Gründe:

I

Die Beteiligten streiten über das Vorliegen der gesundheitlichen Voraussetzungen für die Inanspruchnahme des Nachteilsausgleichs Blindheit bei der Klägerin, also die Zuerkennung des Merkzeichens Bl.

Die 2007 geborene Klägerin leidet seit ihrer Geburt an der Stoffwechselerkrankung Nichtketotische Hyperglycinämie (NKH) mit zentralnervöser-epileptogener Beteiligung. Bei ihr besteht seit jeher Pflegebedürftigkeit nach der Stufe III (jetzt Pflegegrad 5) bei einem anerkannten Grad der Behinderung (GdB) von 100 und der Feststellung der Merkzeichen H, B, G und aG. Der Antrag auf Zuerkennung des Merkzeichens Bl vom 10.10.2012 führte zur zusätzlichen Anerkennung des Merkzeichens RF, war im Übrigen aber erfolglos, weil sich aus den vorliegenden ärztlichen Unterlagen kein Anhalt für eine Blindheit nach der Anlage zu § 2 der Versorgungsmedizin-Verordnung (AnlVersMedV) ergebe. Visuelle Reize würden von der Klägerin, wenn auch verlangsamt, "wahrgenommen" im Sinne einer visuellen Agnosie (Störung des Erkennens). Nach den Vorgaben der AnlVersMedV liege bei gnostischen Störungen keine Blindheit vor (Bescheid vom 6.2.2013; Widerspruchsbescheid vom 25.9.2013).

Im Klageverfahren hat der augenärztliche Sachverständige Dr. S. in seinem Gutachten vom 23.11.2016 ausgeführt, bei der Erkrankung der Klägerin handele es sich weitgehend um eine gnostische Störung, da sie keinerlei Reaktion auf visuelle Reize zeige. Eine Erhebung der Sehschärfe und der Gesichtsfeldfunktion sei bei der Klägerin aufgrund der fehlenden Reaktion auf visuelle Reize und der fehlenden Kommunikationsfähigkeit nicht möglich. Eine Orientierungsfähigkeit der Klägerin sei nicht gegeben. Ob eine Rindenblindheit vorliege, könne nur mit bildgebender Diagnostik festgestellt werden. Dies sei aber entbehrlich, da die Voraussetzungen des Merkzeichens Bl auch bei einer gnostischen Störung erfüllt seien. Das SG hat den Beklagten daraufhin verurteilt, bei der Klägerin ab dem 10.10.2012 das Merkzeichen Bl festzustellen (Urteil vom 27.4.2017). Die Berufung des Beklagten ist erfolglos geblieben. Angesichts der neueren Rechtsprechung des BSG (Urteil vom 11.8.2015 - B 9 BL 1/14 R) komme es für Blindheit bei cerebralen Schäden nicht mehr darauf an, dass eine spezifische Störung des Sehvermögens vorliege. Zwar fehle der Klägerin das Augenlicht nicht vollständig, auch habe sich nicht beweisen lassen, dass ihre Sehschärfe auf keinem Auge und auch nicht beidäugig mehr als 1/50 betrage. Es lägen jedoch andere Störungen des Sehvermögens von einem vergleichbaren Schweregrad vor. Die Klägerin sei nicht zu einer differenzierten Sinneswahrnehmung im Stande. Aufgrund der Stoffwechselstörung und der täglichen Krampfanfälle sei davon auszugehen, dass das Gehirn visuelle Sinneseindrücke bisher gar nicht habe verarbeiten können. Hiermit stehe auch die Schilderung der gesetzlichen Vertreterin der Klägerin im Einklang, wonach diese kein Interesse an einer optischen Sinneswahrnehmung zeige. Bei diesen Befunden sei davon auszugehen, dass die Klägerin aufgrund ihrer Schwerstschädigung nie eine wirkliche Sehleistung erreicht habe (Urteil vom 22.11.2017).

Mit seiner Revision rügt der Beklagte einen Verstoß gegen Teil A Nr. 6 Buchst c) AnlVersMedV. Eine Unfähigkeit zur Sinneswahrnehmung, welche aus einer visuellen Agnosie oder anderen gnostischen Störungen resultiere, dürfe danach nicht als Blindheit aufgefasst werden. Die neuere Rechtsprechung des BSG (Urteil vom 11.8.2015 - B 9 BL 1/14 R) sei zum Bayerischen Landesblindengeld ergangen und gelte nur für diejenigen Fälle, in denen aufgrund hirnorganischer Beeinträchtigungen Beweisschwierigkeiten beständen, weil z.B. eine Mitwirkung des Patienten nicht möglich oder klärende Untersuchungen unzumutbar seien. Der Klägerin fehle das Augenlicht hingegen unstreitig nicht vollständig, es liege lediglich eine gnostische Störung vor. In der Rechtsordnung setze "Blindheit" dagegen überall und einheitlich zumindest auch eine den Sehapparat betreffende organische Störung voraus. Jedenfalls sei Teil A Nr. 6 Buchst c) AnlVersMedV verbindlich für Leistungen nach den Landesblindengeldgesetzen und nicht etwa seien diese vorgreiflich für die Feststellung gesundheitlicher Merkmale als Voraussetzung der Inanspruchnahme von Nachteilsausgleichen.

Der Beklagte beantragt,

die Urteile des Landessozialgerichts Niedersachsen-Bremen vom 22. November 2017 sowie des Sozialgerichts Aurich vom 27. April 2017 aufzuheben und die Klage abzuweisen.

Die Klägerin beantragt,

die Revision zurückzuweisen.

Sie hält die angefochtene Entscheidung für zutreffend.

 

II

Die zulässige Revision des Beklagten ist i.S. der Aufhebung des Berufungsurteils und Zurückverweisung der Sache an das LSG begründet (§ 170 Abs. 2 Satz 2 SGG). Ob die Klägerin einen Anspruch auf Zuerkennung der gesundheitlichen Merkmale für das Merkzeichen Bl hat, kann der Senat mangels ausreichender Feststellungen des LSG nicht abschließend beurteilen.

1. Die Klägerin erstrebt mit ihrer Anfechtungs- und Verpflichtungsklage (§ 54 Abs. 1 Satz 1 SGG; siehe zur insoweit statthaften Klageart Senatsurteil vom 17.4.2013 - B 9 SB 3/12 R - juris RdNr. 24 m.w.N.) die Verpflichtung des beklagten Landes, unter Abänderung des Bescheids vom 6.2.2013 in der Gestalt des Widerspruchsbescheids vom 25.9.2013 (§ 95 SGG) mit Wirkung ab dem 10.10.2012 die gesundheitlichen Voraussetzungen für die Inanspruchnahme des Nachteilsausgleichs Blindheit festzustellen (zum Unterschied von Merkzeichen und Nachteilsausgleich siehe Senatsurteil vom 16.2.2012 - B 9 SB 2/11 R - SozR 4-3250 § 69 Nr. 14 RdNr. 14). Maßgeblich ist der Sach- und Streitstand im Zeitpunkt der (letzten) mündlichen Verhandlung des Rechtsstreits durch die Tatsachengerichte, hier des LSG (22.11.2017), und für die Verpflichtungsklage die Rechtslage im Zeitpunkt der Revisionsentscheidung (vgl. Senatsurteile vom 18.9.2003 - B 9 SB 3/02 R - BSGE 91, 205, 206 = SozR 4-3250 § 69 Nr. 2 S 7 = juris RdNr. 13 und vom 7.11.2001 - B 9 SB 1/01 R - juris RdNr. 33, jeweils m.w.N.).

2. Der Senat kann nicht entscheiden, ob die Klägerin einen Anspruch auf Feststellung der gesundheitlichen Voraussetzungen für die Inanspruchnahme des Nachteilsausgleichs Blindheit hat. Rechtsgrundlage für die Feststellung der gesundheitlichen Merkmale als Voraussetzung für die Inanspruchnahme des Nachteilsausgleichs Blindheit sind § 152 Abs. 1 und 4 SGB IX i.d.F. des Gesetzes vom 23.12.2016 (BGBl I 3234) und die hierzu ergangenen versorgungsmedizinischen Vorschriften (dazu a und b), die ausschließlich ophthalmologische Erkrankungen unter Ausschluss neurologischer Störungen erfassen (dazu c). Ein Verstoß gegen höherrangiges Recht folgt daraus nicht (dazu 3.). Die bisherigen Tatsachenfeststellungen des LSG lassen keine abschließende Entscheidung darüber zu, ob die Klägerin einen Anspruch auf Zuerkennung des Merkzeichens Bl ab Antragstellung hat (dazu 4.).

a) Nach § 152 Abs. 1 Satz 1 und Abs. 4 SGB IX (i.d.F. des Gesetzes zur Stärkung der Teilhabe und Selbstbestimmung von Menschen mit Behinderungen - Bundesteilhabegesetz (BTHG) vom 23.12.2016, BGBl I 3234; bis zum 31.12.2017 inhaltsgleich § 69 Abs. 1 und 4 SGB IX i.d.F. des Gesetzes vom 23.4.2004, BGBl I 606) stellen die zuständigen Behörden neben einer Behinderung auch weitere gesundheitliche Merkmale fest, die Voraussetzung für die Inanspruchnahme von Nachteilsausgleichen für behinderte Menschen sind (siehe zur Zuständigkeit des Landessozialamts in Niedersachsen § 152 Abs. 1 Satz 1 und Satz 7 SGB IX i.V.m. Nr. I 1. und 4. Beschluss der Landesregierung vom 13.7.2004, Nds MBl Nr. 36/2004). Zu diesen Merkmalen gehören diejenigen für den Nachteilsausgleich Blindheit nach Teil A der AnlVersMedV (i.d.F. vom 10.12.2008, BGBl I 2412; zuletzt geändert durch die Fünfte Verordnung zur Änderung der VersMedV vom 11.10.2012, BGBl I 2122), für die in dem Schwerbehindertenausweis das Merkzeichen Bl einzutragen ist (§ 3 Abs. 1 Nr. 3 SchwbAwV i.d.F. vom 27.12.2003, BGBl I 3022 i.V.m. § 153 Abs. 2 SGB IX; bis zum 31.12.2017 § 70 Abs. 2 SGB IX). Diese Feststellung zieht insbesondere die Gewährung von Blindengeld nach den Landesblindengeldgesetzen nach sich, hier also nach dem Niedersächsischen Blindengeldgesetz (vgl. § 1 Abs. 7 BlindGeldG Nds), wenn die Blindheit oder die Sehstörung durch einen Feststellungsbescheid nach § 69 Abs. 1 Satz 1 SGB IX (bzw. jetzt § 152 Abs. 1 Satz 1 SGB IX) nachgewiesen ist.

Die Definition der gesundheitlichen Merkmale Blindheit und hochgradiger Sehbehinderung ergab sich zunächst aus dem in § 69 Abs. 1 Satz 5 SGB IX in der bis zum 14.1.2015 geltenden Fassung (vom 20.6.2011, BGBl I 1114) in Bezug genommenen versorgungsrechtlichen Bewertungssystem, dessen Kern ursprünglich die aus den Erfahrungen der Versorgungsverwaltung und den Erkenntnissen der medizinischen Wissenschaft gewonnenen "Anhaltspunkte für die ärztliche Gutachtertätigkeit im sozialen Entschädigungsrecht und nach dem Schwerbehindertenrecht" (AHP) waren. Diese sind seit dem 1.1.2009 abgelöst durch die auf der Grundlage des § 30 Abs. 16 (ursprünglich Abs. 17) BVG erlassenen VersMedV vom 10.12.2008 (BGBl I 2412; zuletzt geändert durch Artikel 18 Gesetz vom 17.7.2017, BGBl I 2541). Zwischenzeitlichen Bedenken an der Ermächtigung des Verordnungsgebers insbesondere zum Erlass von Vorgaben für die Beurteilung von Nachteilsausgleichen (vgl. SG Osnabrück Urteil vom 24.6.2009 - S 9 SB 231/07 - juris RdNr. 23 ff mit Anmerkung von Dau, jurisPR-SozR 24/2009, Anm. 4) hat der Gesetzgeber mit Gesetz vom 7.1.2015 (BGBl II 15) Rechnung getragen durch Schaffung einer eigenständigen Ermächtigungsgrundlage in § 70 Abs. 2 SGB IX (vgl. hierzu Senatsurteil vom 16.3.2016 - B 9 SB 1/15 R - SozR 4-3250 § 69 Nr. 22 RdNr. 13). Diese befindet sich nunmehr seit dem 1.1.2018 in § 153 Abs. 2 SGB IX (Gesetz vom 23.12.2016, BGBl I 3234). Für eine Übergangszeit bis zum Erlass einer neuen Rechtsverordnung verbleibt es nach § 241 Abs. 5 SGB IX (i.d.F. vom 23.12.2016, BGBl I 3234) bei der entsprechenden Anwendung der bisher erlassenen Rechtsverordnungen und damit bei der bisherigen Rechtslage im Gesetzesrang (bis 31.12.2017 § 159 Abs. 7 SGB IX; vgl. Senatsurteil vom 14.6.2018 - B 9 BL 1/17 R - BSGE 126, 63 = SozR 4-5921 Artikel 1 Nr. 4, RdNr. 14 m.w.N.; siehe hierzu auch BT-Drucks 18/2953 und 18/3190 S 5).

b) Die Grundsätze für die Feststellung der gesundheitlichen Merkmale für die Inanspruchnahme des Nachteilsausgleichs der Blindheit werden danach in den "Versorgungsmedizinischen Grundsätzen" der AnlVersMedV in Teil A Nr. 6 Buchst a), b) und c) verbindlich festgelegt. Nach Teil A Nr. 6 Buchst a) ist blind ein behinderter Mensch, dem das Augenlicht vollständig fehlt. Als blind ist auch ein behinderter Mensch anzusehen, dessen Sehschärfe auf keinem Auge und auch nicht beidäugig mehr als 0,02 (1/50) beträgt oder wenn andere Störungen des Sehvermögens von einem solchen Schweregrad vorliegen, dass sie dieser Beeinträchtigung der Sehschärfe gleichzustellen sind. Eine gleichzusetzende Sehbehinderung liegt nach den Richtlinien der Deutschen Ophthalmologischen Gesellschaft (DOG) vor bei bestimmten Einengungen des Gesichtsfeldes, großen Skotomen sowie homonymen, bitemporalen und binasalen Hemianopsien (Teil A Nr. 6 Buchst b) aa) bis gg). Blind ist schließlich auch ein behinderter Mensch mit einem nachgewiesenen vollständigen Ausfall der Sehrinde (Rindenblindheit), nicht aber mit einer visuellen Agnosie oder anderen gnostischen Störungen (Teil A Nr. 6 Buchst c).

c) Blindheit i.S. des Teil A Nr. 6 Buchst a) bis c) AnlVersMedV ist danach beschränkt auf Störungen des Sehapparates. Gnostische - neuropsychologische - Störungen des visuellen Erkennens führen nicht zur Blindheit. Dies ergibt sich aus Wortlaut und Systematik (dazu aa), Entstehungsgeschichte sowie aus Sinn und Zweck der AnlVersMedV (dazu bb). Der Begriff der Blindheit im Schwerbehindertenrecht braucht nicht zwangsläufig deckungsgleich zu sein mit dem der Blindheit in anderen Gesetzen (dazu cc).

aa) Teil A Nr. 6 Buchst a) bis c) AnlVersMedV beschreiben schon durch ihre wörtliche Bezugnahme auf die Richtlinien der DOG Defekte im Funktionssystem des optischen Apparates bzw. in der Verarbeitung optischer Reize in der Sehrinde. Andere cerebrale Störungen wie eine "visuelle Agnosie oder andere gnostische Störungen" genügen nicht (Teil A Nr. 6 Buchst c) "nicht aber mit ..."; vgl. Schaumberg in Knittel, SGB IX-Rehabilitation und Teilhabe behinderter Menschen, Stand 1.11.2018, § 152 RdNr. 150 ff, 154). Die Differenzierung in Teil A Nr. 6 Buchst a) bis c) AnlVersMedV folgt damit der Ordnung der Versorgungsmedizinischen Grundsätze nach Organ- und Funktionseinheiten unter medizinischen Gesichtspunkten. Dadurch unterscheiden sich die Bewertungen nach der AnlVersMedV von den landesrechtlichen Vorschriften zum Blindengeld, die keine Bezugnahme auf die ophthalmologischen Grundsätze enthalten. Zwar schließen einige Landesblindengeldgesetze ebenfalls dezidiert gnostische Störungen aus oder erfassen nur Störungen des zentralen visuellen Systems (§ 1 Abs. 3 Nr. 3 LBIGG M-V und § 2 Abs. 1 LBIGG HE), während andere Regelungen diese Einschränkungen nicht enthalten. Dies gilt auch für die allgemeine Umschreibung der blindengeldrelevanten Störungen des Sehvermögens in Artikel 1 Abs. 2 Satz 1 Bayerisches Blindengeldgesetz (BayBlindG). Nach dessen Wortlaut haben jedoch weitergehende Differenzierungen zu den Störungen des Sehvermögens - im Gegensatz zur AnlVersMedV - keinen normativen Niederschlag gefunden (vgl. Senatsurteil vom 11.8.2015 - B 9 BL 1/14 R - BSGE 119, 224 = SozR 4-5921 Artikel 1 Nr. 3, RdNr. 19 ff; hieran anknüpfend Senatsurteil vom 14.6.2018 - B 9 BL 1/17 R - in BSGE 126, 63 = SozR 4-5921 Artikel 1 Nr. 4, RdNr. 13).

bb) Der Ausschluss gnostischer Störungen aus dem Kreis blindheitsrelevanter Störungen entspricht dem Zweck der AnlVersMedV wie er seit jeher in der Entstehungsgeschichte zum Ausdruck kommt. Die VersMedV enthält eine verbindliche Normgebung für versorgungsärztliche Gutachten hinsichtlich einer sachgerechten, einwandfreien und bei gleichen Sachverhalten einheitlichen Bewertung der verschiedensten Auswirkungen von Gesundheitsstörungen unter besonderer Berücksichtigung einer sachgerechten Relation untereinander. Die in der AnlVersMedV vorgenommene Trennung nach Organ- und Funktionseinheiten dient der Verwirklichung dieser Zielsetzung (§ 1 VersMedV; vgl. Einleitung zur VersMedV, Herausgeber Bundesministerium für Arbeit und Soziales (BMAS) Stand Januar 2009, S 5). Die beschriebene Struktur geht entstehungsgeschichtlich auf die älteste Begutachtungsrichtlinie aus dem Jahre 1916 zurück, die bereits den Namen "Anhaltspunkte" trug. Die zunächst nur "das Versorgungswesen" betreffenden Anhaltspunkte galten ab 1974 auch für die Begutachtung nach dem Schwerbehindertenrecht und gingen 1983 in die AHP über (vgl. Einleitung zur VersMedV, a.a.O., Stand Januar 2009, S 3).

Die Strukturierung nach Organ- und Funktionseinheiten in der VersMedV stimmt dementsprechend mit dem Anliegen des Schwerbehindertenrechts überein, Menschen mit Behinderungen eine gleichberechtigte Teilhabe durch möglichst zielgenauen und weitgehenden Ausgleich ihrer Funktionsbeeinträchtigungen zu ermöglichen (vgl. § 1 Satz 1 SGB IX). Zu diesem Zweck werden Behinderungen getrennt nach Organ- und Funktionseinheiten erfasst und anschließend einzeln und sodann insgesamt in ihren Auswirkungen auf die Teilhabe am Leben in der Gesellschaft bewertet (§ 152 Abs. 1 Satz 5 und Abs. 3 SGB IX; vgl. z.B. Senatsurteil vom 30.9.2009 - B 9 SB 4/08 R - SozR 4-3250 § 69 Nr. 10 RdNr. 18). An diesem zielgerichteten Behinderungsausgleich orientieren sich die gesundheitlichen Voraussetzungen für die Inanspruchnahme von Nachteilsausgleichen (vgl. § 152 Abs. 4 SGB IX, § 209 Abs. 1 SGB IX, bis 31.12.2017 § 126 SGB IX).

Zum Ausgleich der verschiedenen Behinderungen enthält das Schwerbehindertenrecht u.a. eine Vielzahl von Nachteilsausgleichen (Senatsurteil vom 24.4.2008 - B 9/9a SB 8/06 R - SozR 4-3250 § 69 Nr. 8 RdNr. 17), um eine volle, wirksame und gleichberechtigte Teilhabe i.S. der §§ 1, 2 Abs. 1 SGB IX durch unterschiedliche staatliche Vergünstigungen zu fördern. So wird z.B. die Kontaktpflege und Teilnahme am kulturellen Leben unterstützt durch die Feststellung der Merkzeichen H (Hilflosigkeit) und G (Einschränkung der Bewegungsfähigkeit im Straßenverkehr) sowie aG (außergewöhnliche Gehbehinderung) u.a. mit einer kostenlosen bzw. vergünstigten Beförderung im öffentlichen Nahverkehr (§ 228 SGB IX). Ebenso fördern die Merkzeichen GL (Gehörlosigkeit) oder RF (Befreiung von der Rundfunkgebührenpflicht) den behinderten Menschen. Das Merkzeichen B trägt dem Erfordernis einer ständigen Begleitung durch die unentgeltliche Beförderung einer Begleitperson Rechnung (vgl. Teil D AnlVersMedV; § 3 SchwbAwV). Hiervon ausgehend ist eine Gleichsetzung aller Funktionssysteme und auch Sinnesorgane nicht angezeigt und stattdessen jeweils bereichsspezifisch das Ausmaß der Behinderung wägend und wertend zu ermitteln (vgl. Senatsurteil vom 23.6.1993 - 9/9a RVs 1/91 - BSGE 72, 285, 291 = SozR 3-3870 § 4 Nr. 6 S 35).

Als Folge dieser Systematik setzt das Merkzeichen Bl Störungen des Sehapparats im organischen Sinn voraus. Für gnostische - neuropsychologische - Störungen des visuellen Erkennens, die schwerpunktmäßig anderen Funktionsbereichen zuzuordnen sind, stehen im Schwerbehindertenrecht - wie hier auch zuerkannt - dagegen andere Nachteilsausgleiche passgenau zur Verfügung, um die gleichberechtigte Teilhabe am Leben in der Gesellschaft zu fördern. Die visuelle Agnosie zählt zu den Hirnschäden mit herdbedingten Ausfällen und ist - wie bei der Klägerin anerkannt - entsprechend den Vorgaben in Teil B 3.1.1 AnlVersMedV mit einem GdB von 100 zu bewerten unter Zuerkennung der Merkzeichen aG, G, B, H und RF (vgl. Wendler/Schillings, Versorgungsmedizinische Grundsätze, Anlage zu § 2 der Versorgungsmedizin-Verordnung, Teil A: 6 Blindheit und hochgradige Sehbehinderung zu 2. visuelle Agnosie (Seelenblindheit) - Rindenblindheit - apallisches Syndrom, S 90 m.w.N. zum Ärztlichen Sachverständigenbeirat). Die genannten Merkzeichen führen jedenfalls in Teilen zu vergleichbaren abgabenrechtlichen Vergünstigungen und Vorteilen bei der Beförderung im öffentlichen Nahverkehr wie beim Merkzeichen Bl (vgl. § 228 SGB IX, § 3a Abs. 1 Kraftfahrsteuergesetz (KraftStG)). Damit erhält ein behinderter Mensch mit gnostischen Störungen ohne Störungen des Sehapparats über die Zuerkennung der genannten Merkzeichen im Schwerbehindertenrecht wirkungsgleiche Vergünstigungen wie bei der Zuerkennung des Merkzeichens Bl, sodass eine volle, wirksame und gleichberechtigte Teilhabe nach den §§ 1 und 2 Abs. 1 SGB IX im Schwerbehindertenrecht erreicht wird.

Klargestellt werden soll dieses Ergebnis durch den Entwurf des BMAS zur Sechsten Verordnung zur Änderung der VersMedV nach den Empfehlungen des Ärztlichen Sachverständigenbeirats Versorgungsmedizin auf der Basis des aktuellen Standes der medizinischen Wissenschaft (§ 3 VersMedV). Er ordnet eine Störung des visuellen Erkennens insbesondere einer visuellen Agnosie als spezifische mentale Funktionsstörung den neuropsychologischen Störungen zu (Bearbeitungsstand 28.8.2018, S 1, 16 und 67 f, abrufbar unter: https://www.der-paritaetische.de/fachinfos/sechste-verordnung-zur-aenderung-der-versorgungsmedizin-verordnung-versmedv/; vgl. auch Dau jurisPR-SozR 9/2019 Anm. 4; zum aktuellen medizinischen Erkenntnisstand vgl. Senatsurteil vom 25.10.2012 - B 9 SB 2/12 R - SozR 4-3250 § 69 Nr. 16 RdNr. 27 m.w.N.).

Soweit in der Praxis der Nachweis von Blindheit nach den Landesblindengeldgesetzen (vgl. z.B. § 1 Abs. 7 LBlindGeldG Nds) und der Blindenhilfe nach § 72 SGB XII auch über die Zuerkennung des Merkzeichens Bl im Schwerbehindertenrecht erfolgt (vgl. Senatsurteil vom 8.3.1995 - 9 RV 9/94 - juris RdNr. 11 m.w.N.; BSG Urteil vom 7.5.1986 - 9a RVs 54/85 - SozR 3100 § 35 Nr. 16 S 57; BVerwG Urteil vom 27.2.1992 - C 48.88 - BVerwGE 90, 65, 69 m.w.N.), entbindet dies die für diese Leistungen zuständigen Behörden im Falle einer fehlenden bzw. abgelehnten Statusentscheidung nicht ohne Weiteres von ihrer Amtsermittlungspflicht nach § 20 SGB X (vgl. Blüggel in Schlegel/Voelzke, jurisPK-SGB XII, 2. Aufl. 2014, § 72 SGB XII, RdNr. 23; siehe auch zur Feststellung des Merkzeichens Bl und dessen Bedeutung für die Gewährung von Landesblindengeld: Löbner, Behindertenrecht 2018, 63, 64).

cc) Der Begriff der Blindheit nach der AnlVersMedV braucht nicht zwangsläufig vollständig deckungsgleich mit dem der Blindheit in anderen Gesetzen zu sein. Insbesondere weicht die Ausgangslage maßgeblich von der nach Artikel 1 Abs. 2 Satz 1 BayBlindG ab, die den Senat veranlasst hat, seine Rechtsprechung zur Unterscheidung von Störungen beim Erkennen und Benennen sowie zur spezifischen Sehstörung als Voraussetzung der Blindheit für einen Blindengeldanspruch aufzugeben (vgl. Urteil vom 11.8.2015 - B 9 BL 1/14 R - BSGE 119, 224 = SozR 4-5921 Artikel 1 Nr. 3, RdNr. 19 ff). Eine inhaltlich vollständige Übereinstimmung der rechtlichen Voraussetzungen für den Begriff der Blindheit in der mit den AHP inhaltsgleichen AnlVersMedV einerseits und nach dem BayBlindG andererseits, insbesondere zur visuellen Agnosie, besteht nicht und hat das BSG bereits früher nicht angenommen (vgl. Urteil vom 20.7.2005 - B 9a BL 1/05 R - BSGE 95, 76 = SozR 4-5921 Artikel 1 Nr. 2, RdNr. 10 "dagegen"; vgl. zur "Neuinterpretation des Blindheitsbegriffs": Löbner, Behindertenrecht 2018, 63, 64). Auch hat das BSG bereits mit Urteil vom 31.1.1995 (1 RS 1/93 - SozR 3-5920 § 1 Nr. 1 S 3 ff) entschieden, dass § 1 Abs. 3 Nr. 2 des Gesetzes Nr. 761 (Saarländisches Blindheitshilfegesetz) über die Regelungen der seinerzeitigen AHP Nr. 23 Abs. 4 hinausgeht (vgl. auch Demmel, Die Entwicklung und Bedeutung der öffentlich-rechtlichen Blindengeldleistung als Sozialleistung, 2003, S 223 f). Sofern in der Praxis bei der Beurteilung von Blindheit nach den jeweiligen Landesblindengeldgesetzen und dem Feststellungsverfahren von Behinderungen nach der AnlVersMedV bisher von einem einheitlichen Blindheitsbegriff ausgegangen worden sein sollte (vgl. z.B. Löbner, Behindertenrecht 2018, 63, 64), wird außer Acht gelassen, dass auch bei der Auslegung gesetzlich einheitlicher Begriffe nicht unberücksichtigt bleiben kann, welchem (unterschiedlichen) Ziel die jeweiligen Gesetze dienen (vgl. Senatsurteil vom 23.6.1993 - 9/9a RVs 1/91 - BSGE 72, 285, 290 = SozR 3-3870 § 4 Nr. 6 S 33 f).

Anders als die AnlVersMedV mit ihrem Ziel des umfassenden Behinderungsausgleichs verfolgen die Landesblindengeldgesetze die engere Zielsetzung, laufende blindheitsspezifische, auch immaterielle Bedürfnisse des Blinden zu erfüllen. Dies soll ihm ermöglichen, sich trotz Blindheit mit seiner zunehmend visualisierten Umgebung vertraut zu machen, mit eigenen Mitteln Kontakt zur Umwelt zu pflegen und am kulturellen Leben teilzunehmen (vgl. Senatsurteil vom 14.6.2018 - B 9 BL 1/17 R - BSGE 126, 63 = SozR 4-5921 Artikel 1 Nr. 4, RdNr. 20 m.w.N.). Bereits das BVerwG hat hinsichtlich der Blindenhilfe nach § 67 Abs. 1 Bundessozialhilfegesetz (jetzt § 72 SGB XII) ausgeführt, dass Aufwendungen, die einem Blinden durch Kontaktpflege und Teilhabe am kulturellen Leben entstehen, nur einen Teil dessen ausmachen, was ein Blinder bedingt durch sein Leiden im Verhältnis zu einem Sehenden vermehrt aufwenden muss (vgl. BVerwG Urteil vom 4.11.1976 - V C 7.76 - BVerwGE 51, 281, 286 f). Gerade zum Ausgleich dieses sich aus dem Nicht-Sehen-Können ergebenden umfangreichen Mehraufwands zur Teilhabe wird dem Betroffenen - quasi zur Selbsthilfe - pauschal das Blindengeld an die Hand gegeben (vgl. BVerfG (Kammer) Beschluss vom 1.2.2018 - 1 BvR 1379/14 - juris RdNr. 10; Senatsurteil vom 14.6.2018, a.a.O., RdNr. 18 m.w.N.).

3. Der Senat hält den Ausschluss gnostischer Störungen aus dem Kreis der blindheitsrelevanten Beeinträchtigungen in Teil A Nr. 6 Buchst a) bis c) AnlVersMedV für verfassungsrechtlich unbedenklich. Eine Gleichstellung ophthalmologischer und neurologischer Beeinträchtigungen bei den gesundheitlichen Merkmalen für die Inanspruchnahme des Merkzeichens Bl ist weder allgemein unter Gleichbehandlungsgesichtspunkten (dazu unter a) noch aus Gründen der Einheit der Rechtsordnung (dazu unter b) geboten.

a) Das aus dem allgemeinen Gleichbehandlungsgrundsatz (Artikel 3 Abs. 1 GG) folgende Gebot, wesentlich Gleiches gleich und wesentlich Ungleiches ungleich zu behandeln, verwehrt dem Gesetzgeber nicht jede Differenzierung. Er verletzt das allgemeine Gleichheitsgrundrecht erst dann, wenn er bei Regelungen, die Personengruppen betreffen, eine Gruppe von Normadressaten im Vergleich zu einer anderen Gruppe anders behandelt, obwohl zwischen beiden Gruppen keine Unterschiede von solcher Art und solchem Gewicht bestehen, dass sie die ungleiche Behandlung rechtfertigen könnten (vgl. BVerfG (Kammer) Beschluss vom 2.5.2018 - 1 BvR 3042/14 - juris RdNr. 18 m.w.N.). Danach ergeben sich je nach Regelungsgegenstand und Differenzierungsmerkmalen unterschiedliche Grenzen für den Gesetzgeber, die vom Willkürverbot bis zu einer strengen Bindung an Verhältnismäßigkeitserfordernisse reichen (vgl. BVerfG (Kammer) Beschluss vom 3.9.2009 - 1 BvR 2539/07 - juris RdNr. 16 m.w.N.). Bei der Ordnung von Massenerscheinungen ist der Gesetzgeber berechtigt, generalisierende, typisierende und pauschalierende Regelungen zu verwenden (vgl. BVerfG (Kammer) Beschluss vom 27.6.2018 - 1 BvR 100/15 - juris RdNr. 15 m.w.N.). Dabei hat der Gesetzgeber insbesondere im Bereich des Sozialrechts einen weitreichenden Gestaltungsspielraum (vgl. zum Landesblindengeld Schleswig-Holstein: BVerfG (Kammer) Beschluss vom 1.2.2018 - 1 BvR 1379/14 - juris RdNr. 10 m.w.N.).

Der Ausschluss gnostischer Störungen bei den gesundheitlichen Voraussetzungen für die Inanspruchnahme des Nachteilsausgleichs Blindheit stellt keine sachwidrige Benachteiligung behinderter Menschen mit mentalen Beeinträchtigungen dar, weil diese im Schwerbehindertenrecht ebenfalls berücksichtigt und daraus resultierende Teilhabebeeinträchtigungen ausgeglichen werden. Der umfassende Behindertenbegriff i.S. des § 2 Abs. 1 Satz 1 SGB IX bezieht alle körperlichen, geistigen und seelischen Beeinträchtigungen ein (vgl. Senatsurteile vom 16.3.2016 - B 9 SB 1/15 R - SozR 4-3250 § 69 Nr. 22 RdNr. 16 und vom 11.8.2015 - B 9 SB 1/14 R - SozR 4-3250 § 69 Nr. 21 RdNr. 21, jeweils m.w.N.). Die Betrachtung nach Funktions- und Organeinheiten gewährleistet dabei die gebotene sachangemessene Bewertung einzelner und mehrerer Behinderungen in ihrer Relation zueinander. Die Zuordnung der gnostischen Störungen zum Funktionssystem (funktionale Einheit) des Gehirns und nicht zum optischen Apparat folgt medizinischen Gegebenheiten. Sie ist deshalb ein nachvollziehbares Differenzierungskriterium für eine gesonderte Bewertung dieser Gesundheitsstörungen in ihren Auswirkungen auf die Teilhabe am Leben in der Gesellschaft entsprechend dem Finalitätsprinzip (dazu 2.c bb; zur Finalität vgl. Senatsurteil vom 30.9.2009 - B 9 SB 4/08 R - SozR 4-3250 § 69 Nr. 10 RdNr. 30 und vom 11.12.2008 - B 9/9a SB 4/07 R - juris RdNr. 16). Anders als die Klägerin meint, ist aus diesen Gründen zugleich dem besonderen Gleichheitssatz des Artikel 3 Abs. 3 Satz 2 GG zum Schutz behinderter Menschen Genüge getan und das in Artikel 5 Abs. 2 UN-Behindertenrechtskonvention (BRK) ausgesprochene und unmittelbar geltende Diskriminierungsverbot eingehalten, das im Wesentlichen dem Regelungsgehalt des Artikel 3 Abs. 3 Satz 2 GG entspricht (vgl. BSG Urteil vom 6.3.2012 - B 1 KR 10/11 R - BSGE 110, 194 = SozR 4-1100 Artikel 3 Nr. 69, RdNr. 29 ff, 31 m.w.N.).

b) Das enge Begriffsverständnis von Blindheit im Schwerbehindertenrecht läuft der Einheit der Rechtsordnung nicht zuwider (Artikel 3 Abs. 1 i.V.m. Artikel 20 Abs. 3 GG). Die Einheit der Rechtsordnung kann zwar durchbrochen und in der Folge insbesondere der Gleichheitsgrundsatz verletzt sein, wenn der Normgeber verschiedene Rechtsbereiche zu wertungswidersprüchlich ausdifferenziert. Unterschiedliche Regelungen in verschiedenen Bereichen tangieren dagegen solange nicht die Einheit der Rechtsordnung, wie der Normgeber mit den abweichenden Regelungen der Eigenart der verschiedenen Regelungsbereiche Rechnung trägt (vgl. hierzu BVerfG Beschluss vom 15.7.1969 - 1 BvR 457/66 - BVerfGE 26, 327, 334 ff = juris RdNr. 20 ff; Felix, Einheit der Rechtsordnung, 1998, S 399 f). Soweit der Begriff der Blindheit nach Teil A Nr. 6 Buchst a) bis c) von dem weiteren Verständnis von Blindheit in den Landesblindengeldgesetzen oder bei der Blindenhilfe nach § 72 Abs. 1 und 5 SGB XII abweicht, beruht die mangelnde Deckungsgleichheit - unbeschadet der verschiedenen Gesetzgebungskompetenzen (vgl. etwa Senatsurteil vom 14.6.2018 - B 9 BL 1/17 R - BSGE 126, 63 = SozR 4-5921 Artikel 1 Nr. 4, RdNr. 15 m.w.N.) - auf einer anderen Aufgabenstellung und Zielsetzung als im Schwerbehindertenrecht und der dort zur Verfügung stehenden Bandbreite von Nachteilsausgleichen (siehe hierzu bereits unter 2c cc).

4. Die bisherigen Tatsachenfeststellungen des LSG lassen keine abschließende Entscheidung darüber zu, ob die Klägerin einen Anspruch auf Zuerkennung des Merkzeichens Bl ab Antragstellung hat. Die Klägerin ist nicht blind nach Teil A Nr. 6 Buchst a) AnlVersMedV und gehört auch nicht zum Personenkreis mit einer dieser Sehbeeinträchtigung gleichzusetzenden Sehbeeinträchtigung nach Teil A Nr. 6 Buchst b) AnlVersMedV. Ob die Klägerin blind i.S. von Teil A Nr. 6 Buchst c) AnlVersMedV ist, kann mangels ausreichender Tatsachenfeststellungen nicht abschließend beurteilt werden (dazu unter a). Das angefochtene Urteil des LSG ist somit aufzuheben und die Sache zur erneuten Verhandlung und Entscheidung an dieses Gericht zurückzuverweisen, um die fehlenden Ermittlungen nachzuholen (dazu unter b).

a) Nach den Feststellungen des LSG (§ 163 SGG) ist die Klägerin weder blind noch sehbehindert (Teil A Nr. 6 Buchst a) und b) AnlVersMedV). Eine Sehschärfenbeeinträchtigung i.S. von Teil A Nr. 6 Buchst a) und b) AnlVersMedV ist nicht bewiesen. Bei fehlender Reaktion auf visuelle Reize und fehlender Kommunikationsfähigkeit kann bei der Klägerin weder eine Sehschärfe noch die Gesichtsfeldfunktion überprüft werden. Diese Beweislosigkeit geht zu Lasten der Klägerin, da dieser als Anspruchsstellerin die Darlegungs- und Beweislast obliegt (vgl. Senatsurteil vom 14.6.2018 - B 9 BL 1/17 R - BSGE 126, 63 = SozR 4-5921 Artikel 1 Nr. 4, RdNr. 13). Die Feststellungen des LSG lassen keine abschließende Beurteilung zu, ob die Klägerin blind i.S. von Teil A Nr. 6 Buchst c) AnlVersMedV ist. Danach ist blind auch ein behinderter Mensch mit einem nachgewiesenen vollständigen Ausfall der Sehrinde (Rindenblindheit), nicht aber mit einer visuellen Agnosie oder anderen gnostischen Störungen. Diese spezielle Form der Blindheit infolge beidseitiger Zerstörung der Sehzentren in den Hinterhauptlappen des Gehirns hatten die AHP und in der Nachfolge die AnlVersMedV schon länger anerkannt (vgl. BSG Urteil vom 31.1.1995 - 1 RS 1/93 - SozR 3-5920 § 1 Nr. 1 S 6; Wendler/Schillings, Versorgungsmedizinische Grundsätze - Anl zu § 2 Versorgungsmedizin-Verordnung, 9. Aufl. 2018, Teil A: 6. Blindheit und hochgradige Sehbehinderung, zu 2. S 88 m.w.N.). Eine zur Feststellung des Ausfalls der Sehrinde des Gehirns erforderliche bildgebende Diagnostik hielt das Berufungsgericht in Übereinstimmung mit dem Sachverständigen Dr. S. jedoch für entbehrlich, ohne zu berücksichtigen, dass ein behinderter Mensch mit einer visuellen Agnosie oder anderen gnostischen Störungen nicht blind ist, während ein behinderter Mensch mit einem nachgewiesenen vollständigen Ausfall der Sehrinde (Rindenblindheit) immer als blind gilt.

b) Nach Aufhebung und Zurückverweisung der Sache wird das LSG deshalb die fehlenden Feststellungen zur Rindenblindheit als einer weiteren möglichen Störung des Sehorgans nachzuholen haben und sodann abschließend über den Anspruch der Klägerin entscheiden. Die insoweit nach den Ausführungen des Sachverständigen Dr. S. in Betracht kommende weitere bildgebende Diagnostik erscheint in diesem Zusammenhang nicht von vornherein unzumutbar. Zwar hat der Senat im Zusammenhang mit seiner Rechtsprechung zu Artikel 1 Abs. 1 BayBlindG die Diagnostik einer spezifischen Sehstörung wegen ihrer nur unzureichenden Verlässlichkeit für unzumutbar gehalten (vgl. Senatsurteil vom 11.8.2015 - B 9 BL 1/14 R - BSGE 119, 224 = SozR 4-5921 Artikel 1 Nr. 3, RdNr. 23). Vergleichbare Umstände sind bei der Feststellbarkeit der Blindheit nach Teil A Nr. 6 Buchst c) AnlVersMedV nicht gegeben. Hinweise auf parallele Unsicherheiten bei der Diagnostik einer Rindenblindheit bestehen nicht. Denn in diesem Zusammenhang geht es nicht um die Diagnostik einer auf eine richterliche Rechtsfortbildung zurückzuführenden spezifischen Sehstörung, sondern um die Feststellung eines medizinisch eindeutig definierten Sachverhalts. Diese Ermittlungen wird das LSG nunmehr nachzuholen haben.

5. Das LSG wird im wiedereröffneten Berufungsverfahren auch über die Kosten des Revisionsverfahrens zu entscheiden haben.