Gründe:

I

Die Klägerin begehrt eine Entschädigung wegen überlanger Dauer ihres vor dem SG Berlin unter dem Aktenzeichen S 102 AS 17926/07 geführten Klageverfahrens.

Am 17.4.2007 beantragte die Klägerin beim später beklagten Jobcenter die Bewilligung von Leistungen zur Grundsicherung für Arbeitsuchende nach dem SGB II. Das Jobcenter lehnte den Antrag ab, weil die Klägerin mit einem Erwachsenen in einer eheähnlichen Gemeinschaft lebe und keine aktuellen Einkommensnachweise ihres Mitbewohners vorgelegt habe (Bescheid vom 25.5.2007; Widerspruchsbescheid vom 17.7.2007).

Am 3.8.2007 erhob die Klägerin Klage vor dem SG Berlin. Am 22.10.2007 teilte der Beklagte mit, er habe bereits mit Bescheid vom 9.8.2007 den angefochtenen Bescheid aufgehoben und dem Begehren der Klägerin damit entsprochen. Deren Bevollmächtigte erwiderte, die Klägerin erhalte weiterhin keine Leistungen. Vielmehr habe der Beklagte am 28.8.2007 einen erneuten Versagungsbescheid erlassen, gegen den Widerspruch eingelegt werde. Der Beklagte teilte dem Gericht mit, nach seiner Auffassung sei der Versagungsbescheid Gegenstand des Klageverfahrens geworden. Auf die Bitte der Bevollmächtigten der Klägerin von Anfang 2008, die Sache zu terminieren, wies das Gericht auf eine Vielzahl vorrangiger Verfahren hin und legte die Sache für drei Monate auf Wiedervorlage. Nach einem weiteren Austausch von Schriftsätzen über das Bestehen einer nichtehelichen Lebensgemeinschaft verfügte der Kammervorsitzende die Sache im August 2008 in das so genannte Entscheidungsfach. Mitte August 2009 wurde für den 10.9.2009 ein Erörterungstermin anberaumt. Dabei wurde der streitbefangene Leistungszeitraum auf die Zeit vom 7.7.2007 bis Ende Februar 2008 eingegrenzt. Mit Schreiben vom 16.9.2009 forderte das Gericht umfangreiche Belege zur Prüfung der Hilfsbedürftigkeit an, die die Klägerin auf Nachfragen des Gerichts bis Dezember 2009 ergänzte. Eine dazu vom Gericht angeforderte Stellungnahme des Beklagten erfolgte trotz mehrerer auch telefonischer Erinnerungen des Gerichts erst im April 2010. Im Juni 2010 sah das Gericht den Rechtsstreit nach einer erneuten Erwiderung der Klägerin als entscheidungsreif an.

Unter dem 9.9.2010 sowie dem 28.1.2011 bat die Klägerin um eine alsbaldige Entscheidung. Unter dem 20.9.2011 ersuchte der Kammervorsitzende sie um die Angabe von Anschriften verschiedener als Zeugen in Betracht kommender Personen. Ende Dezember 2011 wurde der Rechtsstreit auf den 26.1.2012 terminiert. Am 4.1.2012 wurde der Termin wegen Verhinderung der Klägerin aufgehoben. Unter demselben Datum erhob die Klägerin Verzögerungsrüge. Ein weiterer auf den 22.3.2012 anberaumter Termin wurde wegen Verhinderung der Bevollmächtigten der Klägerin aufgehoben.

Am 25.9.2012 fand ein Erörterungstermin statt. Der neue Kammervorsitzende wies darin darauf hin, der Versagungsbescheid vom 28.8.2007 sei nicht Gegenstand des Verfahrens geworden. Er sei jedoch rechtswidrig und aufzuheben, weshalb das Jobcenter den Antrag der Klägerin vom 17.4.2007 auf Gewährung von Leistungen noch zu bescheiden haben dürfe. Der Beklagte sagte eine möglichst rasche Bescheidung zu und die Beteiligten erklärten den Rechtsstreit übereinstimmend für erledigt.

Am 4.12.2012 hat die Klägerin Entschädigungsklage erhoben und geltend gemacht, das SG hätte noch im Jahr 2007 über die Klage entscheiden müssen, da sie mittellos und auf staatliche Unterstützung angewiesen gewesen sei. Die erforderlichen Angaben habe sie alle gemacht, das SG habe lediglich über eine Rechtsfrage entscheiden müssen. Der zeitnahen Entscheidung sei erhebliche Bedeutung zugekommen. Sie sei gezwungen gewesen, sich existenzielle Mittel auf andere Art zu besorgen. Die lange Verfahrensdauer habe nicht nur sie, sondern auch ihre Familie belastet, von der sie sich Geld geborgt habe. Nicht zuletzt habe der jahrelange Rechtsstreit auch ihr Untermietverhältnis als Einnahmequelle gefährdet.

Mit dem angefochtenen Urteil vom 2.8.2013 hat das LSG festgestellt, dass die Dauer des Klageverfahrens unangemessen gewesen sei und die Klage im Übrigen abgewiesen. Zwar sei das Verfahren mit fünf Jahren und einem Monat unangemessen lang gewesen. Die Angemessenheit der Verfahrensdauer richte sich nicht nach starren Fristen, sondern gemäß § 198 Abs. 1 Satz 2 GVG nach den Umständen des Einzelfalls, die in einen allgemeinen Wertungsrahmen einzuordnen seien. Diese Umstände könnten die objektiv lange Dauer des streitgegenständlichen Verfahrens nicht in vollem Umfang erklären. Das Ausgangsverfahren sei wegen der vom Gericht zu treffenden Tatsachenfeststellungen und der ungewöhnlichen Bescheidlage von durchschnittlicher Schwierigkeit gewesen. Die wirtschaftliche Bedeutung der Sache sei für die Klägerin aufgrund des zuletzt begrenzten Zeitraums nur beschränkt gewesen. Sie müsse sich zudem entgegenhalten lassen, nicht um einstweiligen Rechtsschutz nachgesucht zu haben.

Mit Blick auf den Verfahrenslauf sei festzustellen, dass das Gericht zwischen August 2008 und August 2009 untätig geblieben sei und es zwischen Mitte Juni 2010 und Mitte September 2011 zu einer weiteren 15-monatigen Verzögerung gekommen sei. Jedenfalls im Hinblick auf diese zweite Verzögerung sei das Verfahren als unangemessen lang anzusehen, weil es in diesem Zeitpunkt wegen der bereits abgelaufenen drei Jahre einer beschleunigten Bearbeitung bedurft hätte.

Einen Anspruch auf Entschädigung habe die Klägerin gleichwohl nicht, weil in Verfahren, die bei Inkrafttreten des Gesetzes über den Rechtsschutz bei überlangen Gerichtsverfahren und strafrechtlichen Ermittlungsverfahren (ÜGG) bereits verzögert gewesen seien, die Rüge unverzüglich und damit innerhalb eines Monats hätte erhoben werden müssen. Dies habe die Klägerin versäumt. Danach sei es nicht mehr zu Verzögerungen gekommen, die dem Beklagten anzulasten seien.

Mit ihrer vom LSG zugelassenen Revision begehrt die Klägerin eine Verurteilung des Beklagten zur Zahlung einer angemessenen Entschädigung für den Zeitraum ab 2008. Das Verfahren hätte bereits im Jahr 2007 entschieden werden können und müssen. Das SG habe seine Verfahrensführung darauf ausgerichtet, die angebliche nichteheliche Lebensgemeinschaft der Klägerin doch noch festzustellen und dabei verkannt, dass bereits am 9.8.2007 ein Aufhebungsbescheid ergangen sei. Damit sei dem Verfahren der Boden entzogen worden. Das SG habe fünf Jahre gebraucht, um den Beteiligten mitzuteilen, dass der Versagungsbescheid vom 28.8.2007 nicht Verfahrensgegenstand geworden und rechtswidrig gewesen sei. Über den Leistungsantrag der Klägerin vom 17.4.2007 sei letztlich erst mit Bescheid vom 27.6.2013 in einem weiteren Klageverfahren entschieden worden. Das erstinstanzliche Gericht sei nicht nur lange untätig gewesen, sondern habe mit seinen Verfügungen die Klägerin weiter belastet. Diese Verzögerungsrüge sei entgegen der Ansicht des SG unverzüglich erhoben worden, nämlich 14 Tage nach der Wiedervorlage der Handakte bei der Prozessbevollmächtigten.

Die Klägerin beantragt,

das Urteil des LSG Berlin-Brandenburg vom 2.8.2013 aufzuheben und den Beklagten zu verurteilen, wegen der unangemessenen Dauer ihres unter dem Aktenzeichen S 102 AS 17926/07 vor dem Sozialgericht Berlin geführten Verfahrens eine angemessene Entschädigung in Höhe von mindestens 1200 Euro für jedes Jahr der Verzögerung ab 2008 zuzüglich Zinsen in Höhe von 5 Prozentpunkten über dem Basissatz seit Rechtshängigkeit zu zahlen.

Das beklagte Land beantragt,

die Revision zurückzuweisen.

Die Verzögerungsrüge sei nicht unverzüglich erhoben worden. Im Übrigen hätte es der Klägerin freigestanden, die Klage zurückzunehmen, wenn sie der Auffassung gewesen sei, dass der ursprünglichen Klage bereits mit Aufhebung des angefochtenen Bescheids im Jahr 2007 der Boden entzogen gewesen sei. Zu der Rechtsauffassung des ursprünglichen Kammervorsitzenden, der Aufhebungsbescheid sei nach § 96 SGG Gegenstand des Verfahrens geworden, habe sie sich zu keiner Zeit ablehnend geäußert.

 

II

Die vom LSG zugelassene und von der Klägerin zulässig erhobene Revision ist im Sinne der Aufhebung und Zurückverweisung begründet.

1. Die Entschädigungsklage ist zulässig.

a) Der Senat hat das Begehren der Klägerin sowohl in prozessualer als auch in materiell-rechtlicher Hinsicht an §§ 198 ff GVG zu messen, weil das ÜGG in ihrem Fall anwendbar war. Artikel 23 S 1 1. Alternative ÜGG eröffnet Entschädigungsansprüche auch für solche Verfahren, die wie das Ausgangsverfahren vor dem SG bei Inkrafttreten des ÜGG bereits anhängig waren.

b) Das LSG war für die Entscheidung funktional und örtlich zuständig. In den der Sozialgerichtsbarkeit zugewiesenen Angelegenheiten (vgl. § 51 SGG) ist gemäß § 201 Abs. 1 Satz 1 GVG i.V.m. § 202 Satz 2 SGG für Klagen auf Entschädigung nach § 198 GVG gegen ein Land das für dieses Land örtlich zuständige Landessozialgericht zuständig.

c) Die Klagefrist des § 198 Abs. 5 Satz 2 GVG hat die Klägerin eingehalten, weil sie ihre Klage weniger als sechs Monate nach der Rechtskraft des Ausgangsverfahrens erhoben hat.

2. Die Revision ist im Sinne der Aufhebung und Zurückverweisung der Sache an das LSG begründet. Die Klägerin hat den richtigen Beklagten verklagt (dazu a) und entgegen der Ansicht des LSG die Verzögerungsrüge rechtzeitig erhoben (dazu b). Die Ausführungen des LSG zur Angemessenheit der Verfahrensdauer halten revisionsgerichtlicher Überprüfung nur zum Teil Stand (dazu c).

a) Das beklagte Land Berlin ist für die Entschädigungsklagen nach § 200 Satz 1 GVG passiv legitimiert, weil es danach für Nachteile haftet, die aufgrund von Verzögerungen bei seinen Gerichten entstehen; solche Nachteile macht die Klägerin aufgrund ihres bei dem SG Berlin geführten Verfahrens geltend.

b) Die Verzögerungsrüge wurde rechtzeitig erhoben. Anders als vom LSG angenommen steht dem Anspruch der Klägerin nicht Artikel 23 ÜGG i.V.m. § 198 Abs. 3 GVG entgegen.

Entschädigung erhält ein Verfahrensbeteiligter gemäß § 198 Abs. 3 GVG nur, wenn er bei dem mit der Sache befassten Gericht die Dauer des Verfahrens gerügt hat (Verzögerungsrüge, zur Eigenschaft als materiell-rechtliche Voraussetzung BSG Beschluss vom 27.6.2013 - B 10 ÜG 9/13 B - SozR 4-1710 Artikel 23 Nr. 1 RdNr. 27; BFH Zwischenurteil vom 7.11.2013 - X K 13/12 - BFHE 243, 126, Juris RdNr. 24; BGH Urteil vom 17.7.2014 - III ZR 228/13 - Juris RdNr. 14 m.w.N.). Die Verzögerungsrüge kann erst erhoben werden, wenn Anlass zur Besorgnis besteht, dass das Verfahren nicht in einer angemessenen Zeit abgeschlossen wird; eine Wiederholung der Verzögerungsrüge ist frühestens nach sechs Monaten möglich, außer wenn ausnahmsweise eine kürzere Frist geboten ist (§ 198 Abs. 3 Satz 1 und 2 GVG). Für anhängige Verfahren, die im Zeitpunkt des Inkrafttretens des ÜGG am 3.12.2011 schon verzögert waren, gilt dies mit der Maßgabe, dass die Verzögerungsrüge unverzüglich nach Inkrafttreten erhoben werden muss (Artikel 23 S 2 ÜGG).

Der erkennende Senat hat zur Frage der Unverzüglichkeit einer Verzögerungsrüge bislang nur darauf hingewiesen, "unverzüglich" bedeute nach der im bürgerlichen Recht geltenden Legaldefinition des § 121 Abs. 1 Satz 1 BGB "ohne schuldhaftes Zögern". Die Gesetzesbegründung zum ÜGG lege es nahe, diese allgemeine Bestimmung auch im vorliegenden Zusammenhang heranzuziehen (vgl. BT-Drucks 17/3802 S 31). Damit gehöre zum Begriff der Unverzüglichkeit ein nach den Umständen des Falles beschleunigtes Handeln, das dem Interesse des Empfängers der betreffenden Erklärung an der gebotenen Klarstellung Rechnung trage. Demnach sei "unverzüglich" nicht gleichbedeutend mit "sofort". Vielmehr sei dem Verfahrensbeteiligten eine angemessene Überlegungsfrist einzuräumen, ob er seine Rechte durch eine Verzögerungsrüge wahren müsse (BSG Beschluss vom 27.6.2013 - B 10 ÜG 9/13 B - SozR 4-1710 Artikel 23 Nr. 1 RdNr. 29). Der Senat konkretisiert diesen Ansatz auch für den Fall anwaltlicher Vertretung im Einklang mit der Rechtsprechung des BGH (Urteil vom 10.4.2014 - III ZR 335/13 - NJW 2014, 1967, Juris RdNr. 25; Urteil vom 17.7.2014 - III ZR 228/13 - Juris RdNr. 22) und des BFH (Zwischenurteil vom 7.11.2013 - X K 13/12 - BFHE 243, 126, Juris RdNr. 39 ff) nunmehr dahin, dass eine Verzögerungsrüge noch "unverzüglich" erhoben ist, wenn sie spätestens drei Monate nach Inkrafttreten des ÜGG beim Ausgangsgericht einging. Hierbei ist insbesondere der Zweck des Gesetzes ausschlaggebend, durch die Einräumung eines Entschädigungsanspruchs gegen den Staat bei überlanger Verfahrensdauer eine Rechtsschutzlücke zu schließen und eine Regelung zu schaffen, die sowohl den Anforderungen des Grundgesetzes (Artikel 19 Abs. 4, Artikel 20 Abs. 3 GG) als auch denen der Konvention zum Schutz der Menschenrechte und Grundfreiheiten (Artikel 6 Abs. 1, Artikel 13 EMRK) nach effektivem Rechtsschutz gerecht wird (BGH Urteil vom 10.4.2014 - III ZR 335/13 - NJW 2014, 1967 m.w.N., Juris RdNr. 25). Da die neue Entschädigungsregelung am 3.12.2011 in Kraft getreten ist, lag die im Januar 2012 erhobene Verzögerungsrüge noch innerhalb der der Klägerin eingeräumten Zeitspanne.

c) Die Ausführungen des LSG zur unangemessenen Dauer des Ausgangsverfahrens halten revisionsrichterlicher Überprüfung nur teilweise Stand.

aa) Ausgangspunkt und erster Schritt der Angemessenheitsprüfung bildet die in § 198 Abs. 6 Nr. 1 GVG definierte Gesamtdauer des Gerichtsverfahrens von der Einleitung bis zum rechtskräftigen Abschluss. Kleinste im Geltungsbereich des ÜGG relevante Zeiteinheit ist hierbei der Monat.

Das Ausgangsverfahren hat eine erhebliche Gesamtdauer erreicht, bevor es am 25.9.2012 in einem Erörterungstermin unstreitig beendet wurde. Bis dahin lief das Verfahren nach den Feststellungen des LSG seit August 2007 und hatte damit etwas mehr als 5 Jahre gedauert.

In einem zweiten Schritt ist der Ablauf des Verfahrens an den von § 198 Abs. 1 Satz 2 GVG genannten Kriterien zu messen, die auch unter Heranziehung der Rechtsprechung des EGMR und des BVerfG auszulegen und zu vervollständigen sind (bb bis ff).

Bei der Feststellung der Tatsachen, die zur Ausfüllung der von § 198 Abs. 1 Satz 2 GVG genannten unbestimmten Rechtsbegriffe erforderlich sind, kommt dem Entschädigungsgericht ein erheblicher tatrichterlicher Beurteilungsspielraum zu. Das Revisionsgericht kann lediglich überprüfen, ob das Entschädigungsgericht den Bedeutungsgehalt der unbestimmten Rechtsbegriffe aus § 198 Abs. 1 Satz 2 GVG und damit den rechtlichen Rahmen zutreffend erkannt und ihn ausfüllend alle erforderlichen Tatsachen festgestellt und angemessen berücksichtigt hat, ohne Denkgesetze bzw. allgemeine Erfahrungssätze zu verletzen (vgl. BGH Urteil vom 5.12.2013 - III ZR 73/13 - BGHZ 199, 190 RdNr. 47 m.w.N.) oder gegen seine Amtsermittlungspflicht zu verstoßen. Maßgeblich ist, wie das Gericht die Lage aus seiner ex ante Sicht einschätzen durfte (BGH Urteil vom 13.2.2014 - III ZR 311/13 - NJW 2014, 1183, Juris RdNr. 47; BVerwG Urteil vom 11.7.2013 - 5 C 23/12 D - BVerwGE 147, 146 RdNr. 41).

Auf dieser Grundlage ergibt erst die wertende Gesamtbetrachtung und Abwägung aller Einzelfallumstände in einem dritten Schritt, ob die Verfahrensdauer die äußerste Grenze des Angemessenen deutlich überschritten und deshalb das Recht auf Rechtsschutz in angemessener Zeit verletzt hat (vgl. Senatsurteil vom 21.2.2013 - B 10 ÜG 1/12 KL - BSGE 113, 75 = SozR 4-1720 § 198 Nr. 1, RdNr. 26; BGH Urteil vom 13.3.2014 - III ZR 91/13 - NJW 2014, 1816, Juris RdNr. 31). Dabei geht der Senat davon aus, dass vorbehaltlich besonderer Gesichtspunkte des Einzelfalls die Verfahrensdauer jeweils insgesamt noch als angemessen anzusehen ist, wenn eine Gesamtverfahrensdauer, die zwölf Monate je Instanz übersteigt, auf vertretbarer aktiver Verfahrensgestaltung des Gerichts beruht (gg).

bb) Die Ausführungen des LSG zur Bedeutung des Ausgangsverfahrens werden den gesetzlichen Vorgaben nicht vollständig gerecht.

Die von § 198 GVG genannte Bedeutung eines Verfahrens ergibt sich zum einen aus der allgemeinen Tragweite der Entscheidung für die materiellen und ideellen Interessen der Beteiligten. Der EGMR hat deshalb eine besondere Bedeutung von Verfahren u.a. dann angenommen, wenn es um die finanzielle Versorgung in Renten- oder Arbeitssachen sowie um andere Verfahren wegen sozialversicherungsrechtlicher Ansprüche ging (vgl. EGMR Urteil vom 8.6.2006 - Individualbeschwerde Nr. 75529/01 Sürmeli/Deutschland, RdNr. 133, NJW 2006, 2389; Frowein/Peukert, EMRK-Kommentar, 3. Aufl. 2009, Artikel 6, RdNr. 262; BVerwGE 147, 146). Zur Bedeutung der Sache i.S. von § 198 Abs. 1 Satz 2 GVG trägt dabei im Kontext des Anspruchs auf effektiven Rechtsschutz maßgeblich das Interesse des Betroffenen gerade an einer raschen Entscheidung bei (Priebe in: Festschrift für Werner von Simson (1983) S 301 f). Entscheidend ist deshalb auch, ob und wie sich der Zeitablauf nachteilig auf die Verfahrensposition des Klägers und das geltend gemachte materielle Recht sowie möglicherweise auf seine weiteren geschützten Interessen auswirkt (vgl. Magnus, ZZP 2012, S 75, 76).

Diesbezüglich tragen die Feststellungen des LSG nicht seinen Schluss, das Ausgangsverfahren und dessen zügige Erledigung seien für die Klägerin nur von beschränkter Bedeutung gewesen. Mit ihrer Klage vor dem SG hatte die Klägerin einen Anspruch auf Leistungen zur Grundsicherung für Arbeitsuchende nach dem SGB II geltend gemacht. Allein dieser Umstand spricht schon gegen eine untergeordnete Bedeutung. Denn nach der Rechtsprechung des BVerfG bezweckt die Regelleistung zur Sicherung des Lebensunterhalts nach dem SGB II, ein menschenwürdiges Existenzminimum und damit letztlich das Grundrecht aus Artikel 1 Abs. 1 GG zu gewährleisten (vgl. BVerfGE 125, 175, 222 ff). Eine solche im Ausgangsverfahren geltend gemachte, besonders schützenswerte Grundrechtsposition schließt es regelmäßig aus, den Rechtsstreit als weniger bedeutsam anzusehen. Dies gilt im Fall der Klägerin jedenfalls deshalb, weil ein Zeitraum von immerhin acht Monaten im Streit stand und das LSG keine Feststellungen darüber getroffen hat, ob während dieser Zeit das Recht der Klägerin auf ein menschenwürdiges Existenzminimum ohne weiteres auf andere Weise gesichert war.

Entgegen der Ansicht des LSG war das Ausgangsverfahren auch nicht deshalb als weniger bedeutsam und dringlich anzusehen, weil die Klägerin sich beim SG nicht um einstweiligen Rechtsschutz bemüht hat. Zwar hat es der EGMR in seiner Rechtsprechung zu Artikel 6 Abs. 1 EMRK grundsätzlich für denkbar gehalten, jedenfalls die tatsächliche Inanspruchnahme einstweiligen Rechtsschutzes bei der Bemessung der zulässigen Verfahrensdauer zu berücksichtigen (vgl. EGMR, Individualbeschwerde Nr. 6232/73, König/Deutschland, Urteil vom 28.6.1978 - EGMR-E 1, 278 RdNr. 111). Über die Rechtsfolgen eines Verzichts auf einstweiligen Rechtsschutz sagt dies indes noch nichts aus. Er kann viele Gründe haben, darunter ein aus Erfahrung geringes Vertrauen in einen zügigen Gang der Justiz; ein solcher Verzicht erlaubt jedenfalls nicht zwingend den Schluss, das Begehren des Klägers sei weniger dringend. Ohnehin hatten die Beteiligten den Streitgegenstand des Verfahrens bereits im Erörterungstermin im September 2009 auf einen in der Vergangenheit liegenden Zeitraum begrenzt. Ihr Rechtsschutzbegehren mit einem Eilantrag zu verfolgen, versprach für die Klägerin daher spätestens in diesem Zeitpunkt mangels Rechtsschutzbedürfnis keinen Erfolg mehr (vgl. LSG Nordrhein-Westfalen Beschluss vom 27.5.2013 - L 19 AS 638/13 B ER - Juris). Die vom LSG in den Raum gestellte Gefahr eines "Dulde und liquidiere" bestand in dem von der Klägerin geführten Ausgangsverfahren schon deshalb nicht, weil es sich zum überwiegenden Teil vor Inkrafttreten des ÜGG abgespielt hat und in diesem Zeitraum eine Aussicht auf Entschädigung noch nicht konkret absehbar war. Seit Inkrafttreten des Gesetzes beugt der vom LSG bezeichneten Gefahr ohnehin das Erfordernis der Verzögerungsrüge nach § 198 Abs. 3 Satz 1 GVG vor.

cc) Revisionsrechtlich nicht zu beanstanden ist dagegen die Annahme des LSG, wegen der ungewöhnlichen Bescheidlage und der vom Ausgangsgericht für erforderlich gehaltenen Ermittlungen zum Bestehen einer nichtehelichen Lebensgemeinschaft habe es sich - unter Zugrundelegung der anfänglichen Rechtsauffassung des Ausgangsgerichts (dazu unter ff) - um ein Verfahren von durchschnittlicher Schwierigkeit gehandelt.

dd) Ein Verhalten der Klägerin, mit dem sie das Verfahren insgesamt wesentlich verzögert hätte, hat das LSG - für den Senat ebenfalls bindend - nicht festgestellt. Soweit einzelne Termine wegen einer Verhinderung der Klägerin oder ihrer Prozessbevollmächtigten aufgehoben werden mussten, hat das LSG die dadurch verursachte Verlängerung des Verfahrens zutreffend nicht dem beklagten Land zugerechnet.

ee) Das Entschädigungsgericht (LSG) hat schließlich im Ausgangspunkt zutreffend die Prozessleitung des Ausgangsgerichts in seine Erwägungen einbezogen.

§ 198 GVG nennt als Kriterien zur Bestimmung der Angemessenheit mit Blick auf die Prozessakteure das Verhalten der Verfahrensbeteiligten und Dritter nur beispielhaft. Darüber hinaus hängt eine Verletzung von Artikel 6 EMRK durch den Staat wesentlich davon ab, ob ihm zurechenbare Verhaltensweisen des Gerichts zur Überlänge des Verfahrens geführt haben. Maßgeblich sind Verzögerungen, vgl. § 200 GVG, also sachlich nicht gerechtfertigte Zeiten des Verfahrens (vgl. Bub, Deutsche Richterzeitung 2014, S 94), insbesondere aufgrund von Untätigkeit des Gerichts (vgl. BVerfG Nichtannahmebeschluss vom 13.8.2012 - 1 BvR 1098/11 - Juris). Keinen sachlichen Grund stellt von vornherein eine unzureichende sachliche oder personelle Ausstattung der Justiz generell oder speziell des Ausgangsgerichts dar. Beruht die Verletzung des Anspruchs auf Rechtsschutz in angemessener Zeit auf einer strukturellen Überlastung der Justiz und drückt sich darin eine generelle Vernachlässigung des Anspruchs aus Artikel 6 EMRK, Artikel 19 Abs. 4 GG aus, wiegt der resultierende Grundrechtsverstoß besonders schwer (vgl. BVerfG Stattgebender Kammerbeschluss vom 5.8.2013 - 1 BvR 2965/10 - Juris).

ff) Bei seiner Beurteilung der Prozessleitung des Ausgangsgerichts ist das Entschädigungsgericht (LSG) im Grundsatz von einem zutreffenden Überprüfungsmaßstab ausgegangen und hat insbesondere zu Recht die materielle Rechtsauffassung des Ausgangsgerichts zugrunde gelegt.

Das Entschädigungsverfahren eröffnet keine weitere Instanz, um das Handeln des Ausgangsgerichts einer rechtlichen Vollkontrolle zu unterziehen. Daher hat das Entschädigungsgericht die materiell-rechtlichen Annahmen, die das Ausgangsgericht seiner Verfahrensleitung und -gestaltung zugrunde legt, nicht infrage zu stellen, soweit sie nicht geradezu willkürlich erscheinen. Zudem räumt die Prozessordnung dem Ausgangsgericht ein weites Ermessen bei seiner Entscheidung darüber ein, wie es das Verfahren gestaltet und leitet (vgl. Roller, Deutsche Richterzeitung 2012, Beilage zum Heft 6, S 1, 4; BVerfG Stattgebender Kammerbeschluss vom 17.11.2011 - 1 BvR 3155/09 - Juris RdNr. 7; Beschluss vom 16.12.1980 - 2 BvR 419/80 - BVerfGE 55, 349, 369; vgl. BVerwG Urteil vom 27.2.2014 - 5 C 1/13 D - Juris RdNr. 18 m.w.N. (Gestaltungsspielraum); BFH Zwischenurteil vom 7.11.2013 - X K 13/12 - BFHE 243, 126, BStBl II 2014, 179, Juris RdNr. 69 ff (erheblicher Gestaltungsspielraum); vgl. BGH Urteil vom 5.12.2013 - III ZR 73/13 - BGHZ 199, 190, Juris RdNr. 44 (Ermessen)). Die richtige Ausübung dieses Ermessens ist vom Entschädigungsgericht allein unter dem Gesichtspunkt zu prüfen, ob das Ausgangsgericht bei seiner Prozessleitung Bedeutung und Tragweite des Menschenrechts aus Artikel 6 Abs. 1 EMRK bzw. des Grundrechtes Artikel 19 Abs. 4 GG in der konkreten prozessualen Situation hinreichend beachtet und fehlerfrei gegen das Ziel einer möglichst richtigen Entscheidung abgewogen hat. Denn dieses Ziel ist ebenfalls vom Anspruch auf effektiven Rechtsschutz umfasst (vgl. BFH Zwischenurteil vom 7.11.2013 - X K 13/12 - BFHE 243, 126, BStBl II 2014, 179, Juris RdNr. 70; Marx/Roderfeld, Rechtsschutz bei überlangen Gerichts- und Ermittlungsverfahren, § 198 GVG RdNr. 22).

Wann und wie das Verfahren - insbesondere in der Zusammenschau mit den sonstigen bei Gericht anhängigen Fällen - am besten zu fördern ist, entscheidet das Ausgangsgericht in der konkreten Situation aus seiner Kenntnis der Akten, der Beteiligten und des bisherigen Verfahrensablaufs. Beim Denken und Erarbeiten darf es dabei auch eigene Vorstellungen zum "Wann" miterwägen (vgl. Baumbach/Lauterbach, ZPO, 72. Aufl. 2014, § 198 GVG RdNr. 13 unter "Arbeitsgewohnheit"). Allerdings müssen die Gerichte bei ihrer Verfahrensleitung stets die Gesamtdauer des Verfahrens im Blick behalten. Mit zunehmender Dauer des Verfahrens verdichtet sich die aus dem Justizgewährleistungsanspruch resultierende Pflicht des Gerichts, sich nachhaltig um eine Beschleunigung des Verfahrens und dessen Beendigung zu bemühen (vgl. BVerfG Beschlüsse vom 14.12.2010 - 1 BvR 404/10 - SozR 4-1100 Artikel 19 Nr. 10, Juris RdNr. 11 und vom 1.10.2012 - 1 BvR 170/06 - Vz 1/12 - NVwZ 2013, 789, 790 m.w.N.). Jedenfalls für Verfahren von hinreichender Bedeutung (vgl. Priebe in: Festschrift für Werner von Simson, S 287, 302) verbietet sich ab einem gewissen Zeitpunkt (weitere) Untätigkeit oder eine zögerliche Verfahrensleitung (vgl. Stattgebende Kammerbeschlüsse des BVerfG vom 20.7.2000 - 1 BvR 352/00 - NJW 2001, 214, Juris RdNr. 11 und vom 22.8.2013 - 1 BvR 1067/12 - NJW 2013, 3630, Juris RdNr. 32). Richterliche Verhaltensweisen, die zu Beginn eines Verfahrens grundrechtlich gesehen noch unbedenklich, wenn auch möglicherweise verfahrensökonomisch nicht optimal erscheinen mögen, können bei zunehmender Verfahrensdauer in Konflikt mit dem Anspruch auf Rechtsschutz in angemessener Zeit geraten. Das gilt etwa für die Setzung großzügiger Fristen zur Stellungnahme, den mehrfachen Austausch von Schriftsätzen ohne richtungweisende Einflussnahme des Gerichts und ohnehin für sog Schiebeverfügungen.

gg) Das LSG hat insoweit eine einjährige Untätigkeit des Ausgangsgerichts zwischen August 2008 und August 2009 sowie eine weitere 15-monatige Verzögerung zwischen Mitte Juni 2010 und Mitte September 2011 festgestellt. Sachliche Gründe für diese Untätigkeit hat das LSG nicht benannt. Da dagegen keine zulässigen Revisionsrügen erhoben sind, binden diese Feststellungen des LSG den Senat nach § 163 SGG.

Soweit das LSG dagegen eine viermonatige Verlängerung des Verfahrens wegen einer zunächst ausbleibenden Stellungnahme des im Ausgangsverfahren beklagten Jobcenters allein deshalb nicht als Zeitraum der Verzögerung dem beklagten Land zugerechnet hat, weil das Ausgangsgericht alles Mögliche getan habe, um das Verfahren zu beschleunigen, tragen seine Feststellungen diesen Schluss nicht. Angesichts der bereits verstrichenen Zeit von mehr als zwei Jahren und der damit verbundenen besonderen Prozessförderungspflicht des Ausgangsgerichts (vgl. Stattgebende Kammerbeschlüsse des BVerfG vom 20.7.2000 - 1 BvR 352/00 - NJW 2001, 214, Juris RdNr. 11 und vom 22.8.2013 - 1 BvR 1067/12 - NJW 2013, 3630, Juris RdNr. 32; EGMR, Individualbeschwerde Nr. 11118/84, Bock/Deutschland, Urteil vom 29.3.1989 - EGMR-E 4, 249 RdNr. 46) durfte das LSG form- und folgenlose schriftliche sowie telefonische Erinnerungen des Ausgangsgerichts an das beklagte Jobcenter nicht mehr ohne weiteres als ausreichend ansehen. Die Verantwortung des Ausgangsgerichts und damit des beklagten Landes für die genannte Verlängerung des Verfahrens lässt sich vielmehr nur dann verneinen, wenn das Ausgangsgericht alle ihm zur Verfügung stehenden Mittel der Prozessordnung ausgeschöpft hat, um das beklagte Jobcenter zur zügigen Stellungnahme anzuhalten. Dazu kann es gehören, unverzüglich einen Termin zur Erörterung des Sachverhalts oder zur mündlichen Verhandlung anzuberaumen und dazu nach § 111 Abs. 3 SGG der beklagten Behörde die Entsendung eines ausreichend informierten Vertreters aufzugeben. Je nach Lage der Dinge hätte das Ausgangsgericht zudem eine Fristsetzung nach § 106a Abs. 2 SGG in Erwägung ziehen können. Ob das SG im Ausgangsverfahren alle von der Prozessordnung eröffneten Beschleunigungsmöglichkeiten ausgeschöpft hat, wird das LSG daher im wieder eröffneten Klageverfahren über die Entschädigung noch festzustellen haben. Von seinem Rechtsstandpunkt aus konsequent hat das LSG darüber hinaus davon abgesehen festzulegen, wie viele Monate das Ausgangsverfahren insgesamt zu lange gedauert hat. Auch dies wird es im wieder eröffneten Klageverfahren nachzuholen haben.

hh) Nach Aufhebung und Zurückverweisung der Sache an das Entschädigungsgericht wird dieses dabei schließlich noch Folgendes berücksichtigen müssen: Die Bestimmung der maximal zulässigen, noch angemessenen Verfahrenslaufzeit kann jeweils nur aufgrund einer abschließenden Gesamtbetrachtung und -würdigung der tatsächlichen Umstände des Einzelfalls insbesondere mit Blick auf die von § 198 Abs. 1 Satz 2 GVG benannten Kriterien erfolgen (vgl. Senatsurteil vom 21.2.2013 - B 10 ÜG 1/12 KL - BSGE 113, 75 = SozR 4-1720 § 198 Nr. 1, RdNr. 28; BVerwG Urteil vom 27.2.2014 - 5 C 1/13 D - Juris RdNr. 28). Die Feststellung längerer Zeiten fehlender Verfahrensförderung durch das Gericht in bestimmten Verfahrensabschnitten führt noch nicht zwangsläufig zu einer unangemessenen Verfahrensdauer. Handelt es sich bei den genannten Zeiten bereits um Verzögerungen im Sinne des GVG, weil sie in den Verantwortungsbereich des Gerichts fallen, so können sie in davor oder danach liegenden Verfahrensabschnitten ausgeglichen werden (vgl. BGH Urteil vom 13.3.2014, a.a.O., Juris RdNr. 33 m.w.N.; BGH Urteil vom 13.2.2014, a.a.O., Juris RdNr. 28 m.w.N.; BVerwG, a.a.O., Juris RdNr. 12; EGMR, Individualbeschwerde Nr. 36853/05 - Metzele/Deutschland, amtlicher Umdruck S 7).

Obwohl die maßgebliche Gesamtabwägung nach den Vorgaben des § 198 Abs. 1 Satz 2 GVG in jedem Einzelfall durchzuführen ist und der Gesetzgeber von der Einführung bestimmter Grenzwerte (Fristen) für die Dauer unterschiedlicher Verfahrenstypen abgesehen hat (vgl. BT-Drucks 17/3802 S 18; Senatsurteile vom 21.2.2013 - B 10 ÜG 1/12 KL - BSGE 113, 75 = SozR 4-1720 § 198 Nr. 1 und B 10 ÜG 2/12 KL - jeweils zu RdNr. 25 ff m.w.N.), lässt es sich zur Gewährleistung möglichst einheitlicher Rechtsanwendung und damit aus Gründen der Rechtssicherheit und Vorhersehbarkeit andererseits nicht vermeiden, in Entschädigungssachen zeitraumbezogene Konkretisierungen vorzunehmen. Dies jedenfalls dort, wo derartige Konkretisierungen aufgrund vorgefundener Übereinstimmungen sowohl in der Struktur zahlreicher sozialgerichtlicher Verfahren als auch ihrer Bearbeitung durch die Gerichte vertretbar sind (vgl. dazu BFH Zwischenurteil vom 7.11.2013 - X K 13/12 - BFHE 243, 126, Juris RdNr. 64). Der Senat geht zu diesem Zweck aufgrund der besonderen Natur sozialgerichtlicher Verfahren derzeit von folgenden Grundsätzen aus: Die persönliche und sachliche Ausstattung der Sozialgerichte muss einerseits so beschaffen sowie die gerichtsinterne Organisation der Geschäfte (Geschäftsverteilung, Gestaltung von Dezernatswechseln etc) so geregelt sein, dass ein Richter oder Spruchkörper die inhaltliche Bearbeitung und Auseinandersetzung mit der Sache wegen anderweitig anhängiger ggf. älterer oder vorrangiger Verfahren im Regelfall nicht länger als zwölf Monate zurückzustellen braucht. Die systematische Verfehlung dieses Ziels ist der Hauptgrund dafür, dass die für Ausstattung der Gerichte zuständigen Gebietskörperschaften Bund und Land mit den Kosten der Entschädigungszahlungen belastet werden, wenn Gerichtsverfahren eine angemessene Dauer überschreiten.

Eine Verfahrensdauer von bis zu zwölf Monaten je Instanz ist damit regelmäßig als angemessen anzusehen, selbst wenn sie nicht durch konkrete Verfahrensförderungsschritte begründet und gerechtfertigt werden kann. Diese Zeitspanne muss und wird in der Regel nicht vollständig direkt im Anschluss an die Erhebung der Klage bzw. die Einlegung der Berufung liegen, in der das Gericht normalerweise für einen Schriftsatzwechsel sorgt und Entscheidungsunterlagen beizieht. Die Vorbereitungs- und Bedenkzeit kann vielmehr auch am Ende der jeweiligen Instanz liegen und in mehrere, insgesamt zwölf Monate nicht übersteigende Abschnitte unterteilt sein. Für diese Zwölfmonatsregel spricht u.a. die Regelung des § 198 Abs. 5 Satz 1 GVG; danach kann eine Klage zur Durchsetzung des Anspruchs aus Abs. 1 der Vorschrift frühestens sechs Monate nach Erhebung der Verzögerungsrüge erhoben werden. Eine gewisse Vorbereitungs- und Bedenkzeit der Gerichte akzeptiert auch der EGMR, dessen Rechtsprechung maßgeblich dem ÜGG zugrunde liegt. Wie die Analyse seiner Urteile zeigt, beanstandet der Gerichtshof regelmäßig nicht die Dauer solcher Verfahren, die nicht besonders eilbedürftig sind und die je Instanz nicht länger als 2 Jahre und insgesamt nicht länger als 5 Jahre dauern (vgl. F. Calvez, Length of court proceedings in the member States of the Council of Europe based on the case law of the European Court of Human Rights, 2. Aufl. 2012, S 66 m.w.N.; vgl. Frowein/Peukert, EMRK-Kommentar, 3. Aufl. 2009, Artikel 6 RdNr. 249 m.w.N.; Meyer-Ladewig, EMRK, 3. Aufl. 2011, Artikel 6 RdNr. 199). Nicht jede Periode gerichtlicher Untätigkeit führt nach der Rechtsprechung des EGMR zwingend zu einem Entschädigungsanspruch; vielmehr ist sie in einem gewissen Verfahrensstadium vertretbar, solange die Gesamtverfahrensdauer nicht als überlang erachtet werden kann (vgl. u.a. EGMR, Individualbeschwerde Nr. 32842/96 Nuutinen/Finnland, RdNr. 110; Individualbeschwerde Nr. 7759/77 Buchholz/Deutschland, RdNr. 63).

Beruht die Verfahrensdauer, die die genannte Dauer von zwölf Monaten je Instanz übersteigt, auf vertretbarer aktiver Verfahrensgestaltung (z.B. Zeit für Einholung von Auskünften, Zeugenaussagen, Sachverständigengutachten, Beiziehung von Akten) oder wird sie maßgeblich durch das Verhalten des Klägers, anderer Verfahrensbeteiligter oder Dritter verlängert, so macht selbst dies die Verfahrensdauer in der Regel ebenfalls noch nicht unangemessen. Anderes gilt für Zeiten, in denen eine Sache über zwölf Monate hinaus ("am Stück" oder immer wieder für kürzere Zeiträume) ohne sachlichen Grund "auf Abruf" liegt, ohne dass das Verfahren zeitgleich inhaltlich betrieben wird, oder sich auf sog Schiebeverfügungen beschränkt.

Die genannten Orientierungswerte gelten allerdings nur, wenn sich nicht aus dem Vortrag des Klägers oder aus den Akten besondere Umstände ergeben, die vor allem mit Blick auf die Kriterien von § 198 Abs. 1 Satz 2 GVG im Einzelfall zu einer anderen Bewertung führen. Damit ändert die Zwölfmonatsregel nichts am Vorrang der Einzelfallbetrachtung, sondern verschiebt lediglich die sachlichen Anforderungen an die Verfahrensförderung entlang zeitlicher Grenzen.

Bei der noch ausstehenden genauen Feststellung der Zeiträume der Überlänge des Ausgangsverfahrens darf das LSG dem Ausgangsgericht daher grundsätzlich eine ausreichende Vorbereitungs- und Bedenkzeit einräumen, die nicht durch konkrete Verfahrensförderungsschritte begründet und gerechtfertigt werden muss. Das LSG wird allerdings zu erwägen haben, ob insoweit die vom Senat regelmäßig akzeptierte Zeitspanne von zwölf Monaten noch angemessen ist, oder ob nach den besonderen Umständen dieses Einzelfalls, insbesondere wegen des in Streit stehenden Anspruchs auf existenzsichernde Leistungen, nicht ausnahmsweise eine kürzere Vorbereitungs- und Bedenkzeit anzusetzen ist.

Sollte sich aufgrund der nachgeholten Feststellungen des LSG weiterhin eine unangemessene Dauer des Ausgangsverfahrens ergeben, so wird es darüber hinaus festzustellen haben, ob die Klägerin deswegen einen Nachteil i.S. von § 198 Abs. 1 Satz 1 GVG erlitten hat und dafür eine angemessene Entschädigung verlangen kann. Nachteil i.S. des Abs. 1 sind dabei u.a. sämtliche immateriellen Folgen eines überlangen Verfahrens; dazu gehört nach den Vorstellungen des Gesetzgebers insbesondere die seelische Unbill durch die lange Verfahrensdauer (Gesetzentwurf BT-Drucks 17/3802 S 19). Ein solcher Nachteil, der nicht Vermögensnachteil ist, wird nach § 198 Abs. 2 Satz 1 GVG vermutet, wenn ein Gerichtsverfahren unangemessen lange gedauert hat. Hier wird das LSG gegebenenfalls prüfen müssen, ob Umstände vorliegen, die geeignet erscheinen, die gesetzliche Vermutung des § 198 Abs. 2 Satz 1 GVG (vgl. Senatsurteil vom 21.2.2013 - B 10 ÜG 1/12 KL - BSGE 113, 75 = SozR 4-1720 § 198 Nr. 1, SozR 4-1500 § 202 Nr. 1) zu widerlegen.

Weitere Voraussetzung für den von der Klägerin verfolgten Entschädigungsanspruch ist es nach § 198 Abs. 2 Satz 2 GVG, dass eine Wiedergutmachung auf andere Weise gemäß Abs. 4 dieser Vorschrift nicht ausreichend ist, insbesondere nicht gemäß § 198 Abs. 4 Satz 1 GVG durch Feststellung des Entschädigungsgerichts, die Verfahrensdauer sei unangemessen lang gewesen. Wie der Senat bereits entschieden hat (vgl. Senatsurteil vom 21.2.2013 - B 10 ÜG 1/12 KL - BSGE 113, 75 = SozR 4-1720 § 198 Nr. 1, SozR 4-1500 § 202 Nr. 1 m.w.N.), kommt bei festgestellter Überlänge eines Gerichtsverfahrens eine derartige Kompensation eines Nichtvermögensschadens aber nur ausnahmsweise in Betracht, wenn das Verfahren beispielsweise für den Entschädigungskläger keine besondere Bedeutung hatte oder dieser durch sein Verhalten erheblich zur Verlängerung des Verfahrens beigetragen hat. Die bisherigen Feststellungen des LSG bieten dafür aus Sicht des Senats keine Anhaltspunkte.

Ebenso wird das Entschädigungsgericht gegebenenfalls zu entscheiden haben, ob der von § 198 Abs. 2 Satz 3 GVG vorgesehene Regelbetrag von 1200 Euro für jedes Jahr der Verzögerung eines Verfahrens aufgrund der vom LSG festzustellenden und zu würdigenden Umständen des Einzelfalls gemäß § 198 Abs. 2 Satz 4 GVG ausnahmsweise unbillig ist, weil ein atypischer Sonderfall vorliegt (vgl. Gesetzentwurf BT-Drucks 17/3802 S 20; vgl. Marx/Roderfeld, a.a.O., § 198 GVG RdNr. 82).

Für den Fall einer Entschädigung in Geld wird das Entschädigungsgericht schließlich in entsprechender Anwendung der §§ 288 Abs. 1, 291 S 1 BGB über die beantragten Prozesszinsen (5 Prozentpunkte über dem Basiszinssatz) ab Rechtshängigkeit (Klageerhebung, vgl. § 94 SGG) zu entscheiden haben. Auch wenn es sich der Art nach um einen pauschalierten Verzugsschadensersatz handelt und deshalb ein konkreter Zusammenhang mit dem begehrten immateriellen Schadensersatz fraglich sein könnte (vgl. Thüringer LSG Urteil vom 26.11.2013 - L 3 SF 913/12 EK - Juris RdNr. 79, Revision anhängig unter B 10 ÜG 4/14 R), ändert dies nichts an der Anwendbarkeit der genannten Vorschriften im Rahmen von Entschädigungsklagen in den öffentlich-rechtlichen Gerichtsbarkeiten, weil Spezialregelungen, die den allgemeinen Anspruch auf Prozesszinsen verdrängen könnten, nicht bestehen (vgl. BFH Urteil vom 19.3.2014 - X K 8/13 - BFHE 244, 521, Juris RdNr. 40). Entschädigungsansprüche nach § 198 GVG stehen außerhalb des Systems der sozialrechtlichen Ansprüche, für die Prozesszinsen nach Maßgabe des § 44 SGB I grundsätzlich nicht beansprucht werden können (hierzu BSGE 99, 102 = SozR 4-2500 § 19 Nr. 4, RdNr. 27 ff). § 201 Abs. 2 Satz 1 GVG i.V.m. § 202 SGG verweisen zwar auf das SGG, nicht hingegen auf das SGB. Die Annäherung des sozialgerichtlichen Kostenrechts an dasjenige der VwGO hat die Rechtsprechung des BSG bereits in der Vergangenheit veranlasst, auch hinsichtlich der Prozesszinsen in besonderen Teilbereichen auf die Rechtsprechung des BVerwG Bezug zu nehmen (für den Bereich des Vertragsarztrechts ausdrücklich BSGE 95, 141 RdNr. 30 ff = SozR 4-2500 § 83 Nr. 2 RdNr. 38 ff). Für den Rechtsschutz bei überlanger Verfahrensdauer ist insoweit entsprechend zu verfahren (vgl. zu den Prozesszinsen BVerwG Urteil vom 27.2.2014 - 5 C 1/13 D - DVBl 2014, 861, Juris RdNr. 46).

3. Die abschließende Kostenentscheidung bleibt ebenfalls dem LSG vorbehalten.

4. Den Streitwert für das Revisionsverfahren hat das BSG dagegen auch im Fall der Zurückverweisung festzusetzen (vgl. BSG Urteil vom 10.5.2007 - B 10 KR 1/05 R - BSGE 98, 238 = SozR 4-1300 § 111 Nr. 4). Die deshalb zu treffende Streitwertfestsetzung beruht auf § 197a Abs. 1 Satz 1 SGG i.V.m. § 63 Abs. 2 Satz 1, § 47 Abs. 1 und 2, § 52 Abs. 1 und 2 GKG. Der Senat geht von 5000 Euro aus, weil der Sach- und Streitstand für eine genauere Bestimmung des Streitwerts keine genügenden Anhaltspunkte bietet.