Landessozialgericht Baden-Württemberg - L 6 VS 2599/06 - Urteil vom 16.07.2008
Es gibt keine gesicherten Erkenntnisse, dass ein Hodentumor durch ionisierende Strahlung verursacht werden kann. Dieser Erkenntnis steht auch der Bericht der Expertenkommission zur Frage der Gefährdung durch Strahlung in früheren Radareinrichtungen der Bundeswehr und der Nationalen Volksarmee nicht entgegen, der vorschlägt Hodenkrebs als "qualifizierte Erkrankung" anzuerkennen. Der Bericht beruht nämlich nicht auf wissenschaftlichen Erkenntnissen.
Tatbestand:
Die Beteiligten streiten um die Anerkennung einer Hodenkrebserkrankung als Wehrdienstbeschädigung (WDB).
Der 1942 geborene Kläger leistete vom 1. April 1962 bis 30. September 1963 seinen Wehrdienst ab. Ab dem 1. Juli 1962 war er als Bediener am Feuerleitsystem, Flugabwehr Deisswil, einem mobilen Radargerät, eingesetzt. Bei der Bundeswehr wurden bis in das Jahr 1962 das Modell Deisswil IV, nachfolgend das Modell Deisswil VII und ab 1967 das Modell Deisswil VII B genutzt.
Am 23. Juli 1974 wurde beim Kläger wegen eines Seminoms des linken Hodens eine erweiterte Orchiektomie links mit Einlegen einer Hoden-Silastic-Prothese im Kreiskrankenhaus L. durchgeführt.
Am 12. September 2001 beantragte der Kläger beim Versorgungsamt Heilbronn (VA) die Gewährung von Beschädigtenversorgung nach dem Soldatenversorgungsgesetz (SVG). Er sei 15 Monate lang fast täglich mehrere Stunden als Bediener-Operator am mobilen Feuerleitgerät (FLG) beschäftigt gewesen. Die Arbeit sei unmittelbar am Radargerät erfolgt. Besondere Sicherheitsmaßnahmen seien nicht getroffen worden. Es seien keine Vorkehrungen wie Abdeckungen usw. vorhanden gewesen. Dass er neben seiner im Januar 1974 geborenen Tochter keine weiteren Kinder haben konnte, schmerze noch immer besonders.
Das VA leitete den Sachverhalt zur weiteren Bearbeitung an die Wehrbereichsverwaltung weiter. Diese zog den Kläger betreffende Personal- und truppenärztliche Unterlagen bei.
Die Wehrbereichsverwaltung veranlasste eine Grunduntersuchung durch Stabsarzt Sch. am 12. November 2001. Dabei gab der Kläger ergänzend an, er habe 1984 eine Hirnblutung unklarer Genese erlitten und im Jahr 1998 Gallensteine gehabt. Er sei sechs Stunden täglich am FLG mit einem Abstand von ca. 0,5 m tätig gewesen.
Mit Bescheid vom 9. Januar 2002 lehnte das VA den Antrag des Klägers ab. Gesundheitlich relevante Expositionen gegenüber Hochfrequenzstrahlung (HF-Strahlung) seien grundsätzlich nur im Rahmen eines Unfallgeschehens zu erwarten. Ionisierende Strahlung könne nur bei ungenügender Abschirmung aus dem Gerät austreten und habe nur eine kurze Reichweite von wenigen Zentimetern bis zu wenigen Dezimetern. Unabhängig davon habe der Kläger nicht als Mechaniker an Radargeräten gearbeitet, sondern sei als Feuerleit-Operator eingesetzt worden. Da er keiner Strahlenexposition ausgesetzt gewesen sei, könne kein ursächlicher Zusammenhang zwischen Einwirkungen des Wehrdienstes und der Erkrankung an Hodenkrebs bestehen. Hiergegen richtete sich der Widerspruch des Klägers vom 4. Februar 2002.
Die Wehrbereichsverwaltung zog den Bericht der Arbeitsgruppe Aufklärung der Arbeitsplatzverhältnisse Radar: "Feuerleitsystem, Flugabwehr Deisswil IV, Deisswil VII, Deisswil VII B -Teilbericht" vom 16. Dezember 2002 (nachfolgend: Deisswil-TB) bei. Baudirektor Sch. führte für die Wehrbereichsverwaltung Süd in seiner Stellungnahme vom 3. März 2003 aus, der Kläger sei bei seiner Tätigkeit als Bediener am Radargerät Deisswil VII B nicht mit Röntgenstrahlung oder radioaktiver Strahlung in Berührung gekommen. Darauf gestützt wies der Beklagte den Widerspruch mit Widerspruchsbescheid vom 27. März 2003 zurück.
Deswegen erhob der Kläger am 9. April 2003 beim Sozialgericht Heilbronn (SG) Klage. Er wiederholte sein Vorbringen aus dem Verwaltungsverfahren und ergänzte, es könne nicht zwischen einem Bediener und einem Mitarbeiter des Instandsetzungsdienstes unterschieden werden. Sehr oft hätten sie parallel und gleichzeitig am FLG gearbeitet und seien folglich der gleichen Strahlung ausgesetzt gewesen. Dabei seien Innereien des Gerätes offen und teilweise ausgebaut gewesen. Er sei auch HF-Strahlung ausgesetzt gewesen.
Die Wehrbereichsverwaltung zog medizinische Unterlagen des Kreiskrankenhauses L. über die Behandlung des Hodenkrebses bei.
Der Beklagte verwies zur Erwiderung auf eine Aktenverfügung des Bundesministeriums der Verteidigung (BMVg) - Schwerpunktgruppe Radar - vom 7. September 2004. Unter Berücksichtigung des Berichts der Expertenkommission (nachfolgend: Kommission) zur Frage der Gefährdung durch Strahlung in früheren Radareinrichtungen der Bundeswehr und der Nationalen Volksarmee vom 2. Juli 2003 (nachfolgend: BdR) sei im Falle des Klägers bei der Gefährdungsstufe von der "Phase 1" auszugehen. Jedoch seien dort die Tätigkeiten der Bediener/Operatoren nur dann qualifizierend, wenn diese die Radartechniker nicht nur gelegentlich direkt am geöffneten und in Betrieb befindlichen Radargerät (Sendeschrank) unterstützt hätten. Bei dem damals genutzten FLG Deisswil VII sei es nicht möglich gewesen, dass das Gerät im Zeitpunkt der Instandsetzung (Ausbau von "Innereien" etc.) eingeschaltet gewesen sei. Der Kläger habe keine qualifizierende Tätigkeit im Sinne des BdR ausgeübt. Der Kläger verwies hingegen auf § 135 des BdR, wonach seine Tätigkeit als Bediener ebenso wie die der Techniker als qualifizierend anzusehen sei.
Im Urteil vom 17. Februar 2006 stellte das SG unter Aufhebung der angefochtenen Bescheide fest, dass das Hodenkarzinom Folge einer WDB sei. Im Sinne des Vollbeweises sei nicht nachgewiesen, an welchem konkreten Gerätetyp der Kläger tatsächlich eingesetzt gewesen sei und ob es in dieser Zeit zu Einwirkungen gekommen sei, die geeignet gewesen wären, die Hodenkrebserkrankung zu verursachen. Für die im BdR genannte Phase 1 lägen keine ausreichenden Messwerte vor. Es könne davon ausgegangen werden, dass an heutigen Maßstäben gemessen kein adäquater Strahlenschutz bestanden habe. Die Unaufklärbarkeit liege jedoch ausnahmsweise im Verantwortungsbereich des Dienstherrn. Der Beklagte hätte dartun müssen, dass die Erkrankung auch ohne Einwirkungen aus dem Dienst als Wehrpflichtiger aufgetreten wäre. Dies sei ihr nicht möglich gewesen. Aus dem BdR ergebe sich nämlich, dass auch in der Phase 1 Veranlassung bestanden hätte, Strahleneinwirkungen zu beobachten und zu dokumentieren. Dies rechtfertige unter Heranziehung der Grundsätze, die das BSG in seiner Entscheidung vom 26. Februar 1992 - 9 a RV 4/91 aufgestellt habe, eine Beweislastumkehr. Im Übrigen sei die Wehrbereichsverwaltung Süd zu Unrecht davon ausgegangen, dass der Kläger am Radargerät Deisswil VII B eingesetzt gewesen sei. Ihre Einschätzung stünde zudem im Widerspruch zu den Empfehlungen im BdR, in dem in der Phase 1 alle Arbeiten als Techniker/Mechaniker oder Bediener (Operator) als qualifizierend benannt würden. Dabei sei keine Differenzierung nach Gerätetypen vorgenommen worden. Der Beklagte habe nicht nachgewiesen, dass konstruktionsbedingt eine Tätigkeit am offenen Gerät bei eingeschalteter Hochspannung nicht möglich gewesen sei und die Ortsdosisleistungen einen Wert von 5 µSv/h nicht hätten überschreiten können. Der Hodenkrebs sei auch eine qualifizierende Krankheit im Sinne des BdR, der nach dem Rundschreiben des Bundesministeriums für Gesundheit und soziale Sicherung (BMA) vom 24. Oktober 2003 im Einklang mit der Entscheidung des BMVg uneingeschränkt umzusetzen sei.
Gegen das ihm am 9. Mai 2006 zugestellte Urteil hat der Beklagte am 19. Mai 2006 beim Landessozialgericht Berufung eingelegt. Zur Begründung verweist er erneut auf den Bericht vom 7. September 2004. Zudem könnten nach dem Rundschreiben des BMVg vom 2. Dezember 2003 - Abteilung PSZ-SdB Radar - Hodentumoren nur im Einzelfall anerkannt werden, wenn durch einen pathologisch/histologischen Befund ein Ursachenzusammenhang mit Strahlung belegt sei. Bisher sei nur bei einem Antragssteller, der an einem Stroma-Tumor gelitten habe, eine Anerkennung ausgesprochen worden.
Mit Beschluss vom 20. Juni 2006 hat der Senat die Bundesrepublik Deutschland zum Verfahren beigeladen.
Die Beigeladene trägt vor, der Hodentumor des Klägers sei eine qualifizierende Erkrankung im Sinne des BdR. Bediener (Operatoren), die Radarmechaniker bei deren qualifizierender Tätigkeit an Radaranlagen (Sendeschrank, Modulator) unterstützt hätten, seien auch in dieser Unterstützertätigkeit nach dem BdR qualifizierend tätig geworden. Für eine Unterstützungstätigkeit an den Sender- oder Modulatorschränken bei Wartungs- oder Reparaturarbeiten lägen aber in den Tätigkeitsbeschreibungen des Klägers keinerlei Hinweise vor. Die bei der Flugabwehr üblichen Operatortätigkeiten an Konsolen seien nicht mit einer Röntgenstörstrahlenexposition verbunden gewesen. Bei der Tätigkeit auf den Bedienerplätzen an einem Deisswil-Radargerät sei es nicht zu einer Röntgenstrahlenexpositionen gekommen, da die Störstrahler im normalen Betrieb durch geschlossene Gittertüren abgeschirmt gewesen seien. Selbst wenn die Geräte bei geöffneten Abschirmungen betrieben worden wären, wäre der Kläger auf den Bedienerplätzen keiner Störstrahlung ausgesetzt gewesen. In diesem Fall hätte der Sitz des Bedienerplatzes B 1 hochgeklappt werden müssen. Auf den übrigen Bedienerplätzen hätte der Kläger einen ausreichenden Abstand von den Störstrahlern gehabt. Auch bei einer gedanklichen Unterstellung eines nicht nur gelegentlichen Aufenthalts in der unmittelbaren Nähe der geöffneten Senderbaugruppe könne die Anerkennung einer Gesundheitsstörung ausgeschlossen werden, da die Röntgenstörstrahlung beim Radargerät Deisswil VII B in einer Höhe von 130 cm ausgetreten und schräg nach oben gerichtet gewesen sei. Der Unterleib des Klägers hätte vom Strahlenbündel gar nicht getroffen werden können. Hinsichtlich der HF-Strahlen sei als mögliche Folge nur eine Augenlinsentrübung (Katarakt) anerkannt. Eine Beweislastumkehr liege nicht vor. Eine solche werde im BdR gerade nicht anerkannt. Dies widerspreche nicht der Erklärung, den Kommissionsbericht grundsätzlich zu übernehmen. Unter den 17 Mitgliedern der Kommission sei kein Jurist gewesen, sodass die Verfahrensvorschläge nur für den technischen und medizinischen Fachbereich erfolgt seien. Der Bericht besitze keine rechtliche Verbindlichkeit. Er erfülle nicht die Kriterien für ein antizipiertes Sachverständigengutachten und erübrige nicht die Berücksichtigung bestimmter Grundsätze bei der Kausalitätsbeurteilung. In den Radarfällen seien von Seiten der Bundeswehr keine beweiserheblichen Tatsachen im Staatsinteresse geheim- oder sonst zurückgehalten worden. Im Gegenteil sei wegen der besonderen faktischen Probleme bei der Aufklärbarkeit der früheren Arbeitsplatzverhältnisse die Radarkommission eingesetzt worden, um vereinfachte Verfahrensvorschläge zu erarbeiten, die den besonderen Problemen Rechnung trügen. Aufgrund des BdR würden die an sich notwendigen Ersatzdosisberechnungen nicht mehr durchgeführt, sondern ggf. zu Gunsten des Betroffenen eine hinreichende Dosis für die Verursachung einer qualifizierenden Erkrankung unterstellt. Wenigstens die Darlegung der qualifizierenden Tätigkeit obliege aber weiterhin dem Kläger. Darauf habe auch der Richter am Bundessozialgericht (BSG) Dr. B. im Rahmen eines Workshops des Instituts für Strahlenschutz der Berufsgenossenschaft der Feinmechanik und Elektrotechnik und der Berufsgenossenschaft der chemischen Industrie am 4./5. März 2004 hingewiesen. Die drei in Frage kommenden Gerätetypen Deisswil IV, VII und VII B seien im Senderteil weitgehend gleich aufgebaut gewesen. Die Frage, an welchem Gerätetyp der Kläger konkret eingesetzt worden sei, sei daher unerheblich. Die Beigeladene hat das rechtskräftige Urteil des Oberlandesgerichts (OLG) Köln vom 23. Juni 2006 (7 U 141/05) vorgelegt. Das OLG habe generell ein vorsätzliches Verhalten auf Seiten der Bundeswehr im Hinblick auf der Radarproblematik verneint und überdies ungeachtet der versorgungsrechtlichen Anerkennung den Ursachenzusammenhang zwischen der behaupteten Pflichtverletzung und dem Schaden als "in hohem Maße" zweifelhaft angesehen. Die Beigeladene hat zudem eine Zusammenfassung des eben genannten Workshops (nachfolgend: Zusammenfassung des Workshops (ZdW)) sowie den BdR vorgelegt.
Der Beklagte und die Beigeladene beantragen,
das Urteil des Sozialgerichts Heilbronn vom 17. Februar 2006 aufzuheben und die Klage abzuweisen.
Der Kläger beantragt,
die Berufung des Beklagten zurückzuweisen.
Zur Erwiderung trägt er vor, es sei merkwürdig, dass die Beklagte nicht sagen könne, an welchem Gerätetyp er seinerzeit eingesetzt gewesen sei. Jedenfalls sei er Strahlung, insbesondere bei der gemeinsamen Arbeit am geöffneten Gerät zusammen mit dem technischen Personal der Instandsetzungsdienste, ausgesetzt gewesen. Der Beklagte sei wohl nicht in der Lage zu beurteilen, was seinerzeit vor Ort an der Radaranlage tatsächlich abgelaufen sei. Durch seine Erkrankung sei seine Lebens- und Familienplanung zerstört worden.
Wegen der weiteren Einzelheiten wird auf die Verwaltungsakten des Beklagten, der Beigeladenen und die Gerichtsakten beider Rechtszüge verwiesen.
Entscheidungsgründe:
Die gemäß § 151 Abs. 1 und 2 SGG form- und fristgerecht eingelegte Berufung des Beklagten - der sich die Beigeladene angeschlossen hat - ist statthaft und zulässig.
Die Berufung ist auch begründet. Das SG hat der Klage zu Unrecht stattgegeben. Die vom Kläger erlittene Erkrankung an Hodenkrebs stellt keine Folge einer WDB dar. Die angefochtenen Bescheide der Beklagten erweisen sich daher als rechtmäßig; das SG hätte die entsprechende Feststellung nicht treffen dürfen.
Nach § 81 Abs. 1 SVG ist WDB eine gesundheitliche Schädigung, die durch eine Wehrdienstverrichtung (1.), durch einen während der Ausübung des Wehrdienstes erlittenen Unfall (2.) oder durch die dem Wehrdienst eigentümlichen Verhältnisse (3.) herbeigeführt worden ist. Hinsichtlich der Beweislage ist dabei davon auszugehen, dass die dienstlichen Einflüsse, die im Wesentlichen die Schädigung herbeigeführt haben, nachzuweisen sind (Bundessozialgericht -BSG - Urteil vom 24. September 1992, Az.: 9a RV 31/90, zitiert nach Juris). Nach ständiger Rechtsprechung zu allen Zweigen der sozialen Entschädigung müssen ferner die Schädigung und die Schädigungsfolgen nachgewiesen werden. Nur für die Kausalität zwischen diesen beiden Tatbestandsmerkmalen genügt die Wahrscheinlichkeit, d.h. es müssen deutlich mehr Gründe dafür als dagegen sprechen. Darüber hinaus ist es erforderlich, dass die Dienstverrichtung oder der Unfall oder die dem Wehrdienst eigentümlichen Verhältnisse für den Eintritt der gesundheitlichen Schädigung neben anderen Umständen versorgungsfremden Ursprungs von zumindest annähernd gleichwertiger Bedeutung - also wesentliche Bedingungen - gewesen ist/sind.
Das Auftreten der geltend gemachten Gesundheitsstörungen ist nicht auf ein zeitlich begrenztes traumatisches Ereignis (Strahlen-Unfall) während der Tätigkeit des Klägers als Bediener/Operator (nachfolgend nur noch: Bediener) zurückzuführen. Aus den Akten ergeben sich keine Hinweise auf einen während der Ausübung des Wehrdienstes erlittenen Strahlen-Unfall. Auch der Kläger hat einen solchen nicht behauptet.
Für unfallunabhängige Krankheiten/Gesundheitsstörungen (Alternativen 1. und 3.) bestimmt sich der versorgungsrechtlich geschützte Bereich nach dem SVG nach der ständigen Rechtsprechung des BSG (vgl. hierzu z.B. BSG, Urteil vom 5. Mai 1993, 9/9a RV 25/92 sowie Beschluss vom 11. Oktober 1994, Az.: 9 BV 55/94, jeweils zitiert nach Juris), welcher der Senat folgt, nach dem Vorbild des Berufskrankheitenrechts der gesetzlichen Unfallversicherung, es sei denn, es handelt sich um besondere außerordentliche Belastungen, die typischerweise nur unter den Bedingungen des Krieges auftreten.
Die Fälle, in denen als Schädigungsfolge eine durch allmähliche Einwirkungen des Wehrdienstes/wehrdiensteigentümlicher Verhältnisse verursachte Erkrankung geltend gemacht wird, teilt das BSG in drei Gruppen ein: a) Die angebliche Schädigungsfolge ist in der Berufskrankheitenverordnung (BKV) als Berufskrankheit anerkannt (§ 551 Abs. 1 Satz 2 Reichsversicherungsordnung (RVO), jetzt § 9 Abs. 1 Satz 2 Siebtes Buch Sozialgesetzbuch (SGB VII)); b) die angebliche Schädigungsfolge müsste in der gesetzlichen Unfallversicherung als Berufskrankheit anerkannt werden können (§ 551 Abs. 2 RVO, jetzt § 9 Abs.2 SGB VII); c) die angebliche Schädigungsfolge fällt weder unter a) noch unter b), die angeschuldigten wehrdiensttypischen Belastungen gehen aber auf kriegsähnliche Belastungen zurück, wie sie in Zivilberufen typischerweise nicht vorkommen.
Diese Regelung erklärt sich daraus, dass Krankheiten regelmäßig nicht auf ein äußeres Ereignis zurückgeführt werden können, sondern sich aufgrund vielfältiger Einflüsse entwickeln. Als Mitursachen kommen persönliche Lebensweise, Erbanlagen, Störungen während der Entwicklungsphase, private Unfälle, Umwelteinflüsse und anderes in Frage. Ob eine Krankheit auf bestimmte Einwirkungen zurückzuführen ist, denen ein Wehrpflichtiger oder Wehrdienstleistender ausgesetzt war, ist daher in der Regel nicht allein mit Hilfe medizinischer Sachverständiger im Einzelfall feststellbar. Vielmehr kann nur nach statistischen Grundsätzen festgestellt werden, ob die Erkrankungsgefahr durch solche Einflüsse erhöht worden ist. Wegen der Vielfalt möglicher Ursachen und der nicht uneingeschränkten Leistungsfähigkeit auch der medizinischen Wissenschaft kann dies nur allgemein entschieden werden. Eine solche allgemeine Antwort hat der Gesetzgeber für das Gebiet des Berufskrankheitenrechts mit der BKV gegeben. Darin sind die Ergebnisse der wissenschaftlichen Untersuchungen im Bereich der Berufskrankheiten eingeflossen, wonach bestimmte Tätigkeiten im Arbeitsleben in auffallender Weise mit Erkrankungen verbunden sind (vgl. Bayerisches LSG, Urteil vom 27. Juni 2006, L 15 VS 12/98, zitiert nach Juris; BSG SozR 3-3200 § 81 Nr. 3).
Für die vom Kläger geltend gemachten Strahlenschäden ist vorliegend die BK 2402 "Erkrankungen durch ionisierende Strahlen" einschlägig (siehe auch BdR S. 107 unten). Durch die unbestimmte Bezeichnung von Berufskrankheiten als "Erkrankungen durch ..." will der Verordnungsgeber alle denkbaren Krankheiten zu Berufskrankheiten erklären, die nach den fortschreitenden Erfahrungen der medizinischen Wissenschaft ursächlich auf die genannten Einwirkungen zurückzuführen sind, ohne dass weitere Einschränkungen gemacht werden (BSG, Urteil vom 27. Juni 2000, B 2 U 29/99 R, zitiert nach Juris).
Die Anerkennung der BK 2402 setzt, wie sich aus dem Anhang 2 zum Merkblatt für die ärztliche Untersuchung zu Nr. 2402 Anlage 1 BeKV (Mehrtens/Brandenburg, Die Berufskrankheitenverordnung, M 2402 Seite 6 c ff) ergibt, den Nachweis einer entsprechenden Strahlendosis durch Ganz- oder Teilkörperbestrahlung, Kontamination oder Inkorporation voraus. An sich müsste eine Anerkennung der BK 2402 bereits hier als gescheitert angesehen werden, da die konkrete Strahlenbelastung des Klägers nicht nachgewiesen ist. Fest steht lediglich, in welchem Zeitraum er dem Risiko einer Strahlenexposition durch seine Tätigkeit an FLGen ausgesetzt war. Es handelt sich um die Zeit von Juli 1962 bis September 1963, also ca. 15 Monate. In dieser Zeit war der Kläger nach seinen Angaben bei der stabsärztlichen Untersuchung im November 2001 ca. sechs Stunden täglich an einem FLG beschäftigt. Die vom Kläger in den Mittelpunkt seines Vorbringens gerückten Hilfeleistungen bei der Wartung der FLGe müssen zwangsläufig einen geringeren zeitlichen Umfang gehabt haben. Für die Ermittlung der Strahlendosis ist der Zeitraum jedoch nur eine Komponente. In welchem Umfang der Kläger in diesem Zeitraum Strahlungen ausgesetzt war, lässt sich aufgrund des Fehlens von ausreichenden Messwerten, Unsicherheiten hinsichtlich des benutzten Gerätetyps und der Ausgestaltung der konkreten Tätigkeit heute nicht mehr bestimmen. Im BdR wird überzeugend nach Auswertung umfangreichen Datenmaterials hinsichtlich der Röntgenstörstrahlung ausgeführt, dass für die Zeit vor 1976 wegen unzureichender Messwerte eine sinnvolle obere Dosisabschätzung nicht möglich erscheint (BdR S. 31). Weitere wissenschaftliche Untersuchungen auf diesem Gebiet wurden nicht für erfolgversprechend erachtet (BdR S. 140). Dieser Auffassung schließt sich der Senat an. Ähnliches gilt nach dem BdR auch für die Strahlenbelastung durch die Inkorporation von Leuchtfarben und durch die Exposition gegenüber HF-Strahlung.
Entgegen der Auffassung des SG stellen die von Seiten der Bundeswehr gerade in der Phase 1 unterlassenen Beobachtungen und Dokumentationen der Strahlenbelastung keine Rechtfertigung für eine Umkehr der Beweislast dar. Dies kann aus dem vom SG zur Stützung seiner Auffassung herangezogenen Urteil des BSG vom 26. Februar 1992 (9a RV 4/91, zitiert nach Juris) nicht hergeleitet werden. Der Eintritt einer Beweislastumkehr wurde in dieser Entscheidung nur für den Fall angedeutet, dass eine planmäßige Unklarheit wie bei einer Beweisvereitelung, beispielsweise wenn einzelne beweiserhebliche Tatsachen im Staatsinteresse geheim gehalten werden müssen, vorliegt. Zwar wird im BdR in der Tat darauf hingewiesen, dass in der Phase 1 trotz grundsätzlich vorhandener Kenntnis von Röntgenstörstrahlung leistungsfähiger Radarsender nicht in größerem Umfang Messungen der Ortsdosisleistung und darauf basierend Abschätzungen möglicher Arbeitsplatzexpositionen vorgenommen wurden. Erst nach alarmierenden Messungen an einem in der Marine eingesetzten Radargerät wurden in der Phase 2 bei steigendem Problembewusstsein nach und nach systematische Messungen durchgeführt. Aufgrund dieser systematischen Messungen kann nach dem BdR in Phase 3 vom Bestehen eines adäquaten Strahlenschutzes ausgegangen werden (BdR S. 130 f.). Aus dieser Beschreibung kann sicher im Nachhinein auf Unzulänglichkeiten im Umgang mit Strahlenquellen geschlossen werden. Von einer planmäßig herbeigeführten Unklarheit kann jedoch nicht ausgegangen werden. Dem BdR können auch keine Hinweise entnommen werden, dass Messergebnisse etc. geheim gehalten werden. Eine Beweislastumkehr kommt daher nicht in Betracht (s. auch OLG Köln, Urteil vom 23. Juni 2006 (s.o.), in einem Prozess um Schadensersatz und Schmerzensgeld bei einem ähnlich gelagerten Sachverhalt).
Die Situation, dass potentielle Strahlenopfer nicht zu entschädigen waren, da sie die objektive Beweislast für die Schädigung tragen, wurde allerdings zu Recht als unbefriedigend erlebt. Dies galt umso mehr, als gerade für die länger zurückliegenden Zeiten mangels entsprechender Schutzvorschriften von einem erhöhten Strahlenrisiko ausgegangen werden kann (BdR S. 31). Ungeachtet seiner Ablehnung einer Beweislastumkehr hält es der Senat daher für angemessen, zu Gunsten des Klägers von einer Beweiserleichterung auszugehen. Er stützt sich dabei gerade auf das Urteil des BSG vom 26. Februar 1992 (9a RV 4/91, a.a.O.), in dem vornehmlich nicht auf die Beweislastumkehr, sondern auf die Möglichkeit des Anscheinsbeweises, der Berücksichtigung von Billigkeitsgesichtspunkten bei der Beweiswürdigung in Fällen der Beweisnot und eine Beweiserleichterung bei Nachweis einer allgemeinen Gefährlichkeit von Verrichtungen eingegangen wurde. Vor diesem Hintergrund ist die Einberufung der Radarkommission zu sehen, die auf Anregung des Verteidigungsausschusses des Deutschen Bundestages als Expertenkommission zur Frage der Gefährdung durch Strahlung in früheren Radareinrichtungen der Bundeswehr und der Nationalen Volksarmee eingesetzt wurde, um die früheren Arbeitsplatzverhältnisse aufzuklären, eine Expertise zu Belastungswerten abzugeben, neue wissenschaftliche Erkenntnisse aufzubereiten, den gegenwärtigen wissenschaftlichen Sachstand festzustellen und die versorgungsmedizinischen Aspekte von Strahlenschäden zu untersuchen (BdR Seite 1). Im BdR werden gerade für den Zeitraum, für den keine ausreichende Datenlage hinsichtlich der Strahlenbelastung vorliegt, Empfehlungen abgegeben, in welchen Fällen eine Schädigung anerkannt werden sollte. Im BdR werden hierzu die Begriffe "qualifizierende Krankheiten" (beispielsweise VIII) und "qualifizierende Tätigkeiten" (beispielsweise S. 138) genannt. Allerdings darf der BdR nicht so verstanden werden, dass beim Vorliegen einer qualifizierenden Krankheit oder einer qualifizierenden Tätigkeit stets eine Anerkennung auszusprechen wäre. Nach Überzeugung des Senats sollen die Empfehlungen des BdR allein über den fehlenden Nachweis einer ausreichenden Strahlenexposition "hinweg helfen". Der BdR ersetzt nicht die gleichwohl hinsichtlich der übrigen Anspruchsvoraussetzungen notwendige Einzelfallprüfung. So wird auch im BdR S. 110 betont, im Einzelfall sei zu berücksichtigen, dass andere Noxen und/oder bestehende Gesundheitsrisiken (allgemein konkurrierende Faktoren) Ursache der Erkrankung sein könnten.
Ferner werden im BdR Diagnosen, Zustände oder Beschwerdenäußerungen aufgezählt, die wegen fehlender wissenschaftlicher Grundlagen als nicht strahlenbedingt anzusehen sind (S. 109/110).
Obwohl der BdR auf dem Wissen und den Erkenntnissen von 17 Experten beruht, sieht der Senat darin kein antizipiertes Sachverständigengutachten, dessen Ergebnisse nunmehr weitgehend unkritisch zu übernehmen wären (a.A. SG Landshut, Urteil vom 5. Dezember 2007, S 12 VS 12/02, zitiert nach Sozialgerichtsbarkeit.de; zumindest teilweise a.A. LSG Niedersachsen-Bremen, Urteil vom 13. Februar 2008, L 5 VS 11/05, zitiert nach Juris). Neben der auf wissenschaftlicher Grundlage erfolgten Erstellung durch ein Fachgremium setzt die Anerkennung als antizipiertes Sachverständigengutachten voraus, dass es immer wiederkehrend angewandt und von Gutachtern, Verwaltungsbehörden, Versicherungsträgern, Gerichten sowie Betroffenen anerkannt und akzeptiert wird. In der Regel geht dem eine jahrzehntelange Entwicklung voraus und betrifft eine große Zahl heranzuziehender Fälle (BSG, Urteil vom 2. Mai 2001, B 2 U 24/00 R, zitiert nach Juris). Der BdR wurde nicht aufgrund einer jahrzehntelangen Entwicklung, sondern aufgrund eines akuten Handlungsbedarfs - eher als Momentaufnahme - erstellt. Im Hintergrund standen ca. 1.750 Antragsverfahren wegen Strahlenschäden (BdR S. 106), so dass hier - z.B. verglichen mit dem Anwendungsbereich des "Königsteiner Merkblatts" zur Bewertung von Hörverlusten - von keinem zahlenmäßig großen Anwendungsbereich ausgegangen werden kann. Zwar wurde der BdR in zwei sozialgerichtlichen Entscheidungen (s.o. SG Landshut und LSG Niedersachsen-Bremen) zumindest teilweise als antizipiertes Sachverständigengutachten gewertet, eine breite Auseinandersetzung und Akzeptanz in der Rechtsprechung ist für den Senat jedoch nicht ersichtlich. Soweit bekannt wird der BdR auch nicht von den Versicherungsträgern als antizipiertes Sachverständigengutachten gesehen. Aus der ZdW des Instituts für Strahlenschutz geht dies jedenfalls nicht hervor. Dort wird unter dem Stichwort "Allgemeine Diskussion (Zusammenfassung)" vielmehr darauf hingewiesen, der BdR sei nicht einmal von den Kommissionsmitgliedern als antizipiertes Gutachten gesehen worden. Die vom BMA und vom BMVg bekundete Umsetzung des BdR gibt diesem aus Sicht des Senats nicht die Qualität eines antizipierten Sachverständigengutachtens. Dies gilt umso mehr, als sich dem Senat im vorliegenden Verfahren der Eindruck aufdrängt, dass die nachgeordneten Behörden, soweit sie vom Inhalt des BdR nicht überzeugt sind, was im Falle der Erkrankung an Hodenkrebs der Fall zu sein scheint (s. das Schreiben der Abteilung PSZ - SdB Radar - vom 2. Dezember 2003), eine Umsetzung, wenn auch verdeckt, verweigern. Verdeckt insoweit, als der Hodenkrebs als qualifizierende Erkrankung vom Beklagten nur beiläufig im Schreiben vom 1. Juni 2006 unter Hinweis auf das Schreiben vom 2. Dezember 2003 (s. eben) in Frage gestellt, von der Beigeladenen als solche anerkannt und die Ablehnung des klägerischen Begehrens ausdrücklich nur auf verschiedene Vermutungen und Unterstellungen hinsichtlich seiner konkreten Tätigkeit gestützt wird.
Bei dem BdR handelt es sich vielmehr um ein gutachtliche Äußerung, die neben anderen wissenschaftlichen Meinungsäußerungen steht. Er nimmt aufgrund der zahlreich beteiligten Experten sicher eine herausragende Stellung ein (so auch RBSG B., ZdW M). Wie jedes andere Gutachten ist er jedoch auf seine Schlüssigkeit und auf die Überzeugungskraft im Vergleich zu anderen Meinungen zu überprüfen.
Der Senat konnte sich keine Überzeugung davon verschaffen, dass die Hodenkrebserkrankung des Klägers hinreichend wahrscheinlich auf eine Strahlenbelastung des Klägers während seiner Tätigkeit bei der Bundeswehr zurückzuführen ist.
Für den Senat steht fest, dass der Kläger im Jahr 1974 an Krebs am linken Hoden erkrankte. Es handelte sich um ein Seminom, einen germinativen, d.h. von den Keimzellen ausgehenden, Hodentumor. Dies ist die häufigste Hodentumorform mit einem Maximum zwischen dem 30. und 50. Lebensjahr. Die Ursachen von Hodentumoren sind im Allgemeinen unbekannt, bei einem Hodenhochstand wird von einem höheren Erkrankungsrisiko ausgegangen (Pschyrembel, Klinisches Wörterbuch, 261. Auflage, S. 827). Das Auftreten und die Form der Erkrankung sind durch den Arztbrief von Dr. L. (Chefarzt der Abteilung Pathologie der Krankenanstalten des Landkreises L.) vom 29. Juli 1974, den Arztbrief von Dr. B. (Röntgeninstitut des K. S.) vom 5. August 1974 und den Arztbrief des Dr. B. vom 12. August 1974, in denen durchgängig von einem Seminom des linken Hodens die Rede ist, nachgewiesen.
Der Kläger hat während seines Dienstes bei der Bundeswehr in der sog. Phase 1 (die Zeit bis in das Jahr 1975) eine qualifizierende Tätigkeit im Sinne des BdR ausgeübt - insoweit kommt aus Sicht des Senats vor dem Hintergrund der schlechten Rekonstruierbarkeit und der ausgeschlossenen exakten Dosisbestimmung die angesprochene Beweiserleichterung zum Tragen. Denn im BdR werden nicht nur die Tätigkeiten als Techniker/Mechaniker, sondern auch als Bediener (Operator) als qualifizierend angesehen (BdR S. 135). Die in der Aktenverfügung des BMVg vom 7. September 2004 vorgenommene Einschränkung, die Tätigkeiten als Bediener/Operatoren seien nur dann qualifizierend, wenn diese die Radartechniker nicht nur gelegentlich direkt am geöffneten und in Betrieb befindlichen Radargerät (Sendeschrank) unterstützt hätten, findet sich im BdR zwar nicht ausdrücklich, ist aber darin durchaus angedeutet (BdR S. 44). Die reine Bedienertätigkeit würde im Übrigen auch die Voraussetzungen erfüllen, bei deren Vorliegen es auch im BdR für zulässig erachtet wird, eine Anerkennung auszuschließen. Dies wurde vorgeschlagen, wenn am abgeschlossenen Gerät auftretende Ortsdosisleistungen einen Wert von 5 µSv/h nicht überschreiten konnten (BdR S. 137). Davon kann nach dem Deisswil-TB ausgegangen werden, da am leistungsstärksten Gerät Deisswill VII B bei geschlossenem Gerät keine Werte der Ortsdosisleistung über 0,2 µSv/h gemessen wurden (Deisswil-TB S. 7). Allerdings hat der Kläger stets vorgetragen, als Bediener die Instandsetzungsdienste unterstützt zu haben. Dies entspricht den Erkenntnissen der Kommission, die Anlass gaben, die Bediener in die qualifizierenden Tätigkeiten einzubeziehen (BdR S. 44). Der Senat sieht keine Veranlassung, an den damit übereinstimmenden Angaben des Klägers zu zweifeln. Diese Angaben stehen zudem im Einklang mit Erkenntnissen, die das SG Landshut in einem ähnlich gelagerten Fall durch Zeugenbefragungen und Einholung von Auskünften gewonnen hat (SG Landshut, Urteil vom 5. Dezember 2007, a.a.O.). Das SG ging ebenfalls davon aus, dass Bediener an FLGen bei Reparaturen assistierten und dass die Geräte durchaus störanfällig waren, andererseits stets einsetzbar sein sollten. Die Auffassung in der Aktenverfügung des Verteidigungsministeriums vom 7. September 2004, dass die FLGe bei ausgebauten "Innereien" nicht eingeschaltet gewesen sein konnten, wird durch den Deisswill-TB widerlegt. Danach ist zwischen den Tätigkeiten der Instandsetzungsdienste und der Instandsetzungstruppen zu unterscheiden. Letztere verfügten über eine Adapterausstattung, die es ermöglichte, Baugruppen zur Instandsetzung aus dem Rüstsatz herauszunehmen und über verlängerte Kabel weiter zu betreiben (Deisswil-TB S. 12). Für die Instandsetzungsdienste wurde von einer monatlichen Aufenthaltsdauer am offenen Richtgerät mit aktiven Sender im Umfang von 12 Stunden, für die Instandsetzungstruppe im Umfang von 20 Stunden ausgegangen (Deisswil-TB S. 12). Bestätigt wird das Vorbringen der Beigeladenen insoweit, dass als exponierte Körperbereiche bei einer Einbauhöhe der maßgeblichen Störstrahler von 130 cm die Hände und der Körperstamm genannt werden.
Zusammenfassend ergibt sich für den Senat, dass der Kläger im Wesentlichen eine Tätigkeit ausgeübt hat, die kein relevantes Strahlenrisiko mit sich brachte. Denn der Kläger war vornehmlich Bediener und hat die Instandsetzungsdienste und –truppen nur wenn nötig unterstützt. Allerdings kann davon ausgegangen werden, dass es zu diesen Unterstützungshandlungen gekommen ist und dass dabei ein Gefährdungspotential bestand - aus diesem Grund wurde die Bedienertätigkeit als qualifizierende Tätigkeit im BdR angesehen. Jedoch spricht viel dafür, dass bei den Unterstützertätigkeiten die Geräte nur zum Teil eingeschaltet waren. Ferner spricht einiges dafür, dass der Unterleib der Bediener hinsichtlich des Auftretens von Röntgenstörstrahlen nicht primär gefährdet war. Eine gleichwohl mögliche Strahlenbelastung kann bei dieser Sachlage aus Sicht des Senats allerdings nicht ausgeschlossen werden. Das Ausmaß lässt sich indes nicht mehr sicher rekonstruieren. Das Strahlenrisiko war im Vergleich zu den Mitarbeitern der Instandsetzungsdienste und –truppen sicher geringer.
Das Seminom des Klägers wurde - vom medizinischen Standpunkt betrachtet - nicht hinreichend wahrscheinlich durch HF-Strahlung verursacht. Nach dem BdR (BdR S. 108 und 134) ist nach heutiger Erkenntnis nur die Wärmewirkung von Bedeutung, die bei hohen Dosen zu einer Trübung der Augenlinse (Katarakt) führen kann. Auch in der unfallmedizinischen Literatur wird bestätigt, dass zur Verursachung von Tumorerkrankungen vor allem beim Betrieb von Radaranlagen nach Mitteilung des BMA derzeit keine neuen medizinisch-wissenschaftlichen Erkenntnisse im Sinne des § 9 Siebtes Buch Sozialgesetzbuch (SGB VII) vorliegen (Schönberger/Mehrtens/Valentin, Arbeitsunfall und Berufskrankheit, 7. Aufl., S. 1273).
Im BdR wird noch auf zwei Studien hingewiesen, in denen ein Zusammenhang zwischen der Exposition gegenüber elektromagnetischen Feldern und Hodentumoren erwähnt wurde. Ein statistisch signifikant erhöhtes Risiko wurde nur für Nichtseminome beschrieben. Aufgrund methodischer Probleme sah sich die Kommission nicht in der Lage, aufgrund dieser Studien einen kausalen Zusammenhang zu bestätigen oder auszuschließen (BdR S. 104). Generell wies die Kommission auf eine Reihe von Problemen in der Beurteilung epidemiologischer Studien zum Zusammenhang zwischen elektromagnetischen Feldern und Malignomen hin (BdR S. 92).
Das als maligner Tumor aufgetretene Seminom wurde auch nicht hinreichend wahrscheinlich durch ionisierende Strahlung (Röntgenstörstrahlung) verursacht. Zwar werden im BdR als qualifizierende Krankheiten alle malignen Tumore mit Ausnahme der Chronisch Lymphatischen Leukämie genannt. Diese Zuordnung überzeugt jedoch nicht. Sie findet weder im BdR selbst eine hinreichende Stütze, noch entspricht sie dem derzeitigen Erkenntnisstand, wie er u.a. in der unfallmedizinischen Literatur wiedergegeben wird.
Bei der ionisierenden Strahlung werden im Bezug auf die menschliche Gesundheit deterministische und stochastische Strahlenwirkungen unterschieden. Deterministische Strahlenwirkungen treten relativ früh nach der Exposition auf und sind in der Regel mit einer Fehlfunktion oder dem Verlust der Gewebefunktion in den bestrahlten Organen verbunden. Voraussetzung ist die Überschreitung einer bestimmten Schwellendosis. Zu den auf deterministische Effekte strahlenempfindlichen Geweben gehören diejenigen, die ständig auf einen Zellnachschub angewiesen sind, wie die männlichen Geschlechtsorgane. Charakteristische deterministische Strahlenwirkungen sind insoweit jedoch nicht Hodentumore, sondern die Sterilität (BdR. S. 72 f.). Mithin steht hier eine deterministische Strahlenwirkung nicht im Raum.
Die stochastische Strahlenwirkung geht von strahlenbedingten Veränderungen in der Erbsubstanz von Körper- oder Keimzellen aus, die zu keiner Inaktivierung der Zellen führen. In Abhängigkeit von der Art der betroffenen Zellen können als Folge einer Bestrahlung Krebs, Leukämie oder ein vererbbarer Schaden ausgelöst werden (BdR S. 73). Es wird davon ausgegangen, dass es für stochastische Strahlenwirkungen keine Schwellendosis gibt und dass die Wahrscheinlichkeit einer Erkrankung proportional zur Strahlendosis ist - diese plausible Hypothese ist jedoch nicht bewiesen (BdR S. 62). Gegen sie spricht, dass in Gebieten mit erhöhter Hintergrundstrahlenexposition keine statistisch signifikante Erhöhung des Tumorrisikos nachweisbar ist (Müller in ZdW F). Strahlenbedingte und spontane Erkrankungen an Krebs lassen sich im Erscheinungsbild nicht unterscheiden (BdR S. 73). Es gibt keinen "Marker", anhand dessen sich erkennen ließe, dass ein Tumor durch Strahlung ausgelöst wurde (Müller in ZdW F). Das Auftreten der Strahlenwirkungen kann oft erst Jahre oder auch Jahrzehnte nach einer Bestrahlung mit Hilfe statistischer Methoden dadurch festgestellt werden, dass Krebserkrankungen bei bestrahlten häufiger als bei unbestrahlten Personengruppen vorkommen. Die Bezeichnung "stochastisch" hebt für diese Strahlenwirkung den zugrundeliegenden Zufallscharakter hervor, d.h. eine Zuordnung im Einzelfall ist nicht möglich und es können nur Wahrscheinlichkeiten mit Hilfe statistischer Verfahren abgeschätzt werden (BdR S. 73).
Aufgrund von Erfahrungen bei diagnostischen Röntgenuntersuchungen wird der Laie in diesem Zusammenhang von einer besonders hohen Empfindlichkeit der Gonaden auf Strahlenwirkungen ausgehen. Schließlich werden dabei Sicherheitsvorkehrungen durch entsprechende Bleischürzen getroffen. Diese Laiensicht wird im BdR durchaus bestätigt. In der darin wiedergegebenen Tabelle der Gewebe/Organwichtungsfaktoren, die die Empfindlichkeit des jeweiligen Gewebes bzw. der jeweiligen Organe zeigen, nehmen die Gonaden mit 0,20 die oberste Position ein (zum Vergleich: die Leber 0,05). Die starke Wichtung der Gonaden beruht jedoch ausschließlich auf dem genetischen Risiko, d.h. der Möglichkeit einer strahleninduzierten Mutation in den Keimzellen, die zu Erbschädigungen bei der Nachkommenschaft führen kann. Sie gibt keinen Anhalt für die Tumorentstehung in den Geschlechtsorganen (BdR S. 64 f.).
Der Zeitpunkt des Auftretens der Krebserkrankung beim Kläger gibt keinen Hinweis auf einen Zusammenhang mit einer vorangegangenen Strahlenbelastung. Nach dem im BdR enthaltenen Balkendiagramm zu "Hodentumoren - Neuerkrankungshäufigkeit pro 100.000 Männer" aus dem Saarländischen Krebsregister ist die Inzidenzrate in der Altersgruppe der 30-34 jährigen Männer am höchsten (BdR S. 69). Der Kläger war im Erkrankungszeitpunkt 32 Jahre. Die Krankheit trat mithin in einem typischen Alter auf.
Auf der Grundlage epidemiologischer Studien wurden sog. Risikoschätzer für verschiedene Krebsarten/-lokalisationen in Hinsicht auf die karzinogene Wirkung ionisierender Strahlung (bezogen auf Inzidenz und Mortalität) ermittelt (s. Tabelle im BdR S. 76 und in ZdW G S. 4). Die Leukämie, der Schilddrüsen- und der Brustkrebs werden darin als häufig mit Strahlung assoziierte Tumoren genannt, für die gesicherte Risikoschätzer vorliegen. Für sieben weitere Tumorarten werden eine gelegentliche Assoziation mit Strahlung und valide Risikoschätzer angegeben. Eine dritte Gruppe von neun Tumorarten wird selten mit Strahlung assoziiert, für sie liegen nur unsichere Risikoschätzer vor. Der Hodenkrebs wird neben sieben anderen Tumoren nicht oder nur sporadisch mit Strahlung assoziiert, ein verlässlicher Risikoschätzer ist für ihn nicht bekannt. Zu dieser Gruppe gehört auch die Chronisch Lymphatische Leukämie, die im BdR als qualifizierende Erkrankung ausgeschlossen wurde (BdR S. 135). Der für den Hodenkrebs nicht bekannte Risikoschätzer und seine Zuordnung zu den nicht oder nur sporadisch mit ionisierender Strahlung assoziierten Tumoren sprechen deutlich gegen die Annahme einer hinreichenden stochastischen Wahrscheinlichkeit eines Ursachenzusammenhangs und damit gegen die vom BdR vorgeschlagene Einbeziehung unter die qualifizierenden Erkrankungen - denn der Ursachenzusammenhang ist demnach in hohem Maß zweifelhaft (so auch für den Nierenkrebs, der immerhin der Gruppe der selten mit Strahlung assoziierten Tumoren mit unsicherem Risikoschätzer zugeordnet wurde: OLG Köln, Urteil vom 23. Juni 2006, (s.o.)). Zum Hodenkrebs wird im BdR erläuternd ausgeführt, dass keine Studien zum Zusammenhang mit ionisierender Strahlung vorliegen (BdR S. 81). In der ZdW wird darauf hingewiesen, dass in keiner der bekannten epidemiologischen Studien eine signifikante Assoziation zwischen Strahlung und Hodenkrebs beschrieben wurde. Man habe daraus zum Teil die Schlussfolgerung gezogen, dass Hodengewebe vermutlich relativ insensitiv gegenüber der karzinogenen Wirkung ionisierender Strahlung sei (Zeeb in ZdW G, S. 13).
Von den der Kommission bekannten 1.736 Anträgen auf Anerkennung einer WDB wegen einer Strahlenexposition betrafen 1.070 Tumorerkrankungen, unter denen Hodenerkrankungen mit 235 Fällen den höchsten Anteil hatten. Diese Daten können jedoch nicht als Grundlage dienen, um Aussagen darüber zu machen, ob bestimmte Tumoren über- oder unterdurchschnittlich häufig auftreten. Hierzu fehlen Angaben über die zugrunde liegende Grundgesamtheit, zum Teil sind die Diagnosen nicht gesichert, es mangelt an Angaben über den Diagnosezeitpunkt, ferner bestehen Unklarheiten über den "Schädigungszeitraum". Der prozentuale Anteil einer Tumorart in den Anträgen ist allein nicht aussagekräftig. Ein Vergleich wäre nur möglich, wenn tatsächlich alle Tumoren erfasst werden und wenn zusätzlich die Größe und die Altersverteilung der zugrunde liegenden Population bekannt ist (BdR S. 106). Zu bedenken ist beispielsweise, dass Hodenkrebsfälle im Unterschied zu anderen Krebserkrankungen hauptsächlich bis zum 40. Lebensjahr auftreten (BdR S. 69 und 107).
Zutreffend wird im BdR ausgeführt, dass für den Bereich der BK 2402 die Anerkennung stochastischer Strahlenschäden durch die Verursachungswahrscheinlichkeit oder die sog. Verdopplungsdosis gewährleistet wird. Die Verursachungswahrscheinlichkeit gibt an, wie groß die Wahrscheinlichkeit ist, dass der aufgetretene Tumor durch die Strahlenexposition verursacht wurde. Eine Verursachungswahrscheinlichkeit von 50 % bedeutet, dass eine exponierte Person ein doppelt so hohes Risiko hat, zu erkranken wie eine nicht exponierte Person. Diese Verursachungswahrscheinlichkeit wird rechnerisch statistisch bestimmt, da im Einzelfall keine individuelle Unterscheidung von nicht strahlenbedingten stochastischen Schäden möglich ist (BdR S. 112). Eine Verursachungswahrscheinlichkeit von über 50 % ist erforderlich, um von einer hinreichenden Wahrscheinlichkeit eines Ursachenzusammenhangs ausgehen zu können.
Nach dem bislang Ausgeführten liegen für den Hodenkrebs keine Erkenntnisse vor, die auf eine Verursachungswahrscheinlichkeit von mindestens 50 % schließen ließen. Soweit die Kommission dennoch vorschlägt, Hodentumoren als qualifizierende Erkrankung anzuerkennen, überzeugt dies nicht. Die Kommission stützt sich dabei auf zusammenfassende Veröffentlichungen, in denen der Hodenkrebs nicht als Ausschlusskriterium genannt wird. In der neuesten Übersicht im UNSCEAR 2000-Bericht werde dazu zum einen auf die grundsätzliche radiogene Verursachung von Krebserkrankungen hingewiesen, zum anderen zwar die bisher fehlenden Häufungen bestimmter Krebsdiagnosen bemerkt. Dies beruhe jedoch zum Großteil auf statistischen Unsicherheiten und sollte deswegen nicht als absolutes Ausschlusskriterium gewertet werden (BdR S.113). Der pauschale Verweis auf die grundsätzlich karzinogene Wirkung von Strahlung ist aus Sicht des Senats jedoch ungenügend. Er steht im Widerspruch zu den Bemühungen, konkrete Aussagen zu einzelnen Tumorarten zu machen und spezifische Risikoschätzer zu ermitteln. Nachdem für einzelne Krebsarten solche Aussagen gemacht werden konnten, muss dies auch für den Hodenkrebs erwartet werden. Welche besonderen statistischen Unsicherheiten dem beim Hodenkrebs entgegenstehen, ist nicht nachvollziehbar.
Des Weiteren stützt sich die Kommission auf die Wertungen in einem US-amerikanischen Entschädigungsgesetz (Energy Employees Occupational Illness Compensation Program Act (EEOICPA)). In erster Linie unter Zugrundelegung epidemiologischer Untersuchungen an Überlebenden der Atombombenabwürfe auf Hiroshima und Nagasaki werden darin alle Krebsarten mit Ausnahme der Chronisch Lymphatischen Leukämie als durch ionisierende Strahlen verursachbar angesehen. Die Kommission bewertet dies als "vergleichsweise weitgehend". Zur Begründung sei auf die gesamte Unsicherheitsbandbreite für die Inzidenz in epidemiologischen Studien hingewiesen worden. Nach der statistischen Auswertung der Daten könnten auch für Krebserkrankungen, für die es bislang nicht möglich gewesen sei, statistisch signifikante Dosis-Wirkungs-Funktionen anzugeben (z.B. Hodentumor), Dosis-Wirkungs-Funktionen unter Berücksichtigung der Unsicherheiten ermittelt werden (BdR S. 120). Die Unsicherheiten der Eingangsdaten würden mit einem statistischen Programm nach dem "Monte-Carlo-Verfahren" errechnet, das die Kombination verschiedener Verteilungsfaktoren erlaube (BdR S. 121). Jedoch tauchen nur in einer der hierzu wiedergegebenen drei Tabellen für die Verursachungswahrscheinlichkeit Werte von über 50 % auf (BdR, Tabelle 8-2, S. 123). In den beiden anderen Tabellen (BdR, Tabelle 8-1, S. 123; Tabelle 8-2, S. 126) bleiben die Werte darunter.
Zu den Unterschieden in der Ermittlung der Verursachungswahrscheinlichkeiten aufgrund epidemiologischer Risikodaten weist die Kommission darauf hin, es könnten z.B. die deutschen radioepidemiologischen Tabellen entsprechend dem deutschen Berufskrankheitenrecht verwandt werden oder es könnte z.B. das amerikanische Verfahren zugrunde gelegt werden, bei dem nicht das mittlere Risiko bei der Ermittlung zum Tragen komme, sondern ein Perzentil der Risikoverteilung. Welches Verfahren gewählt werde, könne nicht durch wissenschaftliche Überlegungen entschieden werden, sondern sei letztlich eine politische Entscheidung. Es sollte aber für alle Betroffenen ein einheitliches Verfahren gelten (BdR S. 129).
In Abweichung zum Rundschreiben des BMA vom 13. Mai 2002, in dem u.a. Hodentumoren trotz der generellen Kanzerogenität als nicht für die Verursachung durch ionisierende Strahlen in Betracht kommend eingeordnet wurden, schlägt die Kommission die Einbeziehung wegen der epidemiologischen Unsicherheiten und in Übereinstimmung mit der US-amerikanischen Vorgehensweise im Rahmen des zweiten Prüfschritts einer Kannversorgung vor (BdR S. 128). Der Verweis auf die Unsicherheiten überzeugt den Senat - wie bereits ausgeführt - nicht. Die Übertragung der US-amerikanischen Vorgehensweise stellt auch kein tragfähiges Argument dar. Die Kommission räumt sinngemäß ein, dass das in den USA angewandte Verfahren zur Abschätzung der Verursachungswahrscheinlichkeit der bisherigen Vorgehensweise nach dem deutschen Berufskrankheitenrecht wissenschaftlich nicht überlegen ist (s. eben BdR S. 129). Der weitere - völlig gerechtfertigte - Hinweis der Kommission, bei allen Betroffenen sollte ein einheitliches Verfahren angewandt werden, zwingt aber aus Sicht des Senats dazu, auch bei der Beurteilung der sog. Radarstrahlenfälle der Bundeswehr die üblichen nationalen Maßstäbe anzuwenden - nach denen der Hodentumor nicht als stochastisch hinreichend wahrscheinlich auf Strahlenexpositionen zurückgeführt werden kann. Dies ist auch der gegenwärtige Kenntnisstand in der unfallmedizinischen Literatur (Schönberger/Mehrtens/Valentin, a.a.O.; S. 1254).
Der US-amerikanischen Vorgehensweise lag zudem ein ganz anderer politischer und rechtlicher Ansatz zugrunde. Mit den im BdR genannten Gesetzen (Radiation Exposure Compensation Act (RECA) und EEOICPA) wurde gezielt die Entschädigung der Folgen oberirdischer Atomwaffentests, der Beschäftigten in Uranbergwerken sowie von Angestellten in der Atomwaffenproduktion und auf Atomwaffentestgeländen geregelt. Die Entschädigung erfolgte jedenfalls im Rahmen des RECA durch festgelegte Zahlungsbeträge. Im Rahmen des EEOICPA war eine großzügige Beurteilung im Sinne der Antragssteller gewünscht (BdR S. 119 f.). Natürlich steht es dem deutschen Gesetzgeber - wie im BdR angedeutet (BdR S. 129) - frei, auch für die Bundeswehrangehörigen ähnliche Regelungen zu schaffen. Solange die Entschädigung jedoch nach dem allgemeinen Versorgungsrecht unter Beachtung der Maßstäbe der gesetzlichen Unfallversicherung erfolgt, bleibt ungeachtet der eingangs erfolgten Erwägungen zu den Beweiserleichterungen aus Gleichbehandlungsgründen kein Raum, Billigkeitsgesichtspunkten eine derart große Tragweite beizumessen. Die von der Kommission vorgenommene Einbeziehung des Hodentumors unter die qualifizierenden Erkrankungen nimmt eine insoweit notwendige politische Entscheidung vorweg.
Soweit Ministerialdirigent B. (Abteilung PSZ - SdB Radar -) im Schreiben vom 2. Dezember 2003 ausführt, in der Wissenschaft gehe man davon aus, dass bei Hodentumoren zwischen germinativen (Keimzell-)Tumoren und Stroma-Tumoren zu unterscheiden sei und nach der derzeitigen Lehrmeinung Strahlen bei der Entstehung von Keimzell-Tumoren keine Rolle spielten, jedoch bei Stroma-Tumoren Bedeutung hätten, kann dies anhand des BdR, der ZdW und der unfallmedizinischen Literatur (Schönberger/Mehrtens/Valentin, a.a.O., S. 1254) nicht nachvollzogen werden. Dem muss jedoch nicht weiter nachgegangen werden, da der Kläger nach dem histologisch-pathologischen Befund - wie oben ausgeführt - nicht an einem Stroma-Tumor, sondern an einem Keimzell-Tumor erkrankte. Im Übrigen führt Ministerialdirigent B. aus, die Radarkommission habe auf Nachfrage mitgeteilt, es sei grundsätzlich nicht auszuschließen, dass ionisierende Strahlung die Entwicklung von germinativen Tumoren beeinflussen könne. Belastbare Beweise hierfür gebe es aber nicht. Nach den hier anzuwenden Maßstäben reicht es aber gerade nicht aus, dass ein Zusammenhang grundsätzlich nicht ausgeschlossen werden kann, erforderlich wäre, dass mehr für als gegen einen Zusammenhang spricht.
Zusammenfassend kann nach den oben beschriebenen - bei der Anwendung des nationalen Rechts zu berücksichtigenden - statistischen Gesetzmäßigkeiten nicht festgestellt werden, dass durch Strahlenexpositionen die Gefahr, an Hodenkrebs zu erkranken, erheblich erhöht ist. Es gibt keine gesicherten Erkenntnisse, dass der Hodentumor durch ionisierende Strahlung verursacht werden kann (B. in ZdW M). Im Rahmen einer Einzelfallbeurteilung liegen keine Gesichtspunkte vor, die - im Sinne einer neben der Annahme einer qualifizierenden Tätigkeit weiteren Beweiserleichterung - von so überragender Bedeutung wären, um über diese fehlenden Erkenntnisse hinwegzugehen. Denn der Tumor trat in einem völlig typischen Lebensalter auf. Der Kläger war zwar nach Auffassung des Senats in seiner Tätigkeit als Bediener einem Strahlenrisiko ausgesetzt. Dieses Risiko war jedoch zeitlich gesehen auf unter zwei Jahre begrenzt und betraf zur Überzeugung des Senats nur den geringeren Teil seiner Tätigkeit. Von der Strahlenlokalisation spricht nicht mehr dafür als dagegen, dass die Hoden besonders betroffen waren. Entgegen vermutlich landläufiger Meinung ist nicht nachgewiesen, dass die Hoden im Hinblick auf die Entstehung von Tumoren besonders strahlensensitiv sind. Zwar wird nach dem gegenwärtigen Wissensstand davon ausgegangen, dass es bei stochastischen Strahlenschäden keine Schwellendosis gibt, gleichwohl wird mit zunehmender Dosis eine Erhöhung des Erkrankungsrisikos angenommen. Im Vergleich zu Mitarbeitern der Instandsetzungsdienste und –truppen waren das Strahlen- und damit auch das Erkrankungsrisiko, dem der Kläger ausgesetzt war, geringer.
Ein Versorgungsanspruch kommt auch unter dem Gesichtspunkt der sog. Kannversorgung nicht in Betracht. Nach § 81 Abs. 6 Satz 2 SVG kann mit Zustimmung des Bundesministers für Arbeit und Sozialordnung eine Gesundheitsstörung als Folge einer WDB anerkannt werden, wenn die zur Anerkennung dieser Gesundheitsstörung als Folge einer WDB erforderliche Wahrscheinlichkeit nur deshalb nicht gegeben ist, weil über die Ursache des festgestellten Leidens in der medizinischen Wissenschaft Ungewissheit besteht. Diese Voraussetzungen sind vorliegend nicht erfüllt. Denn zur Gewährung der Kannversorgung müssen nach nachvollziehbaren wissenschaftlichen Lehrmeinungen Erkenntnisse vorliegen, die für einen generellen, in der Regel durch statistische Erhebungen untermauerten Zusammenhang zwischen der Wehrdienstverrichtung bzw. den wehrdiensteigentümlichen Verhältnissen und der festgestellten Erkrankung sprechen. Es darf nicht nur eine theoretische Möglichkeit des Zusammenhangs bestehen, sondern vielmehr eine "gute Möglichkeit", die sich in der wissenschaftlichen Medizin nur noch nicht so zur allgemeinen Lehrmeinung verdichtet hat, dass von gesicherten Erkenntnissen gesprochen werden kann.
Wie bereits dargestellt, zeigt sich ein Zusammenhang zwischen einer Strahlenexposition und einer Hodentumorerkrankung gegenwärtig allenfalls als - bedenkt man den fehlenden Risikoschätzer (s.o.): unsichere - Möglichkeit. Angesichts des in der unfallmedizinischen Literatur (s.o.) erfolgten Ausschluss des Hodentumors aus dem Kreis der mit Wahrscheinlichkeit durch Strahlen verursachten Tumoren kann nicht davon ausgegangen werden, dass hier nur noch eine weitere Verdichtung der Lehrmeinungen fehlt, um von gesicherten Erkenntnissen zu sprechen.
Der Berufung war mithin stattzugeben, das Urteil des SG aufzuheben und die Klage abzuweisen.
Die Kostenentscheidung beruht auf § 193 SGG.
Zur Zulassung der Revision (§ 160 Abs. 2 SGG) bestand kein Anlass.