsanspruch kann deshalb nicht weiter reichen als ein sich aus § 44 SGB X ergebender Anspruch auf Leistungen für die Vergangenheit als Folge der Rechtswidrigkeit eines bindend gewordenen Verwaltungsaktes (vgl. u. a. BSG, Urteil vom 28. April 1999 - B 9 V 16/98 - a. a. O., Urteil vom 14. Februar 2001 - B 9 V 9/00 R -, Urteil vom 27. März 2007 - B 13 R 58/06 R -, jeweils zitiert nach juris). Danach kann dahinstehen, ob der Beklagte, nachdem der Kläger am 12. April 1995 die Gewährung von Beschädigtenversorgung nach dem StrRehaG i. V. dem BVG beantragt hatte, (spätestens) nach Vorliegen des im Widerspruchsverfahren eingeholten Gutachtens des Arztes Dr. G vom 27. März 1997 zur Spontanberatung dahingehend verpflichtet gewesen wäre, die Gewährung von Beschädigtenversorgung für zurückliegende Zeiträume unter Rücknahme des Bescheides vom 25. Februar 1977 zu beantragen. Denn auch aus der - an eine Beratungspflichtverletzung im Jahr 1997 anknüpfenden - fiktiven Vorverlegung des für den Leistungsbeginn materiell-rechtlich maßgeblichen Antragsdatums könnte sich ein Anspruch des Klägers auf Beschädigtenversorgung nur für einen Zeitraum von vier Jahren vor seinem am 2. Januar 2008 beim Beklagten eingegangenen Überprüfungsantrag ergeben.

Nach dem Vorstehenden hat der Kläger schließlich keinen Anspruch auf die Feststellung einer traumatisch bedingten Angsterkrankung als Schädigungsfolge. Denn auch insoweit fehlt es ihm an einem rechtlich schützenswerten Interesse an der Rücknahme des Bescheides vom 25. Februar 1977. Denn wie bereits oben dargelegt, besteht an der Rücknahme eines von Anfang an rechtswidrigen Verwaltungsaktes nach § 44 Abs. 1 Satz 1 SGB X und der Ersetzung durch eine begünstigende Entscheidung nur dann ein rechtliches Interesse, wenn hierdurch die nachträgliche Erbringung von Sozialleistungen nach § 44 Abs. 4 SGB X noch erreicht werden kann. Dies ist jedoch auch hinsichtlich der für den Zeitraum vom 1. Juni 1976 bis zum 31. März 1995 begehrten Feststellung einer traumatisch bedingten Angsterkrankung als Schädigungsfolge im Sinne des BVG nicht der Fall. Leistungsrechtliche Auswirkungen hätte eine solche Feststellung nur noch im Hinblick auf den von dem Kläger geltend gemachten Versorgungsanspruch haben können, der jedoch, wie bereits dargelegt, nach § 44 Abs. 4 SGB X ausgeschlossen ist. Ein entsprechendes Feststellungsinteresse im Hinblick auf die von dem Kläger vor dem Zivilgericht geführte Amtshaftungsklage wird vom Schutzzweck des § 44 Abs. 1 SGB X nicht erfasst.

Die Entscheidung über die Kosten beruht auf § 193 SGG und folgt dem Ergebnis in der Hauptsache.

Die Revision ist nicht zuzulassen, weil Gründe hierfür gemäß § 160 Abs. 2 Nr. 1 und 2 SGG nicht vorliegen.