BSG - Urteil vom 31.5.2005 - Az.: B 2 U 12/04 R
Eine bandscheibenbedingte Erkrankung der Lendenwirbelsäule bedingt - neben einem objektivierten Schaden durch Veränderung an der Bandscheibe - chronische oder chronisch wiederkehrende Beschwerden mit Funktionseinschränkungen.
Für die Anerkennung einer Erkrankung als BK 2108 müssen
folgende Tatbestandsmerkmale gegeben sein.
a) Bei dem Versicherten muss eine bandscheibenbedingte Erkrankung der LWS
vorliegen, die durch langjähriges Heben oder Tragen schwerer Lasten oder durch
langjährige Arbeit in extremer Rumpfbeugehaltung entstanden ist.
b) Die Erkrankung muss den Zwang zur Unterlassung aller gefährdenden
Tätigkeiten herbeigeführt haben, und der Versicherte darf eine solche
Tätigkeit tatsächlich nicht mehr ausüben.
c) Für das Vorliegen des Tatbestandes der BK ist ein ursächlicher Zusammenhang
zwischen der versicherten Tätigkeit und der schädigenden Einwirkung und
zwischen der schädigenden Einwirkung und der Erkrankung erforderlich. Dabei
müssen die Krankheit, die versicherte Tätigkeit und die durch sie bedingten
schädigenden Einwirkungen einschließlich deren Art und Ausmaß iS des
"Vollbeweises", also mit an Sicherheit grenzender Wahrscheinlichkeit,
nachgewiesen werden, während für den ursächlichen Zusammenhang als
Voraussetzung der Entschädigungspflicht, der nach der auch sonst im Sozialrecht
geltenden Lehre von der wesentlichen Bedingung zu bestimmen ist, grundsätzlich
die (hinreichende) Wahrscheinlichkeit - nicht allerdings die bloße Möglichkeit
- ausreicht (BSG.........).
Tatbestand
Der Kläger begehrt die Anerkennung und Entschädigung seiner Wirbelsäulenerkrankung als Berufskrankheit (BK) nach Nr. 2108 der Anlage 1 zur Berufskrankheiten-Verordnung - BKVO - (BK 2108).
Der im Jahre 1938 geborene Kläger war von 1953 bis 1995 durchgehend als Maurer beschäftigt. Er hat diese Tätigkeit im Januar 1995 aufgegeben und bezieht seit Februar 1996 eine Rente wegen Berufsunfähigkeit aus der gesetzlichen Rentenversicherung.
Nachdem der Orthopäde Dr. S. im Januar 1995 eine BK-Anzeige erstattet, der Technische Aufsichtsdienst der Beklagten die sog. arbeitstechnischen Voraussetzungen für die Anerkennung einer BK 2108 als erfüllt angesehen und der Chirurg Dr. H. wegen des Vorliegens eines schicksalhaften monosegmentalen Befalls der Lendenwirbelsäule (LWS) ohne Funktionseinschränkungen die medizinischen Voraussetzungen für eine solche BK nicht als gegeben angesehen hatte, lehnte die Beklagte die Gewährung einer Entschädigung ab (Bescheid vom 20. Juni 1996 in der Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 29. Januar 1997).
Das Sozialgericht (SG) Hamburg hat die Klage mit der Begründung abgewiesen, bei dem Kläger liege eine derartige Fehlhaltung der Wirbelsäule vor, dass die Bandscheibe L5/S1 auch ohne wirbelsäulenbelastende Tätigkeit geschädigt wäre und so die Kausalität mit der beruflichen Tätigkeit zu verneinen sei (Urteil vom 26. Oktober 1998). Das Landessozialgericht Hamburg (LSG) hat die Berufung des Klägers zurückgewiesen (Urteil vom 2. März 2004). Zwar erfülle der Kläger die arbeitstechnischen Voraussetzungen einer ausreichend hohen und langen beruflichen Exposition durch Heben und Tragen schwerer Lasten während seiner mehr als 40-jährigen durchgehenden beruflichen Tätigkeit als Maurer, jedoch liege bei ihm eine bandscheibenbedingte Erkrankung der LWS nicht vor. Voraussetzung hierfür sei neben einem objektivierten Schaden, der durch Veränderungen an der Bandscheibe verursacht sei, ein chronisches oder chronisch-rezidivierendes Krankheitsbild mit Funktionseinschränkungen. Demgegenüber reiche das Vorliegen allein einer Osteochondrose, einer Spondylose oder einer Spondylarthrose ohne ursächlichen Bezug zu einer Bandscheibendegeneration und ohne ein dadurch bedingtes klinisches Beschwerdebild nicht aus. Aufgrund der vorliegenden Befundberichte und medizinischen Sachverständigengutachten liege bei dem Kläger ein mit bildgebenden Verfahren nachgewiesener Bandscheibenschaden im Bereich L5/S1 i.S. einer Osteochondrose vor, der jedoch nicht zu einem klinischen Beschwerdebild mit Funktionseinschränkungen geführt habe. Darüber hinaus bestehe eine primäre Spondylarthrose ohne vorangehende Bandscheibendegeneration in den Segmenten L3/L4 und L4/L5 mit einer Einengung des Wirbelsäulenkanals ohne Schädigungen oder Vorwölbungen der Bandscheiben in diesen Abschnitten. Eine Osteochondrose habe somit in diesen Segmenten zum damaligen Zeitpunkt nicht vorgelegen. Die von dem Sachverständigen Dr. N. nunmehr beschriebene Osteochondrose auch im Segment L3/L4, die im Zeitpunkt der Aufgabe der belastenden Tätigkeit im Januar 1995 eindeutig nicht vorgelegen habe, stelle keine bandscheibenbedingte Erkrankung dar, weil ihr ebenfalls ein entsprechender Segmentbefund nicht zugeordnet werden könne. Da in Würdigung der gesamten Aktenlage eine bandscheibenbedingte Erkrankung der LWS nicht anzunehmen sei, habe der Senat die Fragen unbeantwortet lassen können, ob eine solche mit hinreichender Wahrscheinlichkeit auf die berufliche Exposition des Klägers durch langjähriges Heben und Tragen schwerer Lasten zurückzuführen wäre. Dies gelte auch für die Frage, ob die von Dr. B. vertretene Auffassung, nach der die bisher zur Feststellung der Berufsbedingtheit des bandscheibenbedingten Schadens von medizinischen Sachverständigen, insbesondere auch Dr. N., herangezogenen Kriterien wie Vorliegen eines belastungskonformen Schadensbildes, einer "Linksverschiebung" und Abwesenheit konkurrierender Ursachen nicht mehr geeignet seien, zutreffe. Die Revision werde zugelassen, weil die Rechtsfrage, wie der Begriff der bandscheibenbedingten Erkrankung i.S. der BK 2108 auszulegen sei, grundsätzliche Bedeutung habe.
Mit seiner - vom LSG zugelassenen - Revision macht der Kläger geltend, die vom LSG aufgeworfene Rechtsfrage sei weder klärungsbedürftig noch klärungsfähig noch entscheidungserheblich, weil die Antwort auf sie praktisch außer Zweifel stehe, so gut wie unbestritten und zudem zu pauschal gestellt sei. Mit seinem Argument, bei dem Kläger liege nach den überzeugenden Ausführungen der Sachverständigen eine typische bandscheibenbedingte Erkrankung nicht vor, verstoße das LSG gegen die Vorschrift der Nr. 2108 der Anlage 1 zur BKVO. Darin gebe es keine Unterscheidung in typische und untypische bandscheibenbedingte Erkrankungen der LWS bzw. in solche im engeren und im weitesten Sinne, wie sie hier sämtliche gerichtlich bestellten medizinischen Gutachter anführten. Indem sich das Gericht diese Auffassungen der Sachverständigen zu Eigen mache, verkenne es die juristisch vorzunehmende Subsumtion der Tatbestandsvoraussetzungen dieser Vorschrift.
Als Verfahrensmängel seien ein Verstoß gegen den Grundsatz der freien Beweiswürdigung (§ 128 Abs. 1 Satz 1 des Sozialgerichtsgesetzes <SGG>), das rechtliche Gehör (§ 62 SGG, Art 103 Abs 1 des Grundgesetzes <GG>), den Grundsatz der Untersuchungsmaxime (§ 103 SGG) und das Recht auf Anhörung eines bestimmten Arztes (§ 109 SGG) zu rügen. Indem das LSG sich fehlerhaft auf eine im Jahre 2002 erhobene Diagnose stütze, die zum maßgeblichen Zeitpunkt (Aufgabe der gefährdenden Tätigkeit) im Jahre 1995 noch nicht vorgelegen habe, nehme es eine fehlerhafte Beweiswürdigung vor. Eine Verletzung des rechtlichen Gehörs liege darin, dass das Gericht die Frage der sog haftungsausfüllenden Kausalität offen gelassen habe, obwohl gerade hierzu sämtliche Gerichtsgutachter beider Instanzen umfangreich vorgetragen hätten. Sein Prozessbevollmächtigter habe schriftsätzlich um rechtliches Gehör beim LSG nachgesucht, indem er für den Fall, dass das Gericht eine weitere Sachaufklärung nicht für notwendig halte, um Angabe der "tragenden medizinischen Gründe" hierfür gebeten habe. Hierauf sei "keinerlei sachgerechte Aufklärung" erfolgt, und in der letzten mündlichen Verhandlung sei er durch die Mitteilung des LSG überrascht worden, dass die Revision wegen grundsätzlicher Bedeutung zugelassen werde und sein Sachvortrag nebst Beweisanträgen und Anfragen obsolet geworden sei. Hiervon habe sich das Berufungsgericht auch nicht durch die von seinem Prozessbevollmächtigten mündlich vorgebrachte von der des Dr. N. abweichende Auffassung abbringen lassen. Hierin liege gleichzeitig ein Verstoß gegen den Untersuchungsgrundsatz, da hinreichender Anlass bestanden habe, von Amts wegen weitere Sachverhaltsermittlungen vorzunehmen.
Hätte das LSG weitere Amtsermittlungen unter Bezugnahme auf die vorliegenden
medizinischen Gutachten abgelehnt und auf dieser Basis eine ablehnende
Entscheidung gefällt, läge ein Verstoß gegen § 109 SGG vor. Dem ersten
Antrag auf Einholung eines Gutachtens nach § 109 SGG habe das LSG stattgegeben,
jedoch habe er der Auflage zur Zahlung eines Kostenvorschusses wegen der erst
nach Vorlage des Gutachtens von Dr. B. erteilten Deckungszusage durch seine
Rechtsschutzversicherung nachkommen können. Wegen der nach seiner Auffassung
noch notwendigen Aufklärung von Amts wegen habe der Antrag nach § 109 SGG nur
für den Fall der Ablehnung weiterer Amtsermittlung wieder zur Geltung kommen
bzw. als neu gestellt gelten sollen. Hierzu sei es jedoch nicht gekommen. Selbst
wenn der ursprünglich bewilligte Antrag untergegangen sein sollte, wäre seinem
Schriftsatz vom 16. Februar 2004 ein neuer Antrag zu entnehmen, der nicht
verspätet oder in Verschleppungsabsicht gestellt worden sei.
Der Kläger beantragt,
das Urteil des Landessozialgerichts Hamburg vom 2. März 2004 sowie das Urteil des Sozialgerichts Hamburg vom 26. Oktober 1998 aufzuheben und die Beklagte unter Aufhebung des Bescheides vom 20. Juni 1996 in der Fassung des Widerspruchsbescheides vom 29. Januar 1997 zu verurteilen, ihn wegen der Folgen einer Berufskrankheit nach Nr. 2108 der Anlage 1 zur Berufskrankheiten-Verordnung zu entschädigen, hilfsweise, das Urteil des Landessozialgerichts aufzuheben und die Sache zur erneuten Verhandlung und Entscheidung an das Berufungsgericht zurückzuverweisen.
Die Beklagte beantragt,
die Revision zurückzuweisen.
Sie hält das angefochtene Urteil für zutreffend.
Entscheidungsgründe
Die Revision des Klägers ist unbegründet. Er hat keinen Anspruch auf
Anerkennung und Entschädigung seiner Wirbelsäulenerkrankung als BK 2108, wie
SG und LSG zutreffend entschieden haben. Die angefochtenen Bescheide der
Beklagten sind rechtmäßig und verletzen den Kläger nicht in seinen Rechten.
Der vom Kläger verfolgte Anspruch richtet sich noch nach den bis zum 31.
Dezember 1996 geltenden Vorschriften der Reichsversicherungsordnung (RVO), weil
die geltend gemachte BK vor dem Inkrafttreten des Siebten Buches
Sozialgesetzbuch (SGB VII) am 1. Januar 1997 eingetreten sein soll (Art. 36 des
Unfallversicherungs-Einordnungsgesetzes, § 212 SGB VII).
Nach § 547 RVO gewährt der Träger der Unfallversicherung nach Eintritt des
Arbeitsunfalls nach Maßgabe der ihm folgenden Vorschriften Leistungen,
insbesondere bei Vorliegen einer Minderung der Erwerbsfähigkeit um wenigstens
20 v.H. Verletztenrente in der dem Grad der Erwerbsminderung entsprechenden
Höhe (§ 581 Abs. 1 Nr. 2 RVO). Als Arbeitsunfall gilt gemäß § 551 Abs. 1
Satz 1 RVO auch eine BK. BKen sind die Krankheiten, welche die Bundesregierung
durch Rechtsverordnung mit Zustimmung des Bundesrates (BR) bezeichnet und die
ein Versicherter bei einer der in den §§ 539, 540 und 543 bis 545 RVO
genannten Tätigkeiten erleidet (§ 551 Abs. 1 Satz 2 RVO). Eine solche
Bezeichnung nimmt die BKVO mit den sog Listenkrankheiten vor. Hierzu gehören
nach Nr. 2108 bandscheibenbedingte Erkrankungen der LWS durch langjähriges
Heben oder Tragen schwerer Lasten oder durch langjährige Tätigkeit in extremer
Rumpfbeugehaltung, die zur Unterlassung aller Tätigkeiten gezwungen haben, die
für die Entstehung, die Verschlimmerung oder das Wiederaufleben der Krankheit
ursächlich waren oder sein können.
Für die Anerkennung einer Erkrankung als BK 2108 müssen folgende
Tatbestandsmerkmale gegeben sein: Bei dem Versicherten muss eine
bandscheibenbedingte Erkrankung der LWS vorliegen, die durch langjähriges Heben
oder Tragen schwerer Lasten oder durch langjährige Arbeit in extremer
Rumpfbeugehaltung entstanden ist. Die Erkrankung muss den Zwang zur Unterlassung
aller gefährdenden Tätigkeiten herbeigeführt haben, und der Versicherte darf
eine solche Tätigkeit tatsächlich nicht mehr ausüben. Für das Vorliegen des
Tatbestandes der BK ist ein ursächlicher Zusammenhang zwischen der versicherten
Tätigkeit und der schädigenden Einwirkung und zwischen der schädigenden
Einwirkung und der Erkrankung erforderlich. Dabei müssen die Krankheit, die
versicherte Tätigkeit und die durch sie bedingten schädigenden Einwirkungen
einschließlich deren Art und Ausmaß i.S. des "Vollbeweises", also
mit an Sicherheit grenzender Wahrscheinlichkeit, nachgewiesen werden, während
für den ursächlichen Zusammenhang als Voraussetzung der
Entschädigungspflicht, der nach der auch sonst im Sozialrecht geltenden Lehre
von der wesentlichen Bedingung zu bestimmen ist, grundsätzlich die
(hinreichende) Wahrscheinlichkeit - nicht allerdings die bloße Möglichkeit -
ausreicht (BSG SozR 3-5670 Anl. 1 Nr. 2108 Nr. 2 mwN).
Es mangelt bereits am Vorliegen einer bandscheibenbedingten Erkrankung der
LWS. Nach den Feststellungen des LSG liegt bei dem Kläger ein mit bildgebenden
Verfahren nachgewiesener Bandscheibenschaden im Bereich L5/S1 i.S. einer
Osteochondrose vor, der nicht zu einem klinischen Beschwerdebild mit
Funktionseinschränkungen geführt hat. Darüber hinaus besteht eine primäre
Spondylarthrose ohne vorangehende Bandscheibendegeneration in den Segmenten
L3/L4 und L4/L5 mit einer Einengung des Wirbelsäulenkanals ohne Schädigungen
oder Vorwölbungen der Bandscheiben in diesen Abschnitten.
Diese Feststellungen sind für den Senat bindend (§ 163 SGG), da sie nicht
mit zulässigen und begründeten Verfahrensrügen angegriffenen sind. Soweit der
Kläger einen Verstoß des LSG gegen den Grundsatz der freien Beweiswürdigung
rügt, ist diese Rüge unzulässig. Der Grundsatz der freien richterlichen
Beweiswürdigung beinhaltet sowohl die Befugnis als auch die Pflicht des
Tatsachengerichts, nachdem der Sachverhalt vollständig und abschließend
ermittelt ist, das Gesamtergebnis des Verfahrens einschließlich der erhobenen
Beweise frei nach der inneren Überzeugungskraft der jeweiligen Beweismittel und
des Beteiligtenvortrages unter Abwägung aller Umstände darauf, ob die
maßgebenden Tatsachen mit an Sicherheit grenzender Wahrscheinlichkeit bzw. im
Falle geringerer Anforderungen mit hinreichender Wahrscheinlichkeit feststehen,
zu würdigen. Die Beweiswürdigung steht grundsätzlich im Ermessen des
Tatsachengerichts. Das Revisionsgericht kann nur prüfen, ob das
Tatsachengericht bei der Beweiswürdigung gegen Denkgesetze oder allgemeine
Erfahrungssätze verstoßen hat, und ob es das Gesamtergebnis des Verfahrens
ausreichend und umfassend berücksichtigt hat (stRspr vgl. BSG, Urteil vom 6.
April 1989 - 2 RU 69/87 - HV-Info 1989, 1368; BSG SozR 3-2200 § 539 Nr. 19;
BSG, Urteil vom 27. Januar 1994 - 2 RU 3/93 - HVBG-Info 1994, 943; BSG SozR
3-2200 § 551 Nr. 16; Meyer-Ladewig, SGG, 7. Aufl, § 128 RdNr 10 bis 13 mwN).
Das Vorliegen dieser Voraussetzungen muss im Einzelnen dargelegt werden. Diesen
Anforderungen entspricht das diesbezügliche Vorbringen des Klägers nicht. Mit
seinem Vortrag, das LSG habe sich auf eine im Jahre 2002 erhobene Diagnose
gestützt, die im Jahre 1995 noch nicht vorgelegen habe, bezeichnet der Kläger
weder ein Denkgesetz noch einen Erfahrungssatz, gegen den das Gericht verstoßen
haben soll, noch nennt er eine nicht ausreichende Berücksichtigung des
Gesamtergebnisses des Verfahrens.
Auch eine Verletzung des rechtlichen Gehörs hat der Kläger nicht schlüssig
dargetan. Sein Vortrag, das LSG habe die Frage der sog haftungsausfüllenden
Tätigkeit offen gelassen, obwohl gerade hierzu sämtliche Gerichtsgutachter
umfangreich vorgetragen hätten, bezeichnet keinen Verstoß gegen § 62 SGG bzw.
Art. 103 GG. Zwar kann als Verfahrensmangel gerügt werden, das Gericht habe
wesentliches Vorbringen der Prozessbeteiligten nicht in Erwägung gezogen (vgl.
u.a. BVerfGE 63, 177, 179, 180), doch betrifft dies nicht den vorliegenden Fall,
dass Sachverständige zu Problemen Stellung nehmen, auf die es - wie hier - nach
der Auffassung des Gerichts nicht in entscheidungserheblicher Weise ankommt.
Auch soweit der Kläger vorträgt, das LSG habe ihn nicht entsprechend dem von
seinem Prozessbevollmächtigten vorgebrachten Wunsch nach Mitteilung der
"tragenden medizinischen Gründe" für das Absehen von weiteren
Ermittlungen sachgerecht aufgeklärt, legt er damit keinen Verstoß gegen das
rechtliche Gehör dar. Insbesondere gegenüber rechtskundig vertretenen
Beteiligten besteht nämlich weder eine allgemeine Aufklärungspflicht des
Gerichts über die Rechtslage noch die Pflicht, bei der Erörterung der Sach-
und Rechtslage bereits die endgültige Beweiswürdigung darzulegen, denn es kann
und darf das Ergebnis der Entscheidung, die in der nachfolgenden Beratung des
Gerichts erst gefunden werden soll, nicht vorwegnehmen (vgl. BSG SozR 3-1500 §
153 Nr. 1). Darauf aber läuft der Vortrag des Klägers hinaus, das Gericht sei
zur Angabe der genannten Gründe für seine Auffassung, eine weitere
medizinische Aufklärung sei nicht erforderlich, verpflichtet, denn es müsste
so seine endgültige Würdigung der bisher erhobenen Beweise darlegen. Soweit
der Kläger eine Verletzung des rechtlichen Gehörs darin sieht, dass er durch
die in der letzten mündlichen Verhandlung vom LSG mitgeteilte Auffassung, es
werde die Revision wegen grundsätzlicher Bedeutung zulassen und sein
Sachvortrag nebst Beweisanträgen sei obsolet geworden, überrascht worden sei,
mangelt es ebenfalls an der schlüssigen Darlegung eines solchen Verstoßes. Es
ist nicht dargetan, inwieweit die Absicht der Revisionszulassung sich überhaupt
in entscheidungserheblicher Weise ausgewirkt habe und inwiefern hier etwa sein
Vorbringen vom Gericht nicht entgegengenommen und gewürdigt worden sein soll.
Das Vorbringen des Klägers, das LSG habe sich durch den mündlichen Vortrag
seines Prozessbevollmächtigten nicht von seiner Auffassung abbringen lassen,
reicht dafür jedenfalls nicht aus.
Auch mit seinem Vortrag, ein Verstoß gegen die Amtsermittlungspflicht
gemäß § 103 SGG liege vor, weil nach seiner Auffassung noch weitere
Aufklärung erforderlich gewesen sei, die das LSG nicht betrieben habe, legt der
Kläger keinen entsprechenden Verfahrensmangel in schlüssiger Weise dar. Es
mangelt an einer hinreichenden Darstellung, inwiefern sich das Gericht auf der
Grundlage seiner materiellen Rechtsauffassung zu weiteren und ggf. welchen
Ermittlungen hätte gedrängt fühlen müssen und zu welchem die Entscheidung
beeinflussenden Ergebnis die für erforderlich gehaltene weitere Beweisaufnahme
voraussichtlich geführt hätte.
Die vom LSG festgestellten Veränderungen der Wirbelsäule des Klägers
stellen keine bandscheibenbedingte Erkrankung der LWS i.S. der BK 2108 dar. Zwar
ist - worauf der Kläger wohl auch hinweist - dem Wortlaut der BK 2108 nicht
unmittelbar zu entnehmen, dass der Bandscheibenschaden zu einer Erkrankung mit
chronisch wiederkehrenden Beschwerden mit Funktionseinschränkungen der LWS
geführt haben muss, wie es etwa im Merkblatt für die ärztliche Untersuchung
für diese BK (BArBl 3/1993 S 50) dargetan wird. Allein nach dem Wortlaut einer
Nummer der Anlage 1 zur BKVO kann indes der Inhalt einer bestimmten BK oftmals
nicht bestimmt werden. Im Laufe der Jahrzehnte hat der Verordnungsgeber der BKVO
BKen in unterschiedlicher Fassung in die Anlage aufgenommen; wegen der oftmals
recht unbestimmten Fassung der Tatbestände dieser BKen sind die Träger der
gesetzlichen Unfallversicherung und die Gerichte verpflichtet, deren Inhalt
über den Wortlaut hinaus zu bestimmen, wobei hierfür die allgemein anerkannten
juristischen Methoden anzuwenden sind. Dabei kommt für die Auslegung dem Willen
des Verordnungsgebers bzw dem Sinn und Zweck der Vorschrift besondere Bedeutung
zu, so dass auch eine Einschränkung des Anwendungsbereichs einer Norm
gegenüber ihrem Wortlaut ("teleologische Reduktion") möglich ist
(zur Auslegung der BK-Tatbestandsvoraussetzungen s Senatsurteil vom 12. April
2005 - B 2 U 6/04 R -, zur Veröffentlichung vorgesehen).
Zu der Frage, was unter einer bandscheibenbedingte Erkrankung der LWS zu
verstehen sein soll, hat der Verordnungsgeber in der Begründung zur Zweiten
Änderungsverordnung (2. ÄndVO), durch welche die BK 2108 in die
Berufskrankheitenliste aufgenommen worden ist (BR-Drucks 773/92 S. 8),
eingehende Ausführungen gemacht. Danach sind unter bandscheibenbedingten
Erkrankungen zu verstehen: Bandscheibendegeneration (Diskose), Instabilität im
Bewegungssegment, Bandscheibenvorfall (Prolaps), degenerative Veränderungen der
Wirbelkörperabschlussplatten (Osteochondrose), knöcherne Ausziehungen an den
vorderen seitlichen Randleisten der Wirbelkörper (Spondylose), degenerative
Veränderungen der Wirbelgelenke (Spondylarthrose) mit den durch derartige
Befunde bedingten Beschwerden und Funktionseinschränkungen der Wirbelsäule.
Aus dem Wortlaut des Verordnungstextes und diesen Ausführungen ist zu
entnehmen, dass ein objektivierter Bandscheibenschaden vorliegen muss, der in
einer kausalen Beziehung zu einer Erkrankung der LWS oder HWS i.S. der in der
Begründung genannten Krankheitsbilder steht (s LSG Baden-Württemberg, Urteil
vom 2. September 1998 - L 2 U 4279/97 = E-LSG U - 106 = NZS 1999, 93;
Brandenburg BG 1993, 791, 794). Der Senat hat es bisher offen gelassen, ob auch
Erkrankungen geringeren Ausmaßes - etwa bloße röntgenologisch feststellbare
Veränderungen der LWS ohne Funktionsbeeinträchtigung - zur Erfüllung des
Tatbestandsmerkmals der bandscheibenbedingten Erkrankung der LWS ausreichen (BSG
Urteil vom 22. August 2000 - B 2 U 34/99 R = SozR 3-5670 Anl. 1 Nr. 2108 Nr. 2).
Dass dies der Fall ist, folgt nicht nur aus den genannten Materialien, sondern
auch aus einer sinnorientierten Auslegung der Regelung unter Beachtung des
Gesamtzusammenhangs. Die Erkrankung i.S. der Nr. 2108 der Anlage 1 zur BKVO muss
zur Unterlassung aller Tätigkeiten gezwungen haben, die für die Entstehung,
die Verschlimmerung oder das Wiederaufleben der Krankheit ursächlich waren oder
sein können. Dies ist nur bei einem Krankheitsbild möglich, das über einen
längeren Zeitraum andauert, also chronisch oder zumindest chronisch
wiederkehrend ist, und das zu Funktionseinschränkungen führt, die eben eine
Fortsetzung der genannten Tätigkeit unmöglich machen (vgl. Brandenburg BG
1993, 791, 794; LSG Baden-Württemberg aaO; zustimmend Peter Becker SGb 2000,
116, 118 mwN). Da die Erkrankung der LWS des Klägers zwar auf einem
nachgewiesenen Bandscheibenschaden beruht, aber nicht zu einem klinischen
Beschwerdebild mit Funktionseinschränkungen geführt hat, erfüllt sie die
Tatbestandsvoraussetzungen für eine BK 2108 nicht. Das LSG hat daher in
zutreffender Weise die Frage der Kausalität zwischen der belastenden Tätigkeit
und der Wirbelsäulenerkrankung offen gelassen, weil es hierauf für die
Entscheidung nicht mehr ankommt.
Nach alledem war die Revision des Klägers zurückzuweisen.
Die Kostenentscheidung beruht auf § 193 SGG.