Landessozialgericht Nordrhein-Westfalen - L 11 KA 121/10 B ER und L 11 KA 16/11 B ER - Beschluss vom 13.04.2011
Aus der Insolvenzmasse sind die Ansprüche zu befriedigen, die zum Zeitpunkt der Insolvenzeröffnung bereits begründet waren. Solche Ansprüche - hier Regressansprüche der Kassenärztlichen Vereinigung gegen den insolventen Vertragsarzt - sind beim Insolvenzverwalter zur Insolvenztabelle anzumelden und können nicht durch Aufrechnung gegen laufende Honorarforderungen des Arztes verwirklicht werden. Alle anderen (nach Insolvenzeröffnung entstandene) Forderungen - sog. Neuforderungen - unterliegen indes nicht der Verwaltungs- und Verfügungsbefugnis des Insolvenzverwalters; hier kann aufgerechnet werden.
Gründe:
I.
Streitig ist die Anordnung der aufschiebenden Wirkung der vor dem Sozialgericht (SG) Düsseldorf anhängigen Klage des Antragstellers in dem Verfahren S 2 KA 212/10 sowie die Auskehrung bereits ausgeführter Honorareinbehalte.
Der Antragsteller ist als Arzt für Orthopädie in C zur vertragsärztlichen Versorgung zugelassen. Durch Beschluss des Amtsgerichts C vom 01.02.2007 - 000 - wurde über sein Vermögen das Insolvenzverfahren eröffnet. Als Insolvenzverwalter bestellte das Amtsgericht Rechtsanwalt X.
Die Prüfungsstelle der Ärzte und Krankenkassen Nordrhein setzte wegen Überschreitung der Heilmittelrichtgrößen mit Bescheid vom 29.10.2008 einen Regress in Höhe von 209.979,81 EUR (Quartale I/2 006 bis IV/2006) und mit weiterem Bescheid vom 10.08.2009 einen Regress in Höhe von 156.340,48 EUR (Quartale I/2007 bis IV/2007) fest. Diese Bescheide wurden allein dem Antragsteller (Gemeinschuldner) übermittelt, der jeweils fristgerecht Widerspruch einlegte. Mit Schreiben identischen Inhalts vom 30.11.2009 unterrichtete der Antragsgegner sodann den Antragsteller (Gemeinschuldner) und den Insolvenzverwalter über die anhängigen Widerspruchsverfahren betreffend Wirtschaftlichkeitsprüfungen des Gemeinschuldners.
Der Antragsgegner wies die Widersprüche mit Bescheid vom 19.04.2010 zurück. Dieser Bescheid wurde sowohl dem Insolvenzverwalter als auch dem Antragsteller zugestellt.
Der Insolvenzverwalter hat am 18.05.2010 vor dem Sozialgericht (SG) Düsseldorf Klage erhoben (S 2 KA 212/10) und unter dem 30.08.2010 um Gewährung einstweiligen Rechtsschutzes nachgesucht. Angesichts des am 01.02.2007 eröffneten Insolvenzverfahren sei der Bescheid vom 19.04.2010 nichtig. Im Zeitpunkt der Bescheiderteilung seien die Prüfgremien nicht berechtigt gewesen, die Regressforderung durch Verwaltungsakt gegenüber dem Gemeinschuldner festzustellen. Ihre Befugnisse würden von der Insolvenzordnung überlagert. Insolvenzforderungen seien zur Insolvenztabelle anzumelden. Soweit über eine solche Forderung nicht bereits vor Insolvenzeröffnung ein Verwaltungsakt ergangen sei, dürfe er nach Eröffnung des Insolvenzverfahrens vor Anmeldung der Forderung zur Tabelle und Prüfung der Forderung nicht ergehen. Hier sei der Bescheid während des laufenden Insolvenzverfahrens ergangen und ausschließlich auf den Gemeinschuldner ausgestellt. Schließlich sei der Bescheid auch materiell rechtswidrig. Wären die den Prüfgremien seit Jahren bekannten Praxisbesonderheiten berücksichtigt worden, hätte der Regress nicht festgesetzt werden dürfen.
Der Insolvenzverwalter hat beantragt,
1. in dem sozialgerichtlichen Verfahren - S 2 KA 212/10 - die aufschiebende Wirkung der bereits erhobenen Klage gegen den Bescheid des Antragsgegners vom 19.04.2010 anzuordnen; und
2. den Antragsgegner zu verpflichten, die bisher bereits auf der Grundlage des Bescheides des Antragsgegners vom 19.04.2010 ausgeführten Honorareinbehalte rückgängig zu machen.
Der Antragsgegner sowie die Beigeladenen haben keine Anträge gestellt.
Mit Beschluss vom 05.10.2010 hat das SG den Antrag zu 1) zurückgewiesen und die Beigeladene zu 7) auf den Antrag zu 2) verpflichtet, vorläufig sämtliche bisher auf der Grundlage des Bescheides vom 19.04.2010 ausgeführten Honorareinbehalte rückgängig zu machen. Es hat im Wesentlichen ausgeführt: Im Zeitpunkt der Bescheiderteilung seien die Prüfgremien infolge insolvenzrechtlicher Regelungen nicht befugt gewesen, die Regressforderungen betreffend das Jahr 2006 durch Verwaltungsakt festzustellen. Maßgeblich sei nicht, ob der Regressanspruch im Zeitpunkt der Eröffnung des Insolvenzverfahrens (01.02.2007) voll wirksam entstanden sei, sondern ob in diesem Zeitpunkt der Rechtsgrund für den Anspruch im rechtlichen Kern aufgrund gesetzlicher Bestimmungen oder vertraglicher Vereinbarungen gesichert sei. Das sei der Fall, denn Gegenstand der Wirtschaftlichkeitsprüfungsverfahren betreffend die Heilmittelrichtgrößen sei der Vergleich des Brutto-Verordnungsvolumens zu den Richtgrößen bezogen auf ein Kalenderjahr (§ 4 Abs. 1 der Vereinbarung über Richtgrößen für Heilmittel 2006). Mit Ablauf des 31.12.2006 und damit vor Eröffnung des Insolvenzverfahrens habe der Regressanspruch daher in seinem rechtlichen Kern bestanden. Hierauf gerichtete Insolvenzforderungen seien bei dem Antragsteller zur Insolvenztabelle anzumelden. Nach Eröffnung des Insolvenzverfahrens und vor Anmeldung der Forderung zur Tabelle und Prüfung der Forderung hätte ein Bescheid nicht ergehen dürfen. Der Bescheid des Antragsgegners vom 19.04.2010 sei daher hinsichtlich der Regressfestsetzung für das Jahr 2006 offensichtlich rechtswidrig. Soweit es die wegen Überschreitung der Richtgrößen im Arzneimittelbereich in den Quartalen I/2007 bis IV/2007 verhängten Regresse angehe, sei der Bescheid vom 19.04.2010 weder formell noch materiell offensichtlich rechtswidrig. Die Prüfgremien seien für diesen Zeitraum nicht durch das den Gemeinschuldner betreffende Insolvenzverfahren daran gehindert gewesen, den Regress per Verwaltungsakt festzusetzen, da es sich nicht um eine Insolvenzforderung gehandelt habe. Zum Zeitpunkt der Insolvenzeröffnung am 01.02.2007 sei die Regressforderung aus dem Bescheid vom 19.04.2010 noch nicht entstanden, denn die Arzneimittelrichtgrößenprüfung sei eine jahresbezogene Prüfung. Die Regressforderung habe frühestens mit Ablauf des 31.12.2007 dem Grunde nach entstehen können. Deshalb seien der Antragsgegner sowie die dessen Bescheide realisierende Beigeladene zu 7) keine Insolvenzgläubiger, sondern sog. Neugläubiger, die ihre Forderungen auch während des Insolvenzverfahrens durch Verwaltungsakt festsetzen könnten. Auch materiell-rechtlich bestünden im Rahmen summarischer Prüfung gegen den Regressbescheid vom 19.04.2010 keine durchgreifenden Bedenken. Es handele sich um ein Verfahren der Richtgrößenprüfung gemäß § 106 Abs. 2 Nr. 1 Fünftes Buch Sozialgesetzbuch (SGB V). Hierbei habe der Vertragsarzt bei einer Überschreitung des Richtgrößenvolumens um mehr als 25 % nach Feststellung durch die Prüfungsstelle den sich daraus ergebenden Mehraufwand den Krankenkassen zu erstatten, soweit dieser nicht durch Praxisbesonderheiten begründet sei (§ 106 Abs. 5a Satz 3 SGB V). Rechtsfehlerfrei habe der Antragsgegner insofern auf der Grundlage der Vereinbarung über Heilmittel 2007 die Abweichungen zu den Heilmittel-Richtgrößen festgestellt, die sich in der Praxis des Gemeinschuldners für das Jahr 2007 auf insgesamt 233.137,66 EUR (252,75 %) beliefen. Sodann habe er eine Reihe vollständig in Abzug zu bringender Verordnungskosten und physikalischer Therapien in Höhe von insgesamt 27.382,40 EUR berücksichtigt. Im Rahmen der summarischen Prüfung könne nicht hinreichend beurteilt werden, inwieweit der Antragsteller postoperative Verordnungen bei den Symbol-Nummern 90950 und 90951 unberücksichtigt gelassen habe. Er habe solche im Umfang von 25.236,65 EUR (Nr. 90950) und 331,62 EUR (Nr. 90951) abgezogen und hierbei - nach seinem Vorbringen im Hauptsacheverfahren - anhand der von dem Gemeinschuldner eingereichten Stellungnahme nebst Patientenliste die Heilbehandlungen innerhalb von zwei Monaten nach der Operation erfasst. Das pauschale Herausrechnen aller operierten Patienten mit Heilbehandlungen komme nach dem Wortlaut der Leistungslegenden der Nrn. 90500 und 90501 nicht in Betracht. Konkrete Anhaltspunkte, in wie vielen und welchen weiteren Fällen der Antragsgegner Verordnungskosten nach diesen Symbol-Nummern nicht in Abzug gebracht habe, enthalte der Vortrag im Hauptsacheverfahren nicht. Bei summarischer Prüfung bestehe auch gegen den Nichtabzug von Verordnungskosten bei den Schulterläsionen nach ICD 10-Code M 75 keine durchgreifenden Bedenken. Gemäß § 5 Abs. 3 der Heilmittel-Richtgrößenvereinbarung 2007 seien andere Praxisbesonderheiten - soweit objektivierbar - zu berücksichtigen, wenn der Arzt nachweise, dass er der Art und der Anzahl nach besondere von der Arztgruppentypik abweichende Erkrankungen behandelt habe und hierdurch notwendige Mehrkosten entstanden seien. Die Anerkennung als Praxisbesonderheit sei auf die Höhe der hierdurch bedingten Mehrkosten begrenzt. Die schlüssige Darlegung dieser Praxisbesonderheiten sowohl dem Grunde als auch der Höhe nach obliege dem zu prüfenden Arzt. Von der Berücksichtigung habe der Antragsgegner abgesehen, da in der Morbiditätsstatistik der Vergleichsgruppe diese Diagnose mit 11 bis 15,5 % erfasst sei (Häufigkeit beim Gemeinschuldner: 17 bis 18 %) und unter den ersten sieben häufigsten Diagnosen genannt werde. Eine der Art nach arztgruppenuntypische Leistung liege deswegen nicht auf der Hand. Erweise sich der streitige Regressbescheid für 2007 bei summarischer Prüfung als rechtmäßig, so bestehe kein Anlass für die Anordnung der aufschiebenden Wirkung der Klage. Gleichwohl dürfe die Beigeladene zu 7) den sich daraus ergebenden Regress nicht gegen die laufenden Honoraransprüche des Gemeinschuldners aufrechnen. Nach § 96 Abs. 1 Nr. 4 Insolvenzordnung (InsO) sei die Aufrechnung unzulässig, wenn ein Gläubiger, dessen Forderung aus dem freien Vermögen des Schuldners zu erfüllen sei, etwas zur Insolvenzmasse schulde. Hierzu rechne das gesamte, dem Gemeinschuldner zur Zeit der Eröffnung des Verfahrens gehörende Vermögen, das er während des Verfahrens erlange (§ 35 Abs. 1 InsO). Hierzu gehörten auch Forderungen auf Zahlung vertragsärztlichen Honorars. Demgegenüber sei die Regressforderung aus dem insolvenzfreien Vermögen des Gemeinschuldners zu erfüllen. Lediglich durch eine strikte Trennung der Insolvenzmasse vom insolvenzfreien Vermögen sei gewährleistet, dass auf der einen Seite die Insolvenzmasse den Altgläubigern als Haftungsmasse verbleibe und auf der anderen Seite die Neugläubiger des Gemeinschuldners auf eine Haftungsmasse zugreifen könnten. Zwar könne der Insolvenzverwalter Vermögen aus dem Insolvenzbeschlag mit konstitutiver Wirkung freigeben. Dies sei für die streitigen Ansprüche nicht geschehen. Es verbleibe damit bei dem für die Dauer des Insolvenzverfahrens bestehenden Aufrechnungsverbots des § 96 Abs. 1 Nr. 4 InsO. Für diesen Zeitraum seien die Wirkungen des § 389 des Bürgerlichen Gesetzbuches (BGB) suspendiert und die Beteiligten zur wechselseitigen Abwicklung der Leistungsverhältnisse gezwungen. Die Beigeladene zu 7) müsse als Insolvenzgläubigerin voll an die Insolvenzmasse leisten, während sie auf ihre Gegenforderung nur die Quote erhalte. Dies führe dazu, dass die Beigeladene zu 7) verpflichtet sei, die bisher bereits auf der Grundlage des Bescheides des Antragsgegners vom 19.04.2010 ausgeführten Honorareinbehalte rückgängig zu machen. Der Prozessantrag zu Ziffer 2) sei bei sachgerechter Auslegung als gegen die Beigeladene zu 7) gerichtet zu verstehen.
Diese Entscheidung greifen Insolvenzverwalter und Antragsgegner fristgerecht mit der Beschwerde an.
Mit Beschluss vom 01.12.2010 hat das Amtsgericht C das Insolvenzverfahren aufgehoben. Infolge dieses Beschlusses ist der Insolvenzverwalter als bisheriger Antragsteller aus dem Verfahren ausgeschieden. Hauptbeteiligter als Antragsteller ist nunmehr der bisherige Gemeinschuldner.
Er trägt vor: Die Regress hätte insolvenzrechtlich nicht in der ausgeführten Form festgesetzt werden dürfen. Insbesondere fehlerhaft sei, dass der Regressbescheid an ihn als Gemeinschuldner und nicht auf den Insolvenzverwalter ausgestellt worden sei. Die Regressbescheide hätten nicht ergehen dürfen, weil die daraus resultierende Forderungen insgesamt beim Insolvenzverwalter zur Tabelle hätten angemeldet werden müssen.
Der Antragsteller beantragt,
1. die Beschwerde des Antragsgegners vom 08.11.2010 zurückzuweisen;
2. den Beschluss des SG Düsseldorf vom 05.10.2010 dahingehend abzuändern, die aufschiebende Wirkung der Klage in dem Rechtsstreit S 2 KA 212/10 insgesamt anzuordnen;
Der Antragsgegner beantragt,
unter Abänderung des Beschlusses des SG Düsseldorf vom 05.10.2010 den Antrag des Antragstellers auf Anordnung der aufschiebend Wirkung der Klage im Verfahren S 2 KA 212/10 gegen den Bescheid des Antragsgegners vom 19.04.2010 und den Antrag auf Auskehrung einbehaltener Honorar abzuweisen.
Er meint, der Regressanspruch sei eine Masseverbindlichkeit. Da der Schuldner regelmäßig über freies Vermögen nicht verfüge, führe die Auffassung des SG dazu, dass die wesentlichen Instrumente zur Sicherung der wirtschaftlichen Stabilität der Gesetzlichen Krankenversicherung (GKV), nämlich die Wirtschaftlichkeits- und Abrechnungsprüfungen "leerlaufen". Darüber hinaus profitierten die Massegläubiger von unwirtschaftlichem Behandlungsverhalten, weil dieses zu einer ungerechtfertigten Erhöhung des Neuerwerbs und damit der Insolvenzmasse führe, ohne dass die Prüfgremien bzw. die Kassenärztliche Vereinigung (KV) dies für bereits praktizierte Unwirtschaftlichkeit korrigieren könnten. Im Übrigen sei er - der Antragsgegner - hinsichtlich des Antrags auf Auskehrung einbehaltener Honorare nicht passiv legitimiert.
Hinsichtlich des Sach- und Streitstandes im Übrigen nimmt der Senat Bezug auf die Gerichtsakte, die Streitakte S 14 KA 212/10 sowie den Verwaltungsvorgang des Beklagten.
II.
Die gemäß §§ 172, 173 Sozialgerichtsgesetz (SGG) statthafte und im Übrigen zulässige Beschwerde des Antragstellers ist nicht begründet.
1. Die Beschwerde ist unzulässig. Grundvoraussetzung für den Antrag auf Anordnung der sofortigen Vollziehung ist ein Rechtsschutzbedürfnis. Dieses ist nicht gegeben.
Zwar ist die Zulässigkeit der Antragstellung nicht an ein irgendwie geartetes Vorverfahren geknüpft. Das Bundesverfassungsgericht (BVerfG) hat in seinem Beschluss vom 27.10.1998 - 2 BvR 2662/95 - indessen darauf hingewiesen, dass im Einklang mit Art. 19 Abs. 4 Grundgesetz (GG) jede an einen Antrag gebundene Entscheidung ein Rechtsschutzbedürfnis voraussetzt (vgl. auch Keller in Meyer-Ladewig/Keller/Leitherer, SGG, 9. Auflage, 2008, vor § 51 Rdn. 16a). So gilt auch hier, dass im Interesse der Entlastung der Gerichte das Rechtsschutzbedürfnis zu verneinen ist, wenn der Beteiligte sein Begehren erkennbar auch außergerichtlich durchsetzen kann oder der Versuch, eine Aussetzung durch die Behörde zu erreichen, nicht von vornherein aussichtslos erscheint (hierzu Düring in Jansen, SGG. 3. Auflage, 2009, § 86b Rdn. 3). Ein solcher Antrag wäre auch noch nach Klageerhebung zulässig, denn ab diesem Zeitpunkt können sowohl die Verwaltung als auch das Gericht die sofortige Vollziehung anordnen (Keller, a.a.O., § 86a Rdn. 21). Dieser Ansatz wiederum ist dahin einzuschränken, dass zwar beide Stellen zuständig sind, indessen die sofortige Vollziehung zunächst bei der Verwaltung zu beantragen ist. Erst wenn ein solcher Antrag erkennbar aussichtslos ist, besteht ein Rechtsschutzbedürfnis für eine Entscheidung des Gerichts. Der gegenteiligen Entscheidung des BSG vom 17.01.2007 - B 6 KA 4/07 R - folgt der Senat nicht. Zwar führt das BSG aus, dass § 86b Abs. 1 Satz 1 Nr. 1 SGG im Gegensatz zu § 80 Abs. 5 Verwaltungsgerichtsordnung (VwGO) gerade nicht voraussetze, dass sich der Antragsteller zunächst an die Verwaltung wenden muss, um eine Entscheidung der zuständigen Behörde über die Anordnung der sofortigen Vollziehung nach § 86a Abs. 2 Nr. 5 SGG zu erhalten. Das trifft zwar zu, greift indessen zu kurz. Dabei bleibt unberücksichtigt, dass § 80 Abs. 6 VwGO das allgemeine Rechtsschutzbedürfnis lediglich normativ konkretisiert. Hieraus lässt sich nicht schlussfolgern, dass für das SGG Abweichendes gilt. Das Rechtsschutzbedürfnis ist Grundvoraussetzung dafür, dass ein Gericht sich in der Sache mit dem angetragenen Rechtsstreit befasst, denn jede Rechtsverfolgung setzt ein Rechtsschutzbedürfnis voraus (vgl. Keller, a.a.O., vor § 51 Rdn. 16; vgl. auch Jung in Jansen, a.a.O., § 51 Rdn. 8 f.), mithin ist ein Antrag nach § 86a Abs. 3 Satz 1 SGG vorrangig (std. Rechtsprechung des Senats, vgl. Beschlüsse vom 23.12.2010 - L 11 KA 71/10 B ER -, 10.11.2010 - L 11 KA 87/10 B ER -, 03.02.2010 - L 11 KA 80/09 ER -, 02.04.2009 - L 11 KA 2/09 ER -).
Ausgehend hiervon ist das Rechtsschutzinteresse zu verneinen. Der Antragsteller hat unter dem 05.08.2010 zunächst beim Antragsgegner einen Antrag auf Anordnung der aufschiebenden Wirkung der Klage gestellt. Dieser Antrag blieb unbeantwortet. Angesichts der vom Antragsteller gesetzten äußerst knappen Frist zur Antragsbescheidung (16.08.2010) lag die Annahme fern, der Antragsgegner als paritätisch besetztes Selbstverwaltungsgremium könne hierüber fristgerecht entscheiden. Vor diesem Hintergrund wäre eine - angemessene - Nachfrist angezeigt gewesen. Angesichts dieser Umstände hat der Antragsteller letztlich die "Nichtentscheidung" des Antragsgegners initiiert. Demzufolge ist dem Antragsteller ein Rechtsschutzbedürfnis abzusprechen. Damit ist der Antrag auf Gewährung einstweiligen Rechtsschutzes unzulässig, mithin die Beschwerde unbegründet.
2. Die Beschwerde ist auch in der Sache nicht begründet.
a) Nach § 86b Abs. 1 Satz 1 Nr. 2 SGG kann das Gericht der Hauptsache auf Antrag in den Fällen, in denen Widerspruch oder Anfechtungsklage aufschiebende Wirkung haben, die sofortige Vollziehung ganz oder teilweise anordnen. Zwar ist in § 86b Abs. 1 Satz 1 Nr. 2 SGG lediglich die Rede von der Anordnung der aufschiebenden Wirkung, doch wird wegen der gleichen Zielrichtung auch die Wiederherstellung der aufschiebenden Wirkung von dieser Norm erfasst (Senat, Beschluss vom 20.05.2009 - L 11 B 5/09 KA ER -; LSG Nordrhein-Westfalen, Beschluss vom 25.10.2006 - L 10 B 15/06 KA ER -; LSG Schleswig-Holstein, Beschluss vom 03.08.2006 - L 4 B 269/04 KA ER -). Bei den Entscheidungen nach § 86b Abs. 1 SGG hat eine Abwägung der öffentlichen und privaten Interessen stattzufinden. Dabei steht eine Prüfung der Erfolgsaussichten zunächst im Vordergrund. Auch wenn das Gesetz keine materiellen Kriterien für die Entscheidung nennt, kann als Richtschnur für die Entscheidung davon ausgegangen werden, dass das Gericht dann die aufschiebende Wirkung wiederherstellt, wenn der angefochtene Verwaltungsakt offenbar rechtswidrig ist und der Betroffene durch ihn in subjektiven Rechten verletzt wird. Am Vollzug eines offensichtlich rechtswidrigen Verwaltungsaktes besteht kein öffentliches Interesse. Sind die Erfolgsaussichten nicht offensichtlich, müssen die für und gegen eine sofortige Vollziehung sprechenden Gesichtspunkte gegeneinander abgewogen werden. Dabei ist die Regelung des § 86a Abs. 3 Satz 2 SGG zu beachten, dass in den Fällen des § 86a Abs. 2 Nr. 1 SGG (Entscheidung über Versicherungs-, Beitrags- und Umlagepflichten sowie der Anforderung von Beiträgen, Umlagen und sonstigen öffentlichen Abgaben) die Vollziehung ausgesetzt werden soll, wenn ernstliche Zweifel an der Rechtmäßigkeit des angefochtenen Verwaltungsakts bestehen oder die Vollziehung für den Antragsteller eine unbillige, nicht durch überwiegende öffentliche Interessen gebotene Härte zur Folge hätte. Auch über diese ausdrückliche Regelung hinaus ist das aus den Regelungen des § 86a SGG hervorgehende gesetzliche Regel-Ausnahmeverhältnis zu beachten. In den Fallgruppen des § 86a Abs. 2 Nr. 2 bis 4 SGG ist maßgebend, dass der Gesetzgeber einen grundsätzlichen Vorrang des Vollziehungsinteresses angeordnet hat und es deshalb besonderer Umstände bedarf, um eine davon abweichende Entscheidung zu rechtfertigen (BVerfG, Beschluss vom 10.10.2003 - 1 BvR 2025/03 - zu § 80 Abs. 2 Nrn. 1 bis 3 VwGO). Das Gericht hat insbesondere zu berücksichtigen, wie schwerwiegend die Beeinträchtigung durch die aufschiebende Wirkung gerade im grundrechtsrelevanten Bereich ist (vgl. BVerfG, Beschlüsse vom 28.08.2007 - 1 BvR 2157/07 -; 11.02.2005 - 1 BvR 276/05 -). Im Rahmen der Abwägung ist die Entscheidung des Gesetzgebers zu berücksichtigen, der die aufschiebende Wirkung der Anfechtungsklage gegen die Festsetzung eines Regresses durch den Beschwerdeausschuss nach Durchführung einer Richtgrößenprüfung in § 106 Abs. 5a Satz 11 Fünftes Buch Sozialgesetzbuch (SGB V) ausdrücklich ausgeschlossen und damit das besondere öffentliche Interesse an der effektiven Umsetzung der vereinbarten Richtgrößen zur Begrenzung der Arzneimittelausgaben der Krankenkassen betont hat (vgl. Begründung zum Entwurf des Gesundheits-Strukturgesetzes, BT-Drucks. 12/3608, S. 100). Angesichts dessen kommt die Anordnung der aufschiebenden Wirkung nur in Betracht, wenn ernsthafte Zweifel an der Rechtmäßigkeit des angefochtenen Bescheides bestehen oder wenn die Vollziehung des angefochtenen Bescheides zu einer unbilligen Härte für den Antragsteller führen würde (vgl. Senat, Beschlüsse vom 17.06.2009 - L 11 B 6/09 KA ER -, vom 01.07.2009 - L 11 B 8/09 KA ER -, vom 20.05.2009 - L 11 B 5/09 KA ER - und vom 19.03.2009 - L 11 B 20/08 KA ER -).
b) Ausgehend hiervon ergibt sich:
aa) Die formalen Voraussetzungen des § 86b Abs. 1 Satz 1 Nr. 2 SGG liegen vor. Die Klage des Antragstellers gegen den Regressbescheid hat keine aufschiebende Wirkung (§ 106 Abs. 5a Satz 11 SGB V).
bb) Der Regressbescheid vom 19.04.2010 ist formal rechtmäßig. Soweit der Antragsteller meint, der Bescheid sei deswegen nichtig, weil er dem Insolvenzverwalter nicht in dieser Funktion ausgestellt worden sei, trifft das nicht zu. Der Bescheid ist sowohl dem Gemeinschuldner als auch dem Insolvenzverwalter per Übergabe-Einschreiben zugestellt worden. Zutreffend hat deswegen der Antragsgegner den Antragsteller (vormals: Gemeinschuldner) mit Schreiben vom 10.04.2010 darüber unterrichtet, dass der Bescheid mit gleicher Post Herrn Rechtsanwalt X - Insolvenzverwalter - zugesandt worden sei. Die Hinweise des Antragstellers auf das Urteil des SG Marburg - S 12 KA 711/06 - tragen nicht. In jenem Fall sind die Bescheide der Prüfgremien ausschließlich dem Gemeinschuldner zugegangen. Der darin liegende offensichtliche Fehler führt zwar zur Nichtigkeit (dazu unten). Vorliegend ist der streitbefangene Bescheid hingegen sowohl dem Insolvenzverwalter als auch dem Gemeinschuldner zugegangen. Dass dies zur Nichtigkeit führt, hat der Antragsteller weder dargelegt, noch erschließt sich dies dem Senat.
cc) Der Auffassung des Antragstellers, der Regressbescheid für die Quartale I/2007 bis IV/ 2007 hätte nicht ergehen dürfen, weil die daraus resultierende Forderung insgesamt beim Insolvenzverwalter zur Tabelle hätte angemeldet werden müssen, vermag der Senat nicht zu folgen.
(1) Insolvenzgläubiger sind nach der Legaldefinition des § 38 InsO persönliche Gläubiger, die einen zur Zeit der Eröffnung des Insolvenzverfahrens begründeten Vermögensanspruch gegen den Schuldner haben. Eine Insolvenzforderung liegt hiernach nur vor, wenn der Anspruch vor Eröffnung "begründet" war. Das bedeutet nicht, dass die Forderung bereits durchsetzbar gewesen sein muss, wie sich aus §§ 41, 191 InsO ergibt. Erforderlich ist nur, dass vor Insolvenzeröffnung die Grundlage des Schuldverhältnisses besteht, aus dem sich der Anspruch ergibt. Deshalb gewähren sog. künftige Ansprüche, bei denen erst ein sog. "Rechtsboden" besteht, keine Insolvenzforderung. Nach Eröffnung "begründete" Ansprüche sind sog. Neuforderungen (Eickmann in HK-InsO, 4. Auflage, 2005, § 38 Rdn. 16).
Da die Insolvenz über das Vermögen des Antragstellers am 01.02.2007 eröffnet wurde, sind nur die Ansprüche aus der Insolvenzmasse zu befriedigen, die in diesem Zeitpunkt bereits begründet waren. Alle anderen Forderungen unterliegen nicht der Verwaltungs- und Verfügungsbefugnis des Insolvenzverwalters. Vielmehr handelt es sich dabei um Neuforderungen, für die die Prozessführungsbefugnis dem Schuldner zusteht (vgl. OLG Hamburg, Urteil vom 29.12.2003 - 11 W 90/03 -).
Der Regressanspruch ist mit Bescheiden des Prüfungsstelle vom 29.10.2008 und 10.08.2009 festgesetzt worden. Diese Bescheide können - bezogen auf den Zeitraum bis zur Insolvenzeröffnung - Ansprüche schon deswegen nicht "begründen", weil sie nichtig sind, da sie dem Antragsteller und nicht dem Insolvenzverwalter zugestellt worden sind.
Im Zeitpunkt der Bescheiderteilung waren die Prüfgremien nicht befugt, die Regressforderungen durch Verwaltungsakt gegenüber dem Kläger festzustellen. Ihre Befugnisse werden von der InsO überlagert, denn nach § 87 InsO können Insolvenzgläubiger ihre Forderungen nur nach den Vorschriften über das Insolvenzverfahren verfolgen. Nicht fällige Forderungen gelten als fällig (§ 41 InsO). Insolvenzforderungen sind bei dem Insolvenzverwalter zur Insolvenztabelle anzumelden (§§ 174 f. InsO). Soweit über eine solche Forderung nicht bereits vor Insolvenzeröffnung ein Verwaltungsakt ergangen ist, darf er nach Eröffnung des Insolvenzverfahrens vor Anmeldung der Forderung zur Tabelle und Prüfung der Forderung nicht ergehen (vgl. LSG Niedersachsen-Bremen, Urteil vom 27.03.2003 - L 8 AL 278/02 -; SG Berlin, Urteil vom 14.02.2003 - S 86 KR 2117/00 -; zum früherem Recht: BSG, Urteil vom 17.05.2001 - B 12 KR 32/00 R -). Nur bei bestrittenen Forderungen kann ein Verwaltungsakt ergehen (§ 185 i.V.m. §§ 180 Abs. 2, 181 InsO). Der Bescheid hat dann aber gegenüber dem Insolvenzverwalter in seiner Funktion als Vermögensverwalter zu ergehen (vgl. SG Marburg, Urteil vom 11.07.2007 - S 12 KA 711/06 -).
Hier sind nach Aktenlage alle Bescheide der Prüfungsstelle während des laufenden Insolvenzverfahrens ausschließlich gegenüber dem Antragsteller (vormals Gemeinschuldner) ergangen. Darin legt ein offensichtlicher und besonders schwerwiegender Fehler, der wegen § 40 Abs. 1 Zehntes Buch Sozialgesetzbuch (SGB X) zur Nichtigkeit der Bescheide des Prüfungsausschusses führt (vgl. auch BFH, Urteil vom 02.07.1997 - I R 11/97 -: Steuerfestsetzung in der Insolvenz), was sich wie folgt ergibt:
Insolvenzgläubiger können gemäß § 87 InsO ihre Forderungen nur nach den Vorschriften über das Insolvenzverfahren verfolgen. Um keine Rechtsnachteile zu erleiden, müssen sie ihre im Zeitpunkt der Eröffnung des Insolvenzverfahrens begründeten Vermögensansprüche gegen den Insolvenzschuldner (§ 38 InsO) nach den Vorschriften der §§ 174 f. InsO durchsetzen. Ansprüche aus einem Steuerschuldverhältnis, die gemäß § 174 InsO als Insolvenzforderung zur Eintragung in die Tabelle anzumelden sind, dürfen deshalb nach Eröffnung des Insolvenzverfahrens von den Finanzämtern nicht mehr festgesetzt werden. Ein dennoch erlassener Steuerbescheid ist unwirksam. Der sich aus § 87 InsO ergebende Vorrang des Insolvenzverfahrens gegenüber dem Festsetzungs- und Feststellungsverfahren würde unterlaufen, wenn die Finanzämter nach Eröffnung des Insolvenzverfahrens und vor Abschluss der Prüfungen gemäß §§ 176, 177 InsO noch mit Bindungswirkung Bescheide über die Feststellung oder Festsetzung von Besteuerungsgrundlagen erlassen dürften, die sich auf die Höhe der als Insolvenzforderung zur Eintragung in die Tabelle anzumeldenden Ansprüche aus dem Steuerschuldverhältnis auswirken könnten (vgl. BFH, Urteil vom 18.12.2002 - IR 33/01 -). Diese Rechtslage gilt auch mit Blick auf Regressbescheide, die an einen Vertragsarzt ergehen, der zugleich Gemeinschuldner ist.
Die Bescheide der Prüfungsstelle sind gegenüber dem Antragsteller (Gemeinschuldner) ergangen und mit Bekanntgabe wirksam geworden (§ 37 Abs. 1 Satz 1 SGB X). Nicht durch § 37 Abs. 1 SGB X, sondern durch das materielle Recht wird hingegen bestimmt, ob bei Insolvenz der Verwaltungsakt gegen den Gemeinschuldner oder den Insolvenzverwalter zu richten ist. Demzufolge liegt auch kein Bekanntgabefehler, sondern ein materieller Fehler vor, wenn die Behörde sich insoweit irrt. Ein nach dem Insolvenzfall gegen den Gemeinschuldner gerichteter Verwaltungsakt wird gegenüber dem Gemeinschuldner auch dann wirksam, wenn dieser nach materiellem Recht an den Insolvenzverwalter zu richten gewesen wäre (zutreffend SG Marburg 11.07.2007 - S 12 KA 711/06 -). Allerdings führt der insolvenzrechtlich-materielle Fehler bezogen auf den Zeitraum bis zur Insolvenzeröffnung zur Nichtigkeit der Regressbescheide der Prüfungsstelle vom 29.10.2008 und und 10.08.2009 (§ 40 Abs. 1 SGB X).
Der Widerspruchsbescheid vom 19.04.2010 heilt diesen Fehler. Das folgt aus dem besonderen Charakter des Widerspruchsverfahrens vor dem Beschwerdeausschuss. Gegenstand des Rechtsmittelverfahrens ist nach herkömmlichen verwaltungsrechtlichen Regelungen immer der Bescheid der Ausgangsbehörde, allerdings "in der Gestalt des Widerspruchsbescheides" (vgl. § 79 Abs. 1 Nr. 1 VwGO und § 95 SGG). Demgegenüber wird der Beschwerdeausschusses mit seiner Anrufung für die umstrittene Wirtschaftlichkeitsprüfung ausschließlich zuständig. Er behält diese Zuständigkeit bis zur rechtsverbindlichen Erledigung des Verfahrens. Das Verfahren vor dem Beschwerdeausschuss ist ein umfassendes Verwaltungsverfahren in einer zweiten Verwaltungsinstanz, die eine selbständige und uneingeschränkte Überprüfung vornimmt (BSG, Urteil vom 09.03.1994 - 6 RKa 5/92 -; Henke in Peters, Handbuch der Krankenversicherung, SGB V, 9/2008, § 106 Rdn. 55 m.w.N.). Die das Prüfungsverfahren abschließende Entscheidung wird vom Beschwerdeausschuss getroffen und von diesem allein im gerichtlichen Verfahren vertreten. Die Rechtslage weicht damit von der im Verwaltungsverfahrensrecht geltenden Linie ab. Das BSG begründet dies zutreffend mit den besonderen Bestimmungen des § 97 Abs. 3 Satz 2 SGB V und des § 106 Abs. 5 Satz 6 SGB V, wonach das Verfahren vor dem Berufungsausschuss und vor dem Beschwerdeausschuss "als Vorverfahren gilt" (vgl. BSG, Urteile vom 21.04.1993 - 14a RKa 11/92 - und 09.06.1999 - B 6 KA 76/97 R -). Sogar die erneute Bescheidung erfolgt nur durch den Beschwerdeausschuss (vgl. BSG, Urteile vom 02.06.1987 - 6 RKa 23/86 - und 27.01.1993 - 6 RKa 40/91 -). Hierin liege eine Sonderregelung i.S.d. § 78 Abs. 2 Nr. 1 SGG. Hätte der Gesetzgeber das Verfahren vor dem Beschwerdeausschuss lediglich als normales Widerspruchsverfahren gemäß §§ 78, 83 ff. SGG ansehen wollen, hätte es keiner Regelung bedurft (so BSG, Urteil vom 09.06.1999 - B 6 KA 76/97 R -). Hieraus folgt, dass ab dem Zeitpunkt der Anrufung des Beschwerdeausschusses nur noch dieser Ausschuss zuständig ist, so dass es den und die Prüfungsstelle gleichsam nicht mehr gibt (vgl. BSG, Urteil vom 09.06.1999 - B 6 KA 76/97 R -; Clemens in jurisPK, 2008, SGB V, § 106 Rdn. 281). Bei Verfahrensfehlern ist nur der Bescheid des Beschwerdeausschusses, nicht aber jener der Prüfungsstelle aufzuheben (vgl. Henke in Peters, a.a.O., § 106 Rdn. 55 m.w.N.). Das wiederum bedeutet, dass der Bescheid des Beschwerdeausschusses nicht nur Verfahrens- und Formfehler nach § 41 Abs. 1 Nr. 2 bis 6 SGB X heilen kann, sondern auch nichtige Bescheide der Prüfungsstelle zu ersetzen vermag.
Mittels des Bescheides des Antragsgegners vom 19.04.2010 wird daher der Schadensregress für die Jahre 2006 und 2007 konstitutiv festgesetzt und in Analogie zu § 41 Erstes Buch Sozialgesetzbuch (SGB I) fällig, wobei nicht fällige Forderungen ohnehin als fällig gelten (§ 41 Abs. 1 InsO).
(2) Ungeachtet dessen existierte bereits vor Insolvenzeröffnung die Grundlage des Schuldverhältnisses, aus dem sich der Regressanspruch ergibt. Der Antragsteller war verpflichtet, die Heilmittel nach den Vorgaben des Wirtschaftlichkeitsgebots (§ 12 Abs. 1 SGB V) zu verordnen. Das Wirtschaftlichkeitsgebot wird durch die den Antragsteller bindende Heilmittelvereinbarung konkretisiert. Die Vereinbarung hat Rechtsnormcharakter (vgl. Senat, Beschluss vom 28.12.2010 - L 11 KA 60/10 B ER -: SSB-Ergänzungsvereinbarung; LSG Niedersachsen-Bremen - Urteil vom 26.11.2008 - L 3 KA 169/06 -: SSB-Vereinbarung). Sie stellt einen Gesamtvertrag i.S.d. § 83 Abs. 1 Satz 1 SGB V dar. Gesamtverträge sind öffentlich-rechtliche Verträge (§ 53 SGB X), die als Kollektivverträge für die Gesamtvertragspartner und die Mitglieder der jeweiligen Kassenärztlichen Vereinigung verbindlich sind. Demzufolge handelt es sich um Normenverträge (vgl. Axer in Schnapp/Wigge, Handbuch für das Vertragsarztrecht, 2. Auflage, 2006, § 10 Rdn. 27).
Gegen die normativen Vorgaben der Heilmittelvereinbarung und des § 12 SGB V hat der Antragsteller verstoßen und hierdurch den Krankenkassen einen Schaden verursacht. Dieser hat sich ab dem 01.01.2006 mit Zeitablauf sukzessiv-fortschreitend realisiert. Infolgedessen war der Vermögensanspruch bis zum Zeitpunkt der Insolvenzeröffnung "begründet". In dieser Wertung sieht sich der Senat bestätigt durch das Urteil des Bundesarbeitsgerichts (BAG) vom 27.09.2007 - 6 AZR 975/06 -:
Abfindungen sind in der Regel kein Entgelt für nach Insolvenzeröffnung erbrachte Arbeitsleistungen, sondern stellen einen Ausgleich für durch den Verlust des Arbeitsplatzes entstehende Nachteile und/oder eine Honorierung der Zustimmung des Arbeitnehmers zur vorzeitigen Vertragsauflösung dar. Der Anspruch auf eine solche Abfindung, welcher vor Insolvenzeröffnung vereinbart wurde, ist auch dann nur einfache Insolvenzforderung iSv. § 38 InsO und keine Masseschuld, wenn er erst nach Insolvenzeröffnung mit der Beendigung des Arbeitsverhältnisses entsteht (Kübler/Prütting InsO Stand Oktober 2007 § 55 Rn. 56; MünchKommInsO-Hefermehl § 55 Rn. 181). Dies hat der Erste Senat zu dem Anspruch auf Abfindung aus einem vor Konkurseröffnung abgeschlossenen Sozialplan entschieden (vgl. 27. Oktober 1998 - 1 AZR 94/98 - AP KO § 61 Nr. 29 = EzA BetrVG 1972 § 112 Nr. 102; ebenso 6. Dezember 1984 - 2 AZR 348/81 - AP KO § 61 Nr. 14 = EzA KSchG § 9 nF Nr. 17). Etwas anderes gilt auch dann nicht, wenn die Vertragsparteien - wie vorliegend - die Entstehung der Abfindungsforderung nicht erst für den Zeitpunkt des Ausscheidens vorsehen, sondern zeitlich vorziehen. Für die Einordnung als Masseverbindlichkeit iSv. § 55 Abs. 1 Nr. 2 Alt. 2 InsO müsste sich aus einem gegenseitigen Vertrag ergeben, dass die vereinbarte "Abfindung” in Wahrheit anderen Zwecken dient, nämlich doch eine synallagmatische Verknüpfung zur Arbeitsleistung bzw. im weiteren Sinn zum Bestand des Arbeitsverhältnisses aufweist. Enthält der Vertrag sowohl Hinweise auf herkömmliche Abfindungszwecke als auch auf eine synallagmatische Verknüpfung, müsste angesichts des Regel-Ausnahme-Verhältnisses von § 38 InsO und § 55 InsO die letztere Zwecksetzung überwiegen, um die zugesagte Leistung als Masseverbindlichkeit einordnen zu können.
Der einfache Insolvenzgläubiger i.S.d. § 38 InsO ist gehalten, seinen Anspruch nach § 174 InsO beim Insolvenzverwalter zur Insolvenztabelle anzumelden. Das ist nicht geschehen. Demnach waren die Gläubiger (Krankenkassen) gehindert, den sich aus der Zeit bis zum 01.02.2007 ergebenden Schadensregress mittels Aufrechnung sich selbst vollziehend (hierzu Senat, Beschlüsse vom 17.03.2010 - L 11 B 25/09 KA ER -, vom 06.01.2004 - L 11 B 17/03 KA ER -; LSG Nordrhein-Westfalen, Beschluss vom 16.04.2003 - L 10 B 21/02 KA ER -) über die Beigeladene zu 7) zu realisieren.
(2) Soweit es den Zeitraum ab Insolvenzeröffnung (01.02.2007) anlangt, werden die Forderungen des Gemeinschuldners zwar zur Insolvenzmasse gezogen (§ 35 Abs. 1 InsO), die gegen ihn gerichteten Vermögensansprüche können indessen aus der Insolvenzmasse nur dann befriedigt werden, wenn sie zur Zeit der Eröffnung des Insolvenzverfahrens "begründet" waren (§ 38 InsO). Der den Zeitraum ab dem 01.02.2007 betreffende Schadensregress ist dem nicht zuzuordnen. Losgelöst von der Frage, welches Schuldverhältnis ab diesem Zeitpunkt zwischen dem Gemeinschuldner und den Gläubigern oder der KV (zum Anspruch auf vertragsärztliches Honorar vgl. BSG, Urteil vom 03.02.2010 - B 6 KA 30/08 R -) besteht, war jedenfalls der Regressanspruch noch nicht begründet. Es fehlt der sog. Rechtsboden (hierzu Eickmann, a.a.O., § 38 Rdn. 16), denn anders als für den Zeitraum vom 01.01.2007 bis zur Insolvenzeröffnung hatte der Gemeinschuldner noch nicht gegen die aus § 12 SGB V und der Arzneimittelrichtgrößenvereinbarung folgenden vertragsärztlichen Pflichten verstoßen.
cc) Soweit der Antragsteller moniert, der Antragsgegner habe Praxisbesonderheiten nicht hinreichend berücksichtigt, ist dem nach summarischer Prüfung nicht zu folgen. Das SG hat sich mit diesem Vorbringen im Beschluss vom 05.10.2010 zutreffend auseinandergesetzt. Der Senat nimmt hierauf Bezug (§§ 142 Abs. 2 Satz 3, 153 Abs. 2 SGG). Das Beschwerdevorbringen rechtfertigt keine abweichende Beurteilung; es beschränkt sich auf eine Wiederholung des erstinstanzlichen Vortrags.
Nach alledem kann die Beschwerde des Antragstellers keinen Erfolg haben.
III.
Die gem. §§ 172, 173 SGG statthafte Beschwerde des Antragsgegners ist zulässig. Sie ist nicht begründet.
Der Antragsgegner wendet sich dagegen, dass das SG die Beigeladene zu 7) verpflichtet hat, sämtliche auf der Grundlage des Regressbescheides ausgeführten Honorareinbehalte auszukehren. Entgegen der Auffassung des SG greife das Aufrechnungsverbot des § 96 Abs. 1 Nr. 4 InsO nicht.
Nach dieser Bestimmung ist die Aufrechnung unzulässig, wenn ein Gläubiger, dessen Forderung aus dem freien Vermögen des Schuldners zu erfüllen ist, etwas zur Insolvenzmasse schuldet. Die Aufrechnung hat die zu 7) beigeladene KV konkludent erklärt, indem sie die Regresse mit laufenden Honoraransprüchen aufgerechnet hat. Die Honoraransprüche des Antragstellers für die Jahre 2006 und 2007 rechnen, soweit sie nicht vor Insolvenzeröffnung befriedigt wurden, nach Maßgabe des § 35 InsO zur Insolvenzmasse (vgl. unter II.). Des Weiteren setzt das Aufrechnungsverbot voraus, dass der Gemeinschuldner (Antragsteller) eine Forderung des Gläubigers aus seinem freien Vermögen zu erfüllen hat. Das ist schon deswegen nicht der Fall, weil nicht die KV, sondern die Krankenkassen Inhaber des Regressanspruchs sind.
Im Vertragsarztrecht bestehen wegen der Trennung der Rechtskreise keine unmittelbaren Rechtsbeziehungen zwischen dem "Gläubiger" (der Krankenkasse) und dem "Schuldner" (dem Vertragsarzt). Die Krankenkasse hat im Regelfall keine Möglichkeit, den Vertragsarzt unmittelbar "in Regress" zu nehmen. Vielmehr ist nach den gesetzlichen Vorgaben die Festsetzung eines Regresses ausschließlich den Gremien der gemeinsamen Selbstverwaltung von Ärzten und Krankenkassen zugewiesen (vgl. § 106 Abs 4 Satz 1 i.V.m. Abs. 5 Satz 1 SGB V). Eine Krankenkasse, die einen Regressanspruch gegen einen Vertragsarzt durchsetzen möchte, ist daher auf ein Tätigwerden der Prüfgremien angewiesen (BSG, Urteil vom 05.05.2010 - B 6 KA 5/09 R -). Gleichwohl scheitert das Aufrechnungsverbot nicht an diesem Gesichtspunkt. Angesichts der aufgezeigten rechtlichen Besonderheiten liefe das Aufrechnungsverbot leer, würde allein darauf abgestellt, dass die KV sich mittels Aufrechnung als Gläubigerin geriert. Vielmehr gilt: Angesichts der aufgezeigten Trennung der Rechtskreise sind die Krankenkassen gezwungen, sich der KV zur Realisierung ihrer Ansprüche zu bedienen. Rechtlich und tatsächlich wird die KV für die Gläubiger (Krankenkassen) tätig. Unerheblich ist dabei, ob dem ein Auftragsverhältnis (§ 61 Satz 2 SGB X i.V.m. § 662 BGB) oder ein Geschäftsbesorgungsvertrag (§ 61 Satz 2 SGB X i.V.m. § 675 BGB) zu Grunde liegt. Geschäftsbesorger und Auftragnehmer handeln gleichermaßen im fremden Interesse (vgl. Hk-BGB/Schulze, 3. Auflage, 2003, § 662 Rdn. 7 und § 675 Rdn. 4).
Ungeachtet dessen war die Beklagte berechtigt, mit Forderungen der Krankenkassen aufzurechnen, die auf der Festsetzung von Regressen im Rahmen von Wirtschaftlichkeitsprüfungen im Verordnungsbereich gegen den Gemeinschuldner beruhen. Diese Befugnis ergibt sich aus § 52 Bundesmantelvertrag-Ärzte (BMV-Ä), § 48 Bundesmantelvertrag-Ärzte/Ersatzkassen (EAV-Ä). Danach treffen die Vertragspartner über die Erfüllung von Schadensersatzansprüchen nähere Regelungen (§ 52 Abs. 1 BMV-Ä, § 48 Abs. 1 EKV-Ä). Beim Verordnungsregress handelt es sich um einen besonderen Typus eines Schadensersatzanspruches (BSG, Urteile vom 03.02.2010 - B 6 KA 30/08 R - und 27.04.2005 - B 6 KA 1/04 R -).
Allerdings dient die Insolvenzmasse nur der Erfüllung "begründeter" Vermögensansprüche der persönlichen Gläubiger (§ 35 InsO). Für den Zeitraum bis zum 01.02.2007 ist der Schadensregress - wie dargestellt - begründet. Insoweit ist der einfache Insolvenzgläubiger i.S.d. § 38 InsO gehalten, seinen Anspruch nach § 174 InsO beim Insolvenzverwalter zur Insolvenztabelle anzumelden. Das ist nicht geschehen. Demnach waren die Gläubiger gehindert, den Schadensregress sich selbst vollziehend (vgl. oben) mittels Aufrechnung über die Beigeladene zu 7) zu realisieren. Soweit es den Zeitraum ab Insolvenzeröffnung (01.02.2007) anlangt, werden die Forderungen des Gemeinschuldners zwar zur Insolvenzmasse gezogen (35 Abs. 1 InSO), die gegen ihn gerichteten Vermögensansprüche können indessen aus der Insolvenzmasse nur dann befriedigt werden, wenn sie zur Zeit der Eröffnung des Insolvenzverfahrens "begründet" waren. Die Insolvenzmasse dient - wie dargestellt - nicht der Befriedigung des den Zeitraum ab dem 01.02.2007 betreffenden Schadensregresses. Das wiederum bedeutet, dass die Aufrechnungssperre des § 96 Abs. 1 Nr. 4 InsO greift.
Soweit der Antragsgegner meint, dass angesichts dieses rechtlichen Ergebnisses wesentliche Instrumente zur Sicherung der wirtschaftlichen Stabilität der gesetzlichen Krankenversicherung, nämlich die Wirtschaftlichkeits- und Abrechnungsprüfungen nach §§ 106, 106a SGB V in der Insolvenz des Vertragsarztes "leer laufen", mag das sein. Indessen rechtfertigt diese Situation es nicht, die gleichermaßen auf eine Vielzahl von spezifischen Rechtsbereichen anzuwendenden insolvenzrechtlichen Regelungen im Wege der Rechtsfortbildung für Insolvenzen von Vertragsärzten ggf. anders und sich vom Wortlaut lösend auszulegen. Das vom Antragsgegner aufgezeigte Spannungsverhältnis besteht ohnehin nur sehr eingeschränkt. Die den Prüfgremien auferlegte Pflicht, Prüfverfahren durchzuführen (§§ 106, 106a SGB V) wird durch das Insolvenzrecht nicht beeinträchtigt. Lediglich soweit es im Einzelfall darum geht, einen Schadensregress gegenüber einem insolventen Vertragsarzt durchzusetzen, mag der Anspruch ggf. nicht oder nur mit einer Quote realisiert werden können. Das wiederum ist zur Überzeugung des Senats hinzunehmen, denn dieses Schicksal trifft alle (Insolvenz)Gläubiger gleichermaßen. Überdies könnte erwogen werden, in Anlehnung an die rechtsdogmatischen Lösungsmöglichkeiten einer Gesetzeskonkurrenz das Prinzip "lex specialis derogat legi generali" zu vertreten. Danach würde das Insolvenzrecht für seinen spezifischen Anwendungsbereich ggf. konkurrierende Wertentscheidungen des Gesetzgebers etwa in dem Sinn, effektive Prüfverfahren zwecks Sicherung der Stabilität der gesetzlichen Krankenversicherung durchzuführen, verdrängen.
Infolgedessen konnte die Beschwerde des Antragsgegners keinen Erfolg haben.
IV.
Die Entscheidung über den Streitwert beruht auf §§ 52 Abs. 2, 53 Abs. 3 Nr. 4 Gerichtskostengesetz.
Die Kostenentscheidung folgt aus § 197a Abs. 1 SGG i.V.m. § 154 Abs. 2 VwGO.
Dieser Beschluss ist nicht anfechtbar (§ 177 SGG).