Bundessozialgericht - B 4 AS 14/10 R - Urteil vom 18.01.2011
Mit § 7 Abs. 1 Satz 1 Nr. 4 SGB II hat der Gesetzgeber - entsprechend dem allgemeinen Grundsatz, wonach jedenfalls bei steuerfinanzierten Leistungen an den Wohnsitz angeknüpft wird - ausdrücklich auf den Begriff des gewöhnlichen Aufenthalts in § 30 Abs. 1 SGB I Bezug genommen. Nach § 30 Abs. 3 Satz 2 SGB I hat jemand seinen gewöhnlichen Aufenthalt dort, wo er sich unter Umständen aufhält, die erkennen lassen, dass er an diesem Ort oder in diesem Gebiet nicht nur vorübergehend verweilt.
Gründe:
I
Die Beteiligten streiten darüber, ob die Klägerin in der Zeit ab 15.2.2007 Anspruch auf Leistungen zur Sicherung des Lebensunterhalts nach dem SGB II hat.
Die im Jahre 1944 geborene Klägerin ist deutsche Staatsangehörige und lebte - mit einer Unterbrechung von September 2004 bis März 2005 - seit 1994 mit ihrem Ehemann in Österreich, während des streitigen Zeitraums in der österreichischen Grenzgemeinde L. Der Ehemann der Klägerin arbeitete in Deutschland und bezieht seit 1.11.2004 eine Rente wegen Erwerbsminderung aus der deutschen gesetzlichen Rentenversicherung sowie eine Betriebsrente. Als Kosten für ein "Wohnrecht" gaben sie "Schuldzinsen" in Höhe von 600 Euro an. Von Juli 2000 bis Juli 2002 war die Klägerin in der Bundesrepublik Deutschland "als sogenannte Grenzgängerin" erwerbstätig. Nach dem Verlust ihres Arbeitsplatzes bezog sie vom 11.7.2002 bis 31.10.2002 und vom 25.11.2002 bis 28.2.2003 Arbeitslosengeld (Alg) und gab am 19.6.2003 gegenüber dem Arbeitsamt G. eine Erklärung nach § 428 SGB III ab.
Der Beklagte lehnte den Antrag der Klägerin vom 15.2.2007 auf Leistungen zur Sicherung des Lebensunterhalts nach dem SGB II ab (Bescheid vom 15.3.2007; Widerspruchsbescheid vom 10.7.2007). Das SG hat die Klage abgewiesen (Gerichtsbescheid vom 10.4.2008). Die Berufung hatte keinen Erfolg (Urteil des Bayerischen LSG vom 27.11.2008). Zur Begründung seiner Entscheidung hat das LSG ausgeführt, die Klägerin habe bereits dem Grunde nach keinen Anspruch auf Leistungen zur Sicherung des Lebensunterhalts nach dem SGB II, weil sie die Anspruchsvoraussetzung eines gewöhnlichen Aufenthalts in der Bundesrepublik Deutschland nicht erfülle. Der Umstand, dass sie nahe zur deutschen Grenze wohne und anscheinend zahlreiche Bezüge und Verbindungen nach Deutschland habe, vermöge hieran nichts zu ändern. Es verstoße nicht gegen höherrangiges Recht, dass kein Leistungsexport ins Ausland möglich sei. Die Gewährleistungen der Arbeitnehmerfreizügigkeit nach Art 39 EG-Vertrag griffen nicht zu ihren Gunsten, weil sie nicht als Arbeitnehmerin angesehen werden könne. Die Klägerin suche definitiv keine Arbeit. Nach Schilderungen ihres Bevollmächtigen sei sie offenbar zuletzt im Jahr 2002 erwerbstätig gewesen. Wegen der Erklärung nach § 428 SGB III und ihrem Bemühen vor den Gerichten der Sozialgerichtsbarkeit um eine Rente aus der gesetzlichen Rentenversicherung sei sie in einer Art und Weise aus dem Erwerbsleben ausgeschieden, dass sie den Status als Arbeitnehmerin eingebüßt habe. Die Leistungen zur Sicherung des Lebensunterhalts stünden in keinerlei Zusammenhang mit der letzten Beschäftigung. Das Recht des Ehemanns der Klägerin auf Arbeitnehmerfreizügigkeit sei schon deswegen irrelevant, weil er als Rentner nicht mehr Arbeitnehmer sei und keine Folgewirkung zu einer ehemaligen Arbeitnehmereigenschaft vorliege. Wegen fehlender Arbeitnehmereigenschaft bestehe auch kein Widerspruch zu Art 7 Abs. 2 EWGV Nr. 1612/68. Die EWGV Nr. 1408/71 führe zu keinem anderen Ergebnis, weil es sich beim Alg II um eine besondere beitragsunabhängige Geldleistung i.S. von Art 4 Abs. 2a EWGV Nr. 1408/71 handele, für die gemäß Art 10a Abs. 1 Satz 1 EWGV Nr. 1408/71 das Recht des Wohnmitgliedstaats gelte. Da somit keine Leistung bei Arbeitslosigkeit gegeben sei, könne es auch keinen "begrenzten Leistungsexport" nach Art 69 oder 71 EWGV Nr. 1408/71 geben. Die Bestimmungen des EG-Vertrags zur Unionsbürgerschaft stünden dem nicht entgegen.
Mit ihrer Revision macht die Klägerin geltend, der Ausschluss von Leistungen zur Sicherung des Lebensunterhalts nach § 7 Abs. 1 Satz 1 Nr. 4 SGB II für Personen, die in Deutschland als sogenannte Grenzgänger erwerbstätig seien, beim deutschen Rentenversicherungsträger eine Rente wegen Erwerbsminderung beantragt und die Erleichterungen des § 65 Abs. 4 SGB II i.V.m. § 428 SGB III in Anspruch genommen hätten, verstoße gegen Art 39 EGV. Der EuGH habe entschieden, dass die aktuelle Ausübung einer unselbstständigen Erwerbstätigkeit keine zwingende Voraussetzung dafür sei, um von den Vergünstigungen der Arbeitnehmerfreizügigkeit zu profitieren. Solange von einem Fortbestand der Arbeitnehmereigenschaft auszugehen sei, komme der Arbeitslose in den Genuss aller auch Inländern gewährten sozialen und steuerlichen Vergünstigungen, wie etwa Sozialhilfe oder SGB II-Leistungen. Sie habe die Arbeitnehmereigenschaft trotz Beendigung ihrer letzten Beschäftigung im Jahre 2002 und Inanspruchnahme der vom Gesetzgeber eingeräumten Erleichterung des § 428 SGB III, weil dies Folge ihres Alters, nicht jedoch einer fehlender Arbeitsbereitschaft sei. Bei der Schaffung der erleichterten Leistungsvoraussetzungen des § 65 Abs. 4 SGB II i.V.m. § 428 SGB III sei der Gesetzgeber offensichtlich davon ausgegangen, dass arbeitslose Personen mit Vollendung des 58. Lebensjahres nahezu keine Chance auf Vermittlung auf dem deutschen Arbeitsmarkt hätten. Wegen des Zwecks der Regelung könne sich die Inanspruchnahme der Erleichterung nicht dahingehend nachteilig auswirken, dass der Arbeitslose im Hinblick auf die Situation älterer Arbeitnehmer auf dem deutschen Arbeitsmarkt, auf den er keinen Einfluss habe, aus dem Schutzbereich der Arbeitnehmerfreizügigkeit falle. Auch mit einem Antrag auf Erwerbsminderungsrente scheide ein Arbeitnehmer nicht aus dem Erwerbsleben aus. Bei Fortbestand der Arbeitnehmerstellung ihres Ehegatten wegen des Bezugs einer Rente wegen Erwerbsminderung komme auch sie in den Genuss aller inländisch gewährten sozialen und steuerlichen Vergünstigungen, wie etwa Sozialhilfe oder Alg II.
Die Klägerin beantragt,
das Urteil des Bayerischen Landessozialgerichts vom 27.11.2008 und den Gerichtsbescheid des Sozialgerichts München vom 10.4.2008 sowie den Bescheid vom 15.3.2007 in der Gestalt des Widerspruchsbescheids vom 10.7.2007 aufzuheben und den Beklagten zu verurteilen, ihr ab 15.2.2007 Leistungen zur Sicherung des Lebensunterhalts nach dem SGB II zu gewähren.
Der Beklagte beantragt,
die Revision zurückzuweisen.
Er führt aus, das LSG habe bindend festgestellt, dass die Klägerin und ihr Ehemann aus dem Erwerbsleben ausgeschieden seien. § 7 Abs. 1 Satz 1 Nr. 4 SGB II verstoße nicht gegen Europäisches Gemeinschaftsrecht, insbesondere nicht die Arbeitnehmerfreizügigkeit. Nach der Rechtsprechung des EuGH werde für die Fortwirkung der Rechte verlangt, dass entweder noch ein Bezug zur beendeten Arbeitsstelle vorhanden oder bereits ein solcher zur beabsichtigten Arbeitsaufnahme hergestellt worden sei. Jedenfalls im letzteren Fall werde verlangt, dass tatsächlich eine Arbeit gesucht werde und somit eine Verfügbarkeit auf dem allgemeinen Arbeitsmarkt gegeben sei. Diese Verfügbarkeit habe die Klägerin durch eigene autonome Handlungen wegen ihrer Erklärung nach § 428 SGB III nicht mehr sichergestellt. Im Übrigen werde nach Art 10a EWGV Nr. 1408/71 eindeutig und abschließend die Rechtsordnung des Wohnsitzstaates berücksichtigt. Eine Diskriminierung mit Inländern sei schon deshalb nicht gegeben, weil auch sie bei gleichem Sachverhalt lediglich die besondere beitragsunabhängige Geldleistung des jeweiligen Inlandsstaates geltend machen könnten. Der Klägerin bleibe es unbenommen, in Österreich die entsprechende beitragsunabhängige Grundsicherung in Anspruch zu nehmen.
II
Die zulässige Revision der Klägerin ist nicht begründet. Das LSG hat die Berufung der Klägerin gegen den klageabweisenden Gerichtsbescheid des SG zu Recht zurückgewiesen. Die angefochtenen Bescheide sind rechtmäßig, weil die Klägerin keinen Anspruch auf Leistungen zur Sicherung des Lebensunterhalts nach dem SGB II hat.
1. Das beklagte Jobcenter ist gemäß § 70 Nr. 1 SGG beteiligtenfähig. Es steht insoweit einer juristischen Person des öffentlichen Rechts gleich. Bei dem Jobcenter (§ 6d SGB II i.d.F. des Gesetzes vom 3.8.2010, BGBl I 1112) handelt es sich um eine gemeinsame Einrichtung (§ 44b Abs. 1 Satz 1 SGB II i.d.F. des Gesetzes vom 3.8.2010, BGBl I 1112), die mit Wirkung vom 1.1.2011 kraft Gesetzes als (teil-)rechtsfähige öffentlich-rechtliche Gesellschaft sui generis entstanden ist (Luik, jurisPR-SozR 24/2010 Anm. 1). Die gemeinsame Einrichtung ist im Rahmen der gesetzlichen Aufgabenzuweisung Trägerin von Rechten und Pflichten und nimmt die Aufgaben der Träger wahr, indem sie insbesondere Verwaltungsakte und Widerspruchsbescheide erlässt (§ 44b Abs. 1 Satz 1 und 2 SGB II). Gemäß § 76 Abs. 3 Satz 1 SGB II tritt die gemeinsame Einrichtung als Rechtsnachfolger an die Stelle der bisherigen beklagten Arbeitsgemeinschaft (ARGE). Nach dieser Vorschrift tritt bei einem Wechsel der Trägerschaft oder der Organisationsform der zuständige Träger oder die zuständige Organisationsform an die Stelle des bisherigen Trägers oder der bisherigen Organisationsform; dies gilt insbesondere für laufende Verwaltungs- und Gerichtsverfahren. Dieser kraft Gesetzes eintretende Beteiligtenwechsel wegen der Weiterentwicklung der Organisation des SGB II stellt keine im Revisionsverfahren unzulässige Klageänderung i.S. von §§ 99, 168 Satz 1 SGG dar (vgl. BSG Urteil vom 9.12.1987 - 10 RKg 5/85, BSGE 62, 269, 270 f = SozR 1200 § 48 Nr. 14; BSG Urteil vom 18.7.2007 - B 12 P 4/06 R, BSGE 99, 15, 16 = SozR 4-3300 § 55 Nr. 1; Leitherer in Meyer-Ladewig/ Keller/Leitherer, 9. Aufl. 2008, § 168 RdNr. 2c). Das Passivrubrum war entsprechend von Amts wegen zu berichtigen.
Verfassungsrechtliche Bedenken gegen die Vorschrift des § 44b SGB II i.d.F. des Gesetzes vom 3.8.2010 (BGBl I, 1112) bestehen nicht. Der verfassungsändernde Gesetzgeber hat die "Leistungserbringung aus einer Hand" mit dem Gesetz zur Änderung des Grundgesetzes (Art 91e GG) vom 21.7.2010 (BGBl I 944) in zulässiger Weise verfassungsrechtlich verankert (Henneke in: Schmidt-Bleibtreu/Hofmann/Hopfauf, Kommentar zum Grundgesetz, 12. Aufl. 2011, Art 91e, RdNr. 43; Volkmann in: v Mangoldt/Klein/Starck, Kommentar zum Grundgesetz, Band 3, 6. Aufl. 2010, Art 91e GG, RdNr. 3 f; unklar Hermes in Dreier, Grundgesetzkommentar, 5. Aufl. 2010, Art 91e RdNr. 26 ff). Der Gesetzgeber hat sich bei der einfachgesetzlichen Ausgestaltung innerhalb des von Art 91e Abs. 1 und 3 GG eröffneten Gestaltungsspielraums bewegt (vgl. Henneke, a.a.O., RdNr. 46 ff; Volkmann, a.a.O., RdNr. 6 f).
2. Gegenstand des Verfahrens ist der Bescheid vom 15.3.2007 in der Gestalt des Widerspruchsbescheids vom 10.7.2007, mit dem der Beklagte Leistungen zur Sicherung des Lebensunterhalts nach dem SGB II für die Zeit ab 15.2.2007 abgelehnt hat. Der streitige Zeitraum erstreckt sich - wie generell in Fällen ablehnender Verwaltungsentscheidungen - bis zur letzten mündlichen Verhandlung vor dem Tatsachengericht (vgl. z.B. BSG Urteil vom 7.5.2009 - B 14 AS 41/07 R), hier also auf den Zeitraum vom 15.2.2007 bis 27.11.2008.
3. Die Klägerin hat in diesem Zeitraum keinen Anspruch auf Leistungen zur Sicherung des Lebensunterhalts nach dem SGB II. Sie erfüllt die Anspruchsvoraussetzungen des § 7 SGB II schon deshalb nicht, weil sie ihren gewöhnlichen Aufenthalt nicht in der Bundesrepublik Deutschland hat, wie dies § 7 Abs. 1 Satz 1 Nr. 4 SGB II i.V.m. § 30 SGB I voraussetzt (4). Auch aus dem Vorbehalt in § 30 Abs. 2 SGB I zugunsten des über- und zwischenstaatlichen Rechts kann die Klägerin keinen Anspruch herleiten. Sie kann weder nach Maßgabe der Regelungen der EWGV Nr. 1408/71 (5) noch aus dem deutsch-österreichischen Fürsorgeabkommen (6) den Export der SGB-II-Leistungen in ihr Wohnsitzland Österreich verlangen. Schließlich kann sie sich nicht auf Art 39 EG in seiner Ausprägung des Art 7 Abs. 2 EWGV Nr. 1612/68 berufen (7). Auch aus der sozialversicherungsrechtlichen Verbindung ihres Ehemannes zur deutschen Rentenversicherung kann sie keine Rechte ableiten (8).
4. Dem Anspruch der Klägerin steht nach den Regelungen des nationalen Rechts entgegen, dass sie keinen gewöhnlichen Aufenthalt in Deutschland hat. Nach § 7 Abs. 1 Satz 1 SGB II erhalten Leistungen nach dem SGB II Personen, die das 15. Lebensjahr vollendet und das 65. Lebensjahr noch nicht vollendet haben (Nr. 1), erwerbsfähig sind (Nr. 2), hilfebedürftig sind (Nr. 3) und ihren gewöhnlichen Aufenthalt in der Bundesrepublik Deutschland haben (Nr. 4). Die Klägerin erfüllt diese Voraussetzungen schon deshalb nicht, weil sie keinen gewöhnlichen Aufenthalt in Deutschland hat. Mit § 7 Abs. 1 Satz 1 Nr. 4 SGB II hat der Gesetzgeber - entsprechend dem allgemeinen Grundsatz, wonach jedenfalls bei steuerfinanzierten Leistungen an den Wohnsitz angeknüpft wird (Mrozynski, SGB I, Allgemeiner Teil, 4. Aufl. 2010, § 30 RdNr. 9, 12) - ausdrücklich auf den Begriff des gewöhnlichen Aufenthalts in § 30 Abs. 1 SGB I Bezug genommen (vgl. BT-Drucks 15/1516 S 52). Nach § 30 Abs. 3 Satz 2 SGB I hat jemand seinen gewöhnlichen Aufenthalt dort, wo er sich unter Umständen aufhält, die erkennen lassen, dass er an diesem Ort oder in diesem Gebiet nicht nur vorübergehend verweilt. Nach den tatsächlichen Feststellungen des LSG lebt die Klägerin seit vielen Jahren in Österreich, sodass nicht zweifelhaft ist, dass sie dort auch ihren gewöhnlichen Aufenthalt hat.
Ein Anspruch der Klägerin auf Leistungen zur Sicherung des Lebensunterhalts ergibt sich auch nicht aus einer Einschränkung des Territorialitätsprinzips des § 7 Abs. 1 Satz 1 Nr. 4 SGB II i.V.m. § 30 SGB I. Die von ihr zitierte Entscheidung des BVerfG vom 30.12.1999 (1 BvR 809/95 - SozR 3-1200 § 30 Nr. 20) betrifft das beitragsabhängige Alg. Hierzu hat das BVerfG ausgeführt, Art 3 Abs. 1 GG gebiete eine verfassungskonforme Auslegung des § 30 Abs. 1 SGB I dahingehend, dass dem Anspruch des zuvor in Deutschland beitragspflichtigen Grenzgängers auf Alg oder Alhi der Auslandswohnsitz jedenfalls dann nicht entgegenstehe, wenn die übrigen Anspruchsvoraussetzungen erfüllt seien. Dabei hat das BVerfG unter Berufung auf Art 14 GG i.V.m. Art 2 GG, Art 3 Abs. 1 GG sowie das Sozialstaatsprinzip darauf abgestellt, dass der Gesetzgeber bei den auf Beiträgen beruhenden Sozialleistungsansprüchen nicht ohne gewichtige sachliche Gründe den Anknüpfungspunkt zwischen Beitragserhebung und Leistungsberechtigung wechseln könne. Die besondere Situation der Grenzgänger sei gerade durch ihre Nähe zum Staatsgebiet der Bundesrepublik Deutschland, ihre zwangsweise Einbeziehung in das nationale Sicherungssystem des Beschäftigungsorts und nicht des Wohnsitzes mit entsprechender Beitragspflicht und durch den fortbestehenden Bezug zum Inlandsarbeitsmarkt gekennzeichnet. Das BVerfG hat also wegen der engen Verknüpfung von Beitragserhebung und Leistungserbringung bei auf Beiträgen beruhenden Sozialleistungen anerkannt, dass die Leistungsvoraussetzungen für das Alg bzw. die Alhi eine spezifische - mit der beitragsrechtlichen Anknüpfung in Einklang stehende - Ausprägung des Territorialitätsprinzips enthalten, die die Reichweite des allgemeinen Wohnsitzprinzips nach § 30 Abs. 1 SGB I einschränkt (vgl. auch BSG Urteil vom 3.7.2003 - B 7 AL 42/02 R, SozR 4-6050 Art 71 Nr. 2, RdNr. 21 f; BSG Urteil vom 27.8.2008 - B 11 AL 7/07 R, SozR 4-4300 § 119 Nr. 7, RdNr. 10; BSG Urteil vom 7.10.2009 - B 11 AL 25/08 R, BSGE 104, 280 ff = SozR 4-1200 § 30 Nr. 5, RdNr. 12).
Anders als das Alg knüpfen die Leistungen zur Sicherung des Lebensunterhalts jedoch nicht an eine vorangehende Beitragsleistung an. Sie berücksichtigen das bisherige Arbeitsentgelt grundsätzlich nicht. Ihre Höhe beruht auf den tatsächlich statistisch ermittelten Verbrauchsausgaben von Haushalten in unteren Einkommensgruppen in der Bundesrepublik Deutschland (§ 20 Abs. 4 SGB II i.V.m. § 28 Abs. 3 Satz 5 SGB XII) und hängt von den allgemeinen Wirtschaftsverhältnissen und dem in der Rechtsgemeinschaft anerkannten Mindestbedarf ab (BSG Urteil vom 22.4.2008 - B 1 KR 10/07 R, BSGE 100, 221 ff = SozR 4-2500 § 62 Nr. 6 RdNr. 31 m.w.N.). Insofern hat das BVerfG bezogen auf den Maßstab des allgemeinen Gleichheitssatzes in seiner Entscheidung vom 30.12.1999 (1 BvR 809/95, SozR 3-1200 § 30 Nr. 20) seine bisherige Rechtsprechung bestätigt, wonach eine durch § 30 Abs. 1 SGB I bewirkte Ungleichbehandlung der Personen mit Auslandswohnsitz im Vergleich zu denjenigen mit Inlandswohnsitz gerechtfertigt sein kann. Verfassungsrechtlich grundsätzlich nicht zu beanstandendes Ziel nationaler Sozialpolitik ist es, sozial relevante Tatbestände im eigenen Staatsgebiet zu formen und zu regeln (vgl. auch BVerfG Beschluss vom 2.7.1998 - 1 BvR 810/90, NJW 1998, 2963 f).
5. a) Aus den Regelungen der EWGV Nr. 1408/71 kann die Klägerin - eine Arbeitnehmereigenschaft i.S. der EWGV 1408/71 mangels ausreichender Feststellungen des LSG unterstellt (vgl. z.B. Urteil des EuGH in der Rechtssache C-85/96, Sala, Slg 1998, I-2691, RdNr. 36, wonach eine Person unabhängig vom Bestehen eines Arbeitsverhältnisses die Arbeitnehmereigenschaft im Sinne der Verordnung Nr. 1408/71 besitzt, sofern sie auch nur gegen ein einziges Risiko bei einem der in Artikel 1 Buchst a der Verordnung Nr. 1408/71 genannten allgemeinen oder besonderen Systeme der sozialen Sicherheit pflichtversichert oder freiwillig versichert ist) - keinen Anspruch auf Erbringung der Leistungen der sozialen Sicherheit in ihrem Wohnsitzland Österreich ableiten.
b) Die Leistungen zur Sicherung des Lebensunterhalts nach dem SGB II sind - anders als Sozialhilfeleistungen nach Art 4 Abs. 4 EWGV Nr. 1408/71 - als besondere beitragsunabhängige Geldleistungen, nicht jedoch als Leistungen bei Arbeitslosigkeit gemäß Art 4 Abs. 1 Buchst g EWGV Nr. 1408/71, von dem sachlichen Anwendungsbereich der für den hier streitgegenständlichen Zeitraum (15.2.2007 bis 27.11.2008) anwendbaren "alten Wanderarbeitnehmerverordnung" EWGV Nr. 1408/71 umfasst (vgl. Nachfolgeverordnung Nr. 883/2004 vom 29.4.2004 (ABl 2004 [EU] Nr. L 166, 1 ff), die nach deren Art 91 Satz 2 erst ab dem Inkrafttreten der Durchführungsverordnung am 1.5.2010 in Kraft getreten ist (Art 97 der VO 987/2009)).
Zum sachlichen Anwendungsbereich der EWGV Nr. 1408/71 bestimmt deren Art 4, dass die Verordnung für alle Rechtsvorschriften über Zweige der sozialen Sicherheit gilt, die u.a. die Leistungsart der Leistungen bei Arbeitslosigkeit betreffen (Abs. 1 Buchst g) und für welche die allgemeinen und die besonderen, die auf Beiträgen beruhenden und die beitragsfreien Systeme der sozialen Sicherheit sowie für die Systeme gilt, nach denen die Arbeitgeber zu Leistungen gemäß Abs. 1 verpflichtet sind (Abs. 2). Nach Art 4 Abs. 2a EWGV Nr. 1408/71 i.d.F. der VO (EG) Nr. 647/2005 vom 13.4.2005 (ABl EG Nr. L 117/1) vom 4.5.2005 gilt Art 4 auch für besondere beitragsunabhängige Geldleistungen, die nach Rechtsvorschriften gewährt werden, die aufgrund ihres persönlichen Geltungsbereichs, ihrer Ziele und/oder ihrer Anspruchsvoraussetzungen sowohl Merkmale der in Abs. 1 genannten Rechtsvorschriften der sozialen Sicherheit als auch solche der Sozialhilfe aufweisen (Satz 1). Der Ausdruck "besondere beitragsunabhängige Geldleistungen" bezeichnet Leistungen a) i), die dazu bestimmt sind, einen zusätzlichen, ersatzweisen oder ergänzenden Schutz gegen die Risiken zu gewähren, die von den in Abs. 1 genannten Zweigen der sozialen Sicherheit gedeckt sind, und den betreffenden Personen ein Mindesteinkommen zur Bestreitung des Lebensunterhalts garantieren, das in Beziehung zu dem wirtschaftlichen und sozialen Umfeld in dem betreffenden Mitgliedstaat steht b), deren Finanzierung ausschließlich durch obligatorische Steuern zur Deckung der allgemeinen öffentlichen Ausgaben erfolgt und deren Gewährung und Berechnung nicht von Beiträgen hinsichtlich der Leistungsempfänger abhängen; jedoch sind Leistungen, die zusätzlich zu einer beitragsabhängigen Leistung gewährt werden, nicht allein aus diesem Grund als beitragsabhängige Leistung zu betrachten; und c) die in Anhang IIa aufgeführt sind. Bezogen auf die letzte Voraussetzung sind durch die VO (EG) 629/2006 vom 5.4.2006 (ABl EG Nr. L 114/1) auf der Grundlage von Art 5 EWGV Nr. 1408/71 mit Wirkung zum 28.4.2006 in den Anhang IIa - als besondere beitragsunabhängige Geldleistungen - der Verordnung Nr. 1408/71 für Deutschland "Leistungen zur Sicherung des Lebensunterhalts im Rahmen der Grundsicherung für Arbeitsuchende, soweit für diese Leistungen nicht dem Grunde nach die Voraussetzungen für den befristeten Zuschlag nach Bezug von Alg (§ 24 Abs. 1 SGB II) erfüllt sind" aufgenommen worden.
c) Ein Anspruch der Klägerin auf einen begrenzten Export der SGB II-Leistungen als Leistungen der sozialen Sicherheit bei Arbeitslosigkeit i.S. des Art 4 Abs. 1 Buchst g EWGV Nr. 1408/71 kann sich - unabhängig vom Vorliegen der weiteren Voraussetzungen für einen Leistungsexport bei echten Grenzgängern (vgl. hierzu EuGH Urteil vom 12.6.1986 in der Rechtssache C-1/85, Miethe, Slg 1986, 1837 ff; Kretschmer in Niesel, SGB III, 5. Aufl. 2010, AnhA Art 71, RdNr. 14) - nicht schon daraus ergeben, dass sie - zumindest dem Grunde nach - die Voraussetzungen für einen befristeten Zuschlag nach § 24 Abs. 1 SGB II erfüllt. Sie hat keinen derartigen Anspruch, weil sie nach den bindenden Feststellungen des LSG zuletzt im Juli 2002 in Deutschland erwerbstätig war und - nach den Feststellungen in dem einstweiligen Rechtsschutzverfahren vor dem Berufungsgericht (L 7 B 1007/08 AS ER), auf welches das LSG in seinem Urteil Bezug genommen hat (vgl. Leitherer in Meyer-Ladewig, SGG, 9. Aufl. 2008, § 163 RdNr. 4 zur zulässigen Entnahme bindender tatsächlicher Feststellungen aus Schriftstücken, auf die in dem angefochtenen Urteil Bezug genommen wird) - in dem Zeitraum vom 16.2.2005 bis 15.2.2007 keinen Anspruch auf Alg als Versicherungsleistung hatte.
d) Die Leistungen zur Sicherung des Lebensunterhalts nach dem SGB II sind entsprechend ihrer Aufnahme in den Anhang IIa EWGV 1408/71 als besondere beitragsunabhängige Geldleistungen, nicht jedoch als Leistungen der sozialen Sicherheit bei Arbeitslosigkeit i.S. von Art 4 Abs. 1 Buchst g EWGV Nr. 1408/71 anzusehen. Insofern hat der 14. Senat des BSG in seinem Urteil vom 19.10.2010 (B 14 AS 23/10 R, RdNr. 29, zur Veröffentlichung in SozR vorgesehen) im Zusammenhang mit der Anwendbarkeit der Kollisionsregel des Art 6 EWGV 1408/71 entschieden, dass die Leistungen zur Sicherung des Lebensunterhalts nach dem SGB II dem sachlichen Anwendungsbereich der EWGV Nr. 1408/71 als besondere beitragsunabhängige Geldleistungen unterfallen. Auch wenn man davon ausgeht, dass die Aufnahme einer Sozialleistung in den Anhang IIa EWGV 1408/71 nach neuerer Rechtsprechung des EuGH eine (weitergehende) Überprüfung nicht ausschließt, ob nicht eine Leistung der sozialen Sicherheit i.S. des Art 4 Abs. 1 EWGV vorliegt und damit die Koordinierungsvorschriften uneingeschränkt zur Anwendung kommen (Urteil des EuGH vom 8.3.2001 in der Rechtssache C-215/99, Jauch, Slg 2001, I-1901, RdNr. 21 f; Urteil vom 29.4.2004 in der Rechtssache C-160/02, Skala, Slg 2004 I-5613, RdNr. 19; vgl. zur Nichtigerklärung durch den EuGH dessen Urteil vom 18.10.2007 in der Rechtssache C-299/05, Kommission/Parlament, Slg 2007, I-8695; Beschorner ZESAR 2009, 320 ff, 322; Windisch-Graetz in ZESAR 2004, 386, 387; Grieser in JurisPK-SGB XII, 1. Aufl. 2010, Vorbemerkung SGB XII, RdNr. 67; Mangold/Pattar in VSSR 2008, 243, 253; s zur alten Rechtsprechung Urteil des EuGH vom 4.11.1997 in der Rechtssache C-20/96, Snares, Slg 1997, I-6057, RdNr. 30 ff), ergibt sich kein anderes Ergebnis.
Entsprechend den in Art 4 Abs. 2a EWGV Nr. 1408/71 in Anlehnung an seine Rechtsprechung aufgenommenen Maßstäben fordert der EuGH ausgehend von dem Zweck der Leistung, dass die besonderen beitragsunabhängigen Geldleistungen eine Leistung der sozialen Sicherheit ersetzen oder ergänzen und den Charakter einer Sozialhilfeleistung aufweisen müssen, die aus wirtschaftlichen und sozialen Gründen gerechtfertigt ist. Bei der Beitragsunabhängigkeit der Leistung prüft der EuGH, ob die Finanzierung unmittelbar oder mittelbar durch Sozialbeiträge oder durch öffentliche Mittel sichergestellt wird (Urteil vom 8.3.2001 in der Rechtssache C-215/99, Jauch, Slg 2001 I-1901 RdNr. 29 f; Urteil vom 29.4.2004 in der Rechtssache C-160/02, Skala, Slg 2004 I-5613 RdNr. 25 ff; Urteil vom 6.7.2006 in der Rechtssache C-154/05, Kersbergen-Lapp/Dams-Schipper, Slg 2006 I-6249 RdNr. 36). In Abgrenzung hierzu kann eine Leistung nur dann als eine solche der sozialen Sicherheit i.S. des Art 4 Abs. 1 EWGV Nr. 1408/71 angesehen werden, wenn sie dem Empfänger unabhängig von jeder auf einer Ermessensausübung beruhenden Einzelfallbeurteilung der persönlichen Bedürftigkeit aufgrund einer gesetzlich umschriebenen Stellung gewährt wird und sich auf eines der in Art 4 Abs. 1 EWGV Nr. 1408/71 ausdrücklich aufgezählten Risiken bezieht. Die Leistung darf nicht von einer für die Sozialhilfe charakteristischen Einzelfallbeurteilung der persönlichen Bedürftigkeit des Antragstellers abhängig sein (Urteil des EuGH vom 18.7.2006 in der Rechtssache C-406/04, De Cuyper, Slg 2006 I-6947, RdNr. 22).
Nach diesen Grundsätzen handelt es sich bei den Leistungen zur Sicherung des Lebensunterhalts nach dem SGB II ohne Zuschlag nach § 24 SGB II um besondere beitragsunabhängige Geldleistungen, weil durch das Erfordernis der Erwerbsfähigkeit (§ 7 Abs. 1 Satz 1 Nr. 2 SGB II) zwar ein Bezug zu den Leistungen bei Arbeitslosigkeit i.S. des Art 4 Abs. 1 Buchst g EWGV Nr. 1408/71 besteht, deren Gewährung jedoch - anders als die beitragsbezogene Leistung Alg als Versicherungsleistung - unabhängig von Beschäftigungs-, Mitglieds- oder Beitragszeiten ist, vom Vorliegen von Bedürftigkeit abhängt (z.B. Geltendmachung von Sozialleistungs- und Unterhaltsansprüchen) und eine beitragsunabhängige Finanzierung durch Steuermittel erfolgt. Auch im Unterschied zur bisherigen Alhi hat das Alg II mangels Bezug zu einer früheren Erwerbstätigkeit keine an den bisherigen Verdienst anknüpfende Entgeltersatzfunktion (für eine Einordnung des Alg II als besondere beitragsunabhängige Geldleistung: Eichenhofer, Sozialrecht der Europäischen Union, 4. Aufl. 2010, § 11 RdNr. 259; Fuchs in NZS 2007, 1 ff, 3 f; Waltermann/Kämpfer, DB 2006, 893 ff; Heinig ZESAR 2008, 465, 471 f; a.A. für die Zeit vor Aufnahme der Leistungen zur Sicherung des Lebensunterhalts in Anhang IIa: Kretschmer in Niesel, SGB III, 5. Aufl. 2010, Anh A Art 71 RdNr. 14; vgl. Urteil des EuGH vom 27.3.1985 in der Rechtssache C-249/83, Hoeckx, Slg 1985, I-973).
e) Als "besondere beitragsunabhängige Geldleistungen" unterfallen die Leistungen zur Sicherung des Lebensunterhalts nach dem SGB II der Wohnortklausel des Art 10a EWGV Nr. 1408/71 i.d.F. der ÄndVO Nr. 1247/92 vom 30.4.1992 (ABl Nr. L 136). Nach Art 10a Abs. 1 EWGV Nr. 1408/71 gelten die Bestimmungen des Art 10 EWGV Nr. 1408/71 zur Aufhebung der Wohnortklauseln nicht für die in Art 4 Abs. 2a EWGV Nr. 1408/71 genannten "besonderen beitragsunabhängigen Geldleistungen" (Satz 1). Die Personen, für die diese Verordnung Anwendung findet, erhalten diese Leistungen ausschließlich im Wohnmitgliedstaat und nach dessen Rechtsvorschriften, sofern diese Leistungen im Anhang IIa aufgeführt sind. Die Leistungen werden vom Träger des Wohnortes zu seinen Lasten gewährt (Sätze 2 und 3). Zu diesen Vorschriften hat der EuGH in ständiger Rechtsprechung entschieden, dass der Grundsatz der Exportierbarkeit von Leistungen der sozialen Sicherheit nur solange gelte, wie der Gemeinschaftsgesetzgeber keine Ausnahmevorschriften - wie hier Art 10a EWGV Nr. 1408/71 - erlassen habe. Die Gewährung von eng an das soziale Umfeld gebundenen Leistungen könne davon abhängig gemacht werden, dass der Empfänger im Staat des zuständigen Trägers wohne, wodurch eine besondere Verbundenheit mit der Gesellschaft des Mitgliedstaates zum Ausdruck komme (Urteil des EuGH vom 4.11.1997 in der Rechtssache C-20/96, Snares, Slg 1997, I-6057 RdNr. 41 f; Urteil des EuGH vom 8.3.2001 in der Rechtssache C-215/99, Jauch, Slg 2001, I-1901 RdNr. 21; Cornelissen in Fuchs, Europäisches Sozialrecht, 5. Aufl. 2010, Art 70 RdNr. 18). Dies trifft auf die Leistungen zur Sicherung des Lebensunterhalts - wie oben dargelegt (siehe unter 4) - zu.
6. Ein Anspruch der Klägerin auf die von ihr begehrte Erbringung der SGB-II-Leistungen im Wege des Leistungsexports ergibt sich nicht aus dem Abkommen zwischen der Bundesrepublik Deutschland und der Republik Österreich über Fürsorge und Jugendwohlfahrtspflege vom 17.1.1966 (BGBl II 1969, 2 ff), das als zwischenstaatliches Abkommen von dem Territorialitätsprinzip des § 30 Abs. 2 SGB I unberührt bleibt und dem - bezogen auf besondere beitragsunabhängige Geldleistungen - auch die Kollisionsregel des Art 6 EWGV 1408/71 nicht entgegensteht (BSG Urteil vom 19.10.2010 - B 14 AS 23/10 R, RdNr. 30, zur Veröffentlichung in SozR vorgesehen). Art 2 Abs. 1 des Abkommens bestimmt, dass Staatsangehörigen der einen Vertragspartei, die sich im Hoheitsgebiet der anderen Vertragspartei aufhalten, Fürsorge und Jugendwohlfahrtspflege in gleicher Weise, in gleichem Umfang und unter den gleichen Bedingungen wie den Staatsangehörigen des Aufenthaltsstaates gewährt wird. Die Klägerin hat also einen Anspruch auf existenznotwendige Leistungen nach österreichischem Recht.
7.a) Art 7 Abs. 2 EWGV 1612/68 bzw. Art 39 EG (hier anwendbar in der Fassung des Vertrages von Nizza: BGBl II 2001, 1666 - der Vertrag von Lissabon ist erst zum 1.12.2009 in Kraft getreten, BGBl II 1223) stehen jedenfalls unter den Umständen des vorliegenden Falls der Anknüpfung der Leistungen zur Sicherung des Lebensunterhalts an den gewöhnlichen Aufenthalt in der Bundesrepublik (§ 7 Abs. 1 Satz 1 Nr. 4 SGB II) nicht entgegen. Art 39 Abs. 1 EG bestimmt, dass innerhalb der Union die Freizügigkeit der Arbeitnehmer gewährleistet ist. Sie umfasst die Abschaffung jeder auf der Staatsangehörigkeit beruhenden unterschiedlichen Behandlung der Arbeitnehmer der Mitgliedstaaten in Bezug auf Beschäftigung, Entlohnung und sonstige Arbeitsbedingungen (Art 39 Abs. 2 EG). Nach Art 7 Abs. 2 EWGV 1612/68 genießt ein Arbeitnehmer im Hoheitsgebiet eines anderen Mitgliedstaates die gleichen sozialen und steuerlichen Vergünstigungen wie inländische Arbeitnehmer. Auch Wohnsitzerfordernisse bei beitragsunabhängigen Geldleistungen nach Art 4a i.V.m. Art 10a EWGV 1408/71 sind ergänzend am Diskriminierungsverbot des Art 7 Abs. 2 EWGV 1612/68 zu messen (Urteil des EuGH vom 11.9.2007 in der Rechtssache C-287/05, Hendrix, Slg 2007, I-6909 RdNr. 51 ff; Urteil des EuGH vom 12.5.1998 in der Rechtssache C-85/96, Sala, Slg 1998, I-2691 RdNr. 27; Urteil des EuGH vom 10.3.1993 in der Rechtssache C-111/91, Kommission/Luxemburg, Slg 1993, I-817 RdNr. 21; Dauber VSSR 2009, 299 ff, 309; a.A. Steinmeyer in Fuchs, Europäisches Sozialrecht, 5. Aufl. 2010, Art 7 EWGV 1612/68 RdNr. 4, 8). § 7 Abs. 2 EWGV 1612/68 beinhaltet eine besondere Ausprägung des in Art 39 Abs. 2 EG enthaltenen Gleichbehandlungsgrundsatzes auf dem speziellen Gebiet der Gewährung sozialer Vergünstigungen und ist daher in gleicher Weise auszulegen (Urteil des EuGH vom 11.9.2007 in der Rechtssache C-287/05, Hendrix, Slg 2007, I-6909 RdNr. 31).
b) Zwar sind die Leistungen zur Sicherung des Lebensunterhalts nach dem SGB II als "soziale Vergünstigungen" i.S. des Art 7 Abs. 2 EWGV 1612/68 anzusehen. Der Begriff der "sozialen Vergünstigung" umfasst alle Sozialleistungen, die - ob sie an einen Arbeitsvertrag anknüpfen oder nicht - den inländischen Arbeitnehmern wegen ihrer objektiven Arbeitnehmereigenschaft oder einfach wegen ihres Wohnortes im Inland gewährt werden und deren Ausdehnung auf Arbeitnehmer, die Staatsangehörige eines anderen Mitgliedstaats sind, deshalb als geeignet erscheint, deren Mobilität innerhalb der Gemeinschaft zu erleichtern (Urteil des EuGH vom 18.7.2007 in der Rechtssache C-213/05, Geven, Slg 2007, I-6347 RdNr. 12; Urteil des EuGH vom 12.5.1998 in der Rechtssache C-85/96, Sala, Slg 1998, I-2691 RdNr. 25; Fuchs in Europäisches Sozialrecht, 5. Aufl. 2010, Einführung RdNr. 22). Hierzu zählen Leistungen mit Arbeitsmarktbezug, aber auch allgemein existenzsichernde Leistungen (vgl. EuGH Urteil vom 18.6.1987 in der Rechtssache C-316/85, Lebon, Slg 1987, I-2811 RdNr. 13 f; Urteil des EuGH vom 27.3.1985 in der Rechtssache C-249/83, Hoeckx, Slg 1985, I-973) wie das Alg II.
c) Es kann offenbleiben, ob die Klägerin aufgrund ihrer Beschäftigung in der Bundesrepublik sowie des anschließenden Bezugs von Leistungen der deutschen Arbeitslosenversicherung (weiterhin) als Arbeitnehmerin i.S. der EWGV 1612/68 anzusehen ist. Auch nach Beendigung des Arbeitsverhältnisses kann die Arbeitnehmereigenschaft bestimmte Folgewirkungen haben (vgl. z.B. Urteil des EuGH vom 24.9.1998 in der Rechtssache C-35/97, Kommission/Frankreich, Slg 1998, I-5325 RdNr. 41; Urteil des EuGH vom 6.11.2003 in der Rechtssache C-413/01, Ninni-Orasche, Slg 2003, I-13187 RdNr. 34 m.w.N.). Der Anwendbarkeit des Art 7 Abs. 2 EWGV 1612/68 steht jedenfalls nicht entgegen, dass die Klägerin wohl nur in dem Mitgliedstaat ihrer Staatsangehörigkeit gearbeitet und ihren Wohnsitz in einen anderen Mitgliedstaat verlegt hat. Jeder Gemeinschaftsangehörige, der von seinem Recht auf Freizügigkeit der Arbeitnehmer Gebrauch gemacht und in einem anderen Mitgliedstaat als dem Wohnstaat eine Berufstätigkeit ausgeübt hat, fällt unabhängig von seinem Wohnort und seiner Staatsangehörigkeit in den Anwendungsbereich des Art 39 EG bzw. Art 7 EWGV 1612/68 (EuGH Urteil vom 21.2.2006 in der Rechtssache C-152/03, Ritter-Coulais, Slg 2006, I-1711 RdNr. 31; EuGH Urteil vom 11.9.2007 in der Rechtssache C-287/05, Hendrix, Slg 2007, I-6909 RdNr. 74; EuGH Urteil vom 18.7.2007 in der Rechtssache C-212/05, Hartmann, Slg 2007, I-6303). Der Begriff des Arbeitnehmers nach Art 7 EWGV 1612/68 erfasst auch (ehemalige) Grenzgänger, die sich ebenso auf die Gleichbehandlung bei sozialen Vergünstigungen berufen können wie die anderen von der Bestimmung erfassten Arbeitnehmer (EuGH Urteil vom 18.7.2007 in der Rechtssache C-213/05, Geven, Slg 2007, I-6347 ff RdNr. 15).
d) Der Klägerin ist jedoch unter den Umständen des vorliegenden Falls jedenfalls das Wohnsitzerfordernis des § 7 Abs. 1 Satz 1 Nr. 4 SGB II entgegenzuhalten. Dieses ist grundsätzlich vereinbar mit Art 39 EG und Art 7 Abs. 2 EWGV 1612/68. Es ist objektiv gerechtfertigt und steht in einem angemessenen Verhältnis zum vom nationalen Gesetzgeber mit der Regelung verfolgten Zweck. Insofern hat der EuGH die in nationalen Vorschriften enthaltenen Wohnortvoraussetzungen, mit denen Art 4 Abs. 2a EWGV 1408/71 und Art 10a EWGV 1408/71 angewandt werden, als solche grundsätzlich als mit Art 39 EG und Art 7 Abs. 2 VO 1612/68 vereinbar angesehen, wenn die Leistung eng mit dem sozialen und wirtschaftlichen Kontext des betreffenden Mitgliedstaates verbunden ist (EuGH Urteil vom 11.9.2007 in der Rechtssache C-287/05, Hendrix, Slg 2007, I-6909, RdNr. 55). Diese Voraussetzung trifft auf die hier streitigen Leistungen zur Sicherung des Lebensunterhalts zu, deren enge Verbindung mit dem sozialen und wirtschaftlichen Kontext der Bundesrepublik Deutschland sich u.a. daraus ergibt, dass sich die Höhe dieser Leistungen an den Verbrauchsausgaben von Haushalten in unteren Einkommensgruppen an dem Lebensstandard in der Bundesrepublik Deutschland orientiert (siehe oben unter 4.).
Die Berücksichtigung des Wohnortes für die Gewährung der Leistungen zur Sicherung des Lebensunterhalts beeinträchtigt die Klägerin unter den Umständen des vorliegenden Falls auch nicht in einem Maße, das über das hinausgeht, was zur Erreichung des mit dem SGB II verfolgten legitimen Ziels erforderlich ist. Insofern obliegt es nach der Rechtsprechung des EuGH zunächst der zuständigen nationalen Behörde und ggf. den innerstaatlichen Gerichten den nationalen Rechtsvorschriften soweit wie möglich eine gemeinschaftskonforme Auslegung zu geben (EuGH Urteil vom 6.7.2006 in der Rechtssache C-154/05, Kasbergen-Lap und Dams-Schipper, Slg 2006, I-6249 RdNr. 33 m.w.N.; EuGH Urteil vom 12.3.2009 in der Rechtssache C-22/08, Vatsouras, SozR 4-6035 Art 39 Nr. 5, RdNr. 64). Eine Exportverpflichtung für besondere beitragsabhängige Geldleistungen hat der EuGH nur in Ausnahmefällen, gestützt auf die besonderen Umstände des Falls - z.B. eine entsprechende Regelung des niederländischen Rechts - angenommen, die in Fällen "erheblicher Unbilligkeit" einen Leistungsexport vorsieht (Otting in Hauck/Noftz, EU-Sozialrecht, Kommentar, Stand Mai 2010, K Art 70 RdNr. 25). Jedenfalls im Falle der Klägerin bestehen keine Anhaltspunkte für ein Absehen von dem Wohnorterfordernis unter Verhältnismäßigkeitsgesichtspunkten. Zwar können gerade (ehemalige) Grenzgänger (noch) enge Bezüge zum Arbeitsort und -umfeld haben und sind Fallgestaltungen denkbar, in denen - etwa in Form einer Teilzeitbeschäftigung ggf. mit ergänzenden SGB II-Leistungen - (weiterhin) ein Bezug zum deutschen Arbeitsmarkt besteht (vgl. zu diesem Kriterium im Zusammenhang mit der Bewilligung von Erziehungsgeld: EuGH Urteil vom 18.7.2007, Rs C-213/05, Geven, Slg 2007, I-6347 RdNr. 25 sowie EuGH Urteil vom 18.7.2007, Rs C-212/05, Hartmann, Slg 2007, I-6303 RdNr. 36) oder ergänzend SGB II-Leistungen zur Eingliederung in Arbeit nach Maßgabe der §§ 14 bis 18 SGB II vorrangig im bisherigen Beschäftigungsstaat Deutschland erbracht werden, also weiterhin eine enge Beziehung zum Arbeitsmarkt des bisherigen Beschäftigungsstaats besteht. Eine derartige Fallgestaltung liegt hier jedoch nicht vor, weil eine enge tatsächliche Verbindung der Klägerin zum deutschen Arbeitsmarkt nicht (mehr) gegeben ist. Das LSG hat insofern festgestellt, dass die Klägerin in der Bundesrepublik Deutschland definitiv keine Arbeit suche, und dies mit Beendigung der beruflichen Tätigkeit bereits im Juli 2002, ihrem Bemühen um eine Rente aus der deutschen Rentenversicherung und der Abgabe ihrer Erklärung zu der (auslaufenden) Sonderregelung des § 428 SGB III gegenüber der Arbeitsverwaltung vom 19.6.2003 begründet, die einen Verzicht auf die Arbeitsbereitschaft, nicht aber die Arbeitsfähigkeit (BSG Urteil vom 30.6.2005 - B 7a/7 AL 98/04 R, BSGE 95, 43 = SozR 4-4300 § 428 Nr. 2) beinhaltet. An diese Feststellungen zur fehlenden Arbeitsuche der Klägerin ist der Senat gebunden, weil sie insofern keine zulässigen und begründeten Revisionsrügen erhoben hat (§ 163 SGG i.V.m. § 164 Abs. 2 Satz 3 SGG).
8. Die Klägerin kann auch nicht aus dem Umstand, dass ihr Ehemann seine Rente aus der deutschen Rentenversicherung nach Österreich exportieren kann, ein eigenes Recht auf Mitnahme der Leistungen zur Sicherung des Lebensunterhalts nach dem SGB II nach Österreich ableiten. Familienangehörigen eines Arbeitnehmers stehen abgeleitete Rechte nur insofern zu, als sie diese als Familienangehörige eines Arbeitnehmers erworben haben, d.h. einer Person, die Ansprüche auf Leistungen im Sinne der Verordnung aus eigenem Recht geltend machen kann (Urteil des EuGH vom 10.10.1996 in der Rechtssache C-245/94, Hoever und Zachow, Slg 1996, I-4895, SozR 3-6050 Art 4 Nr. 8 RdNr. 31). Wegen dieser Unterscheidung zwischen eigenen und abgeleiteten Rechten (vgl. hierzu auch Eichenhofer, Sozialrecht der Europäischen Union, 4. Aufl. 2010, S 91) kann die Klägerin den eigenständigen Anspruch auf Leistungen zur Sicherung des Lebensunterhalts nach dem SGB II nicht aus der sozialversicherungsrechtlichen Verbindung ihres Ehemanns zur deutschen Rentenversicherung herleiten. Auch aus Art 7 EWGV 1612/68 kann der Ehemann der Klägerin für diese keine Rechte ableiten. Mit der Beendigung des Arbeitsverhältnisses geht die Arbeitnehmereigenschaft i.S. des Art 7 Abs. 2 EWGV 1612/68 grundsätzlich verloren und endet die Anspruchsberechtigung aus Art 7 Abs. 2 EWGV 1612/68 (Steinmeyer in Fuchs, Europäisches Sozialrecht, 5. Aufl. 2010, EWGV 1612/68 Art 7 RdNr. 19).
9. Der Senat kann ohne Vorabentscheidung des EuGH entscheiden. Zwar ist die Entscheidung von der Auslegung von Bestimmungen der EWGV 1408/71 und EWGV 1612/68 abhängig. Eine Vorlagepflicht besteht jedoch nicht, wenn die Auslegung entscheidungserheblicher Normen durch die bisherige Rechtsprechung des EuGH bereits geklärt ist (BSGE 70, 206, 215 = SozR 3-4100 § 4 Nr. 3 m.w.N.). Dies trifft hier zu, denn der EuGH hat - wie ausgeführt - den Inhalt der streitgegenständlichen Normen für die hier zu beurteilende Sachlage in ständiger Rechtsprechung ausgefüllt.
Die Kostenentscheidung beruht auf § 193 SGG.